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Mit Dem Großvater Auf Den Wienerberg


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Berta Klement

Lehrwanderung mit dem Großvater Karl Weber vom „Triesterviertel“ hinauf auf den Wienerberg

Diesmal sollte jedes Kind einen kräftigen Wanderstecken mitnehmen. Auf den Wienerberg ! Das soll eine „Berg-Besteigung“ werden ?! Wir Kinder übertrumpften einander, wie viele „See-Meter“ an Berghöhe jedes von uns in den Ferien schon bewältigt hatte: Hunderter, ja „Tausender“ wurden da hochgejubelt. Den „Wienerberg“ spürt man ja gar nicht, wenn man die asphaltierte Triester Straße bergauf geht.

Dort ist schon die Spinnerin ! Plötzlich liefen ein paar Kinder voraus und begannen, um diese uralte Martesäule herum – „fangen“ zu spielen. Knapp daneben brandete der Straßenverkehr. Ein Fuhrmann gröhlte: „Es G´frasta, wann i euch mit meine Rösser dafia – wer zahlt ma eucher Leich? Putzt´s euch, aber schnell!“ Um unser Leben sprangen wir die drei Stufen des Sockels hinauf und schrien: „Le-o-pold !!!“

Inzwischen war Großvater mit seinen Nachzüglern angekeucht. Er bewahrte seine von uns gefürchtete Ruhe und wir setzten uns ganz „artig“ auf den der Straße abgewandten Teil des Sockels.

Haben wir uns nicht ein „Donnerwetter“ verdient? Langsamer als sonst langte Vater jedoch große Butterbrote aus seinem Rucksack und wir „mampften“ allesamt wie bei einem Versöhnungsmahl.

In diese Stille hinein begann er zu erzählen: „Schon von weitem hat man euch schreien gehört: „Leopold, Leopold!!“ Wisst ihr, dass ihr damit den Schutzheiligen von ganz Österreich angerufen habt?! – Den heiligen Leopold von Babenberg!“ Die Augen aller Zuhörer wurden immer größer.... „Er soll ein heiligmäßiger Herrscher gewesen sein. Von ihm ging eine wunderbare Kraft aus – so stark, dass er auch von fern her „das Schicksal wenden“ konnte, wenn ein verzweifelter Mensch mit seinem Stoßseufzer ihn anrief! Vergessen hat das Volk ihn nie, vor allem die Kinderspiele haben ihn mit aufgenommen und es sich zur Regel gemacht, dass beim „Fangenspielen“ sofort ein Bedrängter vor Angreifern geschützt ist. Damit hatten wir wiederum für unterwegs etwas zum Nachdenken bekommen.

Wir gingen weiter in die Richtung des großen Ziegelteiches. Auf einmal platzte ein Kind heraus: „Aber der Kutscher, der hat uns „G´fraster“ geschimpft! Ein hässliches Wort! Was heißt das eigentlich ?“ „Der kennt uns ja gar nicht, wie wir wirklich sind!!“ – stimmten andere mit ein. Großvater meinte – und ich habe seine Worte noch gut in den Ohren: „Es kommt da auf jeden Einzelnen von euch an. Wir haben ja bei Tisch schon oft darüber gesprochen, was mit „essen“ und was mit „fressen“ – wie die Tiere – gemeint ist. Wer über seinen Hunger hinaus sich immer nur weiter dem Essen hingibt – wird zum „Fresser“. Im Zorn ist jeder damit gemeint, der sich nicht beherrschen kann.“

„Ihr seid vorhin wackere „Butterbrot-Esser“ gewesen und habt euch dabei die Geschichte vom heiligen Leopold ruhig angehört – das machen „G´fraster“ nicht. So seid ihr in Ordnung, aber das kann ja der Fuhrmann nicht wissen. Hinter seiner Grobheit steckt die Sorge um euch: Weil er weiß, wie gefährlich sein schwerer Lastwagen euch auch hätte überrollen können!“ Etwas nachdenklicher gestimmt gingen wir weiter. „Kopf hoch! Was seht ihr in der Ferne da vor uns?“ Wir erkannten den Anninger, das „Eiserne Tor“ – „Jö, die Schneebergspitzen!“ Die Luft war wie reingewaschen. Auf der Höhe des Wienerberges hatte uns ein eigentümliches „Fernweh“ ergriffen...

