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Mich freut dass ich fast zwei Monate davor hier einen Aufruf zum Mitdenken und Mitforschen lostreten kann. Die Zeit wird wohl auch ein wenig knapp werden heute. Denn bevor ich in die Thematik springe, muss ich leider doch noch ein paar Worte sagen zur aktuellen weltpolitischen Entwicklung, die uns alle überrollt wie ein Tsunami und mit tausend offenen Fragen zurücklässt....


/Research /Vortrag Graz ˧

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Inhaltsverzeichnis dieser Seite
"Große Stadt ganz klein"   
Eine lange Einleitung   
Gedanken zur wirklichen "Zeitenwende"   
Globales Dorf und Globale Stadt   
Fokus Kleinstadt   
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neuer Sendungstitel ˧

"Große Stadt ganz klein"    

Eine lange Einleitung    

Herzlich willkommen bei der Februarsendung 2025 - zugleich bei der 58. Folge - von "Willkommen im Globalen Dorf". Hier ist Euer Sendungsmacher Franz Nahrada aus Bad Radkersburg, der ein spannendes Monat hinter sich hat, die Zeit ist viel zu kurz geworden bei all den lokalen Agenden, die nachgeholt werden wollen. ˧

Vor siebeneinhalb Jahren bin ich hierher gekommen, habe vieles mühsam über das Leben im ländlichen Raum lernen müssen, viele Fehler gemacht, Menschen nicht richtig eingeschätzt, war gutgläubig und hoffnungsvoll; dann hat uns alle die COVID Krise eingeholt und so unglaublich viele Dinge kaputt gemacht und aufgemischt, und auch persönlich hat das für mich letztlich bedeutet dass es fast nicht weitergegangen wäre. Wobei ich bis heute nicht weiß ob meine Depression oder Fatigue, die mich letztlich 2 Jahre heimgesucht hat, Post Covid oder - horribile dictu - Post Vac war. Es interssiert sich auch niemand wirklich für diese Fragen, eines der Opfer der COVID krise war ja auch das kritische und selbstkritische Denken und die Leidenschaft für Wahrheit und Objektivität. Dazu kommen wir gleich noch mal, aber jedenfalls bin ich ja so weit gewesen beinahe alles hinzuschmeissen in dieser kleinen Kleinstadt mit Dörferkranz , mit ihrer biedermeierlichen Welt in der die Menschen allem Anschein nach sich höchst selten mit Fragen von Globaler Relevanz beschäftigen und stattdessen voll ausgelastet sind mit familiären und beruflichen Verbindlichkeiten. Und ja, ich hatte das Gefühl ich bin und mein Denken ist den Menschen hier vollkommen egal, etwas was mich schon an der Großstadt gestört hat aber hier auf eine andere Art und Weise eingeholt hat, die noch weit deprimierender war. Es war so weit gekommen dass mir Ende 2023 ein von mir sehr geschätzter und berühmter Psychotherapeut aus Slowenien, hochbetagt und weise, geraten hat alles liegen und stehen zu lassen, mein Haus zu verkaufen und nach Wien zurückzukehren, denn dort gehöre ich eigentlich hin - so meinte er. ˧

Ich muss sagen Gottseidank habe ich das nicht gemacht. Ich bin sehr dankbar dass ich - ja das war dann in Wien - die Nadel im Heuhaufen gefunden habe, meine Depression - so hoffe ich zumindest - durch eine sanfte physikalische Intervention heilen konnte und plötzlich das Gefühl zurückkehrte, ich habe doch mein halbes Leben nicht der Frage oder besser gesagt der Herausforderung des ländlichen Raumes gewidmet, um mitten am Weg aufzugeben. Und ich bin ja auch gesegnet - nicht nur mit einem schönen Haus in dem ich Freunde und Gäste empfangen kann, sondern auch mit einer außergewöhnlichen Nachbarin, die den Spagat zwischen lokaler Verwurzeltheit und rebellischem globalen Denken tatsächlich schafft. Oder mit kreativen Geistern die sich zu ihrem inneren Kind bekennen wie jenem musikalischen Filmemacher in meiner Nähe, der meine Verzweiflung gesehen hat und mir gleichzeitig ein wunderschönes Beispiel gegeben hat was man erreichen kann wenn man unbeirrt seinen Weg geht. Und plötzlich sind immer mehr Menschen aufgepoppt, teilweise durch die kleinen Erfolge des Jahres 2024 wie die DorfUni zum Flachs oder die Wilden Alten im Zehnerhaus, die irgendwie sehen können was ich vorhabe. Allmählich habe ich selbst so eine Blase mitkreieren können, ohne die man im ländlichen Raum nicht überleben kann, wir haben jetzt zum Beispiel wöchentlich einen Selbstversorgerstammtisch, und der funktioniert auch ganz ohne große Themen einfach durch das Gefühl dass wir uns über die Welt nichts vormachen. ˧

So ist die Zeit verflogen, und mein monatlicher Sendungstermin ist plötzlich viel schwieriger zu bewältigen - ich muss ja gleichzeitig am globalen Denken und an den globalen Ereignissen dran bleiben, meinen Beitrag zur Entwicklung der transformativen Zivilgesellschaft leisten, den wir heuer durch die Mitmachkonferenz der Wandelinitiativen in Ober - Grafendorf leisten konnten, was wiederum sehr fruchtbare Folgen auch und gerade hier in unserer Biosphärenregion haben wird. ˧

