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Kommentar von Uwe Christian Plachetka

Lieber Franz!

Zitat aus dem Eingang des Vortrages:

Wir haben festgestellt und sie haben es sehr anschaulich am Kirchbacher Beispiel gesehen, dass es gerade in ländlichen Regionen ein vitales Bildungsbedürfnis gibt, genauso individuell und differenziert wie in den Städten, aber viel weniger Möglichkeiten auf dieses Bedürfnis einzugehen. Es gibt eine Knappheit an Lehrenden und Vortragenden. Bildungsinstitutionen können schwerlich alles abdecken was gebraucht wird, und so konzentrieren sie sich auf wenige Standardangebote und machen einander zudem noch Konkurrenz. Junge Menschen haben es in einer Zeit, in der ohne einschlägige Bildung kaum mehr Chancen in irgendeinem Beruf bestehen, besonders schwer. Sie fangen schon an zu pendeln, bevor sie dann letztendlich in den Ballungsräumen hängen bleiben.

Soziologisch schlage ich aus aktuellem Anlass den Ansatz des Information based World-System vor, schau mal in Immanuel Wallerstein's Online-Journal darunter nach, wirst nix finden, obwohl das Journal of World System Research sehr gut ist:

Ganz praktische Erfahrungen mit der Notwendigkeit einer Videobrücke als "wissensbasierte Feuerwehr" für benachteiligte Regionen des Informations-Weltsystemes war ja genau der Fall mit Lili und ihrer Verpflichtung, die Inhalte von John Earls zu unterrichten.

Im Unterschied zu Österreich sind in Amerika die Professoren (was auch Prof. Stenzl bei seiner Anstellung in den USA unterschreiben musste) verpflichtet, den aktuellen State of the Art zu beherrschen.

Wenn nicht, gilt dies als Kündigungsgrund.

Nur wie macht man das in Huancayo, wenn die nächste brauchbare Bibliothek, die akkurat ist, sich in Lima befindet? (und dann in Cusco, wenn nicht zufällig geschlossen?).

Das ist natürlich der typische Fall einer Luftbrücke im anthropologischen Raum des Wissens, Du kennst meinen Sager:

Auch im anthropologischen Raum des Wissens bedarf es, wenn Unwissende das Sagen haben, manchmal Berliner Luftbrücken

Hier geht es aber nicht um Wissen oder Unwissen, sondern um die Bereitstellung einer Bildungs-Infrastruktur, die über die Gutenberggalaxis (Printmedien) nicht so ohne weiteres zu haben ist, und das möglichst rasch.

Du schreibst bezüglich lokaler Lern-Initiativen:

Wie kann solche Eigeninitiative aussehen? Wohl in den meisten Fällen so, dass ein starkes lokales Zentrum geschaffen wird, wo Lernen und lokale Begegnung gleichermaßen stattfinden können. Diese lokale Begegnung ist wichtig, hier entwickeln sich Ideen und Initiativen , die die jungen Menschen faszinieren, sie in der Region halten, ihre Lebenspläne nachhaltig beeinflussen. In Saalfelden haben sich 2 Büchereien und die Volkshochschule zu einem Lernzentrum zusammengeschlossen, In Fischamend oder in Eggenburg in Niederösterreich gibt es ähnliche Formen der Zusammenarbeit, und sicher auch an vielen weiteren Orten. Oft kommt es zu Grenzüberschreitungen, schlüpfen Schulen auch in die Rolle von Erwachsenenbildungsinstitutionen.

Da ich den Weltsystemansatz, wie er im Journal of World System Research diskutiert wird, sehr schätze schlage ich vor, nicht nur von "Lernenden Regionen", sondern von "knowledge scapes" (analog zu ethnoscapes) zu sprechen und dieses Konzept so auszuformulieren, dass es auf Landkarten eingezeichnet werden kann, um die Zentren und Periphärien der Wissensregionen aufgezeigt werden kann, gedacht als Kontinuum (ich spinne jetzt ein bissi) zwischen reinem akademischen Wissen (grosse Traditionen der okzidentalen Kultur) und regionalen folk knowledge (kleinen Traditionen nach Robert Redford).

Damit soll die strategische Planung von frontier-universities (kleinste Universitäten der Welt) ermöglicht werden, da in mancherlei Hinsicht (und die Biodiversität und die Biosphärenschutzprogramme gehören da dazu) das regionale folk knowledge eine Ressource darstellt.

Anwendbar wäre dies etwa

  • VR China: minzu daxue (Universitäten für nationalities i.e. ethnische Gruppen), das wird in Mexiko immer wieder gefordert, als linke Spinnerei abgetan "izquierda delirante" und in China ist das schon längst realisiert worden.
  • Andere alimentäre Biosphärenzonen, wie Indien, Mexiko, Peru, Äthiopien usw. in geeigneter Form.
Grund für diese 'minzu daxue' (ich verwende der Einfachheit halber den chinesischen Begriff, sprich minzú daschü)

