Alternative Zu Einem Freizeitpark / Papier |
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BeiträgeZurAlternative
FranzNahrada, Schnellbach, 17.7.2005
Vorbemerkung: In meiner Tätigkeit in Zukunftsforschung und Dorferneuerung habe ich viele Regionen Europas und auch die Menschen dort mit ihren Eigenarten und Problemen, Herausforderungen und Schönheiten kennengelernt, Schnellbach und den Hunsrück kenne ich mittlerweile zu allen 4 Jahreszeiten und finde hier nicht nur Freunde, sondern auch eine ganz bemerkenswerte Landschaft und Atmosphäre, die Freude an der Wiederkehr macht. Das hat mich motiviert, hier in meinem Urlaub, konfrontiert mit den Plänen zum Freizeitpark und der lebendigen Diskussion darüber, mich mit dem Bemühen um die Erhaltung der Schönheit dieser Landschaft zu identifizieren und ein paar Gedanken beizutragen.
Eine Frage die es sich zu stellen lohnt: wieviele Touristen kann diese Region tatsächlich vertragen? Sind die geplanten 850.000 Besucher überhaupt infrastrukturell verkraftbar? Was sind die Folgewirkungen? Wie entwickeln sich dadurch die verschiedensten lokalen Parameter, die Preise, die Lebenshaltungskosten, der Verkehr, die Berufsstruktur etc.? Allein dass das Projekt „Freizeitpark“ diese Fragen überhaupt erst so richtig stellt und dass niemand so richtig die Antwort weiß, macht mehrere Problematiken deutlich: 1. Es bringt uns zur Erkenntnis dass starke Regionen selbstbestimmt und aus eigener Kraft Projekte machen, weil sie aus einem gemeinsamen Zukunftsbild heraus wählen können, was für sie die richtigen Entwicklungen sind. Ein "von außen" kommendes Projekt ist immer Zeichen dafür, dass die Region innerlich dazu zu schwach ist und ihre Kräfte nicht gebündelt sind. In unserem Fall sind sie nicht mal erkannt bzw. bekannt. Gemeinden und öffentliche Verwaltung haben in einem Wust von Vorschriften zu agieren und kaum die Gestaltungskraft, solche Stärken wirklich zu entwickeln. Diese Stärken kommen gemeinhin aus Entwicklungen im Bereich der Zivilgesellschaft und durch ein kluges Zusammenspiel von öffentlicher Verwaltung und zivilgesellschaftlichem Engagement zustande. Es ist eine Art informeller regionaler Entwicklungspartnerschaft, die eine starke Region trägt. 2. Eine solche Entwicklungspartnerschaft heißt, dass die eigene Entwicklung (die wirtschaftliche Entwicklung jedes Einzelnen) und die Entwicklung der anderen Hand in Hand gehen. "Wir wachsen gemeinsam, nicht einer auf Kosten des anderen" ist das oberste Prinzip. Sie folgt gemeinsam ausgehandelten Plänen und Leitlinien für die zukünftige Entwicklung, die sich auf der Eigenart und Charakteristik der Region, ihrer Kultur, aber auch oft aus sehr kühnen Ideen und Visionen ergeben. 3. Das setzt voraus, dass die Bewohner einer Region überhaupt solche Pläne haben, dass sie wissen was sie hier in dieser Region und aus ihrem Herzen heraus wirklich tun und erleben wollen oder zumindest darüber nachdenken. Zumeist findet ein solches Nachdenken nicht statt und wir sollten uns auch nicht wundern wenn wir die Erfahrung machen, wie schwierig es ist. Dennoch ist es den Versuch wert, die Aufmerksamkeit trotzdem drauf zu lenken, weil es wahrscheinlich die einzige wirkliche Möglichkeit ist, sehr negative Entwicklungen zu verhindern und positive in Gang zu setzen. 4. Grundlegende Voraussetzung ist: Wertschätzung aller – in unserem Falle auch derjenigen die für das Projekt FP sind. Es geht nicht darum, Fronten aufzubauen und "stärker" zu sein und zu gewinnen. Es geht darum, ganzheitlich zu denken und auch das Engagement derjenigen, die sich um die wirtschaftliche Entwicklung der Region sorgen, ernst zu nehmen und für eine ganzheitlichere und verträglichere Lösung nutzbar zu machen. Das Prinzip muss heißen: "Jeder Einwand ist als konstruktiver Beitrag zu verstehen und zu interpretieren und bereichert dadurch das Ganze". 