Es ist leicht Themen zu planen, aber ganz schwierig die Zeit zu tiefer Recherche zu finden, und mein Anspruch an die Sendung ist doch sehr hoch. Sicher finden sich irgendwie immer interssante Diskussionspartner wie etwa das letze Mal der Helmut Ramsauer oder davor der Rainer Stiehl, aber die systematischen Fragen gehören weiterentwickelt. Immerhin soll die Sendungsreihe Grundlage für mein Buch "Die Welt der Globalen Dörfer" werden, und überall stellt sich die Notwendigkeit tiefer zu gehen. Ist schon die Sendungsreihe sozusagen eine Art beständiges Nudging, sanftes Antreiben, damit die Arbeit weitergehe am Buch, so sind es mittlerweile bevorstehende Auftritte, die ich mit der Sendereihe verknüpfe und so zwei Fliegen mit einem Schlag erledige, die eben auch die Arbeit an der Sendung am Laufen halten. Genauso wie ich im nächsten Monat wieder zur politischen Thematik und Vision der postnationalen Welt zurückkehren werde, nämlich anlässlich des echten Tages der Erde bei der UNO in Wien am 20. März, ist auch das heutige Thema geprägt durch eine kommende Veranstaltung: ˧

Vom 13.-16. April 2024 wird in Graz an der FH Joanneum die Konference REAL CORP stattfinden, ein immer wieder an einem anderen Ort stattfindender Treffpunkt von Stadt- und Regionalplanern, seit 28 Jahren am Leben gehalten durch meinen Freund Manfred Schrenk. Das Thema der heurigen Konferenz ist sehr spannend: "Die Stadt geht kühn dahin, wo sie noch niemals war." Gemeint ist dass auch kleine Städte zunehmend zu Brennpunkten urbaner Innovationen werden können. ˧

Ich war schon längere Zeit nicht dabei, bin aber heuer eingeladen, diesen Gedanken bis zum logischen Ende zu spinnen: wie können die besten städtischen Qualitäten auch mitten im ländlichen Raum Gestalt annehmen? Und warum hat das nichts mit Verstädterung zu tun? ˧

Mich freut dass ich fast zwei Monate davor hier einen Aufruf zum Mitdenken und Mitforschen lostreten kann. Die Zeit wird wohl auch ein wenig knapp werden heute. Denn bevor ich in die Thematik springe, muss ich leider doch noch ein paar Worte sagen zur aktuellen weltpolitischen Entwicklung, die uns alle überrollt wie ein Tsunami und mit tausend offenen Fragen zurücklässt.... ˧

Gedanken zur wirklichen "Zeitenwende"    

Innerhalb einer Woche ist klargeworden, dass wir uns diesmal wirklich an einer Zeitenwende befinden - ganz anders als diejenigen, die selbstverliebt dieses Wort vor drei Jahren in Umlauf gebracht haben meinen. Zufällig fällt ja der erste Ausstrahlungstermin dieser Sendung mit dem dritten Jahrestag des Ukrainekrieges zusammen! ˧

Und wer sich erinnert, der weiß, dass diese Sendung immer und prinzipiell gegen diesen Krieg Position bezogen hat, die Schuld auch nicht alleine beim bösen Putin gesucht hat - und vor allem den Offenbarungseid der Geopolitik insgesamt anprangert. Nun scheint dieser Offenbarungseid der Geopolitik mit voller Wucht auszubrechen: ein fundamentaler Strategiewechsel in der amerikanischen Außenpolitik kündigt sich an, keine Änderung der Ziele, aber eine Umwertung der Prioritäten, der gerade die europäischen Politiker plötzlich nackt dastehen lässt. Mit der Wucht der amerikanischen Militärmacht im Rücken glaubten die Europäer - Deutschland voran - zunehmend selbst Weltpolitik machen zu können und nahmen dafür fast jede denkbare Demütigung durch die USA in Kauf, vom berühmten "Fuck the EU" durch Viktoria Newland anlässlich des Ukraine - Staatsstreichs 2014 über Merkels selbstverständlich abgehörtes Handy bis hin zur ominösen Sprengung der Northstream Pipeline. ˧

Man steigerte sich in eine illusionäre Sieges-Stimmung wie sie Karl Kraus in den "Letzten tagen der Menschheit" beschrieben hat, a la "Serbien muss sterbien und jeder Schuss ein Russ", ohne zu bemerken auf welcher widersprüchlichen Grundlage diese ganze Europäische Großmachtpolitik eigentlich existierte. Die ganze EU ist von Anfang an ein einziges Flickwerk von mit ihrer geopolitischen Bedeutung unzufriedenen Nationalismen gewesen, das Wohlwollen der USA bezüglich der europäischen Einigung - immer schon als Bollwerk gegen die Sowjetunion verstanden - ging aber eben nur bis zu jenem Punkt an dem die Europäer sich tatsächlich als eigenständige Weltmacht betätigen wollten. Der Argwohn und die Sabotage durch die USA waren ab da die ständigen Begleiter, ergänzt durch den Streit um die Kosten der ganzen militärischen Pracht und Herrlichkeit. Nun sind unter den bisherigen engen Verbündeten unübersehbare Zwistigkeiten ausgebrochen, ohne Not losgetreten von der neuen Administration Trump-Vance, ja und man muss eigentlich sagen Trump-Vance-Musk. ˧

