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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2019-01-23


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Technisierung und Gesellschaft

Termin: 23. Januar 2019, 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-11

Thema 1: Christoph Georgi: Digitaler Wandel im Operationssaal

Thema 2: Rico Bartsch, Clemens Langner: Gamification

Ankündigung

Thema 1: Digitaler Wandel im Operationssaal

In der Medizin ist der Digitale Wandel Hoffnungsträger für eine effizientere, kostengünstigere und für den Patienten verbesserte Gesundheitsversorgung. Im ersten Teil des Vortrages wird auf die Vorteile und Herausforderungen der elektronische Patientenakte eingegangen, welche im Rahmen des eHealth-Gesetzes im Jahr 2019 eingeführt werden soll.

Im zweiten Teil wird der Wandel aus der Sicht eines Chirurgen betrachtet. Viele neue digitale Medizingeräte haben in die OP-Säle Einzug gehalten und bringen neue Möglichkeiten sowie benötigte Kompetenzen mit sich. Die bedeutendsten Entwicklungen und der aktuelle Stand, in dem sich heute die OP-Säle befinden, werden hierbei beleuchtet. Über die aktuellen Hemmnisse soll ein Ausblick auf die „nächste“ Generation von Medizingeräten gegeben werden. Dabei wird der Begriff „Interoperabilität“ geklärt und die Frage besprochen, wie Medizingeräte zukünftig herstellerübergreifend „interoperieren“ können sollen. Weiterhin wird ein Einblick in die Forschung chirurgischer Workflow-Management Lösungen und die Entwicklung von Medizingeräten gegeben.

Christoph Georgi, 16.01.2019

Thema 2: Gamification

Dass Gamification mehr als nur ein buzz word ist, zeigt seine nachhaltige Durchdringung vieler Lebensbereiche: Mit der Arbeitswelt und diversen der Selbstentwicklung der Benutzer verschriebenen Apps seien nur zwei vordergründige Beispielbereiche benannt. Dieser Vortrag schlägt eine Sichtweise vor, welche die Lehren aus Gamification-Versuchen ordnen und verwertbar machen möchte: Eine Annäherung an das Phänomen Gamification geschieht über den Begriff des Spiels, insbesondere des Spiels in seiner digitalen Ausprägung, frei nach dem Motto "Lernst du noch oder spielst du schon?"

Rico Bartsch, Clemens Langner, 15.01.2019

Anmerkungen

Im ersten Vortrag ging es um eine Reihe von Auswirkungen des digitalen Wandels auf die Medizin, wobei mit der elektronischen Patientenakte und dem vernetzten OP-Saal der Zukunft zwei sehr verschiedene Bereiche ausgeleuchtet wurden, in denen die gewachsene Verfügbarkeit digital vernetzter, computerbasierter Beschreibungsformen zu deutlichen Umbrüchen in der gesellschaftlichen Einbettung der jeweiligen Bereiche führt.

Im ersten Fall ging es mit der elektronischen Patientenakte (darauf will ich mich beschränken) um die sichere Verfügbarkeit von Patienteninformationen gerade auch in Notfallsituationen. Damit ein gesellschaftlich organisiertes Notfallsystem in einem solchen Fall optimal helfen kann, wäre es sehr sinnvoll, auf alle verfügbaren Patienteninformationen vor Ort zugreifen zu können, um Fehlbehandlungen zu vermeiden. Dem steht der Schutz der Privatsphäre entgegen, was in der Vorlesung als einer der Grundpfeiler der bürgerlichen Rechtsordnung identifiziert wurde. Ein (so noch nicht existierendes) Notfallsystem müsste also in einem widersprüchlichen rechtlichen Rahmen operieren, dessen rechtliche Spielregeln sich allein aus einem gesellschaftlichen Abwägungsprozess heraus ergeben können, der auch rechtspraktische Sicherungselemente gegen Missbrauch einschließt. Damit würde auch keineswegs juristisches Neuland betreten, wie die vielen Formen betreuten und vormundschaftlichen Handelns zeigen. Die technischen Möglichkeiten, entsprechende Anforderungen umzusetzen, sind nach meinem Verständnis bereits heute gegeben. Die großen Probleme zu einem solchen digital flankierten Gesundheitssystem sind in der Dominanz widerstreitender ökonomischer Interessen zu suchen, die sich unter den gegebenen politischen Rahmenbedingungen kaum in einen politischen Aushandlungsprozess einbinden lassen.

