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Franz Nahrada: Aus dem Vorbereitungspapier zu meinem Vortrag in Arbogast - TageDerUtopie:

„Open Source„ – was nicht ganz genau dasselbe ist wie „Freie Software„ – ist im engeren Sinn quelloffene Software.

Die „Source„, das ist der „hochsprachliche„ Programmiercode, die für Menschen verständlichen Anweisungen an die Maschine. „Source„ ist das, was der Programmierer schreibt, im Unterschied zum „kompilierten„ Maschinencode. Hier, in der „Source„, ist ein menschliches Wesen zugange, das einen bestimmten Zweck verfolgt und diesen von einer Maschine ausführen lassen will.

Nun ist die „Source„ sozusagen das „Betriebskapital„ von Softwareunternehmen. Sie wird eifersüchtig gehütet, denn aus ihr lassen sich die Fähigkeiten, modern englisch gesprochen die „Features„ der Produkte ableiten, die die Firma auf den Markt bringt. Diese Produkte werden ja nicht etwa verkauft, sondern nur verliehen, lizensiert – und man unterschreibt jedesmal wenn man eine Software in Betrieb nimmt einen unsichtbaren Vertrag, der eine ganz wesentliche Bestimmung enthält: es ist verboten, diese Software, die ja in Maschinencode ausgeliefert wird, zu „dekompilieren„, also durch Rückübersetzungsprogramme ihre Funktionalität zu analysieren und nachzuprogrammieren. Der Sourcecode wird bei solcher, sogenannter „proprietärer Software„ in Tresoren gehütet wie ein Staatsgeheimnis – und wenn er verraten wird, ist bei der Firma das Feuer am Dach. Apple Computer wurde Opfer eines solchen „Lecks„, das sich unter dem blumigen Titel „Liga des neuen Prometheus„ (NuPrometheus League) an die anonyme Öffentlichkeit wandte.

Weil der Schutz der Source vor Nachprogrammieren nicht schützt, wollen die Firmen die von Software leben, und nicht nur sie, immer stärkere Gesetze zum Schutz des sogenannten „geistigen Eigentums„.

Und da gibt es aber Firmen und Menschen, die nach dem umgekehrten Prinzip verfahren. Sie halten die Source nicht nur nicht geheim, nein liefern den Sourcecode bei ihren Produkten -Softwareprogrammen - gleich mit, ja sie verpflichten sich sogar gegenseitig dazu! Nicht nur das, sie verteilen den Sourcecode sogar noch bevor das fertige Produkt auf dem Markt ist!

Was bewegt diese Firmen und Entwickler, so zu handeln? Was bewegt sie, so zu handeln und dann sogar noch zu sagen: „Unsere Maxime ist es, den Sourcecode so früh wie möglich und so oft wie nötig zu veröffentlichen„ – auf Englisch:„release early – releas often„ - ?

Es gibt sehr viele Motivationen, dies zu tun.

Die ursprüngliche Motivation ist dabei die unwichtigste. Ursprünglich wurden nämlich Computer verkauft und die Benutzer schrieben sich die Software zu großen Teilen selber. Damals war es eine selbstverständliche und rationelle Handlung, Software zwischen Benutzern auszutauschen. Als die modernen Betriebssysteme aufkamen und die Computer immer kleiner und die Benutzer immer weniger Programmierer wurden, wurde mit dieser Praxis Schluß gemacht. Software zu schreiben wurde zum eigenen Geschäftszweig, und die Computerfirmen hofierten die Softwarefirmen, die sie ursprünglich als Zulieferer betrachteten. Als die Computer immer billiger wurden, wurde die Macht der Softwarefirmen immer größer, denn sie wetteiferten um immer mächtigere und für Benutzer undurchschaubare Programme, deren Kosten so gut wie ausschließlich in der Programmierung und allenfalls noch Dokumentation und Verpackung bestanden. Einmal geschrieben, konnte man das Masterband sozusagen ständig kopieren und neu verpacken, und die Firmen die sich erfolgreich etablierten, konnten auf diese Art und Weise sehr rasch ihre Förderer und Gönner von einst überholen. Billl Gates, der Gründer der Firma Microsoft, wurde sehr rasch vom kleinen Zulieferer von IBM zum reichsten Mann der Welt.