Man hält es kaum für möglich, aber die abrupte scheinbare Kehrtwende in Sachen Ukraine und Russland lässt nur den einen Schluss auf die neue amerikanische Definition der Welt zu: Europa soll Russland alleine in Schach halten, der Konflikt muss eingefroren werden bevor die Russen den ukrainischen Staat vollends handlungsunfähig gemacht haben, die russisch-chinesische Annäherung muss sabotiert werden, der Dollar durch neue fiskalpolitische Maßnahmen als Weltgeld gesichert und so weiter. Letztlich noch viel weiter. Der bevorstehende "Deal" (Richard David Precht hat zurecht gesagt dass man dieses Wort mit "Erpressung" übersetzen müsste) in Riyadh hat viel mehr Dimensionen als den Ukrainekrieg. Es geht um eine neue Weltordnung und die Neupositionierung der USA angesichts der drohenden Konsolidierung der BRICS-Zone, um die Festlegung von Einflusssphären und so weiter. ˧

Und eine Sache ist auch klargestellt worden: Der Schein es ginge um die "Abgehängten" in den USA zerbröselt immer mehr. Die personelle Aufstellung bei Trumps Inaugurationsfeier und Elon Musks Berufung zum Schlächter der verschiedensten als unnötig befundenen Staatsprogramme verraten dass es weiterhin und mehr denn je - trotz aller Dementis - um eine neue Spielart der Globalisierung geht, freilich mit der Korrektur zur sogenannten "neoliberalen", dass die Resultate von Handel und Wandel nicht mehr über die globale Rangordnung entscheiden dürfen, dass vielmehr die Geldelite sich selbst ermächtigt, einen offenen Technofeudalismus in die Welt zu setzen. Yannis Varoufakis hat zurecht festgestellt, dass einzig und alleine die unbeschränkte Verschuldungsfähigkeit der Zentralbanken über die Rangordnung der Nationen entscheidet, und dass die einzigen, die diese Verschuldungsfähigkeit für sich in Anspruch nehmen können die globalen Finanzeliten selber sind. Der klassische Kapitalismus, der Wettbewerb am Markt hat ausgespielt, ein neues Zeitalter der Plattformen bricht an. ˧

Chris Hedges hat das sehr dratisch charakterisiert: "Alle revolutionären Bewegungen, ob von links oder von rechts, zerschlagen die alten bürokratischen Strukturen. Die Faschisten in Deutschland und die Bolschewiki in der Sowjetunion haben nach ihrer Machtergreifung aggressiv den öffentlichen Dienst gesäubert. Sie sehen in diesen Strukturen zu Recht einen Feind, der ihren absoluten Griff nach der Macht verhindern würde. Es ist ein Staatsstreich nach Maß. Jetzt bekommen wir unseren eigenen. Es geht entgegen den verlautbarungen nicht darum, uns von der Tyrannei der Geheimdienste, der militarisierten Polizei, dem weltweit größten Gefängnissystem, von räuberischen Konzernen oder dem Ende der Massenüberwachung zu befreien. Es wird nicht die Rechtsstaatlichkeit wiederhergestellt, um die Mächtigen und Reichen zur Rechenschaft zu ziehen.Und die aufgeblähten und nicht rechenschaftspflichtigen Ausgaben – etwa 1 Billion Dollar – des Pentagon werden auch nicht gekürzt werden, im Gegenteil. Wir wiederholen vielmehr die Schritte, die zur Konsolidierung der Macht durch frühere Diktaturen geführt haben, wenn auch mit unserem eigenen Idiom und unseren Eigenheiten." ˧

"Diejenigen, die naiv Trumps Feindseligkeit gegenüber dem tiefen Staat loben sollten sich genau ansehen, was an seiner Stelle vorgeschlagen wird. Kompromisse, begrenzte Macht, gegenseitige Kontrolle und Rechenschaftspflicht sollen abgeschafft werden zugunsten einer eingheitlichen Exekutive. Diejenigen, die glauben, dass die Regierung dem Gemeinwohl und nicht dem Diktat des Herrschers dienen soll, werden aus dem Amt gedrängt. ˧

Und in der Tat ist das eine globale Ansage: Der Langzeitspender von Trump Larry Ellison, der vor ein paar Wochen an der Seite von Trump einen 500-Milliarden-Dollar-Plan für KI-Infrastruktur ankündigte, forderte die Nationen auf, alle ihre Daten in „eine einzige, einheitliche Datenplattform“ zu überführen, damit sie von KI-Modellen „konsumiert und genutzt“ werden können. Ellison hat zuvor erklärt, dass ein KI-gestütztes Überwachungssystem garantieren wird, dass „die Bürger ihr bestes Verhalten an den Tag legen werden, weil wir ständig alles aufzeichnen und melden, was vor sich geht“. Ist das nicht eine schöne Grundlage sich auch und sogar mit China zu arrangieren? Die Besitzer und Kontrolleure der Globalen Finanzströme haben schon längst eine größere Machtfülle erreicht die die Macht einzelner Staaten und sogar die Reichweite jedes einzenen Nationalkredits bei weitem übersteigt. Die digitalen Technologien haben nicht nur die menschliche Arbeit marginalisiert, sondern auch das System der politischen Entscheidungsfindung. Was wenn sich aus dem "tiefen Staat" "der sich hinter demokratischen Prozessen versteckt, schon längst Freiheiten ausgehöhlt und eine Reihe katastrophaler globaler Interventionen orchestriert hat, einschließlich der jüngsten militärischen Fiaskos im Nahen Osten und in der Ukraine" (Chris Hedges), eine offene Technokratie und Allianz von Führernationen wird, irgendwie multipolar und dann doch möglichst konsensual über die Welt verteilt? ˧

