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Rodeos auf dem Institut für Sicherheits-und Risikowissenschaften?

Eine unoffizielle, allerdings leider nicht ganz unnötige Antwort auf einen Pizzicato in der Presse vom 18. 3. 2011

Die Presse – die Zeitung, die Karl Krauss' Theorie über die kulturellen Auswirkungen von Sonnenständen verpflichtet ist – nein, weiß nicht die Antwort, sondern fragt:

„Was haben die Cowboys mit Risikoforschung zu tun?“

Allerdings hatte er es so nicht formuliert, sondern sich als Reaktion auf den Schichtdienst der Risikoforscher im TV angesichts der japanischen AKW-Katastrophe Rodeos auf der BOKU ausgemalt. (18.3. 11. Titel "Bonanza auf der Boku")[1] Vielleicht solche Rodeos wie unten

RODEO: Ranging, outlining and detecting energy options

(momentan Schwerpunkt der nicht-nuklearen Risikoforschung)

Die modischen Rätsel des Bermudadreiecks

Im Unterschied zur USA hat Österreich zwar keine Atomkraftwerke, aber dafür drei Bermudadreiecke, die Stoff für Journalisten liefern:

  1. Das Rätsel von Mayerling
  2. Das Alpen-Loch-Ness, der Toplitzsee
und seit neuestem die Wildwest - Ben-Cartwrigt – Krawatten der Risikoforscher.

Zumindest hat dies der Qualitätsjournalismus der (ehemals ?) Neuen Freien Presse ausgemacht und dem einen Pizzicato gewidmet. Wäre dieser Kommentar in einer kleinformatigen Zeitung unter dem Pseudonym Cato erschienen, wäre die Antwort relativ einfach: Der gemeinsame, modisch ausgedrückte Nenner zwischen Cowboys und Risikoforschern ist die Tatsache, dass beide in gewisser Weise mit Rindviechern zu tun haben.

Nun erfordert der Qualitätsjournalismus der Zeitung „Die Presse“ eine intellektuelle Antwort. Diese ist etwas komplex, soll aber der strahlenden Intelligenz des Zielpublikums entsprechen. Dabei ist der renommierte Historiker Eric Hobsbawm behilflich, der meinte, dass im 20. Jahrhundert in Paris keine neue Modeerscheinung ohne sie begleitende weltbewegende intellektuelle Theorie auftrat.

Der legendäre österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky hatte recht originelle Ideen zum Thema journalistischer Weiterbildung, beispielsweise Kurse in Geschichte. Dies empfiehlt sich im Zusammenhang mit der Wildwest-Krawatte.

Zum Begriff der „Frontier“

Beginnen wir daher mit der historischen Analyse des Phänomens „Wilder Westen“. Damit sind jetzt nicht die Schauplätze der laufenden Anti-AKW-Demonstrationen in Westdeutschland gemeint, dessen „ Little Big Horn“ als Stuttgart 21 bekannt wurde, sondern den wirklichen Wilden Westen, wie er sich historisch zwischen dem Zeitpunkt der Unabhängigkeit der USA und ungefähr der Präsidentschaft Theodore Roosevelts dargestellt hatte.

Abgesehen von der historischen Erzählkunst italienischer und sonstiger Film-Regisseure ist der historisch faßbare Begriff des sogenannten Wilden Westens der Begriff der Frontier. Dies ist die Übergangzone von der etablierten Zivilisation hin ins kulturell jenseitige Gebiet, wo angeblich die Wildnis herrschte, tatsächlich Indigene völlig nachhaltig lebten und ihre Heimat verteidigten. Die selbsternannten Zivilisierten drangen dort in drei Etappen vor:

  • Bis zur Erfindung des Trommelrevolvers durch Samuel Colt die sogenannten Trapper, die mit den Indigenen Pelzhandel trieben und deren Alkoholismus förderten (mitunter auch einen recht netten 'Indian Summer (of 69)' hatten.
  • danach die sogenannten Pioniere und Siedler. Deren Motto war: „Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer“.
  • Dies hatte die Indianerkriege zur Folge, die dritte Phase.
Das wichtigste historische Werk Victor Turners über die Rolle der Frontier in der Geschichte der USA ist folgerichtig auch eine Zeit lang von der Samuel-Colt-Foundation online gestellt worden. Die Firma Kellogs hatte sich allerdings noch nicht dazu verstanden, die Rolle des indigenen Maisbaus für die Entwicklung der amerikanischen Corn-flakes entsprechend zu würdigen.

Diese Zeiten sind vorbei. Daher taucht der Begriff Frontier neuerdings in der Innovationsplanung auf und zwar als Frontier-Research.

Frontier Research: Die frontier des anthropologischen Raums des Wissens

Projekte des frontier research sind Projekte, die wirklich an der Grenze des Wissens angesiedelt sind.