Aber dieser Siegeszug ging nicht überall gleich schnell, und da war so ein gallisches Dorf von Programmierern, die waren in einem etwas geschützten Raum. Ihre Computer liefen unter dem Betriebssystem Unix, und dieses Betriebssystem wiederum lief unter vielen verschiedenen Prozessorentypen. Natürlich gab es auch Versuche dieses Betriebssystem zu patentieren, aber in den alten Zeiten hatte man insbesondere bei den Universitäten den Benutzern sozusagen zu viele Freiheiten gelassen. Und dort hatte sich die Praxis eingebürgert, bei Programmen direkt den Sourcecode auszutauschen, damit sich jeder Benutzer für seinen Prozessortyp das Programm selbst fabrizieren, sprich kompilieren konnte. Als die großen Firmen begannen, „ihr„ UNIX-Betriebssystem zu lizensieren (2) und den Sourcecode nicht mehr weiterzugeben, brachte eine Gruppe von Programmierern um Richard Stallman ein Projekt auf die Beine, das sich lapidar „GNU„ nannte. Die hübsche afrikanische Antilope ist das erste Markenzeichen geworden für den Anspruch der Benutzer, sich ihr Betriebssystem selber zu schreiben. „GNU„ steht aber eigentlich für „GNU‘s NOT UNIX„ – also für den Anspruch etwas von den proprietären Versionen verschiedenes zu produzieren.

Stallman hatte auch eine glänzende Idee, wie man diesen Versuch vorantreiben könnte. Um jede Möglichkeit zu vermeiden, daß sich die UNIX-Firmen die Produkte der Benutzer „proprietär„ aneignen können, stellten er und seine Mitstreiter ihre Software auch unter eine Lizenz – die sie „General public License„ oder abgekürzt GPL nannten. Ihr Inhalt war sehr radikal, denn sie beinhaltet die Möglichkeit jedes Benutzers, den Sourcecode für jeden Zweck zu benutzen, vollkommen zu studieren, aber auch zu modifizieren und selber wieder weiterzugeben. Allerdings wird die Einräumung dieser vier Freiheiten auch von jedem abgeleiteten Produkt verlangt und die Weitergabe mit GPL stellt die einzige Verpflichtung dar, die durch die Lizenz vom Benutzer verlangt wird.

Der wirkliche Durchbruch gelang der Antilope erst, als sie sich mit dem Pinguin zusammentat. Der Programmierer Linus Thorwalds schaffte es 1991, durch Zusammenarbeit mit vielen Helfern und durch geschicktes Management einer großen Freiwilligenschar (3) die Programmteile eines sogenannten Kernels, des wichtigsten Teiles eines Betriebssystems zusammenzusetzen. Seither firmiert das aus GNU Komponenten und Linus Thorwalds Kernel zusammengesetzte Produkt auch und vor allem unter dem Markennamen „Linux„ – was soviel bedeutet wie das "Unix von Linus".

Weltweit sind mittlerweile viele tausend Hard- und Softwarefirmen, davon einige große, auf den Linux-Zug aufgesprungen und haben ihre Produkte auf Linux aufgebaut. Es sind offensichtlich einige handfeste Vorteile dazugekommen, die weit über die ursprüngliche Zusammenarbeit der Benutzer hinausgehen.