Und weiter sagt Hedges: "Die ausgehöhlten Überreste des alten Systems – die Medien, die Demokratische Partei, die akademische Welt, die Hüllen der Gewerkschaften – werden uns nicht retten. Sie geben leere Plattitüden von sich, ducken sich vor Angst, streben nach nutzlosen inkrementellen Reformen und Anpassungen und verteufeln die Trump-Anhänger ungeachtet ihrer Gründe, für ihn zu stimmen. Sie verschwinden in der Bedeutungslosigkeit. Diese Langeweile ist ein gemeinsamer Nenner für den Aufstieg autoritärer und totalitärer Regime. Sie führt zu Apathie und Defätismus." ˧

Gerade hat mich ein Freund angerufen, von dem ich weiß dass er sich wirklich bemüht die Welt zu verstehen. Ein erfolgreicher Unternehmer, dessen Selbstbewusstsein und Optimismus normalerweise kaum zu überbieten ist. Er sagte mir folgendes: "Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich wirklich Angst. Angst dass wir hier in Europa keinen Einfluss mehr haben auf unsere Zukunft. Und ich befürchte dass es zu spät ist, dass wir diese Welle nicht mehr aufhalten können. Und am meisten beunruhigt mich, dass die Menschen das alles mit biedermeierischer Gleichmut über sich ergehen lassen." ˧

Während mein Freund nicht mehr an eine Widerstandsmöglichkeit glaubt, auch sehr illusionslos hinsichtlich beider Seiten der politischen Scheinkämpfe ist, die einen gegen "räächts" und die anderen gegen "woke", glaube ich aber nicht nur, dass es ein Gebot der eigenen Würde und Integrität ist, weiter auf Vernunft, Wahrheit und Gewissen zu beharren, sondern dass es noch nie so sehr möglich war, den Widerstand für eine andere Weltordnung ins Werk zu setzen - kosmololal, dezentral, bioregional. Dieselben Kräfte die dem Technofeudalismus in die Hand spielen können, umgekehrt werden als Triebkräfte in eine Welt der Globalen Dörfer. Womit ich endlich - nach Verbrauch der halben Sendezeit - zum heutigen Thema kommen kann. ˧

Vorher aber noch, um es mit aller Deutlichkeit zu sagen, ein Satz: die einzige Chance Europas ist es, den Gedanken der Dezentralisierung in die Welt zu tragen, selbst vorzuleben und auch anderen die Werkzeuge, die Motivation und den Rückhalt dafür zu verschaffen. Ein Europa der (Bio)Regionen könnte ein Modell für die Welt werden. Europa DARF keine Großmacht mit militärischen Ambitionen rund um die Welt werden, damit verspielt es seine einzige Chance. Ich hoffe dass ich diesen Gedanken in der nächsten Sendung fortführen kann. Nun aber wirklich zum heutigen Thema. ˧

Globales Dorf und Globale Stadt    

Während es in unserer Sendereihe vordergründig um den ländlichen Raum geht, wie auch der Terminus "Globales Dorf" insinuiert, geht es eigentlich hintergründig um die Frage wie die Stadt als Produkt einer ganzen Epoche der Industrialisierung, der Kommerzialisierung, der Beschleunigung und Verdichtung, der Mobilität, der medialen Inszenierung und der Automatisierung angesichts eines drastischen Epochenbruchs überhaupt überleben soll. ˧

Auf der einen Seite hat die spätkapitalistische Epoche mit ihren Global Cities riesige Produktionsaggregate geschaffen, in denen Geschwindigkeit und rasche Problemlösung alles ist. Sie haben in vielen Bereichen die peripheren Industrien plattgemacht, waren mit ihrer Ermöglichung von schlanker Just-in-Time-Logistik beliebter Ort betriebswirtschaftlicher Effizienz, und schienen auf diese Art und Weise der letzte Hort schwindender Existenzmöglichkeiten zu sein. Auf der anderen Seite hat sich aber auch genau das Gegenteil abgespielt: die massenhafte Auslagerung von Industrien an die kostengünstigeren Standorte an den Peripherien dieser Welt, beginnend mit aber keineswegs beschränzt auf China. Vor dreißig Jahren, als ich mein erstes fundamentales Referat über Stadtentwicklung auf der Telepolis Tagung zum gedenken an Villem Flusser in München hielt [1], hätte ich es für unmöglich gehalten dass damit ein derartiger Machtwechsel einhergeht, dass die klassischen Global Cities dermassen de-industrialisiert würden und letztlich primär nur noch als Zentren von Finanzströmen, Medien, juristischer und administrativer Aktivität und einem gigantischen Überbau von Ausbildung, Entertainment und lukrativen Gesundheitsindustrien fungieren würden. Natürlich ist die vorhin angesprochene Entwicklung des Technofeudalismus gerade auf dieser Grundlage möglich geworden, aber erst die Zerstörung der Träume von der ständig wachsenden Globalen Mittelklasse durch die große Bankenkrise 2008 hat ihr so richtig Schwung verschafft. ˧

