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Statement zur Brauchbarkeit der Mustertheorie

ThomasLeitner, 6. Juni 2010, 09:22:

Hallo allerseits! Ich hoffe dies ist der richtige Ort, um meine Gedanken über die Brauchbarkeit der Mustertheorie, die im Workshop entstanden sind, zur Diskussion zu stellen.

Was ist ein Muster?

Ein Muster wird definiert als Beschreibung eines Problems und von Möglichkeiten um dieses zu lösen inklusive deren Vor- und Nachteilen, eingebettet in einen bestimmten Kontext.

Muster sind also Werkzeuge, die in bestimmten Situationen weiterhelfen, in anderen nicht. Viele Muster – eine Sammlung von Mustern – sind wie ein mehr oder weniger nützlicher Werkzeugkasten.

Was ist die Mustertheorie? Was kann sie leisten?

Die Mustertheorie behauptet, dass (lebendige) Strukturen nur eine endliche Zahl von gemeinsamen Eigenschaften aufweisen können (etwa 15) und beschreibt diese. Außerdem behauptet sie, dass (lebendige) Prozesse auch nur eine überschaubare Anzahl an gemeinsamen Prinzipien haben können (vielleicht 11, 16 oder 23, darauf kommt es hier aber nicht an). Es wird nicht behauptet, dass jede Struktur oder jeder Prozess alle diese Eigenschaften bzw. Prinzipien aufweist.
Wenn die Hypothese stimmt, dass sämtliche Strukturen (z.B. Wohnsiedlungen, Wohnungen, Texte, Lieder, Melodien, Bilder, Menschlicher Charakter, usw.) und sämtliche Prozesse (z.B. die menschliche Entwicklung vom Kind zum Jugendlichen, der Übergang von Kommunistischen Planwirtschaften zu Marktwirtschaften, das Zubereiten einer Speise, das Komponieren eines Musikstücks, usw.) eine endliche Anzahl an Gemeinsamkeiten aufweisen und wenn das Instrumentarium der Mustertheorie brauchbar ist um diese zu erfassen, dann ergibt sich zumindest folgender Nutzen aus der Mustertheorie:

1. LANDKARTE/ORIENTIERUNGSHILFE
Die Mustertheorie ist eine Landkarte, die in allen Fachgebieten eingesetzt werden kann. Wer in einem neuen Fachgebiet, egal in welchem, zu arbeiten beginnt findet in der Mustertheorie eine Orientierungshilfe.

2. UNSICHTBARES SICHTBAR MACHEN
Laut Mustertheorie liegen sämtlichen Strukturen und Prozessen nur eine endliche Zahl von Eigenschaften zu Grunde. Wer also bereits Experte auf einem Gebiet ist, hat ein Werkzeug mit dem er kontrollieren kann, ob er nicht vielleicht etwas Wichtiges bislang außer Acht gelassen hat, indem er versucht die 15 Eigenschaften und 11 Prozesse [Prinzipien hl] anzuwenden. Die Mustertheorie bietet ein Vokabular das in allen Situationen anwendbar ist und so dabei helfen kann um Implizites, Unbewusstes, Unsichtbares sichtbar und damit zugänglich zu machen.

3. URTEILSFÄHIGKEIT ERHÖHEN/ EMPOWERMENT
Was bislang gar nicht oder unbewusst also eher gefühlsmäßig erfasst wurde kann nun besser ausgedrückt werden. Das schärft Urteilsfähigkeit bei allen Entscheidungen zwischen mehreren Optionen. Das entzaubert auch den „künstlerischen Schaffungsprozess“, denn auch jedes „Genie“ wendet bei Entwicklungs- bzw. Schaffungsprozessen eine endliche Anzahl an Prinzipien an.

4. TRANSDISZIPLINARITÄT FÖRDERN
Da jedes Muster mit der Beschreibung eines Problems beginnt – die disziplinenspezifisches Fachvokabular nicht erfodert, durch das Fachfremde ausgeschlossen werden – erleichtern Muster den Zugang zu einem Thema bzw. einer Problemstellung. Auch die Darstellung von „Verbundenen Mustern“ und „Alternativen Mustern“ in einem Muster fördert Transdisziplinarität. Muster haben also das Potential „transdisziplinäres“ Arbeiten zu erleichtert.

