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Schlüsselaufgaben für Kleinstädte?

Zweites Mitteleuropäisches Kleinstadtsymposium in Waidhofen an der Ybbs

Ein Bericht von Christiana Weidel, http://www.cyberweiber.at

Vom 17.-19. Oktober 2002 fand in Waidhofen an der Ybbs, einer alten Eisen- und Handelsstadt im Südwesten Niederösterreichs, das 2. Mitteleuropäische Kleinstadtsymposium statt, zum Thema "Telematik - Kleinstädte und Regionalplanung".

Die Veranstalter ECOVAST Austria - Europäische Initiative für den ländlichen Raum, IRUB - Institut für Raumplanung und ländliche Neuordnung an der Universität für Bodenkultur in Wien, und G.I.V.E. Forschungsgesellschaft - Labor für globale Dörfer zeigten die Bedeutung der Telematik (=Telekommunikation und Informatik) als Helferin bei aktuellen Herausforderungen für Kleinstädte auf. Sie führten dabei AkteurInnen in der Geografie, der städtischen Planung sowie der IT - Informations- und Telekommunikationstechnologien - zusammen. Auch die Frage nach der Erhaltung historischer Strukturen und Werte von Kleinstädten wurde im Rahmen der Veranstaltung gestellt, von Ecovast-VertreterInnen aus Ungarn, Slowakei, Russland, Deutschland und Großbritannien.

Das Schlosshotel Eisenstrasse bot der Veranstaltung den adäquaten Rahmen, vereint es doch vorbildhaft altes Kulturgut und Nutzung neuer Technologien: so konnte man vom eigenen Laptop, mit malerischem Ausblick in die herbstliche Umgebung und die imposante Burgsilhouette, überall und jederzeit mühelos ins Internet einsteigen, ohne Kabelanschluss, wie beeindruckend demonstriert wurde, möglich gemacht durch eine Art Funkwolke am Veranstaltungsort des Schlosshotels.

Vorgelagert der Konferenz hatten Exkursionen in die Landschaftsumgebung stattgefunden, geführt von Dr. Alfred Spiegler, Geograf und Autor vieler Publikationen zur Kulturlandschaft.

Am Konferenztag begrüßt Bürgermeister Wolfgang Mayr die Teilnehmenden des Symposiums und weist auf die positive Entwicklungen hin, die Waidhofen an der Ybbs als Kleinstadt durch das Einbeziehen der Telematik genommen hat.

Prof. Dipl-Ing. Dr. Gerlind Weber, Vorstand des Instituts IRUB an der Universität für Bodenkultur, betont in ihrem Eröffnungsreferat die Notwendigkeit, die "Krise der Kleinstädte" wahrzunehmen. Sie sehen sich heute zahlreichen Herausforderungen gegenüber, für die Lösungsmöglichkeiten gesucht werden. So ließe sich zum Beispiel deutlich ein Trend zur thematischen Orientierung ("theming") von Städten feststellen, so Weber. Kritisch fragt sie nach dem realen Erfolg von idealistischem Wissenstransfer in die Region: "Überschätzt man nicht die Möglichkeiten, wie man an die Leute herankommt?" Aus ihrer eigenen Erfahrung auf der BoKu?, wie zum Beispiel in der Ausbildung im Themenbereich der "Lokalen Agenda", weiß sie, wie selten Bildungsangebot über Internet tatsächlich angenommen werden.

Ein Drittel aller Menschen in Österreich leben in Kleinstädten (verfügen über Stadtrecht und zählen zwischen 2.000 und 40.000 EinwohnerInnen), sie bilden die Mittler zwischen Großstadt-Infrastruktur und Region.

Marco Brunzel und Jens Mofina von der Technischen Universität Berlin bringen in ihrem Erfahrungsbericht über "Telematik zur Aktivierung kleinstädtischen und regionalen Lebens" auf viele Fragen mögliche Antworten mit. Die beiden Studenten, in Österreich bereits bekannt für ihre Arbeiten zu den Themen "e-Government" und "Digitale Chancen", gründeten mittlerweile auch ein eigenes Unternehmen "City & Bits", um der Nachfrage nach Beratung für integrative Telematik-Beratung in der Regionalplanung und Stadtteilarbeit, gerecht zu werden. Der Weg der Studenten, aktivierende Wissensportale für "intersubjektive Stadtentwicklung" zu nutzen, zeigt interessante Lösungswege auf:

"Das planerische Leitbild ist im Wandel"

Mofina und Brunzel sprechen davon, dass der Begriff der Infrastruktur in der Informationsgesellschaft eine neue Bedeutung bekommt. Nichtbauliche Formen, Beziehungen im virtuellen Raum, die in Portalen sichtbar werden, machen heute eine moderne Kleinstadt aus. Wissensportalen sind nicht einfach Websites und Homepages, sondern neue Zugänge, die eine Stadt wie Verkehrswege erschließen. Dabei spiele die "Selbstreferenz" von zusätzlichen Informationsquellen eine wichtige Rolle, wo Wissensressourcen also nicht mit der Aufbereitung einer einzelnen Quelle enden, sondern weiter zu anderen Ressourcenträgern führen.