Der Traum vom großen Rettungsanker Stadt, in deren Dunstkreis sich massenhaft sozialer Aufstieg und ökonomisches Wachstum abspielt, ist damit aber noch lange nicht zu Ende gewesen; gerade die Entdeckung dass die Zentralbanken weiterhin scheinbar ungestraft ein riesiges Schuldenkarussell veranstalten können, einen bail-out für alles was zu groß ist um es sterben zu lassen, hat weiterhin den illusionären Träumen Nahrung und gleichzeitig der Bauindustrie weiterhin Beschäftigung verschafft. Wer sich an die Sendung 26 erinnert, über die vierte Natur, dort habe ich Steward Brand zitiert - ich wiederhole das hier noch einmal: ˧

"Das vorherrschende geografische Geschehen unserer Zeit ist diese unglaublich schnelle Urbanisierung, die bei uns vor sich geht. Bis zur Mitte des Jahrhunderts werden 80% Städter sein, und das zum großen Teil in den Entwicklungsländern, wo sich das vollzieht. Das ist interessant, weil Geschichte weitgehend von der Größe von Städten vorangetrieben wird. Die Entwicklungsländer haben momentan die größten Städte, und diese entwickeln sich dreimal schneller als in den Industrieländern, und sie sind neunmal größer." ˧

Doch schon im Jahr 1993 hatte der Stadtplaner - und frühere Geschäftsführer der Internationalen Bauausstellung Emscher Park - Karl Ganser bei der Tagung "die ökologische Stadt"im Wiener Rathaus Städte als Organismen betrachtet, sich über Optimalgrößen Gedanken gemacht und heftige Kritik an ihrem Wachstum geübt. Wie jeder Organismus ist auch die Stadt ein lebendiges Wesen, das durch Stoffströme und Energieströme mit seiner Umwelt in Beziehung steht, durch Assimilation und Dissipation, einen städtischen städtischen Metabolismus, bei dem Ressourcen effizient genutzt und wiederverwertet werden müssen. Ganser setzte sich für die Renaturierung der Landschaft und die Schaffung von Landschaftsparks in der Emscherregion ein, wollte demonstrieren wie natürliche Systeme in den städtischen Organismus integriert werden können, um Stoffkreisläufe zu schließen und die Lebensqualität zu verbessern. Die schiere Größe von Städten und vor allem die Orientierung auf ein einziges Zentrum schienen ihm ein gewaltiges Hindernis für die Lebensfähigkeit der Stadt zu sein. Zu große Städte führten zu mannigfaltigen Problemen wie Verkehrsstaus, Umweltverschmutzung und sozialer Isolation, zu einem gewaltigen Verlust an Lebensqualität. Damals konnte man ja die vielen weiteren Faktoren noch nicht mal erahnen, etwa die Aufheizung der Städte im Klimawandel oder die Fragilität die sich zeigt wenn Versorgungsketten unterbrochen sind, etwa durch ökonomische Krisen oder eine Pandemie. Jedenfalls betonte Ganser schon damals die Wichtigkeit einer funktionalen Stadtstruktur, die es ermöglicht, dass alle wichtigen Dienstleistungen (Bildung, Gesundheit, Freizeit) in erreichbarer Nähe sind. Das führte zunächst zur Vision einer polyzentrischen Stadt: besser mehrere kleine Zentren in einer Region anstatt eines einzigen Zentrums. ˧

In gewisser Weise taucht dieser Gedankenstrang im Konzept der "15-Minuten-Stadt" von Carlos Moreno wieder auf, das dieser 2015 auf der Pariser Klimakonferenz vorstellte und prompt dazu führte, dass er als wissenschaftlicher Berater der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo engagiert wurde, die das Konzept übernahm und es zu einem wichtigen Bestandteil ihres Wahlkampfs und ihrer Bürgermeisterpolitik machte. Heute ist dieses Konzept wieder sehr populär und auch schon wieder umstritten, ich verweise auf die 43. Sendung über Lokalisierung und Dezentralisierung, wo ich die möglichen autoritären Auswüchse thematisiert habe. Darüber hinaus scheint diese scheinbar simple Lösung mit der Realität der Stadtentwicklung zu konfligieren, die eben nicht mehr auf der Weiterentwicklung einer homogenen Mittelklasse basiert, sondern auf einer vielfältigen Hierarchie von Räumen, die allesamt auf ständig wachsenden Unterschieden in Einkommen und Vermögen der Menschen basieren. Die "besseren Viertel" sind eben auch die teureren Viertel, und die Dienstboten, Friseusen und Kellner können sich oft gar keine Wohnungen oder gar Häuser in diesen Vierteln mehr leisten, kommen aus den Wohnwaben und x-stöckigen Mietskasernen der Vorstädte oder gar vom flachen Land gependelt, wo die Mieten überhaupt noch leistbar sind. ˧

Aber all diese sozioökonomisch - systemischen Fragen sind nur ein Teilaspekt, der die Frage der grundsätzlichen Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Stadt oder besser gesagt des Urbanen nicht berührt. Was sind die Qualitäten des Urbanen, die wie ich in Sendung 19 beim Rundgang durchs Globale Dorf geschrieben habe, eine Synthese mit dem Ländlichen eingehen können? Warum und wie ist das möglich? ˧

