[Home]
Willkommen im Globalen Dorf /
64 Imago Zellen


Home
Neues
TestSeite
DorfTratsch

Suchen
Teilnehmer
Projekte

GartenPlan
DorfWiki
Bildung+Begegnung
DorfErneuerung
Dörfer
NeueArbeit
VideoBridge
VillageInnovationTalk


AlleOrdner
AlleSeiten
Hilfe

Einstellungen

SeiteÄndern







Veränderung (letzte Änderung) (Autor, Normalansicht)

Verändert: 1c1
audio -> https://cba.media/747603
audio -> https://cba.media/747603 oder gleich hier:

audio -> https://cba.media/747603 oder gleich hier: ˧

˧

Intro

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, hier meldet sich wieder einmal Franz Nahrada mit der Dezembersendung 2025 der Reihe Willkommen im Globalen Dorf. Diese Sendung ist insgesamt die 64. und die dritte seit dem Umzug auf Radio Helsinki. Für alle neu zuhörenden, es geht hier insgesamt um die enormen Potentiale der Verbindung von globaler Vernetzung einerseits und der Rückbesinnung aufs Lokale andererseits, wofür eben die Metapher und das scheinbare Oxymoron "Globales Dorf" steht ˧

Die Sendereihe insgesamt stellt in immer neuen Facetten die Potentiale dieser Verbindung dar, stellt die Frage was wäre, wenn wir willens und in der Lage wären, den Schub der Triebwerke umzukehren und statt einer von Geschäfts- und Machtinteressen getriebenen Globalisierung eine von tatsächlichen Lebensbedürfnissen Glokalisierung ins Werk zu setzen. ˧

Das heißt einerseits uns zu verankern an einem Ort, uns einerseits tief zu verbinden und zu verwurzeln in der Erde und ihrer physischen Lebendigkeit - und andererseits und gleichzeitig offen zu sein für das Gottesgeschenk eines globalen Wahrnehmungsapparates der uns "von einem Ende der Erde zum anderen sehen lässt", der es erlaubt jede gute und sinnvolle Idee von einem Moment auf den anderen mit der Welt zu teilen und überall fruchtbar zu machen, ja sogar die Potentiale von künstlicher Intelligenz und Automatisierung zunehmend nutzt, um uns bei der Lösung lokaler Probleme zu helfen. ˧

Für diese Vision steht das Wortdenkmal "Globale Dörfer", und diese Sendereihe hat sich zur Aufgabe gemacht dieses Wortdenkmal zum Begriff einer neuen planetaren Zivilisation weiterzuentwickeln, eines "Globus der Dörfer". ˧

Nur durch eine entschiedene Zuwendung zu einer radikalen Dezentralisierung kann die Welt aus der geopolitischen Falle entkommen, in der sie momentan gefangen ist und die den blanken Wahnsinn hervorgebracht hat, mit dem wir uns in der letzten Sendung ausgiebig beschäftigt haben, ein Wahnsinn der kurzfristig alle Bemühungen um sinnvolle Lösungen unserer mannigfachen Probleme torpediert und früher oder später konsequenterweise in einem weltzerstörenden Krieg enden muss. Ein Wahnsinn, der das offizielle Europa, unsere Regierungen, sogenannten Eliten und Medien miterfasst hat. Ein Strudel aus dem es scheinbar keinen Ausweg gibt. Aber eben nur scheinbar. Denn vor unseren Augen existiert auch bereits eine ganz andere Wirklichkeit. Es könnte sein, dass wir mitten in einer globalen Metamorphose stecken. Und das, dem wir uns zuwenden müssen, ist schon da. ˧

(Musik Ende) ˧

Die Globale Metamorphose

Die Metapher der Imago-Zellen stammt aus der Biologie, aber sie ist zutiefst politisch geworden. Aktive Menschen weltweit nutzen sie, um zu beschreiben, wie grundlegender Wandel geschieht – nicht durch einen großen, gewaltsamen Umsturz, sondern durch das geduldige Aufbauen von Alternativen. ˧

Stellt euch eine Raupe vor, die zur Puppe erstarrt ist. Sich innerlich auflöst. Ihr ganzer Körper wird zu einem einzigen Brei. Zelluläre Suppe. Chaos regiert . Aber inmitten dieses Breis gibt es Zellen, die die alten Immunzellen der Raupe angreifen und sagen: „Nein. Wir bauen jetzt Flügel.“ Diese Zellen heißen Imago-Zellen. Sie sind winzig. Sie werden zuerst vom alten Immunsystem der Raupe bekämpft, als wären sie Eindringlinge, Feinde. Und doch sind sie unaufhaltsam. Die ersten werden gefressen; dann entstehen neue. Sie vermehren sich, vernetzen sich zu Geweben, bilden neue Strukturen. Und schließlich entsteht aus dem scheinbaren Chaos: ein flugfähiges Wesen. ˧

Die Welt der Imperien, in der wir leben – die Nationalstaaten, die Konzerne, die Kriegsmaschinen – löst sich gerade auf - genauso wie die Raupe. Diese Welt frisst sich selbst. Supermächte rüsten auf und fordern Tribute. Wirtschaftsräume werden abgeschottet. Blöcke gebildet und zugleich Länder und Kulturen in ihrer Vielfalt und Eigenständigkeit bedroht. Wer nicht stark ist, wird geschluckt. Gekauft wird auf Pump, auch Menschen und Meinungen. Ein riesiger spürbarer Rückfall. Früher sagte man "Macht geht vor Recht". Heute heißt es: "Macht wird zu Recht". In vielen Jahrzehnten gewachsene Strukturen der Kooperation und des Respekts weichen der Überwachung und Kontrolle, die Hoffnung auf die Zukunft stirbt in zunehmender Rücksichtslosigkeit und Entsolidarisierung und Verarmung der Gesellschaft bei gleichzeitiger Beschwörung hohler Werte und frivoler Bereicherung der Wenigen. Und genau jetzt, in diesem Brei aus Ukraine-Krieg, Gaza-Völkermord, Klimakollaps und Sozialstaatsabbau, neuem Kalten Krieg und Wunderwaffenhysterie, entstehen überall auf dem Planeten Imago-Zellen. ˧

Zumeist unbemerkt von den großen Schlagzeilen der Medien entstehen überall auf dem Planeten neue Formen des Zusammenlebens. Dezentralisiert, solidarisch, vom Lokalen ausgehend und doch global vernetzt. ˧