Inzwischen hatten wir die riesige Schutthalde erreicht, wo die Ziegel-Brennöfen ihren „Lösch“ hinbreiteten. Großvater begann, mit seinem kräftigen Haselnuss-Stecken einen riesigen Elefant in den kohleartigen Sand hineinzugravieren. Wir waren begeistert! „Ihr könnt das noch viel größer und schöner zeichnen!“ – wurden wir ermutigt. Übermütig zogen wir alle unsere Linien. Großvater rief uns nach: „Hauptsache, ihr findet wieder zurück zum Anfang, von dem ihr ausgegangen seid!“ Nach Jahrzehnten erinnere ich mich noch an ein Gefühl der Größe und Erhabenheit, welches uns damals überkam, wie wir mit immer größeren Gestalten über uns hinauswuchsen! Großvater war hingegen ruhig standfest geblieben, sodass wir auch aus etwa 15 Meter Entfernung wiederum zurück finden konnten. Eines Tages sind diese unsere Werke von unbrauchbarem Müll überschüttet worden.

Mehr konnten unsere kindlichen Gemüter auf dieser großen Lehrwanderung nicht mehr fassen. Wir erschöpften uns in Blödeleien und Großvater trat den Heimweg mit uns an. Unsere wunden Füße begannen zu stolpern, jedoch unsere Köpfe waren frisch und wach geworden: „Sag uns noch was, Vater!“ baten wir.

Auf dem Rückweg kamen wir wiederum an unserer „Spinnerin am Kreuz“ vorbei. Großvater blieb stehen und gab uns ein besonderes Rätsel mit auf den Heimweg zu lösen: „Viele Jahrhunderte sagten es sich die Wiener weiter: „Sie ist so hoch wie der Stefansturm!“ – Ihr sollt es ja alle wissen, weil ihr um sie herum „Fangen“ spielt!“ Betroffenes Schweigen. Nach einiger Zeit redete Großvater wiederum geheimnisvolle Worte: „Jetzt seid ihr vom Stefansturm schon ein paar Meter herunter geklettert. Hab´ ich recht?“

Für uns Kinder hatte der verehrte Großvater immer „Recht“ – aber diesmal schien er unser Vorstellungsvermögen zu überfordern. Alsbald fuhr er fort: „Nun könnten wir uns schon weiter unten am Stefansturm befinden und wenn wir noch weiter bergab gehen würden, bis in die Mitte der Stadt bis zum Riesentor des Stefansdomes....“ Da schienen „Geistesblitze“ die Kinderschar zu treffen! Alle hielten jedoch die Hand vor dem Mund, als dürften sie eine wunderbare Entdeckung nicht vorzeitig preisgeben. „Inzwischen hat die moderne Technik längst die Wahrhaftigkeit dieser abschätzig belächelten „Volksüberlieferung“ bewiesen.“ Nach einem so inhaltsreichen Ausflug und dabei so vielem „Bravsein“ erschöpfte sich alles Weitere in bloßem Gerede....

Umso nachhaltiger haben wir jedoch alles Erlebte in unseren Schlaf und unsere Träume mitgenommen, aus welchen wir immer wiederum aufwachen könnten, um weiter zu erzählen, was da wirklich wahr ist und bleibt: „Die Spinnerin“, das Wahrzeichen auf dem „Wienerberg“ – ist so hoch wie der Stefansturm! Tief hat sich dieser Vergleich in uns eingegraben und so unser „Heimatgefühl“ im Triesterviertel besonders lebenswert bereichert, erweitert und auch erhoben!