Damals schrieb ich programmatisch und um es möglichst anschaulich zu machen, dass wir "ein Zusammenwirken von urbaner Dichte und ländlicher Weite brauchen. Der Kern einer solchen das beste beider Welten zusammenbringenden Lebensform ist extrem multifunktional, mehrstöckig und leistungsfähig wie ein gut geplantes Einkaufszentrum, das jederzeit zur Kunstgalerie, zum Konzertsaal, zur Versammlungshalle mutieren kann - die Außenseite hingegen aufgelockert, sich mit Landschaft und Natur verbindend, voller Ausblick und Sonne, mannigfaltig und ausladend. Wenn man so will, vervielfachen wir dadurch die Berührungsflächen zwischen Mensch und Natur und schaffen sozusagen den Luxus für alle in Gehweite. Einen Luxus, der vom privaten Luxus wieder zum geteilten Luxus werden muss, zum öffentlichen Luxus wenn man so will. Das Ganze muss nach dem Motto funktionieren 'Wenn wir unsere Flügel ausbreiten wollen, können wir das tun, ohne anderen Menschen Ressourcen wegzunehmen.' Und natürlich muss das Ganze auch durch möglichst leistungsfähige Verkehrsadern mit dem Rest der Welt verbunden sein, denn nur im gelegentlichen Perspektivenwechsel und im Austausch bleiben wir kreativ und gestaltungsfähig." ˧

Das sehe ich weiterhin als die gültige Grundlage einer Forschungsbemühung, die die mannigfachen Muster einer Verbindung von Stadt und Land gerade in ihren diversen Gestaltungsmöglichkeiten erfasst. Dem möchte ich bei meinem Vortrag in April in Graz nachgehen - ich erinnere auch noch einmal an die für mich wegweisenden Zeilen aus dem World Social Report 2021 der Vereinten Nationen, die direkt als provozierende Antithese zu den oben formulierten Behauptungen von Steward Brand und auch zur traditionellen Linie der UN - Habitat - Organisation zur Jahrtausendwende verstanden werden können: ˧

"Ländliche Entwicklung ist eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Es ist auch eine Aufgabe, die aus dem Leitprinzip der Agenda folgt - niemanden zurückzulassen. Deshalb muss die ländliche Entwicklung jetzt neu gedacht werden. Statt eines Nebenschauplatzes oder eines Anhängsels der städtischen Entwicklung sollte die ländliche Entwicklung in den Mittelpunkt gerückt werden. Der Lebensstandard der Landbevölkerung kann durch einen Prozess, der oft als "In-Situ-Urbanisierung" bezeichnet wird, auf das Niveau der Stadtbevölkerung angehoben werden, was auch dazu beitragen kann, viele ungerechtfertigte Folgen einer ungezügelten Land-Stadt-Migration zu vermeiden. In Zukunft könnte der In-situ-Urbanisierung als Modell für die ländliche Entwicklung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden." ˧

Aber wie geht das, "In Situ Urbanisierung"? In Iquitos im peruanischen Dschungel ein Opernhaus zu errichten wie es Werner Herzog in seinem grandiosen Film "Fitzcarraldo" mit Klaus Kinsky bebildert? Eine ganze Stadt ins Nirgendwo zu setzen wie das von Lúcio Costa und Oscar Niemeyer geplante Brasilia, Le Corbusiers Chandigarh im indischen Punjab, Naypyidaw in Myanmar, Masdar bei Abu Dhabi, Ordos in der Chinesischen Inneren Mongolei? Offensichtlich nicht: all diese Projekte waren selbst hypertroph und exzessiv, sind nicht selten gescheitert an illusionären modernisierungshoffnungen und mangelnder Akzeptanz. Vielmehr geht es um schrittweise oder graduelle Prozesse, langsame und organische Entwicklungen, eine Veränderung innerhalb bestehender Gemeinschaften anstatt massiver Zuwanderung von außen, bei Erhalt und Ausbau bestehender sozialer Strukturen. ˧

Fokus Kleinstadt    

Das von mir gebrachte idealtypische Bild der "Landstadt", wie ich es in Folge 22 mit 2 Interviews illustriert habe, ist einer von vielen Wegen, diese Idee in die Wirklichkeit zu bringen. Ich erinnere an die Idee dreier Waldviertler Gemeinden, sich zu einer informellen Kleinregion zusammenzutun und in jeder Gemeinde, in jedem dörflichen Zentrum, einen Entwicklungsschwerpunkt zu setzen. Zusammen mit einem kleinregionalen Kommunikations- und Verkehrssystem entsteht auf diese Weise ein Quantensprung in der ländlichen Lebensqualität, entsteht ein Vielfaches an Kompetenz und Innovation, und vor allem entstehen Andockstellen für weitere Entwicklungen. ˧

