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Dr.Johanna Kraft, Juli 2011:

Wünsche und Forderungen bei Bauverfahren in Wien

Die Wiener Bauordnung stammt aus dem Jahr 1930. Trotz unzähliger Novellierungen ist sie noch immer vom Geist der unmittelbaren Nachkriegszeit bestimmt. Ohne Rücksichtnahme auf die Umwelt und betroffene Anrainer sollen dem Bauwerber „zur Ankurbelung der Wirtschaft“ auch heute möglichst alle Schwierigkeiten bei seinen geplanten Bauprojekten aus dem Weg geräumt werden.

Überall kann die von Bauvorhaben in der Nachbarschaft betroffenen Bevölkerung beobachten, dass ausschließlich Gewinnmaximierung auf Kosten der Anrainer, der Umwelt und des Ortsbildschutzes im Vordergrund bei Bauvorhaben in Wien steht. Die Bestimmungen der Wiener Bauordnung bilden in der geltenden Fassung eine höchst umstrittene Rechtsgrundlage.

Der Kraft-Volltext:

Wünsche und Forderungen bei Bauverfahren in Wien:

Die Wiener Bauordnung (WBO) stammt aus dem Jahr 1930. Trotz unzähliger Novellierungen ist sie noch immer vom Geist der unmittelbaren Nachkriegszeit bestimmt. Ohne Rücksichtnahme auf die Umwelt und betroffene Anrainer sollen dem Bauwerber „zur Ankurbelung der Wirtschaft“ auch heute möglichst alle Schwierigkeiten bei seinen geplanten Bauprojekten aus dem Weg geräumt werden. Überall kann die von Bauvorhaben in der Nachbarschaft betroffene Bevölkerung beobachten, dass ausschließlich Gewinnmaximierung auf Kosten der Anrainer, der Umwelt und des Ortsbildschutzes im Vordergrund bei Bauvorhaben in Wien steht. Die Bestimmungen der Wiener Bauordnung idgF bilden eine höchst umstrittene Rechtsgrundlage.