  • Vermeidung der kulturellen Entfremdung von Studierenden aus den peripheren Regionen im Zentralgebiet des Wissens (also bei den Haupttempeln der Wissenschaften). Diese werden in metropolitane wissenschaftliche Diskurse sozialisiert (postmoderner Quacksprech, soll heissen, sie müssen sich einer ihnen fremden Gesellschaft anpassen um für ihre eigene Gesellschaft wichtige Dinge zu lernen, beispielsweise Techniken). Das bedeutet, Wissenserwerb geht nur über die Entfremdung
  • "Indigenisierung" fremden Wissens: Mit dem Modell der metropolitanen Bildung wächst das Problem des aussengenerierten Wissens, dass in einem fremden kulturellen Symbolsystem codiert (und das ist nötig, Wissen muss in einem Symbolsystem codiert sein, sonst ist es nicht kommunizier-. lehr- und lernbar) in die Kultur der Anwender hineintransportiert wird, womöglich von Fachleuten aus der Region, die allerdings aufgrund der entfremdeten Ausbildung einen biographischen Bruch erleiden.
  • Kulturelle Hegemonie und symbolische Gewalt (frei nach Antonio Gramsci): Es gibt wahrscheinlich in einer gegebenen Region eine ganze Menge Kritik gegen eine 1:1 Anwendung des exterioren Wissens (ich fall jetzt wieder in den Jargon der Philosophie der Befreiung von Enrique Dussel hinein) und jeder vernünftige Regionalentwickler vermeidet dieses. Dennoch gibt es Gebiete, die - beispielsweise aus Gründen interner (horrible dictu) "Klassenkonflikte" durch die Implementierung des fremden Wissens und hier meine ich Technologien quasi revoltiert werden. Das ist an sich nicht schlecht, nur was dabei heraus kommt, entspricht nicht immer den positiven Erwartungen. Dennoch wird dies alles gerne im Namen des Fortschritts legitimiert und zwar von regionalen Acteuren.
  • Von Enrique Dussel zu Hardt/Negri: Empire[1]So gaghalber setze ich mich mit der Frage auseinander, ob es praktische Fallbeispiele gibt, von Netzwerkmacht-basierten Empires und deren Ansiedelung in der Postmoderne. Ganz grundsätzlich: Das Hardt/Negri keine Hegel-Marxisten sind, sondern auf Spinoza aufbauen und dass daher deren Befreiungsbegriff sehr lateinamerikanisch ist (Entfernung von Hindernissen, welche die Selbstentfaltung des Subjekts verhindern und daher das Subjekt ausgrenzen oder marginalisieren) - müsste Gegenstand einer anderen Diskussion sein. Meine (höchst privaten) Überlegungen zu Hardt/Negri Empire sind mal so weit gediehen, dass das Postmoderne Empire die Kapazität hat, sich an jedem beliebigen Ort der Welt zu reproduzieren, vorausgesetzt die nötige Infrastruktur ist da. Hardt/Negri gehen an die Definition von Empire sehr "formaljuristisch" heran - das grenzt schon an Carl Schmitt[2], aber die These von Hardt/Negri, dass das Empire sich als einzig mögliche Friedensordnung präsentiert und damit legitimiert, ist etwas, das in der Literatur über empirische Imperien (etwa Conrad/Demarest) zwar erwähnt wird, aber Hardt/Negri denken diesen Ansatz konsequent zu Ende. Das bedeutet, die (da würd ich gerne mal mit Theologen reden) kürzestmögliche Fassung der Theorie von Hardt/Negri sind die christlichen Evangelien: PAX ROMANA v.s. PAX CHRISTI: Die Gefährlichkeit von Jesus für die Römer und ihre jüdischen Kollaborateure bestand darin, wie dies in der katholischen Liturgie bis heute wiederholt wird, dass Jesus das römische Reich in einem ideologischen Kernbereich herausgefordert hat: Die Definitionsmacht darüber, was Frieden sei. Damit löst sich der Widerspruch zwischen einerseits Christus als Friedensfürsten und andererseits den Q'umranrollen, die Christus (laut Eisenmann) als jüdischen Ché-Guevara darstellen, als Scheinwiderspruch auf. Hier möchte ich eine theologische Hardt/Negri-Diskussion anregen, weil das einfach lustig wäre, aber was hat das mit Bildung zu tun?
  • Durch diese andere, heterodoxe Herangehensweise an die heutige Welt, die aufgrund von Enrique Dussel, Stuart Hall und Hardt/Negri (Stuart Hall war für mich eine wichtige Sprosse auf der Leiter zu meiner Lesart von Hardt/Negri begründbar wäre, muss die Geistesexistenz des zu Bildenden im Vordergrund stehen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Pädagogik der Befreiung von Paolo Freyre mit dem Prinzip der Conscienciacazao, wo der Ort oder die Lern-Umgebung ein wichtiger Faktor des Lern-Prozesses ist. Ich glaube, auch das ist im 21. Jht bereits a bissi angetauter Schnee von gestern. Dennoch erwähne ich dieses, (weil ich mich von Hardt/Negri wieder ablenken habe lassen) weil es um die NACHHALTIGKEIT im Sinne der Reproduzierbarkeit durch lokale Akteure des Bildungsprozesses geht.
  • Vorschlag - Experiment: Die Theorie der Volkshochschule nach Otto Neurath usw. mit dem Konzept der Zugangs- und Lernorte zu kombinieren.
Das ist noch ein weites Feld

Lg UweChristianPlachetka ("----")

Diskussion zum Kommentar

  • danke für die vielen Anregungen....mein Problem ist dass der Vortrag sich mal primär an Menschen im ländlichen Raum in Österreich richtet... FranzNahrada
  • Is mir eh klar, aber wie wäre es mal mit einer grossen Theorie-Veranstaltung, wo alle intellektuellen Bedürfnisse, die da dranhängen durchdiskutiert werden könnten? ~Uwe
das passende wäre hier






[1] : Siehe die Rezension im Journal of World System Research: http://jwsr.ucr.edu/archive/vol10/number3/pdf/jwsr-v10n3-re-st.pdf

[2] Deshalb gibt es eine ziemlich polemische Kritik, die ich deshalb polemisch nenne, weil die ontologischen Voraussetzungen nicht akzeptiert werden. Ein Repositorium für die Hardt/Negri-Debatte ist die Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Empire_-_die_neue_Weltordnung