Radikale Dezentralisierung bedeutet nicht Isolation oder Fragmentierung. Es geht darum, Macht auf die kleinstmögliche Ebene zu verlagern – dorthin, wo Menschen tatsächlich leben, atmen, ihre Kinder großziehen. Aber diese lokalen Einheiten müssen sich dann freiwillig vernetzen, Wissen teilen, sich gegenseitig unterstützen - bei Strafe des Untergangs. Diese Vernetzung kennt keine Grenzen, sie geht naturnotwendig ins Globale. Denn die Herausforderungen unserer Zeit lassen sich nicht mehr durch Nationalstaaten und schon gar nicht durch militärische Logik bewältigen, sondern nur durch globale Kooperation. ˧

Diese Vision steht im krassen Gegensatz zu den Trends unserer Zeit. Während Nationalismus und Großmachtpolitik wiederkehren, während Konzerne immer größer werden und Entscheidungen immer weiter weg von den Betroffenen getroffen werden, fragen die Verfechter:innen der Dezentralisierung: Was wäre, wenn wir es andersherum machen? Was wäre, wenn die kleinste Einheit – das Dorf, das Stadtviertel, die Bioregion – die größte Autonomie hätte? Und was wäre, wenn diese Einheiten dann freiwillig kooperieren würden, nicht weil sie müssen, sondern weil es klug ist? ˧

Die unabhängigen Regionen

Beginnen wir unsere Reise durch die Imagozellen der Welt mit dem größten und vielleicht überraschendsten Muster: den unabhängigen Regionen. Teile bestehender Staaten, die aus sich selbst heraus neue politische Realitäten schaffen – und damit zu Laboratorien einer post-nationalstaatlichen Ordnung werden. ˧

Christopher Alexander, der große Architekt des lebendigen menschlichen Habitats, schrieb, dass echte Gemeinschaft nur dann entstehen kann, wenn Regionen groß genug für Selbstorganisation und klein genug für menschliche Kontrolle“ sind. Keine Imperien, keine übergroßen Zentralstaaten – sondern lebendige, zusammenhängende Räume von vielleicht 1 bis 5 Millionen Menschen. Alexander zitiert den Urheber des Gedankens des "Europa der Regionen", Jean-Francois Gravier, der schon früh für die Beachtung bioregionaler natürlicher grenzen plädierte. Er betont, "daß unabhängige Regionen die natürlichen Nährböden für Sprache, Kultur, Brauchtum, Wirtschaft und Recht sind und daß jede Region gesondert und unabhängig genug sein sollte, die Kraft und die Vitalität ihrer Kultur zu bewahren". Die Regionen der Erde müssten "Distanz und Würde bewahren, um als Kulturen zu überleben" [1]. ˧

Im Idealfall bedeutet das auch einen hohen Grad an wirtschaftlich - technischer Selbstversorgung. So hat etwa die Stadt Hamburg 2021 beschlossen, die Stadtregion Hamburg durch dezentrale, digitale Fertigung und Kreislaufwirtschaft zu einer nachhaltigeren Stadt zu machen, die einen hohen Grad an Selbstversorgung erreicht. Das Fernziel der globalen Fab City Bewegung, dem sich Hamburg angeschlossen hat, ist es, bis zum Jahr 2054 eine Selbstversorgung von 50 % zu verwirklichen. Erreicht wird das durch Lokale Produktion, Kreislaufwirtschaft, Urban Farming und weltweite Open Source Zusammenarbeit bei digitalen Produktentwürfen. Die Idee ist, dass Designs global geteilt ("global vernetzt") und Produkte lokal hergestellt werden können ("lokal produziert"). [2] ˧

Anderswo auf diesem Erdball ist man weniger vorbereitet, doch dafür umso beherzter in diese planetare Zukunft gesprungen. Mitten in den Wirren des sysrischen Bürgerkrieges enstand Rojava – offiziell: die Autonome Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien. Bedroht von allen Seiten, und doch ein erstaunlich gut funktionierendes Gemeinwesen. Rojava basiert auf einem politischen Modell, das radikal dezentral ist: Demokratischer Konföderalismus, inspiriert von Abdullah Öcalan und letztlich von Murray Bookchin. Öcalan hatte dem alten leninistischen Staatsmodell abgeschworen und stattdessen auf ein Netzwerk von Gemeinden gesetzt, das sich selbst organisiert und gleichzeitig nach außen kooperiert, um zu überleben. Seine Merkmale sind: ˧

  • Basiseinheiten auf Nachbarschaftsebene (Kommunen mit 30 - 400 Menschen) ˧
  • geleitet durch Räte und Versammlungen, bottom-up (Stadtteil-/Dorfräte → Regionalräte → Volkskongress) ˧
  • Frauenparität in allen Entscheidungsorganen, also mindestens 40%, eigene Frauenverteidigungseinheiten (YPJ). ˧
  • multiethnische und multireligiöse Strukturen ˧
  • Gemeinwirtschaft statt Oligarchie ˧
  • Ökologische Orientierung ˧
Heute (im Dezember 2025) existiert die" Autonome Administration Nord- und Ostsyrien" trotz permanenter türkischer Invasionen immer noch, umfasst ein Gebiet von 50.000 Quadratkilometern mit nahezu 5 Millionen Menschen. Es gibt sogar eigene Universitäten (u.a. die Rojava-Universität und die feministische Jineolojî-Akademie [3]). ˧

Absurderweise ist immer noch das US-Militär der wichtigste aber zugleich unberechenbarste Garant und Partner der Selbstverwaltung, während das türkische Militär mit Drohnenangriffen die Infrastruktur in Schutt und Asche legt und sich ggemeinsam mit dem Kurdenstaat in Erbil auf eine Eroberung des Gebiets vorbereitet [4] Während islamistische Terrorzellen eine ständige Bedrohung darstellen, während der syrische Staat die Wiedereingliederung in seine Struktur und Armee fordert, während Israel seine Ambitionen ausweitet und der Iran dagegnzuhalten versucht, mit einem Wort während die geopolitische Lage beschissen ist, hat die Selbstverwaltung nicht nur schon seit 2012 überlebt sondern ist auch zu einer wichtigen inspirationsquelle für die ganze Welt geworden. ˧

Es gibt zum Beispiel ausgeprägte Parallelen zwischen der Praxis des demokratischen Konföderalismus in Rojava und der Zapatistischen Bewegung (EZLN) in Chiapas, Mexiko. Obwohl die Bewegungen historisch unabhängig voneinander entstanden, weisen ihre autonomen Selbstverwaltungsmodelle erhebliche Ähnlichkeiten auf. ˧