5. NEUE FORSCHUNGSWEISE/ HERANGEHENSWEISE ZU FORSCHEN?
Muster sollen natürlich nicht zum reinen Formalismus werden. Die Gliederung in „Problembeschreibung –Lösungsalternativen“ entspricht aber auch der (meines Erachtens sinnvollen) Denkweise das am Anfang nicht die Theorie oder die Beobachtung steht, sondern das Problem (Vgl. Popper, Karl: Alle Menschen sind Philosophen, 125).

Abgrenzungsfragen

Was ist der Unterschied zwischen Muster und Best Practice? Aus meiner Sicht keiner. Muster sind jedoch in die Mustertheorie eingebettet, und jene hat zumindest die oben angeführten Vorteile/Nutzen.

Was kann die Mustertheorie nicht leisten? Einordnung?

Die Mustertheorie bietet keine (neue) Handlungsmaxim für kollektive Entscheidungen. Die Handlungsmaxim der Mustertheorie lautet: Entscheide so das die neue Situation „lebendiger“ ist als die alte Situation. Die Lebendigkeit hängt von dem Urteil des oder der Betroffenen ab. Die Handlungsmaxim lautet also konkreter: Entscheide so, wie der Betroffene oder die Betroffenen es wollen! Auch Demokratie beinhält die Idee, dass jene die von einer Entscheidung betroffen sind, jene sein sollen die entscheiden. Dies geschieht im modernen Staat durch Repräsentation.

Die Mustertheorie ist weder Religion noch Ideologie, da Sie selbst keine Werte enthält.

Für mich ist die Frage offen ob die Mustertheorie eine Systemtheorie ist, wie beipielsweise diejenige Luhmann’s oder Parson’s. Jedenfalls ist es eine Theorie, die bei der Analyse sämtlicher Situationen und deren positiven Entwicklung helfen kann.

Diskussion

HelmutLeitner 6. Juli 2010 10:21 CET :

Ich stimme dem meisten zu, aber nicht allem.

Die Frage, ob Mustertheorie Werte enthält, würde Alexander positiv beantworten. Er würde sagen, dass jede hervorragende Gestaltung auf Werten beruht. Man könnte seinen Zentralwert als "Lebendigkeit" benennen, aber es ist mir klar, dass dies bei manchen Menschen Anstoß erregen wird und ich persönlich wäre auch an einer Technisierung/Operationalisierung interessiert, die alternative Formulierungen anbietet. Wenn du also sagen würdest, dass rund um das Demokratie-Ideal ein alternativer gedanklicher Zugang aufgebaut werden könnte, der nicht als "spirituell" missverstanden werden kann, dann gefällt mir das. Entscheidung der Betroffenen ist aber nicht "uninformierte und ununterstützte Entscheidung" von Betroffenen.

Extrembeispiel: Eine formale Position "Abtreibung ist Entscheidung der schwangeren Frau" sollte nicht die Frage ausschließen, wie ein Umfeld gestaltet werden kann (durch Akzeptanz und positive Unterstützung lediger Mütter in jeglichem verfügbarem Kontext, durch nicht-manipulative Beratung und Hilfe), um eine Entscheidung zu ermöglichen, mit der die schwangere Frau sich wohl fühlt, ihr Leben lang.

Genauso bedeutet eine juristische Fixierung einer formalen Demokratie nicht eine tatsächliche Demokratie, wenn nicht eine "Mündigkeit" und Eigenständigkeit der Demokraten vorhanden, bzw. als verfassungsmäßige Ziel den staatlichen Institutionen leitlinienartig zugrunde liegt. Im Extremfall kommt es zu einer Berlusconi-sierung der Demokratie, die dann eben keine mehr ist. Alexandersch ausgedrückt: Demokratie ist kein logische JA/NEIN Entscheidung, kein KONTRAST, sondern ein GRADIENT. Oder: es ist nur juristisch ein Kontrast, in der Realität ist Demokratie eine graduelle Qualität, in der sich Staaten unterscheiden und der ein Entwicklungsprozess zugeordnet werden muss. Im Grund hat das Parlament den impiziten Auftrag, die Qualität der Demokratie durch ihre Gesetzgebung zu erhöhen. Wo ist dieser Auftrag explizit und bewusst? Wo wird er wahrgenommen? Wo gibt es den Staatssekretär oder Minister für Demokratieentwicklung?

Eher eine Kleinigkeit ist die Unterscheidung zwischen Muster und "Best Practice", wo schon BernhardHaas festgestellt hat, dass er in den Mustersprachen der Transition-Leute auch z. B. "Qualitätskriterien" sieht. Ich sehe u. a. auch "Rollen" und "Rituale" und "Organisationen", wobei du alles als "Best Practise" bezeichnen kannst, wenn du definierst, dass jeder Prozess ein "Practice" und jede Struktur ein "Haben von Struktur" als auch ein "Practise" ist. Dann wäre also auch eine Verfassung nicht anderes als Best Practise.