5. Regionale Entwicklung spielt sich immer im Bereich von Stärken und Schwächen ab: Stärken betonen, Schwächen ausgleichen. Die Stärke dieser unserer Region ist wie allen bekannt die Stille, die Schönheit und Charakteristik der Natur, die intakten Lebensgrundlagen wie z.B. saubere Luft, die Wälder und Täler. Schwächen sind die mangelnden Arbeitsplätze, strukturelle Schwierigkeiten der Betriebe, eine relativ geringe Nahversorgung, die Überalterung, die immer geringere Kommunikation der Menschen untereinander. Fazit: Es genügt nicht, dass alles so bleibt wie es ist, damit die Stärken erhalten bleiben! 6. In diesem Rahmen treten Chancen und Gefahren auf - und oftmals sind Gefahren auch der Anlaß, aus dem sich Chancen ergeben. Der Diskussionsprozeß und der Bewußtseinsbildungsprozeß der durch das Projekt "Freizeitpark" ausgelöst wird ist ein typischer Fall für eine solche Chance, für einen Anlaß, Kräfte zu mobilisieren, die ansonsten gar nicht sichtbar und wirksam geworden wären. Die Menschen die bewusst diese Gegend als Lebensort gewählt haben werden sich nicht nur selber ihrer Motive bewusst, sondern erkennen auch, mit wievielen anderen Menschen sie diese Motive gemeinsam haben auch mit denen die hier ihre Wurzeln haben. Das ist die Basis für gemeinschaftliches Engagement - und überall dort, wo starke Regionen existieren, ist diese Stärke aus genau solchen Prozessen entstanden. Es ist hier nicht der Raum, die vielen zahlreichen Beispiele starker Projekte gelungener Dorfentwicklung und -erneuerung anzuführen, doch sollte die Information darüber ein wichtiger erster Schritt in der Konzeption der eigenen Vorhaben sein. Es gibt viele Wege und Kanäle an all diese guten Beispiele zu kommen:
Ich stelle sie unter das Motto: "Lebensqualität für Einheimische und Gäste" Die geplante touristische Nutzung und das vorgelegte Projekt selbst bieten einige Anhaltspunkte: Nehmen wir doch einmal das geplante Feriendorf , den Teich, den Park, die archäologischen Bodendenkmäler, den Baumwipfelpfad und den Hochseilklettergarten aus der Planung und stellen sie uns so vor, wie wir sie gerne sähen.... Vieles davon ist keineswegs bloß unsinnig. In etwas modifizierter Form ausgeführt könnte so etwas tatsächlich auch eine Bereicherung für die Menschen die hier leben sein. Ein solcher Ort, gerade nicht als „Touristenghetto“ mit Zaun, Schranken und Eintrittspreis konzipiert, sondern durchlässig in beide Richtungen, könnte Abwechslung und Erlebnisse besonders für junge Menschen in den Alltag bringen und vielleicht auch viel mehr bewirken. Eine Synthese aus Tourismus einerseits und Naherholungs- und Freizeitzentrum für die Kleinregion andererseits, ökologisch und wirtschaftlich durchdacht und mit Vielfachnutzen entworfen, könnte unter Umständen wie ein Impulsgeber für positive Entwicklungen wirken. Ganz eindrucksvoll war das Interesse bei der heutigen Archäologie-Wanderung und das starke Bedürfnis das zu entdecken, zu erkennen und zu bewahren, was die Geschichte der Jahrtausende uns zurückgelassen hat. Plötzlich erhält die Gegend in der die Menschen leben eine neue und spannende Dimension, und sie sehen den verborgenen Reichtum an Beziehungen, der in dem Wald schlummert. Dieser Reichtum ist nicht nur für die Ortsansässigen interessant, sondern kann auch für Touristen lebendig gemacht werden. Eine sich über einen langen Zeitraum hinziehende lebendige Grabung zieht viel mehr Menschen an als eine tote Ausstellung. Ein Park, in dem Vergangenheit lebendig wird, in dem sie vielleicht auch authentisch nachgespielt wird - vielleicht als eine etwas andere Art der Freizeitgestaltung? So etwas kann man nicht planen, aber oft genug rufen solche Ideen den Enthusiasmus der lokalen Bevölkerung hervor und werden zu nachhaltiger Realität. Sicher ist solch ein Enthusiasmus eine wesentlich reichhaltigere und verlässlichere Quelle als der ständige "Zukauf" von Attraktionen in einem Freizeitpark, in dem nichts authentisch ist, sondern wo eine ständige Verstärkung von Reizen gefragt ist. Ein solcher "Archäologiepark" könnte sich mit mehreren anderen Ebenen - zum Beispiel "Biosphärenpark" zum Thema Verbindung Mensch-Natur, "Handwerkspark", "Kreativpark" - überlagern, die jeweils immer eine ganz spezifische Verbindung und einen ganz