Beide Bewegungen entwickelten ihre alternativen Gesellschaftsmodelle aus einer marxistisch-leninistischen Tradition heraus und wandten sich schließlich staatsfernen, basisdemokratischen Prinzipien zu. ˧

Sowohl in Rojava als auch in den zapatistischen "Caracoles" (autonomen Gebieten) wird die Praxis der Selbstverwaltung durch lokale Räte und Versammlungen (Juntas de Buen Gobierno in Chiapas) umgesetzt, die von der Nachbarschaftsebene aufwärts operieren. ˧

Das Prinzip der direkten, partizipativen Demokratie steht im Mittelpunkt, wobei Entscheidungen von der Gemeinschaft getroffen werden. Rotation von Vertretern in Verwaltungspositionen ist üblich, um Machtkonzentration zu verhindern. ˧

Beide Bewegungen lehnen den Nationalstaat als Organisationsform ab und kritisieren das globale kapitalistische System frontal. Sie streben keine Machtübernahme auf nationaler Ebene an, sondern den Aufbau von Alternativen "von unten". Die Stärkung der Rechte und die aktive Beteiligung von Frauen sind in beiden Modellen von fundamentaler Bedeutung. Nachhaltigkeit und ein bewusster Umgang mit der Natur sind wesentliche Bestandteile der jeweiligen Philosophien. ˧

Trotz der vielen Gemeinsamkeiten gibt es Unterschiede, die sich aus den jeweiligen lokalen Gegebenheiten ergeben: ˧

  • Die Zapatisten in Chiapas legen großen Wert auf Selbstversorgung und minimieren den Handel mit der Außenwelt, um die Abhängigkeit vom kapitalistischen Markt zu verringern. Rojava hingegen ist Syriens "Kornkammer" und verfügt über Ölreserven, weshalb ein gewisser Handel mit externen Akteuren (auch dem syrischen Regime) notwendig ist, um die Bevölkerung zu versorgen. ˧
  • Auch die ethnische Zusammensetzung ist verschieden: Die zapatistische Bewegung ist primär eine indigene Bewegung, während Rojava multiethnischer geprägt ist und Kurden, Araber, Assyrer und andere Völker umfasst. ˧
  • Chiapas ist älter und kleiner: Enstanden als Reaktion auf Jahrzehnte der Unterdrückung der indigenen Bevölkerung, startete die EZLN einen bewaffneten Aufstand am 1. Januar 1994, am Tag, an dem das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) in Kraft trat. Das Datum wurde bewusst gewählt, da NAFTA aus Sicht der Zapatisten die Situation der indigenen Kleinbauern weiter verschlechtern würde, unter anderem durch die Abschaffung des verfassungsrechtlichen Schutzes von Gemeindeland (Artikel 27 der mexikanischen Verfassung). Das Selbstverwaltungsgebiet durch eine Kombination aus bewaffnetem Aufstand, politischem Widerstand, verhandlungen mit der mexikanischen Regierung und dem eigenständigen Aufbau alternativer Strukturen jenseits der staatlichen Autorität. 31 Jahre später (Stand 2025), leben etwa 400.000 Menschen in 43 autonomen Gemeinden. ˧
  • Natürlich ist auch in Chiapas nicht alles eitel Sonnenschein. Die autonomen Gemeinden sind arm. Der mexikanische Staat hat nie aufgehört, Druck auszuüben. Paramilitärische Gewalt und organisierte Kriminalität bedrohen die Gemeinden. Und doch: Nach über 30 Jahren existieren diese Strukturen noch immer. Sie haben sich sogar weiterentwickelt. 2023 kündigten die Zapatistas eine weitere Dezentralisierung an – weg von den mittleren Verwaltungsebenen, hin zu noch kleineren, noch lokaleren "Autonomen Lokalregierungen". ˧
Generell wird die Erfahrung von Chiapas oft als ein wichtiges Referenzmodell in der Diskussion um den demokratischen Konföderalismus gesehen, und es besteht ein spezielles gegenseitiges Solidaritätsverhältnis zwischen den 2 genannten Bewegungen, obwohl sie auf verschiedenen Kontinenten agieren. Lokale Bewegungen in Ecuador, Bolivien und Kolumbien beziehen sich oft auf das zapatistische Modell als erfolgreiches Beispiel für Widerstand "von unten". In Mexiko gibt es sehr viele indigene Gemeinden mit eigenständigen Formen von Selbstregierung und „usos y costumbres“. Allein im Bundesstaat Oaxaca werden offiziell über 400 der 570 Gemeinden nach usos y costumbres regiert. Legendär ist auch der Aufstand der Frauen von Cherán (Michoacán) im Jahr 2011. Ausgelöst wurde er durch massive illegale Abholzung, Gewalt und Kartellpräsenz. Cherán hat sich danach ein autonomes Selbstverwaltungssystem geschaffen, das sich ausdrücklich von politischen Parteien abgrenzt und sich auf indigene Gemeindestrukturen und Räte stützt; die Gemeinde gilt als Beispiel für indigene Autonomie und demokratische Selbstverwaltung jenseits klassischer Parteienlogik. Es gibt belastbare Angaben, dass Cherán mehrere tausend Hektar wieder aufgeforstet hat. Cherán gilt als Fall von stark gesunkener Gewalt und deutlich niedriger Kriminalität im Vergleich zur Zeit vor 2011. ˧

Aber auch viele kleine, lokale Projekte, die sich auf direkte Demokratie in Nachbarschaftsversammlungen, kollektive Landwirtschaft und alternative Wirtschaftsweisen konzentrieren, lassen sich von diesen Praktiken inspirieren, wobei die Modelle aus Chiapas und Rojava weniger als Blaupausen für eine 1:1-Übernahme in anderen Kontexten dienen, sondern vielmehr als Inspiration und Referenzpunkte für linke und autonome Bewegungen weltweit, die nach Alternativen zum Nationalstaat und Kapitalismus suchen. Wir sollten ihnen mehr Aufmerksamkeit widmen.[5] ˧

Solidarische Ökonomien

Gehen wir nun zu einem anderen Typ Imagozellen über. Nachdem wir die unabhängigen Regionen als ersten Typ von Imagozellen betrachtet haben – Räume, die politisch autonom funktionieren –, wenden wir uns nun einer zweiten Art von Keimzellen zu: kooperativen Ökonomien. ˧