Eine Gemeindeverwaltung stellt zum Beispiel nicht nur ihre Daten einer Stadt im geografischen Bereich dem öffentlichen Zugang über Internet zur Verfügung, sondern verweist zu Gasthöfen in der Region, die wiederum ihre Speiskarte täglich aktualisiert zufügen, über das Portal auch Reservierungen entgegennehmen und durch anschauliche Bilder vielleicht sogar die Plätze auswählen lassen können, an denen die Gäste dann sitzen möchten.

Geträumte Zukunftsszenarien? Nein, längst Realität, wenngleich Kooperationen bisher nur punktuell wahrgenommen werden, aber Kleinstädten oder Regionen immer öfter zum entscheidenden Entwicklungsschritt verhelfen.

Denn unter Ressourcen seien nicht mehr nur finanzielle und ökonomische Quellen zu verstehen, sondern auch Wissen und Motivation als Nährboden der Entwicklung, so Mofina und Brunzel. Sie fordern die Anwesenden auf zu verstärkter "interkommunale Kooperation", um in den Kleinstädten und Dörfern gemeinsame Daten und Elemente erstellen und Potenziale zu verknüpfen, auch zielgruppenspezifisch, wie etwa zum Thema "Chancengleichheit für Frauen und Männer" durch Aufzeigen von gleichstellungsrelevanten Informationen, Communities und Zugängen.

Eine Kleinstadt und ihre Region sollen ihre Knotenfunktion wahrnehmen, sich aber auch "in Bezug zur Metropole" positionieren. Wie ein Teilnehmer treffend bemerkt, als "Ort in der Region in der Welt".

Internet-Portale bedeuten also den Zugang zu thematisch gegliederten integrierten Daten-, Wissens- und Interaktionsnetzwerken. Datenaustausch, Kommunikation, Interaktion und Transaktion finden hier statt, zwischen AkteurInnen und Beteiligten der Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.

Architekt Ernst Beneder, der für das Stadtkonzept von Waidhofen den Otto-Wagner-Preis erhielt, nimmt die TeilnehmerInnen dann nach dem Ausflug in kommunale Datennetze Deutschlands in einem Bildervortrag mit zu einem "Blick hinter die Fassade" historischer Kleinstädte. In seiner Arbeit macht er Freiräume, Kontext und Region zum Thema und nutzt "Leere" für die Gestaltung seiner Projekte und für die Auseinandersetzung mit dem Raum, für die Überwindung des Raumes.

"Architektur beansprucht Raum", erklärt er und zeigt, wie gestaltete Situationen "Sinnesreize höchster Dichte" herstellen können, zum Beispiel durch Licht und Schatten, durch Schaffung eines Brennpunkts für einen Platz, durch eine Mauer-Silhouette oder durch ein einfaches Picknick-Tischtuch, das beim Kirschblütenfest in Japan einen natürlichen Mittelpunkt in der größten Menge schaffen kann.

Der Architekt fasziniert das Publikum durch sein Engagement für die moderne Stadtraumgestaltung, was beim Thema "das öffentliche Rathaus" deutlich spürbar wird. Es sei eine große Herausforderung gewesen, meint er, "mehr als eine sprachliche und architektonische Metapher", um eine transparente, bürgernahe Verwaltung baulich zu gestalten. Der Anlass war eigentlich der Einbau der Elektronik gewesen, die ein Aufbrechen aller Mauern, jeden Bodens notwendig gemacht hatte und nach dem Umbau des Rathauses nun auch die Einbindung anderer Gebäude und Plätze in die Veränderung und Entwicklung der Stadt verlangt, Baustein für Baustein, mit vielen dazwischen liegenden Beteiligungsverfahren zur Diskussion mit der Bevölkerung, entstehen neue Sichtbeziehungen, neue Bedeutungen und neue Möglichkeiten.

Beneder spricht dabei vom Mut, sich als Kleinstadt durchaus auch im internationalen Vergleich zu positionieren, denn Identitätsvergleiche seien wichtig: "Raum hat überall seine Chance!" Seine ansprechenden Bilder aus Amerika, Japan und europäischen Städten verdeutlichen dies. Er bringt Überlegungen zum Wachsen des gedanklichen Nomadentums, den Einflüssen der globalen Welt durch Fernsehen und Internetsurfen, die für viele schon prägender sein können als Boden auf dem wir stehen. Seine Aussagen zum Nomadentum lösen zwar bei einigen TeilnehmerInnen heftige Entgegnung aus, andere wiederum können sich mit seinen Wahrnehmungen gut identifizieren und viele Köpfe nicken nachdenklich, vor allem bei seinem Schlusswort: "Es ist spannend, was hier in Zukunft auf uns zukommt, und wir können nur neugierig darauf sein"!

Reinhold Wochner, Direktor des City Netz Waidhofen, beschließt mit seiner Präsentation die Referate. Er zeigt, wie vernetzt die Wissensquellen der Stadt sind und wie der virtuelle Campus entstand, durch Vernetzung der Schulen und Firmen in der Region, in der Verbindung von Ressourcen verschiedenster Art.