spezifischen Nutzen für die Menschen vor Ort mit sich bringen und gleichzeitig Touristen ansprechen - und solcherart die Aktivitäten überhaupt erst möglich und wirtschaftlich tragfähig machen. Die Kernidee wäre, im Raum zwischen den beteiligten Ortsgemeinden einen verdichteten Biosphärenraum zu schaffen, in dem einerseits die Natur erhalten, gepflegt und mit Erlebnis- und Erholungsqualitäten angereichert wird, andererseits neue Begegnungsmöglichkeiten geschaffen werden, die sowohl für Bewohner als auch Besucher gleichermaßen attraktiv sind und in denen durchaus mit verschiedenen Rollen agiert wird. Wie wäre es mit einem Hobbydorf, in dem die Touristen leben und gemeinsam mit Einheimischen handwerkliche und künstlerische Fertigkeiten erweitern können? Sie dürften tun oder entdecken, was sie wirklich, wirklich gerne täten ? Vielleicht Handwerken mit Holz, Keramik, Malen. Backen, Kochen. Dabei geht es darum, Dinge nicht nur „spielerisch“, sondern ernsthaft umzusetzen. Einige Stichworte: Garten, Blumen, Pflanzen, Kräuter. Heilung, Wellness. Permakultur und Obstgärten (vielleicht in Verbindung mit alten Hunsrücker Apfelsorten) in Verbindung mit Vorträgen und dem Erlernen kulinarischer Künste. Apfel in Brotteig. Mostkultur. Mostschenke. Der Weg vom Getreide zum Brot. Das wären viele einander bereichernde thematische Angebote und "Arbeitsplätze" für Menschen aus der Gegend mit ihren bereits vorhandenen Kompetenzen, aber auch für die Jugendlichen der Gegend ein "Labor für neue Arbeit", in dem sie bei vielfältigen Aktivitäten dem nachgehen könnten, was sie "wirklich, wirklich wollen". Vielleicht könnte so ein Dorf“kern“ aus "thematischen Häusern" bestehen, ein Backhaus, Gesundheitshaus und so weiter. Wohlgemerkt, hier handelt es sich um eine Unzahl an Gelegenheiten, durch die Menschen vor Ort als „Betreiber“ selber ökonomisch aktiv werden könnten. Solche Gelegenheiten sind durch einen geschlossenen Freizeitpark kaum gegeben, in dem alles einer einzigen betriebswirtschaftlichen Kalkulation untergeordnet ist. In der hier behandelten Vision könnte ein „Dorf“ z.B. aus dem Rahmenplan einer Gesellschaft entstehen, die Objekte errichtet und weiterverpachtet. Die Aktivitäten hängen dann sehr von den Menschen der Umgebung und ihren Kompetenzen und Fähigkeiten ab. Davon gibt es aber keineswegs nur wenige! Ein solches Dorf wäre logisch auch weiterzuentwickeln in ein "Zukunftsdorf" das sich auch thematisch mit dem Leben im ländlichen Raum beschäftigt. Seine nachhaltige Gestaltung wäre infrastrukturell kostengünstig und würde Mehrfachnutzungen befördern: Selbstreinigende ökologische Schwimmteiche und biologische Kläranlagen statt Chlor und Kanalisation - und zugleich einen Badeplatz für die nahegelegenen Dörfer und für Touristen und Ausflügler. Die lokalen Wasserquellen, wegen mangelnder Rentabilität stillgelegt, könnten aktiviert und der lokale Wasserhaushalt der Landschaft gespeist werden. Aber kreative Ökologie ist noch viel mehr: Passive Solartechnologie statt teurer Elektrizität - und somit auch preiswertere Unterkünfte für Besucher. Experimentieren mit High - Tech, nachwachsenden Rohstoffen und ihrer Verwendung, Finden noch nie dagewesener Lösungen, begehen neuer Wege, die sich an einem doppelten Ziel orientieren: nicht nur hohe Umweltqualität, sondern auch spürbare Kostensenkung – das wäre das Ziel. Damit wird ein allgemeines Anliegen unterstützt: Krisenfestigkeit und Unabhängigkeit von den Schwankungen der Märkte - Wiederweiterung der Fähigkeit zur Selbstversorgung, getragen von neuen technologischen Möglichkeiten. In Zeiten, in denen Arbeitsplätze dauerhaft wegschmelzen gewinnt diese Thematik auch in den Metropolen neue Brisanz und könnte zum touristisch interessanten Thema gemacht werden! Ernst zu nehmen ist das Argument der Freizeithallenplaner mit dem schlechten Wetter. Selbst in Tirol ist heuer der Sommertourismus aus diesem Grund dramatisch zurückgegangen. Ganz neue Ideen müssen geboren werden, um hier attraktiv zu sein. Es muss aber nicht gleich eine Schihalle sein. Begegnungs- und