Unser nächster Halt ist weniger dramatisch, aber vielleicht noch erstaunlicher: Das Baskenland in Spanien, die Stadt Mondragón. Hier steht keine bewaffnete Rebellion, sondern etwas, das auf den ersten Blick banal erscheint: Ein Unternehmen. Oder genauer: Ein Netzwerk von Genossenschaften, das Mondragon Corporation heißt und zu den größten Unternehmensgruppen Spaniens gehört. Über 70.000 Menschen arbeiten für Mondragon – in Fabriken, Supermärkten, Banken, Forschungszentren. Aber hier ist der Unterschied: Die meisten sind keine Angestellten, sondern EigentümerInnen. Hier geht es um etwas Grundlegendes: Wie organisieren Menschen ihre wirtschaftliche Existenz so, dass sie Würde, Teilhabe und Resilienz ermöglicht – statt Konkurrenz, Abhängigkeit und Ausbeutung? Diese Imagozellen entstehen innerhalb bestehender Staaten, aber sie bilden Inseln (und möglicherweise Keimformen) einer völlig anderen Logik. ˧

Mondragon wurde 1956 von einem katholischen Priester, José María Arizmendiarrieta, und fünf jungen Ingenieuren gegründet. Das Baskenland war damals arm, gezeichnet vom Bürgerkrieg. Die Idee: Warum sollten Arbeiter:innen für Kapitalist:innen arbeiten? Warum nicht ihre eigenen Unternehmen besitzen? Heute besteht Mondragon aus rund 80 Genossenschaften, mehr als 80.000 Beschäftigten, einer eigenen Genossenschaftsbank, einer eigenen Universität, Forschungszentren und internationalen Niederlassungen. Ihr Grundprinzip ist verblüffend einfach: Die Menschen gehören nicht den Unternehmen – die Unternehmen gehören den Menschen. ˧

Mondragón-Genossenschaften verlangen von neuen Mitgliedern eine substanzielle Kapitaleinlage, die typischerweise im Bereich mehrerer tausend Euro liegt, wobei diese über mehrere Jahre aus dem Gehalt finanziert werden können. In den Mondragón-Genossenschaften gilt das Prinzip „one person, one vote“: Mitglieder wählen Generalversammlungen und Gremien, die wiederum die Geschäftsführung bestimmen; damit haben alle Mitglieder formales Mitspracherecht, unabhängig von der Höhe ihres Kapitalkontos. Mehrere Quellen bestätigen, dass Mondragón historisch eine Obergrenze für das Verhältnis zwischen höchstem und niedrigstem Gehalt eingeführt hat; dieses Maximum wurde in den 1980ern auf etwa 6:1 festgelegt und wird bis heute oft als normativer Zielwert zitiert. Zum Vergleich: im spanischen Konzernbereich gelten Differenzen von 80:1 oder sogar 120:1 als normal. ˧

Mondragón ist eine Imagozelle, weil es zeigt: Eine industrialisierte, global aktive Wirtschaft kann demokratisch organisiert sein. Und: Kooperation kann produktiver sein als Konkurrenz. ˧

Unser zweites Beispiel führt uns an einen Ort, an dem man es vielleicht am wenigsten erwartet: Jackson, Mississippi. Eine der ärmsten Städte der Vereinigten Staaten, gezeichnet durch Rassismus, wirtschaftliche Vernachlässigung und politische Konflikte. ˧

Und genau dort entstand eines der visionärsten Projekte einer kooperativen Gemeinwohlökonomie: Cooperation Jackson. ˧

Gegründet aus der schwarzen Bürgerrechtsbewegung heraus, verfolgt das Projekt eine radikale Doppelstrategie: ˧

– Aufbau von Arbeiter-Genossenschaften, insbesondere in Bereichen wie 3D-Druck, Recycling, urbaner Landwirtschaft – Schaffung von Community Land Trusts, um Boden dem spekulativen Markt zu entziehen – Herausbildung von Nachbarschaftsdemokratien – Training in Selbstverwaltung und solidarischer Ökonomie – Aufbau eines „commons-basierten“ Technologie-Ökosystems. [6] ˧

Der große Plan – die sogenannte Jackson-Kush-Strategie – verbindet also ökonomische Selbstermächtigung mit politischer Basisorganisation. Es bewahrheitet sich, dass ohne eine geeignete Basis jeder politische Überbau zusammenbricht. ˧

Cooperation Jackson ist eine Imagozelle, weil es zeigt: Selbst in einem extrem feindlichen politischen Umfeld können kooperative Strukturen wachsen. Und weil es eine Lehre vermittelt, die für die Zukunft des Planeten entscheidend ist: Erst wenn Gemeinden ökonomische Kontrolle haben, können sie auch ökologische und soziale Verantwortung übernehmen und politisch etwas bewirken. ˧

Mondragón und Cooperation Jackson liegen geographisch und kulturell Welten auseinander – und doch formen sie dasselbe Muster: ˧

1. Demokratisches Eigentum Arbeitende Menschen kontrollieren ihre ökonomische Umgebung. ˧

2. Verankerung im Lokalen Der Wohlstand bleibt in der Region, statt abzufließen. ˧

3. Wissens- und Lerninfrastrukturen Universitäten, Trainingszentren, Selbstbildungsstrukturen. ˧

4. Solidarische Verteilung Resultate werden geteilt – nicht extrahiert. ˧

5. Netzwerkfähigkeit Kooperativen arbeiten miteinander, nicht gegeneinander. ˧

6. Resilienz gegen globale Schocks - Kooperation schafft Stabilität in Krisenzeiten. ˧

Zukunftslaboratorien

Ich möchte nun zum dritten Typus der Imagozellen weitergehen. Wenn wir über gesellschaftlichen Wandel sprechen, denken wir oft an Politik und Wirtschaft. Bereiche die wir grad mal ein wenig an der Oberfläche gestreift haben. Aber ein dritter Bereich ist mindestens ebenso entscheidend – vielleicht sogar grundlegender: die Orte, an denen Menschen Wissen teilen, experimentieren, forschen und sich selbst ermächtigen. Wenn wir über gesellschaftlichen Wandel sprechen, denken wir oft an Politik und Wirtschaft. Es sind aber zumeist weit unscheinbarere Räume, in denen neue soziale DNA entsteht: Lernorte, Makerspaces, offene Werkstätten, lokale Forschungslabore, multifunktionelle Begegnungsräume, Coworking Spaces, Neue Dorfmitten. Sie sind die Bildungs-Imagozellen des neuen Zeitalters. ˧

