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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2012-12-11


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Wissen und Wissensordnungen

Termin: 11.12.2012, 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-10

Diskussion

Ankündigung

Die enge Verbindung zwischen Wissensregimen und Ordnungen in der Gesellschaft lässt die Frage entstehen "so what?" Sind die aktuellen Umbrüche hin zu einer "Wissensgesellschaft" eine weitere Windung in der Abfolge von "Wissensordnungen" bisherigen Zuschnitts oder sind neue Momente zu berücksichtigen, die einen fundamentalen Unterschied zwischen "Wissensordnungen gestern und heute" markieren könnten?

Dazu gilt es, auch noch einmal genauer hinzuschauen zu anderen Praxen der Etablierung von Wissenskontexten - welche Rolle spielen "Autoren in Wissenswelten", gibt es andere Formen der Etablierung von Wissenskontexten, welche Rolle kommt "Lehre" und damit dem Sein als "Lehrling", "Geselle", "Meister" in den Wissensordnungen gestern und heute zu?

Literatur:

Hans-Gert Gräbe, 2.12.2012

Anmerkungen

Der vorgesehene Vortrag fiel aus, da der hierfür eingeteilte Student kurz vorher mitgeteilt hatte, dass er das Seminar nicht weiter besuchen wird. In der Diskussion kamen wir stattdessen noch einmal auf die Fragestellungen des letzten Seminars zurück.

Im Zentrum stand dabei die Frage, die scheinbar differenten Standpunkte noch einmal genauer auszuleuchten, von denen aus nach dem "Scheitern des Turmbaus zu Babel" sich eine Sprache neu gewinnen ließe, die über einen Anthropozentrismus hinausgeht. Einigkeit bestand weitgehend und sofort, dass die Ecken "Intentionen" und "Illusionen" des von mir ins Gespräch gebrachten Dreiecks dabei eine Rolle spielen müssen. Schwieriger war es mit der dritten Ecke, den "Abgründen der menschlichen Seele". Kleemann hier noch einmal sehr deutlich, dass Hoevels für die uns bewegende Grundfrage weitgehend außer Betracht bleiben kann, da er zwar Spannendes über diese Abgründe zu berichten weiß, im Gesamtzuschnitt aber den Boden eines Anthropozentrismus komplett verlässt. Es geht aber gerade darum, diesen nicht zu verlassen, sondern auf eine Hegelsche Weise so "aufzuheben", dass sich die anthropozentrisch nur metaphysisch zu gründenden Begriffe Humanismus und Humanität an zentraler Stelle wiederfinden und so die Praxen der letzten 250 Jahre von den Idealen der französischen Revolution bis zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte auf neue Weise sprechbar werden.

Zentral dafür ist es, so unsere weitere Debatte, einen genaueren Begriff von "Selbstbewusstsein" zu gewinnen, den wir in den letzten Seminarterminen mit der Formulierung von Peter Janich, Information auf "gelingende menschliche Kommunikation" zu begründen, zunächst (transzendentalphilosophisch) postuliert hatten. Hier wurde in der Debatte deutlich, dass ein solcher Begriff nicht mit Blick auf das einzelne Individuum, sondern nur für den "gesellschaftlichen Menschen" zu gewinnen ist, und dass dies auch genau der Zugang von Hegel und insbesondere Marx in Auseinandersetzung mit Feuerbach in der "Deutschen Ideologie" (MEW 3) war. Damit wären auch die Abgründe der menschlichen Seele anders in den Blick zu nehmen, denn es sind zumeist die Abgründe der geschundenen menschlichen Seele, deren psychologische Bewegungsformen Hoevels detailreich studiert hat, um viele private Wege zur "Ent-Täuschung" (als Ende einer Täuschung) zu weisen. Die zentrale Frage, wie das ent-täuschte Individuum zum sozialen Verband der weiterhin "Getäuschten" steht, welche widersprüchlichen Praxen aus solchen Spannungsverhältnissen erwachsen und wie diese "vernünftigerweise" praktisch zu prozessieren sind, blieben für Marx und den Traditionsmarxismus allerdings gerade an den Stellen schwierig, wo sich diese Spannungsverhältnisse im Schrei der geschundenen Seele Luft verschaffen. Dies gilt schon für die "Deutschen Ideologie", die sich zu 2/3 mit "Sankt Max" beschäftigt, dem "Aufschrei" des Junghegelianers Max Stirner in seiner Schrift "Der Einzige und sein Eigentum", und ist noch immer wenig überzeugend bis hin zu aktuellen Schriften über einen "Sozialismus im 21. Jahrhundert" (exemplarisch etwa E.Crome). Das Ziel scheint klar, der Weg dahin nicht.

»Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Verhältnisse, die man nicht besser schildern kann als durch den Ausruf eines Franzosen bei einer projektierten Hundesteuer: Arme Hunde! Man will euch wie Menschen behandeln!« ( MEW 1, S. 385)

Was soll nicht alles Meine Sache sein! Vor allem die gute Sache, dann die Sache Gottes, die Sache der Menschheit, der Wahrheit, der Freiheit, der Humanität, der Gerechtigkeit; ferner die Sache Meines Volkes, Meines Fürsten, Meines Vaterlandes; endlich gar die Sache des Geistes und tausend andere Sachen. Nur Meine Sache soll niemals Meine Sache sein. »Pfui über den Egoisten, der nur an sich denkt!« Sehen Wir denn zu, wie diejenigen es mit ihrer Sache machen, für deren Sache Wir arbeiten, Uns hingeben und begeistern sollen. (Stirner, Einleitung ... mehr)

Ein tragfähiger Begriff von "Selbstbewusstsein" lässt sich also nicht in Ansehung zunächst des Individuums gewinnen, sondern nur als Phänomen von Menschsein als Gattungswesen und damit ausgehend von der Dynamik der Verhältnisse, in denen Menschheit als Gattung wirkt und die sie versucht zu gestalten. Wir sind so unmittelbar mit dem Anspruch der 11. Feuerbachthese (MEW 3) konfrontiert

Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt drauf an, sie zu verändern,

allerdings auf eine Weise, das "Verändern von Welt" durch das Wirken der Menschen als Gattung (in Form der unserer Beschreibung bereits zugänglichen Momente - als Technik) und die Dynamiken einer sich selbst auch ändernen Welt (in Form von unserer Beschreibung noch nicht zugänglichen Momenten) in einem gemeinsamen Begriff von Praxis zusammenzuführen im Sinne der 10. Feuerbachthese

Der Standpunkt des alten Materialismus ist die bürgerliche Gesellschaft; der Standpunkt des neuen die menschliche Gesellschaft, oder die gesellschaftliche Menschheit.

Peter Janichs Setzung ist also zu präzisieren, Information auf "gelingende menschliche Praxis" zu begründen, wobei diese Praxis nicht von den einzelnen Individuen her zu denken ist, sondern von deren kooperativem Zusammenwirken. Dies wird bei einer sinnvollen Fundierung der Begriffe Information und Wissen im Weiteren zu berücksichtigen sein. In einer solchen Fundierung müssen sich auch die Gründe und Dynamiken einer (scheinbaren?) Überhöhung des Individualen in vielen Geschichten der heutigen Zeit sowie der hochgradige Ahistorismus dieser Geschichten finden lassen.

Hans-Gert Gräbe, 15.12.2012


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