Rückzugsstätten verschiedenster Art - für junge Menschen, thematisch und an verschiedensten Bedürfnissen ausgerichtet, sind vorstellbar. Musik, Trommeln, Tanzen, Bewegung, Meditation, Kunst....eben die Fülle urbaner Angebote umgelegt auf den dörflichen Raum und unaufdringlich eingebettet in eine intakte Naturlandschaft. Wie wäre es, den Gästen in einem großzügigen Gebäude mit großen hellen Fenstern eine Bibliotheks- und Arbeitsumgebung mit breitbandigem Internet zur Verfügung zu stellen (wäre auch für die Einheimischen sehr vorteilhaft). "Information Coachs" und "Information Guides" könnten Bildungserlebnisse verschaffen, während das schlechte Wetter dazu benutzt wird den eigenen „Berg“ an Arbeiten auf dem virtuellen Schreibtisch daheim in der Firma abzuarbeiten (und dafür den Urlaub zu verlängern!)....und das ganze wäre auch eine Bildungsinstitution für die hier Wohnenden, die mit solcher Unterstützung auch gezielt zum Selbstlernen ermutigt und angeleitet werden könnten. All dies sind nicht Alternativen die einander ausschließen, sondern Ebenen die durchaus in einem Projekt gemeinsam realisiert werden könnten. Es ist durchaus denkbar, dass sich dafür auch Investoren finden lassen - doch müssten diese Investoren tatsächlich ihre Vorhaben offen mit der Bevölkerung in einem gemeinsamen und nachvollziehbaren Rahmenplan oder konkretisierten Leitbild abstimmen. Wenn es solche Investoren nicht gibt - vielleicht könnte aus solch einem Leitbild wie wir es gerade entwickelt haben eine kleinregionale Genossenschaft entstehen? Es bieten sich viele Möglichkeiten, aus kleinen lokalen Kernen heraus Entwicklungen zu starten, die sich zunehmend verzweigen und in immer weitere Lebensbereiche vordringen könnten. Zum Beispiel gibt es in Schnellbach die allerersten Anfänge eines Seminarbetriebs der auf vorhandener Infrastruktur aufbaut. Die Themen bestimmen sich durch die Kompetenz von Menschen die etwas zu vermitteln haben, sei es in Sachen Homöopathie und Heilpflanzen, oder Coaching von Menschen zu neuen Formen der Selbständigkeit. Dabei greift die Tätigkeit der einen unmittelbar in die der anderen, denn die Gäste müssen auch unterkommen, versorgt werden etc. So werden ganz konkret Arbeitsplätze erhalten. Aus solchen kleinen, winzigen Anfängen können schrittweise erweiterte Kooperationen entstehen - wie aus Kristallisationskernen. Vielleicht ergibt sich eine Kooperation mit dem ortsansässigen Kräuterspezialisten und seiner Familie. Vielleicht würde dieser mit den Touristen Kräuter sammeln gehen, ihnen aus seiner Sicht die Wirkung und Heilkraft der Kräuter erklären, sie in die Zubereitung und Lagerung einbeziehen, und vielleicht würde er in dem neuen Dorf ein "Gesundheitshaus" mit betreuen. Und so weiter. Die Aktivitäten im zentralen „Tourismusraum“ kämen nicht aus dem nichts, sondern wären mit Aktivitäten in den Dörfern verbunden. Und hinter den Dörfern liegt der weitläufige Erholungsraum des Baybachtals, der wie ein grüner Gürtel die bisher beschriebenen Aktivitäten erweitert und vervollständigt.... Kurz: All das, was den Menschen in der Region gut tut, könnte auch den Touristen gut tun. Dann würden sie auch immer wieder gerne kommen, und ihre Bindung an die Region wird wachsen - vielleicht auch so sehr wachsen, dass in ihnen der Wunsch aufkommt, sich hier anzusiedeln. Denn auch das können die Dörfer gut gebrauchen. --- Eine "offizielle" Definition soll diese kurze Betrachtung abschließen.: "Als nachhaltig wird Tourismus dann angesehen, wenn er einen Umgang mit allen Ressourcen in einer Art und Weise ermöglicht, dass ökonomische, soziale und ästhetische Bedürfnisse erfüllt werden können und gleichzeitig die kulturelle Integrität, essentielle ökologische Vorgänge und die Biodiversität erhalten bleibt." Ich würde mich freuen, wenn ich einen Denkanstoß in diese Richtung geben konnte und stehe gerne für weitere Gespräche und Anregungen zur Verfügung. mit besten Grüßen an die Nachdenklichen und Wünschen für ein Gelingen ihrer Arbeit.
Mag. Franz Nahrada
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