Beginnen wir mit einem Konzept, das eng mit den Globalen Dörfern verbunden ist und in dem ich persönlich sehr engagiert bin: Dorfuniversitäten – Lernorte, die nicht zentralisiert werden, sondern mit dem Alltag der Nachbarschaften, Gemeinden und Regionen ge- und verwachsen sein sollen. ˧

Eine Dorfuniversität verbindet vier Dimensionen: ˧

  • lokales Wissen (Handwerk, Landwirtschaft, Heilkunde, Tradition, Ökologie) ˧
  • globales Wissen (online-Austausch, Zugang zu Expertise) ˧
  • praktisches Experimentieren (Labore, Werkstätten, Prototypen) ˧
  • soziale Selbstorganisation (Lernzirkel, offene Seminare, Gemeindeforschung) ˧
Der Kern ist: Die Region wird selbst zum Forschungsfeld, zur Lernlandschaft, zum Zukunftsstudio. „Wir lernen nicht für Prüfungen. Wir lernen, um unsere Lebensräume zu verbessern.“ ˧

Dorfuniversitäten sind Imagozellen, weil sie das tun, was klassische Bildungssysteme kaum noch leisten: Sie verbinden Lokalität mit Weltwissen und wandeln Lernen in kollektive Handlungsfähigkeit um. Sie sind die logische nächste Entwicklungsstufe nach dem, was ich schon am Ende der letzten Sendung anschaulich beschrieben habe: Egal ob es um Reparaturcafés, gemeinschaftliche Selbstversorgergärten, Transitioninitiativen oder ähnliches geht: der Bedarf an gutem Wissen, das die lokale Handlungsfähigkeit steigert, wird immer größer. Orte des Lernens und gemeinsamen Tuns sind zudem auch Orte, an denen mit lokalen Ressourcen gearbeitet wird und zugleich globale Vernetzungen stattfinden. Ein ganz wesentlicher Sinn der globalen Vernetzung besteht darin, die bestmögliche - sprich regenerativste / effektivste - Verwendung lokaler "biosphärischer" Ressourcen zu erkennen. ˧

Ein zweiter Subtyp ist daher nicht mehr ganz trennscharf vom Lernort abzugrenzen, der MakerSpace. ˧

Wir haben in der Region Bad Radkersburg als DorfUni ein Projekt eingereicht, das eigentlich einer glüclichen Begegnung im vergangenen Sommer in Brünn bei der FabLab? Konferenz zu verdanken ist. Das FarmLab in Kölldorf bei Kapfenstein - in meiner unmittelbaren Nachbarschaft, aber mir vorher völlig uunbekannt - ist seit einigen Jahren Bestandteil der internationalen FabLab? Bewegung und hat zugleich eine stark regionale Ausrichtung. Die neuartige Kombination von diversen Werkstätten (Keramik, Textil, Holz- und Metallbearbeitung, 3D-Druck und vieles mehr) mit ans Internet angebundenen Räumen für interaktives und gemeinschaftliches Lernen über Videobrücken (wie wir sie sowohl für die "DorfUni" als auch für das "DorfKino" einsetzen) ist dort schon sehr weitgehend realisiert, aber im Bewusstsein der regionalen Bevölkerung noch so gut wie nicht vorhanden. Nur wenige wissen, welchen Schatz so ein an das Internationale Fab Lab Netzwerk angebundener Makerspace darstellt. ˧

Makerspaces sind Orte, an denen Menschen gemeinsam: ˧

  • 3D-Drucken, Lasercutten und zum beispiel Holz mit CNC Fräsen und anderen Werzeugen bearbeiten ˧
  • verschiedenste Elektronikgerätschaften bauen ˧
  • Möbel konstruieren, aber auch mit textilien / texturen oder keramisch experimentieren - mit Farben und Formen und Verfahren ˧
  • alles mögliche reparieren ˧
  • Computer programmieren ˧
  • tüfteln und Lösungen für reale Herausforderungen finden. ˧
Diese Orte sind mehr als Bastelräume. Sie sind Technologie-Demokratisierungs-Zentren. ˧

Drei ihrer Eigenschaften machen sie zu besonderen Imagozellen: ˧

1. Zugang statt Besitz: Teure Maschinen werden gemeinschaftlich genutzt. Experimentieren wird zur kulturellen Grundhaltung. ˧

2. Peer-to-Peer-Lernen: Nicht ein fixer Lehrplan, sondern gemeinsames Machen und das Meistern von Herausforderungen strukturiert das Wissen. ˧

3. Resilienz durch lokale Produktion: Sie sind kleine Fabriken der Zukunft – verteilt, flexibel, schnell. Sie können digitale baupläne in materielle Realität verwandeln, ˧

Obwohl MakerSpaces immer noch stark mit industriellen Innovationssystemen verknüft sind, etwa in Pittsburgh oder im Rust Belt in den USA, in manchen europäischen Ländern wie z.B. in Tschechien oder Frankreich und ganz besonders in Ostasien, in Ländern wie China, Südkorea oder Singapur, wo Zuwächse bei Hardware-Start-ups, Patentanmeldungen und technischen Gründungen in direktem Zusammenhang mit Maker-Programmen stehen, haben Makerspaces auch in peripheren Regionen – wie in Kerala (Indien) oder in Teilen Ghana's – begonnen, zu einem Faktor der lokalen Wirtschaft zu werden, Impulse für lokale Innovation, Entrepreneurship und praxisnahe Bildung zu geben. ˧

Motto: Wenn Menschen Zugang zu Werkzeugen bekommen, entsteht Kreativität.
Wenn Gemeinschaft Zugang bekommt, entsteht Zukunft. ˧

Ein dritter Typ dieses Spektrums sind civic innovation labs - Orte, an denen sich Bürgerinnen, Aktivistinnen, Designerinnen, Wissenschaftlerinnen und Verwaltungen treffen, um gemeinsam neue Lösungen zu entwickeln. ˧