Man könnte auch sagen, ein Muster hat gar nichts mit "Best Practice" zu tun, da ja ein "Best" nicht behauptet wird, ja gar nicht behauptet werden kann (und zwar deshalb, weil ein "best" die Entscheidung der Betroffenen/Beteiligten mustertheoretisch inkonsequent vorweg nehmen würde). In diesem Sinne sind Muster "Good Practice" oder sogar nur "Possible Practice", die als Optionen für "Best Decisions" an die Beteiligten herangetragen werden. Wobei das "Best" einerseits aus "Local Situation" und andererseits aus "Complete Information" kommt. Auch so könnte man denken.


FranzNahrada 7. Juli 2010 9:14 CET

Hallo Thomas!

Ich danke für das Statement, aber ich nehme mir die Freiheit damit nicht übereinzustimmen. Die Nichtübereinstimmung geht sehr tief, und sie auszuführen würde den Rahmen hier sprengen. Gerade deswegen ist die Diskussion notwendig.

Mir gefällt nicht, wenn Denken (und Mustertheorie ist hier ein bloßer Unterfall) als pures Werkzeug begriffen wird. Man könnte dagegenhalten dass Denken mindestens ebensoviel mit der Bestimmung unserer Ziele, mit Orientierung und Selbstaufklärung zu tun hat. Das sagst Du auch, stellst es aber in einen Gegensatz zu Entscheidung den ich so nicht sehe.

Ich nehme mir weiters die Freiheit zu sagen: Als Jurist erscheint Dir die Welt als eine ungeheure Ansammlung zu treffender Entscheidungen, während ich als Soziologe eher die Frage stelle, warum sich diese Form der Vereinzelung und Verselbständigung des Willens überhaupt gebildet hat und was sie vermag und woran sie scheitert.

Mustertheorie in diesem Sinn ist eigentlich die Entscheidung sich einzulassen auf einen Prozess der Reflexion wie Gesellschaft eingerichtet sein müsste um die negative, hemmende Wirkung menschlicher Entscheidungen aufeinander zu minimieren.

In diesem Sinn sind "Firme", "Gewinn", "Gewerkschaft", "Streik", "Polizei", aber sogar schon "Demokratie", "Geld", "Lohnarbeit", "Gesetz", "Staat" zwar musterhafte, regelmäßige Verlaufsformen menschlichen Handelns, aber im strengen Sinn ist es falsch sie empathisch als "Muster" zu bezeichnen. Die vulgäre Soziologie ist berüchtigt dafür, sich von bestehenden Sozialen Verhältnissen ein Moment wegzudenken, um die pure faktisch vorfindliche Existenz von etwas als ganz prinzipielle fundamentale Qualität der Problemlösung einzuführen. ("Geld ist die Bedingung des Tausches in arbeitsteiligen Gesellschaften, es ist ein Medium der Orientierung der Menschen aufeinander"). ("Ohne das Gewaltmonopol des Staates und ein widerspruchsfreies Verfahren sind gesellschaftliche Entscheidungen unmöglich"). Trocken gesagt: man riecht schon dass "Problem" und "Lösung" zueinander gehören und dass es um Probleme geht, die ohne Geld und Staat gar nicht existieren würden. Ich nehme mir die Freiheit das auszudrücken als: Probleme, die diese "gesellschaftlichen Tatsachen" zuallererst den Menschen bereiten.

Zu jeder Entscheidung gehört also ein Entscheidungsspielraum. Wenn es um eine Entscheidung zwischen strikt vorgegebenen Alternativen ist, dann liegt im emphatischen Sinn gar keine menschliche Freiheit vor. Wenn Freiheit nur Freiheit der Auswahl ist, und nicht Freiheit der Gestaltung, dann ist sie eben bloß Willkür, und wie ich gerade im Telefonat mit Helmut bekräftigt habe, ist dann der Weg zur Sklaverei nicht weit. (->Recht ist was der Führer befiehlt).

(In diesem Sinn haben wir auch gerade am Telefon die eigentümliche Auftrennung in republikanische und demokratische Staatsauffassung diskutiert. Müsste ich später irgendwo ausführen.)

Wenn aber menschliche Freiheit Freiheit der Gestaltung ist, dann ist der Weg zur Mustertheorie nicht weit.