- Zumindest in Bereichen mit einer großen Anzahl von Benutzern ist die Nachhaltigkeit von OpenSource mittlerweile bewiesen. Linux entwickelt sich beständig weiter, egal ob einzelne Firmen die sich damit beschäftigen kollabieren oder nicht. Im Bereich proprietärer Software kann es durchaus passieren, daß ein Anbieter vom Markt verschwindet und sein Produkt nicht mehr unterstützt wird – was in Zeiten rapider technologischer Entwicklung, in denen jede Software mindestens alle drei Jahre neu an ihre Umgebung angepaßt werden muß, für sein Funktionieren unabdingbar ist. Eine ebensohäufige Variante: der Monopolist zwingt seine Kunden ein neues Produkt zu kaufen (natürlich zu „etwas günstigeren Konditionen„), denn das alte wird natürlich nicht mehr unterstützt (so geschehen mit Windows NT)

- Ist so einerseits die Kontinuität eines Produktes und die evolutionäre Entwicklung auch über längere Zeiträume garantiert, entfällt andererseits die in solchen Fällen die Abhängigkeit von einem Wissensmonopolisten, wenn der Bestand an Software und Werkzeugen quasi geistiges Gemeineigentum ist. Im proprietären Bereich kann ein Kunde, der vom einem bestimmten Produkt abhängig geworden ist, hingegen ständig dosiert „gemolken„ werden. Freie Software wird technisch von vielen auch konkurrierenden Supportunternehmen unterstützt.

- Ein wesentliches – wenn auch nicht wirklich entscheidendes – Element ist der Preis. Eigentlich findet sich immer ein Weg, kostenfrei an freie Software zu kommen, es gibt Infrastrukturen und Downloadmöglichkeiten en masse. Umgekehrt machen Firmen die Verpackung und Distribution einer besonders benutzerfreundlichen Version von Linux zu einem eigenen Geschäftszweig. Und auch Support und Installation, also die Anpassung an die Benutzerbedürfnisse, ist ein eigener Geschäftszweig geworden. Trotzdem auch diese nicht zum Nulltarif arbeiten, ist die Summe der Kosten bei freier Software nach vielen Untersuchungen niedriger als bei proprietärer Software.

- Ein weiteres Argument ist die Möglichkeit, Produkte selber an die eigenen Bedürfnisse anpassen zu können oder dies eben von einer Supportfirma durchführen zu lassen. Weitergedacht heißt das auch, daß die Produkte nach Qualitätsvorgaben der Benutzer bzw. der Entwickler gestaltet werden und nicht nach den Marketingplänen einer Firma.

So hat sich die Open Source (1) heutzutage schon zu einer beachtenswerten Realität entwickelt.

Viele Forscher haben sich damit beschäftigt und sich dieser eigenartigen Form von „Kochtopfökonomie„ oder „Ökonomie des Teilens„ zugewandt; Modelle wurden entwickelt, in der die „Ökonomie der Aufmerksamkeit„ oder der „Reputation„ eine Rolle spielt. Ich möchte diese Modelle und Erklärungsversuche hier nur erwähnen und nicht ausführen, weil sie in unserem Kontext eine untergeordnete Rolle spielen. Wahrscheinlich gibt es sehr viele Gründe und Motivationen, sich als Entwickler, Vertreiber, Supporter oder schlicht Benutzer von Open Source Software zu betätigen, und wahrscheinlich ist genau das eine Stärke von Open Source, der dieses Modell so gut funktionieren läßt.

Im Prinzip ist OpenSource nichts vollkommen neues; in vielen Sphären unserer Gesellschaft herrscht - zumindest bis heute noch - das Prinzip der Freizügigkeit der Wissensweitergabe, während in anderen Sphären diese Freizügigkeit streng reglementiert wird. Spannend ist freilich daß wir es im Bereich der Computersoftware mit einem an Heftigkeit zunehmenden Streit zweier Prinzipien zu tun haben, der beide Parteien dazu nötigt, ihre Verfahrensweisen zu formalisieren und explizit zu machen.