Das betrifft die gesamte Bandbreite der Forschung, beginnend bei den Überlebenswissenschaften (survival sciences), als Weiterentwicklung der life sciences, die sich mit der originären Kulturpflanzendiversität bei indigenen Völkern als Alternative zu GMOs beschäftigen bis hin zur Kernfusionsforschung. Den „Wildwest-Faktor“ bei der indigenen Kulturpflanzendiversität und ihren profesores de la práctica, also den Pflanzenbauwissenschaftern der neolithischen Revolution und ihren Schulen nannte der französische Ethnologe Claude Lévi-Strauss „das Wilde Denken“, der Wildwestfaktor der Fusionsforschung erscheint im Vorspann jeder Originalfolge von Star Trek: „Space – the final frontier“.

Ein klassisches Beispiel dafür ist der Stellarator. Dies ist ein Reaktor für Kernfusion, die als saubere Alternative zur Kernspaltung angepeilt wird. Dazu ist es allerdings vonnöten, über einen sogenannten Elefantengrill das Plasma auf Betriebstemperatur anzuheizen, sodass einige Journalisten auf die Idee kamen, dazu die Technologie des Whorpantriebes einzusetzen. Deshalb heißt das Ding Stellarator. Es ist eine Meisterleistung physikalischer Raffinesse, gegen welche die bekannte Kernspaltung sich intellektuell mit einem Niveau bescheidet, dessen sprachwissenschaftliches Pendant als Küchenlatein bezeichnet wird. Kernspaltung ist von frontier-research ungefähr so weit entfernt, wie die Spaltung von Mandelkernen zum Tortenbacken von nuklearer Kernspaltung. Damit das nicht so auffällt, heißt der entsprechende Reaktor Fissionsreaktor. Die dort einzig mögliche Frontier-Research ist bestenfalls als frustration-research zu bezeichnen, betrifft sie doch den Katastrophenschutz, wenn ein solcher Fissionsreaktor gegen das gesellschaftlich konstruierte Vorurteil, er sei zu keiner kreativen Eigenleistung hinsichtlich des Fissionsvorganges befähigt, aus purer Langeweile rebelliert. Manchmal braucht er dazu einen Tritt, das erledigen dann Erdbeben und Tsunamis, welche die radikalkonventionellen Notkühlsysteme lahm legen können, wie Dieselmotoren usw.

Kurz und gut: Der Stellarator mit Elefantengrill, die survival sciences der neolithischen Revolution und andere Innovationen sind daher frontier research, weil damit Neuland des Wissens betreten wird, wohingegen Fissionsreaktoren als Thema des menschlichen Wissensgewinns ungefähr so sexy sind, wie die Darbietungen Heinz Conrads im Vergleich zu einem punkigen Avantgarde-Gig. Damit stellt sich die Frage, was dies mit Cowboys und der nicht minder angegrauten und von der Zeitung Die Presse aus der Mottenkiste geholten Fernsehserie Bonanza zu tun hat.

Die role-models der Frontier (research) men

Vorweg sei betont, dass die Herkunft des konventionellen Wissens über den sogenannten Wilden Westen aus der italienischen Cinecittà stammt, das ist keine Universitätsstadt für Kreativberufe, sondern dort wurden die Italo-Western gedreht.

Die gebildeten Figuren im realen Wilden Westen kommen darin nicht vor, da wissenschaftliche Debatten mit Clint Eastwood meistens zu keinen gemeinsamen Papers aufgrund der Mundfaulheit Eastwoods und der akuten Bleivergiftung der anderen Symposiumsteilnehmer führten.

Die Reihe der gebildeten frontier-men und frontier-women (letztere stellten meistens die Indianer) beginnt mit der Lewis & Clark- Expedition, die den Kontinent unter der Führung einer alleinerziehenden Indianermutter durchquerten und dabei wissenschaftlich aufnahmen. Es folgte Herr Schoolcraft, der die Quellen des Mississippi ebenfalls in Zusammenarbeit mit den Indigenen entdeckte, sämtliche Expeditionen, die glaubten, ohne Indigene auszukommen, führten zu nichts, wodurch das geographische Paradoxon erklärt wird, dass der Missouri als Zufluss des Mississippi länger ist, als der Mississippi beim Zusammenfluss der beiden Ströme. Die erfolgreichen frontier-persons konnten also interkulturell arbeiten.

Natürlich folgten diesen Entdeckern die ersten sogenannten Siedler, dies sind die Cowboys mit den Rinderherden. Damit kommen wir zu der sogenannten Cowboymode. Diese stammt aus dem Bereich der sogenannten rancheros. Rancheros sind später auf englisch Rangers bezeichnet worden, also Unternehmer, die extensive Viehzucht betrieben. Um in den relativ schwer zu bearbeitenden Boden der Prärie Viehzucht treiben zu können, wurden aus dem spanischen Bereich, dies sind die heutigen Staaten Texas, New Mexico, Arizona, California, Utah, Nevada usw. entsprechend entwickelte Ausrüstungsgegenstände entnommen,welche diese extensive Viehwirtschaft ermöglichen: Englische Sättel für die herrschaftliche Fuchsjagd hätten bei dieser Art Viehzucht zu bleibenden Steißbeinschäden geführt, sodass die typischen Westernsättel bereits von den Conquistadores verwendet worden waren. Die Viehzucht der Rancheros war ökologisch nachhaltig, da Großvieheinheiten bereits in den Prärien waren, die Bisons, die allerdings wegen der Landstreitigkeiten mit den Indigenen abgeschossen wurden. Dies war die Zeit der Cowboys, ehe der Stacheldraht erfunden wurde, das wichtigste Symbol ideologisch orientierter „Modernisierung“ im zwanzigsten Jahrhundert, sowohl in den faschistischen Staaten als auch in der Sowjetunion.