Einer der Schlüsselmomente in meinem Leben war, als ich im September 1998 in Murau den Geographen Arthur Spiegler kennenlernte. In diesem Jahr hatte ich schon 2 Reisen zu Hoffnungspunkten der Vision der Globalen Dörfer hinter mir - einerseits zum Kloster auf der Insel Mljet, andererseits zur Sommeruniversität nach Tamera in Portugal. Ich fühlte, dass ich bei soviel visionärer Zukunftsenergie ein wenig Erdung dringend nötig hatte und nahm die Einladung zum Ersten Mitteleuropäischen Kleinstadtsymposion in Murau gerne an, das Arthur Spiegler mit der Intention verbunden hatte, dort auch eine österreichische Sektion des Europäischen Forschernetzwerkes ECOVAST aufzubauen. Ich war damals schon etwas frustriert über die bürokratische Institutionalisierung des Zentrums für soziale Innovation, zu dessen Mitbegründern ich 6 Jahre zuvor gehört hatte. ˧

Umso mehr war ich beeindruckt von der Art und Weise wie Arthur wirklich außeruniversitär arbeitete, als "Solist", wie sein Fachkollege Peter Fritz es 2016 in einer Laudatio zum 80. Geburtstag beschrieb:[2] "Spiegler sieht sich ... als „angewandter Geograph“ und als „Brückenbauer“ zwischen Forschung und Praxis und agiert als einer der ganz wenigen, völlig selbstständig tätigen Geographen – als geographischer Kleinstunternehmer gewissermaßen – nicht allein auf dem Gebiet der Physischen Geographie. Dies hat zur Folge, dass er sich vor allem auch zahlreichen ungewöhnlichen Themen zuwandte, die der heutigen Geographie zumeist fremd sind und im üblichen Universitätsbetrieb kaum Beachtung finden. Hauptsächlich landschaftsmorphologische Fragestellungen, vornehmlich zu den verschiedenen Karstgebieten unseres Landes, sind seine vorrangigen Themen in Forschung und Praxis." In der Tat hat Arthur Spiegler nicht nur ein Buch über Kulturlandschaften geschrieben, sondern auch in Zusammenarbeit mit Brigitte Macaria eine Typologie der Landschaftsbestimmung entwickelt und verfeinert und die europäische Landschaftskonvention in Österreich popularisiert. Aber was eben damals, 1998, das besondere war, dass er sich ebenso vehement für die Wahrnehmung der Kleinstädte als integrale Bestandteile des ländlichen Raumes einsetzte, etwas was in der fragmentierten Forschungslandschaft ebenso wie in der zunehmend bürokratisierten Förderlandschaft ziemlich unter den Tisch gefallen war. In der Tat fielen die Kleinstädte zwischen alle Stühle der schematischen Einteilung der Welt, nicht Fisch noch Fleisch, sondern irgendwie uninteressante Relikte. ˧

Mich beeindruckte sehr, wie der in der Geschichte und Georgraphie des ländlichen Raumes sattelfeste Spiegler gerade das historische Moment hervorhob, quasi als Kristallisationspunkt für kulturelle Leistungsfähigkeit. Ich erkannte die Chance, für meine utopischen Träumereien eine realen Boden zu finden, und Arthur und ich trafen ein Abkommen: ich würde den Präsidenten von ECOVAST Austria machen - ECOVAST bedeutet übrigens wörtlich übersetzt "Europäischer Rat der Dörfer und Kleinstädte", während er den Vorsitz meines zukunftsgerichteten Vereins "GIVE - Labor für Globale Dörfer" übernahm. So entstand eine interessante Quantenverschränkung zweier Außenseiter und wir organisierten schon vier Jahre später - im Jahr 2002 - ein zweites Kleinstadtsymposium. Als Schauplatz wählten wir auf meinen Vorschlag hin Waidhofen an der Ybbs. Das hatte mehrere Gründe: einerseits war dort schon früh ein starker technologischer Impuls gesetzt worden, ein lokales städtisches Network mit breitbandiger Anbindung an die Großstadt Wien, andererseits hatte dort der Architekt Beneder mit einem Masterplan ein sehr innovatives Hauptplatzschema umgesetzt dessen Kernidee die Plastizität der urbanen Funktion war. Der Stadtplatz sollte quasi als Bühne und Katalysator gleichzeitig fungieren; die Multifunktionalität und Ambiguität sollte immer wieder neue Inszenierungen und Ereignisse ermöglichen. ˧

Schon damals habe ich das Konzept der Kleinstadt als Stellvertreterin und Repräsentantin der besten Errungenschaften der Globalen Stadt im ländlichen Raum geboren, und Arthur und ich teilten die Vorliebe für praktische Experimente und die Abneigung gegen akademische Abhandlungen. Letztlich ist diese Idee und Perspektive auch ein wichtiger Grund gewesen, warum ich mir aus den vielen Möglichkeiten, von Wien in den ländlichen Raum zu gehen, ausgerechnet Bad Radkersburg ausgesucht habe. Hier wurde ja gerade 725 Jahr-Jubiläum gefeiert und der Hauptplatz renoviert, bestehen zumindest viele Möglichkeiten tatsächlich jene Dinge zuwege zu bringen von denen wir schon 2002 in Waidhofen geträumt haben. ˧

Ich möchte daher abschließend noch einige Zitate aus der Charta von Murau bringen, die wir 1998 gemeinsam verfasst haben [3] ˧

"Die Teilnehmer am ‘1. Mitteleuropäischen Kleinstadtsymposion“ geben ihrer Überzeugung Ausdruck, dass den historischen Kleinstädten, diesen kulturellen Perlen der europäischen Landschaften, bei weitem noch nicht jene Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, die ihrer überragenden Rolle für die Zukunft Europas, seiner Regionen und dem ländlichen Raum entspricht. ˧