Beispiele ˧

– Das „MindLab“ in Dänemark - eines der ersten public sector innovation labs weltweit, gegründet 2002 in Kopenhagen als cross-governmentale Einheit unter mehreren Ministerien (z. B. Wirtschaft, Arbeit, Bildung). Es nutzte Design-Thinking, Ethnografie und Co-Creation, um Bürger und Unternehmen in die Entwicklung öffentlicher Lösungen einzubinden, z. B. bei Abfallmanagement oder Gefängnisreformen. Das ist vielleicht deshalb bemerkenswert, weil auf vielen Ebenen das alte System seine strukturellen Grenzen erkennt und quasi selbst Imago-Zellen in die Welt setzt. Während man bei uns noch mit sogenannten Bürgerräten handwerkelt, die man mühsam mit aufwändigen statistischen Verfahren repräsentativ gestaltet, um zu irgendwelchen Entscheidungen zu gelangen, hat man anderswo schon frühzeitig erkannt, dass es primär eine Frage der Information, der Bildung und des Dialoges ist, will man zu guten Entscheidungen gelangen. Es kommt darauf an, die wesentlichen Stakeholder von Wandelprozessen qualitativ zu identifizieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, über längere Zeiträume und nicht nur an einigen Wochenenden sich in die Problematik tiefer einzuarbeiten. ˧

– „Seoul Innovation Bureau“ in Südkorea: Das Seoul Innovation Bureau (auch als Seoul Innovation Lab oder ähnlich bekannt) ist Teil der Stadtverwaltung Seouls und fördert civic tech, Urban Innovation und partizipative Projekte, z. B. durch Hacking Challenges, Citizen Labs und Co-Design von Smart-City-Lösungen. Es verbindet Bürger, Startups, Designer und Beamte für datenbasierte, bürgernahe Innovationen. ˧

– „Barcelona Digital Commons Lab“: Auch dieses Lab ist ein städtisches Projekt der Stadt Barcelona im Rahmen der "Barcelona Model" für commons-basierte Digitalisierung und partizipative Governance. Es entwickelt Open-Source-Tools, Daten-Commoning und kollaborative Plattformen mit Bürgern, Aktivisten und Tech-Communities, z. B. für dezentrale Datenökosysteme und digitale Souveränität. Es handelt sich nicht um ein einzelnes, formelles Labor, sondern vielmehr um ein Ökosystem, das partizipative Governance, Open-Source-Technologie, digitale Rechte und bürgergeführte Datenprojekte umfasst. Dieses Ökosystem zielt darauf ab, demokratische Innovation zu fördern und den Bürgern mehr Kontrolle über Daten und digitale Infrastruktur zu geben, oft im Gegensatz zu privaten Technologieunternehmen. Kernelementesind dabei: ˧

  • Das Canòdrom – ein Zentrum für digitale und demokratische Innovation: Ein physischer Raum und Gemeinschaftszentrum, das digitale Kultur und demokratische Innovation durch die Zusammenarbeit mit Bürgern, Organisationen und Forschern fördert. ˧
  • Die Decidim-Plattform: Eine in Barcelona entwickelte Open-Source-Software für Bürgerbeteiligung, die es den Bürgern ermöglicht, Vorschläge zu diskutieren, abzustimmen und Entscheidungen zu überwachen. ˧
  • Die Data Commons: Ein politisches Programm zur Förderung der Datenhoheit und des Datenschutzes, das es der Stadt ermöglicht, Daten demokratisch zu nutzen, um öffentliche Dienstleistungen zu verbessern und die Bürger zu stärken. ˧
  • außerdem gibt es Bottom-up-Initiativen wie Plattform-Genossenschaften und Civic Hacking, um digitale Dienste und Infrastruktur unter Einbeziehung und Kontrolle der Bürger zu entwickeln. Barcelona war eine führende Stadt in der Cities Coalition for Digital Rights, die sich für digitale Rechte einsetzte und ethische Rahmenbedingungen für eine datengesteuerte Gesellschaft schuf. ˧
Heute existieren Hunderte solcher Labs überall auf der Welt - und manche davon sind nach wir vor wegweisend und widersetzen sich dem Trend zu Autoritarismus und Zensur. ˧

Diese Labors verändern im besten fall die Demokratie auf subtile, aber tiefgreifende Weise: ˧

– sie experimentieren mit neuen Formen des Zusammenlebens – sie prototypisieren lokale Energie-, Mobilitäts- oder Pflegeprojekte – sie bringen Bürgerexpertise in die öffentliche Verwaltung – sie schaffen Räume für kollektive Intelligenz ˧

Und deshalb sind sie Imagozellen. ˧

Es gibt weitere interessante Entwicklungen, zum Beispiel auch im Bereich der Coworking Spaces. Quasi der vierte Subtyp. ˧

Coworking Spaces haben sich parallel zu Civic Innovation Labs weltweit als eigenständige soziale und wirtschaftliche Räume entwickelt, wobei sich der Fokus ähnlich auf Kollaboration, Innovation und gemeinschaftliche Nutzung von Ressourcen richtet. ˧

Die ersten Coworking Spaces entstanden Mitte der 2000er Jahre in Städten wie San Francisco, Berlin oder London, als Antwort auf den Bedarf von Freelancern, Startups und kleinen Teams nach flexiblen, gemeinschaftlichen Arbeitsumgebungen.​ ˧

Der Schwerpunkt lag auf räumlicher Infrastruktur, Netzwerken und oft informeller Zusammenarbeit; diese Räume förderten Entrepreneurship und kreative Kollaboration. ˧

Ab Mitte der 2010er wuchs die Coworking-Bewegung weltweit stark, mit immer professionellerer Ausstattung, Spezialisierungen (z.B. Tech-Hubs, Kreativstudios, soziale Innovation) und Integration digitaler Services.​ ˧

Coworking wurde zu einem wichtigen Faktor in urbaner Wirtschaftsförderung, Startup-Ökosystemen und zunehmend auch in Corporate Innovation und Verwaltung. ˧

Es gibt heute tausende Coworking Spaces weltweit, oft Teil umfassender Innovationsökosysteme; viele fokussieren bewusst Nachhaltigkeit, soziale Inklusion und hybride Arbeitsformen post-Covid.​ ˧

Digitale Vernetzung, besseres Community Management und globale Netzwerke (z.B. Spaces, WeWork?, lokale Initiativen) prägen die Weiterentwicklung, ebenso wie Coworking in ländlichen Regionen und im Open-Science- oder Open-Source-Kontext. ˧

Insgesamt spiegeln Coworking Spaces heute eine globale, diversifizierte Bewegung wider, die ähnlich dynamisch und verbreitet ist wie Civic Innovation Labs, mit breiten Impulsen für lokale Gemeinschaften und wirtschaftliche Innovation. ˧