Als die angeblich ineffiziente aber ökologische ranchero- Viehzucht aufgegeben wurde, produzierte die industrielle Landwirtschaft im ehemals wilden Westen die dust-bowl – Katastrophe der 1930er Jahre. In weiterer Folge hatte diese ökologische Viehzucht auch hundertprozentig ökologische, zusatzlose, gesunde Steaks zur Folge: Die Gewichtskontrolle und die Vermeidung von zu viel Fett wurde durch die großen Viehtrecks bewerkstelligt, da das Vieh zu den Verladebahnhöfen marschieren musste. Für die Tiere war dies ein langer, aber gesunder Fußmarsch, der sämtliche Hormonpräparate hundertprozentig ökologisch ersetzte. Dies war natürlich nur an der Frontier möglich, also es ist daher von sustainability frontier research zu sprechen, wenn derartig angeblich primitive Wirtschaftsformen hinsichtlich der derzeitigen Erfordernisse einer ökologischen Neubewertung unterzogen werden. Der US-amerikanische Mythos lebt bis heute davon, allerdings ist es problematisch, dass fast-food-Ketten damit Hamburgers bewerben, deren Lieferanten, die Rinder ein rancho nie gesehen hatten. Hinsichtlich der angepassten Wohnformen und Wohnhäuser wurde versucht, die Architektur der sogenannten Pueblo-Indianer zu übernehmen. Deren Konzept von Urbanität entspricht dem Ideal der Passivstadt, aber das indigene Amerika hat punkto Nachhaltigkeit mehrere solche Quadraturen des Kreises anzubieten – und das ist definitiv frontier research on sustainablity.

Kiva- spirituelles Gemeindezentrum im Pueblo Bonito [2]

Die Vernichtungskriege gegen die Indigenen, die letztlich zur Schlacht am Little Big Horn geführt hatte (da siegten die Indianer gegen General Custer) begannen erst nach dem US-amerikanischen Bürgerkrieg, bei dem es bekanntlich um die Sklaverei in den Südstaaten (und einige andere Dinge) ging. Man kann sich also vorstellen, dass nachher die Frontier zu einem Ventil für soziale Probleme wurde, welche die Frühform des auf fossilen Treibstoffen (Kohle) fußende Industrie-Kapitalismus erzeugt hatte – womit die Indianerkriege vom legendären Banditentum mit Namen wie Billy the Kid, Calamity Jane, und anderer Lieferanten für plots von Westernfilmen begleitet wurde, wie den Daltons, letztere spielen auch in einer recht bekannten Comic-Serie mit. Dies war allerdings bereits der Niedergang der frontier, nicht mehr die Welt von Parkman und George Catlin.

Intelligente Jagdverfahren, gemalt von Catlin

Die Lösung des Rätsels der Wildwest-Krawatte

Derartige Geschichtskenntnisse erklären daher, wieso, wie einige Journalisten aus rein eurozentrischer Perspektive meinten, die wichtigsten Risikoforscher als „Waldschrate“ erscheinen: Wären sie nämlich Indianer, so wären sie keine Waldschrate, sondern Medizinmänner auf Visionssuche. Kurz: Der Begriff Waldschrat als Wahrnehmungsstereotyp ist auf einen eklatanten Mangel an kultureller Allgemeinbildung zurückzuführen.

In Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse des (frühen) Wilden Westens ist daher die Wildwest-Krawatte als Abzeichen für nachhaltige, interkulturelle frontier-research, die unter dem oben angeführten Akronym RODEO bekannt ist.

Es wäre daher empfehlenswert, die Wildwestkrawatten etwas politisch korrekter zu gestalten, etwa in Gestalt jenes Medizinrades als Krawattenknopf, weshalb der Risikoforscher, der dies verfasst hatte, keine Wildwest-Krawatten, sondern Aymara-Hauben trägt. Immerhin haben die Maya, die punkto Weltuntergang nicht gerade unerfahren sind, mit ihren Risikoanalysen keine hämischen Kommentare, sondern Best-Seller gelandet.





[1] Gilt auch für den Hetzartikel in der Zeitung "Die Zeit" http://www.zeit.de/2011/13/A-Kromp und den Artikel in "Der Presse" über Waldschrate

[2] http://sacredsites.com/americas/united_states/chaco_canyon.html