Waidhofen hatte bereits sehr früh begonnen in der Ausstattung der Stadt mit e-mail-Möglichkeiten, strategisch wurden Eckpunkte erschlossen und Quellen zusammengeführt. Auch die künstlerischen Ressourcen wurden vernetzt und im Rahmen eines Pilotprojekts sogar zu einer Gesamt-NÖ-Kulturvernetzung ausgebaut.

Wochner lässt die Teilnehmenden an seinen wertvollen Erfahrungen partizipieren und präsentiert "10 Gebote für erfolgreiche Telematik in der Kleinstadt". Sein Bild der "vielen kleinen Know-how-Zellen" der Verwaltung, Dienstleistung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft prägt sich gut ein und schafft übertragbare Anknüpfungspunkte.

Aus den Diskussionen ergaben sich wichtige Überlegungen:

  • Wie verbinden sich die Perspektiven der physischen und der virtuellen Welt?
  • Was genau bietet IT?
  • Wie wirkt IT? Es muss als neutrales Werkzeug mit positiven und negativen Effekten gesehen werden, differenziert und nicht schwarz-weiß.
  • Und auch die negativen Erscheinungen von IT müssen berücksichtigt und analysiert werden, wie mögliche Isolierung, Verlust des Realitätsbezuges vor allem gegenüber der lokalen Realität.
Daraus entstehen schließlich 2 zentrale Leitfragen:

  • Was ist wirklich neu, sowohl an technischer Infrastruktur, als auch in methodischer Hinsicht? Und was davon wiederum ist relevant für die Kleinstadt?
  • Die Inhalte die mit IT vermittelt werden, sind meist nicht neu. Aber die Verbindung der Ressourcen und die Aktivierung, sie sind ganz neu - wie können die Verbindungen für die Kleinstadt am besten genutzt werden?
Angeregte Gespräche entspinnen sich zwischen ExpertInnen, Betroffenen und Interessierten. Neu seien vor allem die Erschließungsfunktion der IT, die unendliche Wissensbestände auch in Kleinstädten aufmachen kann, sowie die technischen Möglichkeiten des durch Funk und ähnliche Mittel immer leichter werdenden Zugangs auch in abgelegenen Regionen.

Die Frage, ob Regionalisierung die geeignete Antwort auf die negativen Auswirkungen der Globalisierung sei, beantwortet in gelungener Art ein Ecovast Vertreter: "Wir dürfen Globalisierung nicht in Opposition zur Regionalisierung stellen, beides ist wichtig auf dem Weg zum ‚Re-Finding’ und ‚Re-Celebrating’ von alten und neuen Werten". Es sei herauszufinden, wie IT und Telematik den Kleinstädten dabei sinnvoll helfen könne. Die Idee des Mitveranstalters Franz Nahradas, diese Aufgabe zu einer globalen Aufgabe zu machen, fand großen Anklang, auch andere Teilnehmende waren sich einig "die städtischen Institutionen überall sollen ihren Markt vergrößern und die Regionalisierung aktiv unterstützen".

Hemmfaktoren für eine erfolgreiche Umsetzung der "Querschnittsaufgabe Telematik" in Kleinstädten zeigen sich am Fehlen einer "kritischen Masse" von NutzerInnenn? und am Fehlen geeigneter Schnittstellen bei der Einbindung neuer Telematikanwendungen in Unternehmen und Betrieben. Der entstehende Beratungsbedarf stellt die regionale Politik vor Probleme, die nur mehr partnerschaftlich zu lösen sind, das heißt auch überregional in der Zusammenarbeit von Städten, Dörfern, Regionen.

Integrierte Informationssysteme zu schaffen, das wird - so zeichnete es sich im Laufe des 2. Mitteleuropäischen Kleinstadtsymposiums deutlich ab - zur Schlüsselaufgabe für Kleinstädte und zu einer planerischen, politischen und methodisch-gestalterischen Herausforderung für die Schaffung einer neuen Infrastruktur des Wissens und Teilens.

Das Thema der Chancen historischer Strukturen von Kleinstädten war durch die Faszination der Telematik und ihrer aktivierenden Anwendung ein wenig in den Hintergrund gedrängt worden, Dr. Spiegler versprach jedoch, im Dezember mit einem eigenen Workshop das Thema noch einmal aufzugreifen und auf europäischer Ebene zur Diskussion zu stellen.

Weiterführende Links
  • Veranstaltungsort Stadt Waidhofen an der Ybbs:
http://www.waidhofen.at
  • Schlosshotel Eisenstrasse in Waidhofen/Ybbs:
http://www.schlosseisenstrasse.at
  • Veranstalter Ecovast Austria
http://www.ecovast.at
  • Mitveranstalter Institut IRUB an der Universität für Bodenkultur in Wien
http://www.boku.ac.at/irub
  • Mitveranstalter G.I.V.E. Forschungsgesellschaft
http://www.give.at/give
  • Referenten Mofina und Brunzel, City & Bits
http://www.cityandbits.de