Daher appel­lieren die Unterzeichneten an die gesamte Bevölkerung, die Entscheidungs­träger, alle Verwaltungsebenen, die Medien, die Wissenschaft und Politiker, sich dem Wohle der Kleinstädte anzunehmen und untermauern diesen Ap­pell wie folgt: ˧

Kleinstädte sind für die kulturelle Dichte der ländlichen Räume hauptverant­wortlich. ˧

- Sie sind hervorragendes Merkmal sowohl der kulturellen Vielfalt wie der Ein­heit Europas und sind durch eine besondere Dichte der Abfolge von Stilen und durch charakteristische Baumerkmale gekennzeichnet. ˧

- Meist sind die historischen Kleinstädte die “kleinen Hauptstädte“ der Regio­nen und Heimaten. ˧

- Sie sind mit ihren umgebenden Landschaften den Dörfern und anderen ländlichen Siedlungsformen in untrennbarer Einheit verbunden. ˧

- Eingebettet in die ländliche, kleinräumige Wirtschaftsstruktur sind sie Kristalli­sationskerne bodenständiger, nachhaltiger Wirtschaftsformen und damit ei­ne unverzichtbare Kraft gegen unreflektierte Globalisierungstendenzen des dritten Jahrtausends. ˧

- Kleinstädte sind in besonderer Weise in der Lage, die Lebensqualität einer Großstadt mit der eines Dorfes zu vereinen, ohne alle deren Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. ˧

- Kleinstädte sind Schaltstellen zwischen dem ländlichen Raum mit seinen Dör­fern und den Großstädten sowie der “weiten Welt“. ˧

- Insbesondere die historischen Kleinstädte erfüllen eine bis in das Spirituelle reichende Rolle für die Identität der Bevölkerung mit ihrer Region, ihrer Hei­mat, da sie meist von unverwechselbaren Charakter sind und wirkungsvollen Widerstand gegen globale, gesichtslose Uniformität leisten können; in ihnen gibt es schon viele Spezialisten aber auch noch Universalisten - diese Mi­schung ist fruchtbar, zukunftsweisend und daher erhaltenswert. ˧

andererseits: ˧

- haben die Kleinstädte heute keine Lobby und ˧

- sie werden von Politik, Verwaltung und Wissenschaft viel zu wenig wahrge­nommen, obwohl im Zuge der Regionalisierung und nach dem Prinzip der Subsidiarität - beide an sich sehr wünschenswert - in rasantem Tempo zuneh­mend aufwendige Aufgaben von den Gesetzgebern an die Kleinstädte und Gemeinden “herunterdelegiert“ werden. Die Erfüllung dieser Aufgaben ist meist mit einem überproportionalen Personalaufwand verbunden, der außer­dem nicht abgegolten wird. ˧

- Auch Kleinstädte leiden oft an der Verödung ihrer Zentren durch die Absie­delung von Geschäften, Dienstleistungen und der Wohnbevölkerung infolge der Neugründung von Einkaufszentren an den Stadträndern und anderen, externen Effekten, denen zuwenig gegengesteuert wird. ˧

- Es besteht auch für Kleinstädte die Gefahr der Abwanderung gut ausgebil­deter Arbeitskräfte und sie sind wie der gesamte ländliche Raum von der Verkehrsproblematik betroffen. ˧

daher benötigen Kleinstädte unter anderem ˧

die Vernetzung in allen Dimensionen ("gemeinsam statt einsam“), ˧

- die Kooperation mit Großstädten ebenso wie mit dem umgebenden Land, ˧

- die Schaffung und Einbettung in Städtenetzwerke (wofür es bereits Ansätze gibt: z.B: RECEVIN, Douce Large, Historische Kleinstädte in Osterreich), ˧

- die Sicherung und den Ausbau ihrer “Stärken“; Ansatzstellen für ihre Ent­wicklung sollen ihre spezifischen, charakteristischen Merkmale sein, die oft mit jenen ihrer Region ident sind (z.B. Wein-, Montan- oder Kurstädte), ˧

- die positiv-kritischen Auseinandersetzung zwischen “Alt“ und “Neu“ im Stadt­bild und Baugeschehen ˧

- und die deutliche Besinnung auf ihre Rolle im ideell wie materiell zusammenwachsenden und sich neu strukturierenden Europa." ˧

Soweit die noch immer höchst aktuelle Charta von Murau. ˧

Ich freue mich sehr, wenn wir im April in Graz an dieser Thematik weiterdenken und verbleibe bis zum nächsten Mal - bei Willkommen im Globalen Dorf, wie immer zuerst auf Radio Agora. ˧

Auf Wiederhören sagt Euer Franz Nahrada. ˧


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Am Ende der Sendung bedanke ich mich expressis verbis bei Markus Kaufmann - PC Geschäft in Bad Radkersburg, der in letzter Sekunde ein technisches Problem löste ohne das es diese Sendung nicht gäbe.... ˧





[1] http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?FranzNahrada/Texte/GlobaleStadt-GeteilteWelt

[2] https://austriaca.at/0xc1aa5572 0x003aae3f.pdf Seite 387 ff

[3] http://dorfwiki.org/wiki.cgi?ECOVAST/SchwerpunktKleinstädte/ChartaVonMurau