Ein bedeutendes Coworking - Netzwerk mit einer starken Präsenz in Österreich sind die Impact Hubs. Auch hier zeichnen sich Seit 2022/2023 hat Impact Hub Vienna, beheimatet in der Lindengasse im 7.Bezirk, mehrere thematische Labs gegründet: Climate Lab für Klimaneutralität und Nachhaltigkeitskooperationen, Future Health Lab für Gesundheitsinnovationen sowie Impact Hub selbst als Kern für soziale Projekte. Eine Ausbreitung auf kleine Gemeinden wurde von Hub-Geschäftsführerin Alexis Eremia unlängst vorgestellt, wir sind im Gespräch darüber, was das konkret bedeutet. ˧

Ein ganz wichtiger neuer Subtyp hat sich in den letzten Jahren herausgebildet: mehr oder weniger professionelle Wandelbegleiter - Netzwerke. Ich nenne hier besonders drei in Österreich aktive Netzwerke, die Pioneers of Change, die Soziokratiezentren und die Initiative für gemeinsames Bauen und Wohnen. ˧

Ds Menschen, die nicht nur an "ihren" Projekten arbeiten, sondern selbst zum Instrument "für andere" werden: als Moderatoren, als Prozessbegleiter, als soziale Innovatoren. ˧

  • Sie schaffen Räume, in denen Gruppen handlungsfähig werden. ˧
  • Es ist eine neue, wachsende Profession – getragen von Gemeinschaft, Achtsamkeit und Systemverständnis. ˧
Ein besonders starkes Beispiel dafür sind die Pioneers of Change in Österreich. Sie verbinden persönliche Transformation mit gesellschaftlicher Veränderung – und zwar nicht abstrakt, sondern hochpraktisch. ˧

Ihr Ansatz umfasst: ˧

– intensive Jahresprogramme für junge und ältere Changemaker – Learning Journeys in Gemeinschaftsprojekte, regenerative Höfe, Commons-Experimente – online und offline Lernkreise – eine starke Kultur des „inneren Wandels“: Achtsamkeit, Reflexion, Umgang mit Konflikten – Vernetzung von Projekten im Bereich Nachhaltigkeit, Klimabewegung, Gemeinwohl ˧

Man könnte sagen: Sie bilden Menschen aus, die den Mut haben, neue Wege zu gehen – und sie gemeinsam zu gestalten. Das macht die Pioneers zu einer Imagozelle: Sie wollen nicht primär Projekte schaffen , sondern eher Persönlichkeiten, die in der Lage sind, Wandel zu initiieren – überall, wo sie hingehen. ˧

Eine zweite große Imagozelle in diesem Subtyp sind die Soziokratie-Zentren – in Österreich, aber auch im deutschsprachigen Raum und weltweit. ˧

Während die Pioneers die Menschen stärken, stärken die Soziokratie-Zentren die Strukturen, in denen Menschen zusammenarbeiten. ˧

Ihr Fokus sind: ˧

– Entscheidungsprozesse auf Basis von Konsent (man könnte das übersetzen als "breite Akzeptanz eines durchdachten Vorschlages ohne starke Widerstände") statt zu dünnem Konsens oder diktatorischer Mehrheit, den ewigen Schwächen der Demokratie ˧

– klare Kreise mit definierten Verantwortlichkeiten
– doppelte Verknüpfung als demokratisches Nervensystem
– Umsetzung dieser kreiskultur in Schulen, Genossenschaften, Unternehmen, Gemeinden und Wohnprojekten
– Ausbildung professioneller Soziokratie-Coaches
˧

Soziokratiezentren sind Imagozellen, weil sie eine konkrete Alternative zum autoritären oder chaotischen Organisationsstil bieten. ˧

Sie zeigen: Mit klaren Regeln kann Zusammenarbeit frei, offen und tief menschlich werden ˧

Und damit haben wir einen weiteren entscheidenden Teil der Transformationslandschaft kennengelernt – die Netzwerke der Wandelbegleiter, die im Hintergrund die Zukunft vorbereiten. ich könnte noch weitere ganz wichtge Netzwerke aufzählen: etwa die Initiative für gemeinschaftliches Bauen und Wohnen, die Initiative Zivilgesellschaft, die Gemeinwohlökonomie und viele andere. ˧

Was ich hier bewusst nicht aufgezählt habe sind diejenigen, die Empowerment für Minderheiten auf ihr Panier geschrieben habe. Sie geraten zu leicht in den Sog einer Identitätspolitischen Selbstisolation. Dieser Problematik und der durchaus notwendigen Wertschätzung ihrer Arbeit möchte ich eine eigene Sendung widmen. Ebenso wie dem ganzen Bereich der engagierten Kunst, die unsere Imagination und Wahrnehmung zu unterstützen vermag. ˧

Als Nächstes und letztes für heute möchte ich unseren Blick noch auf die ökologisch-regenerativen Siedlungs- und Lebensraumgestaltungsmodelle richten, die im Kleinen jene kooperativen, gemeinschaftlichen Lebensformen bauen, die ein ganzes planetarisches Netzwerk unabhängiger Regionen einmal tragen könnten. Imago zellen die direkt bewohnbar sind. ˧

Ökodörfer sind Lebensgemeinschaften, die das Wohnen, die Landwirtschaft, Energie, Bildung und Kultur als integriertes System denken. Sie sind bewusst geplant, mit dem Ziel, sozial nachhaltig, ökologisch regenerativ und wirtschaftlich autark zu sein — so weit wie möglich. Hier werden nicht nur Häuser gebaut — sie konstruieren ein Leben. Sie denken daran, wie Kinder aufwachsen, wie Energie fließt, wie das Wasser gefiltert und wiederbenutzt wird, wie wir Nahrung in unserer unmittelkbaren Nähe prouzieren, wie die Gemeinschaft Konflikte löst. Für mich ist das Cambium in Fehring mit seinem grandiosen Georgia -Wasserprojekt der erste österreichische Prototyp eines Ökodorfes das diesen Namen verdient. ˧

Cohousing Projekte sind eine Spur weniger engagiert und intentional, ihnen geht es um die Balance von Rückzug und Gemeinschaft: private Wohnungen kombiniert mit großzügigen, gemeinsam genutzten Räumen — Küche, Werkstatt, Kinderbetreuung, Gemeinschaftshaus. Der Fokus liegt auf Nachbarschaft, gegenseitiger Hilfe und geteilten Alltags­routinen. Nach dem Motto: Wir haben unsere eigenen vier Wände — und trotzdem ist da immer jemand, der aufpasst, wenn die Kinder krank sind. Das schafft Freiheit und Sicherheit zugleich. Cohousing ist skalierbar, kann sich in Straßen WGs und ähnliches verwandeln. Eine Imagozelle der Vernetung im lebensraum. ˧