  1. Die Wiener Bauordnung begünstigt derzeit gezielt und unverhältnismäßig „findige“ Bauwerber und Architekten. Auf Grund der zahlreichen besonders in den letzten Jahren gezielt geschaffenen (ausschließlich bauwerberfreundlichen) Ausnahmebestimmungen und schwammigen Formulierungen ist nahezu alles erlaubt. Die Bestimmungen der Wiener Bauordnung sind somit kaum zu übertreten. Jede gewünschte Auslegung ist somit leicht zu erreichen, eine unerwünschte Bestimmung der Wiener Bauordnung ist von den planenden ArchitekInnen jederzeit auszuhebeln. Behördenwillkür und Korruption ist damit Tür und Tor geöffnet.
  2. Die Textierung der Wiener Bauordnung ist (absichtlich?) besonders unübersichtlich, es mangelt jeglicher Systematik. Zahlreiche legistische Verschachtelungen sind bestens geeignet, unliebsame „Störenfriede“ von Bauverfahren bereits im Vorfeld durch formale Fallen auszuschließen. Ohne Assistenz einer Person mit tiefgreifender Kenntnis der Bauordnung können juristisch ungeschulte Bürger und Bürgerinnen die ihnen von der Bauordnung eingeräumten (ohnehin bescheidenen) Rechte nicht wahrnehmen. Die vordringlichste Aufgabe des Gesetzgebers wäre es daher, eine für jedermann lesbare und keinen Interpretationsspielraum offen lassende Fassung des gesamten Baurechts zu entwerfen und zu kodifizieren. Jedenfalls wäre eine grundlegende Überarbeitung in Richtung besserer Lesbarkeit und Klarheit der Textierung dringend notwendig.
  3. Die Berücksichtigung von Anrainerbeeinträchtigungen (§ 134a WBO) entspricht nicht mehr den Anforderungen der heutigen Gesellschaft. Der „Anrainerbegriff“ sollte daher neu überdacht werden. Grundsätzlich sollten alle, die durch das geplante Bauwerk erheblich beeinträchtigt werden könnten, als Anrainer gehört werden. Die in der WBO genannte Grenze von 20 m für die Anerkennung als Anrainer sollte jedenfalls fallen Dabei sollen insb. auch Einschränkung der Aussicht, Abschattungen, Immissionen, aber auch indirekte Auswirkungen des Bauwerks, wie zB erhebliche Verkehrserregung (zB bei Einkaufszentren, Großmärkten, Gewerbehöfen, Tiefgaragen), langdauernde Verkehrs-, Schmutz- und Lärmbeeinträchtigungen durch Baumaßnahmen aber auch bedeutende Wertminderungen gewertet werden. Der neuerdings häufig geübten Praxis durch Grundabteilungen unliebsame Nachbarn ihrer ohnehin bescheidenen gesetzlich festgelegten Nachbarrechte zu berauben soll Einhalt geboten werden. Grundabteilungen, mit entsprechender Wirkung sollten erst nach einem (gesetzlich festzulegenden) Zeitraum wirksam werden können. Die von einem Bauverfahren betroffene Bevölkerung (nicht nur Eigentümer als „Anrainer“) soll in einer Art Vorverfahren besser informiert werden, etwaige Einwendungen könnten hier bereits im Vorfeld von Betroffenen mit dem Bauwerber diskutiert (und ev sogar ausgeräumt) werden. ) Dies könnte sogar zu einer Verkürzung der Verfahren führen. (Vorschlag: Mediationsverfahren unter Einbindung der Bevölkerung samt Protokoll). Betroffene sollten zumindest Stellungnahmerechte haben, auch ein Teilnahmerecht an der Bauverhandlung – nicht nur für Anrainer als Eigentümer – wäre wünschenswert.
  4. Im Sinne der Transparenz der Bauverfahren sollen Anrainer und auch andere von einem Bauverfahren Betroffene Einblick in alle Verfahrensunterlagen samt allen Gutachten haben können. Ein Inhaltsverzeichnis des Bauakts (wie bei Gerichtsakten) muss gefordert werden. Die Parteien können derzeit nicht kontrollieren, welche Teile der Unterlagen ihnen vorgelegt bzw vorenthalten werden oder was (wann) daran laufend geändert wird. Die Überprüfung der Einreichunterlagen auf deren Gesetzmäßigkeit und Vollständigkeit sollte als Verpflichtung (und nicht nur als Berechtigung) der Baupolizei verankert werden, verbunden mit einer entsprechenden Haftung. (keine Verweigerung der Auskunft mit dem Argument der Amtsverschwiegenheit und des Datenschutzes, Verankerung einer Auskunftserteilungspflicht)
  5. Die derzeitigen Anrainerrechte nach § 134a WBO sind nur als Farce zu sehen. (zB keine Rechte der Nachbarn bezüglich Statik und Baugrubensicherung das eigene Grundstück betreffend, was etwa in der NÖ BO enthalten ist). Da Anrainer in Fragen des öffentlichen Interesses (Umweltfolgen, Baumschutz, Ortsbildschutz, Auswirkungen auf die Verkehrssituation) quasi rechtlos sind, sollte die organisierte Öffentlichkeit1 (Bürgerinitiativen, entsprechende NGOs) in Bauverfahren Parteistellung erhalten können, um entsprechende Einwendungen erheben zu können.
  6. Für die Bauführung notwendige Begleitverfahren, wie Naturschutzverfahren und Fragen des Baumschutzes sollen – wie früher – VOR Einreichung des Bauverfahrens abgeschlossen sein (galt bis in die 1990er Jahre) und für die betroffene Öffentlichkeit nachvollziehbar sein (keine Einsichtverweigerung für die betroffene Bevölkerung wegen Amtsverschwiegenheit und Datenschutz). Die Erfahrung zeigt, dass bei Vorliegen eines Baubescheids von den Naturschutzbehörden im Nachhinein kaum mehr viel zu erwarten ist. Naturschutzbehörden sollten in berechtigten Fällen Abänderungen eines Bauverfahrens erwirken können.
  7. Einbindung der organisierten Öffentlichkeit mit Stellungnahmerechten in Fragen der Ortsbildverträglichkeit von geplanten Bauvorhaben, da die Befugnisse der MA 19 hier sehr eingeschränkt scheinen.
  8. Wegen der generell überlangen Verfahrensdauer bei höchstgerichtlichen Beschwerden sollte in Fragen des Baurechts grundsätzlich – auch als Sicherheit für den Bauwerber keinen Schwarzbau zu schaffen – eine aufschiebende Wirkung ausgesprochen werden müssen. Dieser Weg wird ohnehin sehr selten beschritten.