Dadurch, daß die beiden Seiten auch in zunehmender ökonomischer Konkurrenz zueinander stehen, wird dieser Streit verschärft und nimmt prinzipielle Züge an. Ich möchte Ihnen heute abend beweisen, daß es tatsächlich um mehr geht als um eine schlichte Regulationsfrage in einer Abteilung der Wirtschaft. In der Computersoftware wird ein Streit ausgetragen, bei dem es um die Zukunft der Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft überhaupt geht. Auf der einen Seite unternimmt die Wirtschaft in allen möglichen Gebieten den Versuch, „geistiges Eigentum„ einzuführen und den Zugang sowie die Nutzung von Wissen von Lizenzen abhängig zu machen. Wir werden in einem nie gekannten Ausmaß reguliert und reglementiert, und im Grunde entstehen historisch noch nie dagewesene Einschränkungen und Handlungsverbote, die bis hin zur Verhinderung der landwirtschaftlichen Selbstversorgung etc. reichen. Das ist eine Dystopie, die seit geraumer Zeit auch ein hohes Maß an Zukunftsängsten erzeugt. Auf der anderen Seite schimmert tatsächlich eine Utopie durch die Open Source Revolution, und sie weist weit über das existente Maß an gesellschaftlichem Reichtum hinaus.

Die DVD mit dem Vortrag ist entweder in Kirchbach oder St.Arbogst erhältlich.


Fußnoten:

(1) In der „OpenSource Definition„ von Bruce perens sind die grundlegenden Verpflichtungen ähnlich definiert wie in der GPL:

  • die Software darf in jeder Kombination und ohne Lizenzgebühren weitergegeben werden
  • Sourcecode muß mit dem Programm verfügbar sein
  • - die Lizenz muß Modifikationen und abgeleitete Werke erlauben, die unter denselben Bedingungen wie das Ausgangswerk weitergegeben werden können.
  • - die Erhaltung der Integrität des ursprünglichen Sourcecodes kann verlangt werden; Modifikationen müssen dann extra aufgeführt werden.
  • Es dürfen keine diskriminierenden Einschränkungen in der Lizenz gemacht werden, weder gegen Personen noch Gruppen oder Staaten
  • es dürfen keine Anwendungsfelder ausgeschlossen werden, insbesondere auch nicht kommerzielle
  • es darf niemand eine Zusatzlizenz bei der Verbreitung verlangen oder die Freizügigkeit auf sein eigenes Produkt beschränken
  • die Lizenz darf nicht auf Software ausgedehnt werden, mit der sie zusammen verteilt wird; so kann auch Software, die Closed Source ist, mit OpenSource Software verteilt werden.
  • die Lizenz darf nicht auf eine bestimmte Form der Verbreitung der Software beschränkt sein.
(2) Der entscheidende Schritt in dieser Richtung erfolgte 1983, als AT&T mit UNIX SystemV? Version 7 das erste Mal Software ohne Hardware verkaufte.

(3) Berühmt geworden sind die legendären „2 Worte„ von Thorwalds in der Debatte mit Tanebaum, der die Möglichkeit „1000 Primadonnen„ zu koordinieren leugnete: „I wont„ ((keep the total control). Hier liegen die Wurzeln für Eric Raymonds mißverständliche Schrift „The Cathedral and the Bazaar„, in der es um die „Softwarekrise„ und ihre Überwindung durch ein Bazar-Modell ging. Die Vorstellung, bei der Entwicklung freier Software ginge es zu wie in einem Bazar, widerlegt sich schon durch die Tatsache daß er Maintainer die letzte Entscheidungsgewalt über die Annahme eines Projektbestandteils hat. Freie Softwareentwicklung ist nicht demokratisch; ihre Rahmenbedingungen sind es allerdings sehr wohl, wenn wir von einem emphathischen Betriff der Demokratie ausgehen: der Maintainer kann niemanden zur Mitarbeit zwingen. Ganz im Gegenteil: er ist jederzeit durch die Gefahr einer "Abstimmung mit den Füßen" konfrontiert, entweder dadurch daß die Entwickler wegbleiben oder daß sie in der Lage sind, das respository zu kopieren und ein paralleles Projekt aufzuziehen ("Forking"). Christoph Spehr nennt das eine Produktionsweise in freier Kooperation, die jederzeitige Aufkündbarkeit einer sozialen Beziehung und nur sie garantiert Herrschaftsfreiheit.

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