Permakultur ist mehr als Gartenbau: Es ist ein ethisches, gestaltendes System für ganze Landschaften. Die Kernfrage lautet: Wie legen wir unsere Gärten, Felder, Häuser und Siedlungen so an, dass sie voneinander profitieren — wie ein Ökosystem, das zugleich Nahrung, Biomasse, Wasserrecycling und Biodiversität liefert?
Permakultur verwandelt Räume in produktive, stabile Ökosysteme. In Kombination mit Cohousing oder Ecovillages wird aus der bloßen Siedlung ein regeneratives Biotop — und das ist zentral für eine planetare Netzwerkstruktur. ˧

Transition Towns sind lokale Initiativen, die sich gezielt auf die Herausforderungen von Peak Oil, Klimawandel und Wirtschaftskrisen vorbereiten. Ihr Ziel ist nicht Utopie, sondern Handlungsfähigkeit: Energie, Ernährung, Mobilität lokal sicherstellen, Wirtschaftskreisläufe schließen. Die Prinzipien der Permakultur auf die Evolution bestehender Dörfer und Städte anwenden. ˧

Fazit

Wenn wir eine planetare Struktur aus Regionen wollen, dann beginnt das nicht in den Parlamenten, sondern hier — in den Höfen, in den Nachbarschaften, in den Werkstätten und auf den gemeinwirtschaftlichen Plätzen. Und doch dürfen wir uns schon vorstellen, wie sich diese Lebensräume als Imagozellen mit all den anderen Imagozellen zu einem lebendigen planetaren Gewebe verbinbden. ˧

Und dieses Gewebe entsteht nicht durch große Gesten oder historische Brüche. Es entsteht durch Resonanz. ˧

Durch das Moment, in dem ein Dorf in Oaxaca begreift, dass seine lokalen Märkte denselben Geist tragen wie eine Reparaturwerkstatt in Linz. ˧

Durch das Gespräch zwischen einer urbanen FoodCoop? in Wien und einer Permakultur-Farm in Kerala, die vielleicht nie voneinander gehört hätten – aber dieselbe Logik verfolgen: Selbstermächtigung, Kooperation, ökologische Verantwortung. ˧

Wir leben in einer Zeit, in der die große Politik ihre eigenen Schatten jagt: Machtprojektionen, geopolitische Einflusssphären, ein Sturm aus militärischer Abschreckung und ökonomischer Dominanz. ˧

Aber unterhalb dieser Sturmfront wächst etwas anderes heran – die geduldige, beharrliche, kaum sichtbare Arbeit einer Menschheit, die schon längst begonnen hat, anders zu leben. ˧

Was ist ein planetarisches Gewebe?
Es ist kein Imperium, keine Weltregierung, kein technokratisches Managementbüro.
Es ist ein Netzwerk von Regionen, die aus ihrer eigenen inneren Logik heraus gedeihen – aber nicht abgeschottet, nicht nationalstaatlich vergittert, sondern offen, dialogbereit, lernfähig. ˧

Jede Region wird in diesem Bild nicht über ihre Größe definiert, sondern über ihre Einzigartigkeit und ihre Beziehungen.
Wir brauchen nicht eine uniforme Weltkultur; wir brauchen ein polyphones Konzert.
Und die Imagozellen die wir heute Revue passieren haben lassen sind die ersten Stimmen dieser neuen Polyphonie. ˧

Stellen wir uns vor, wie sie sich verknüpfen: Nicht über Verträge, sondern durch gegenseitige Einladung.
Nicht durch Kontrolle, sondern durch Freiwilligkeit.
Nicht durch Macht, sondern durch Beispielwirkung.
˧

Wenn wir genau hinsehen, merken wir: Dieses planetare Gewebe existiert bereits – in tausenden Fragmenten. Unsere Aufgabe ist es, es sichtbar zu machen, seine Fäden zu knüpfen und die Geschichten zu erzählen, die Mut machen. ˧

Denn Transformation geschieht nicht, weil die alten Systeme zusammenbrechen – sie geschieht, weil die neuen Strukturen rechtzeitig vorhanden sind, um die freiwerdende Energie aufzufangen. So wie bei der Metamorphose: Die Imagozellen überleben nicht, indem sie gegen das alte Gewebe kämpfen, sondern indem sie sich vernetzen, verstärken, kooperieren – bis sie plötzlich das neue Ganze tragen. ˧

Vielleicht ist das die tiefste Hoffnung unserer Zeit: Dass eine planetarische Kultur der Regionen nicht erkämpft, sondern ersungen, erzählt und gelebt wird. Dass sie aus der Praxis wächst – aus Haustüren, aus Werkstätten, aus Gemeinschaftshöfen, aus Märkten, aus Gärten. Dass sie nicht in der Logik der Macht entsteht, sondern in der Logik der Fürsorge und der Einladung. ˧

Und irgendwann, vielleicht früher als wir denken, wird man erkennen: Die Welt der Imperien war nur ein Übergangszustand. Die eigentliche menschliche Erfindungskraft lag schon immer in den Dörfern, den Nachbarschaften, den Commons, den kooperativen Regionen – in jenen Orten, an denen wir uns selbst als Teil eines größeren Ganzen begreifen. ˧

Das planetare Gewebe wartet nicht darauf, erfunden zu werden.
Es wartet darauf, anerkannt zu werden.
Und wir alle – wo immer wir leben – können beginnen, seine Fäden zu knüpfen. ˧


˧

Credits

Die Assistenten unter anderem: ˧





[1] https://einemustersprache.de/1-unabhaengige-regionen

[2] https://openlab-hamburg.de/forschungsprojekt-fab-city/

[3] https://jineoloji.eu/de/

[4] https://www.medico.de/blog/perspektive-rojava-19596

[5] https://ms-alternativ.de/index.php/artikel/basisarbeit-revolutionaere-perspektive#:~:text=Eine bewusst internationalistische Perspektive - im Konkreten,in Münster und der BRD sollten damit

[6] https://maineworkers.org/wp-content/uploads/2018/09/jackson-rising-chapter1.pdf