Auch im zweiten Teil – beim vernetzten OP-Saal der Zukunft – ging es um digital verfügbare Beschreibungsformen von Patienten. Im Gegensatz zur Patientenakte, die eher dem hoch strukturierten Bereich der dispositiven Daten zuzuordnen ist, geht es hier allerdings um operative Daten hoher Komplexität und geringer zeitlicher Tiefe, um das Geschehen im Operationssaal optimal unter Kontrolle zu halten. Die Parallelen zu dispositiven und operativen Daten in einem modernen Produktionsbetrieb sind – bis hin zu den Visualisierungsmöglichkeiten und -erfordernissen – augenfällig. Allein die Zahl der Kabel und operativen Steckverbindungen scheint im OP-Saal deutlich größer zu sein, wobei allerdings zu vermuten ist, dass kabellose Übertragungstechnologien mit den Wirkprinzipien wichtiger medizinischer Mess- oder gar Behandlungsgeräte in einem Umfang interferieren, welcher der menschlichen Gesundheit in dieser kritischen Phase abträglich ist. Hier besteht sicher noch viel Optimierungspotenzial.

Im zweiten Vortrag ging es noch einmal um Gaming, wobei wie schon in der Vorwoche schnell klar war, dass die Rede vor allem über Aktivierungs-, Interaktions- und Entertainmentspiele geht. Spiel als "Nicht-Ernst" abzugrenzen ist möglich und zugleich schwierig, denn es muss das Verlassen der Diskursebene mitgedacht werden, wenn aus "Spiel" auf einmal "blutiger Ernst" wird. Im Vortrag wurde vor allem der Bogen zwischen Spiel und Kultur aufgespannt, wie ihn Johan Huizinga mit seinem Konzept des homo ludens in Ergänzung zu homo sapiens und homo faber thematisiert. In der Diskussion ging es auch um die etymologischen Differenzen zwischen "Spiel" und "spielen" im Deutschen sowie "game" (Wurzel: jagen) und "play" im Englischen. Die im Vortrag – Hunzinga folgend – aufgestellte These, "Spiel widersetze sich beharrlich den Zweck- und Nutzenforderungen der Moderne", klingt vordergründig plausibel, steht aber in eigenartigem Kontrast zum Quest vieler Spiele mit Berechnungs- und Maximierungsansätzen, was deutich auf die Konditionierung für Handeln in der bürgerlichen Gesellschaft ausgerichtet ist. Diese spezifische systemstabilisierende Rolle von Spielen wurde allerdings wenig ausgeleuchtet.

Im zweiten Teil des Vortrags ging es um digitale Spiele, allerdings auch dort stark aus der Sicht der Spielenden betrachtet und weniger aus der Perspektive der Spieldesigner. Im digitalen Bereich ist die arbeitsteilige Zergliederung des Spielerstellungsprozesses gegenüber analogen Zeiten noch einmal um Größenordnungen gewachsen – es gibt Quest-Designer, Oberflächen-Designer, Spielelement-Designer usw. Wenig eingegangen wurde auch auf die große Vielfalt gesellschaftlicher Kontexte, in denen schon "analoge" Spiele präsent sind – von Massenevents wie Fußball und neuerdings auch e-Sport mit massiven, auch ökonomisch relevanten Dynamiken bis hin zu Spielen in der beruflichen Weiterbildung, wo es weniger um Selbstverbesserung als vielmehr um gezielte Qualifizierung geht.

Hans-Gert Gräbe, 29.01.2019


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