Willkommen im Globalen Dorf / 7 Die vielen Gesichter der lokalen Widerstandsfähigkeit |
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Radio Agora Sendung * Montag 27.4.2020 18h ˧ ˧
00:00:40 Einen schönen guten Abend - oder zu welcher Tageszeit Du dies auch immer hörst. Willkommen bei der siebenten Folge von "Willkommen im Globalen Dorf", einer Sendereihe zum tieferen Verständnis der Idee der Globalen Dörfer. ˧ 00:01:04 Hier ist wieder Franz Nahrada, immer noch im einsamen Wiener Exil, ich grüße alle Freunde in Bad Radkersburg und darüber hinaus. Ich grüße alle Freunde der Dörfer, die sich diese Sendung schon zum wiederholten Mal anhören. Ich hoffe Ihr seid alle gesund und in Sicherheit, und ihr habt Euch vielleicht sogar in ein dörfliches Exil flüchten können in dieser Corona Zeit. Am Schluss dieser Sendung wird es eine kleine Eloge aufs Dorf in der Corona - Zeit geben. Was davor kommt, hat etwas damit zu tun, dass ich gerade mit einigen Freunden die Dorf - Uni im Mai und im Juni vorbereite. Daher trät die heuitige Sendung den Titel "Die vielen Gesichter der lokalen Widerstandsfähigkeit". Ja und Sorry - es ist wieder einmal ein langer Monolog, aber es ist auch ein unfassbar kompliziertes Thema. ˧ 00:02:20 Auch die heutige Sendung kann also nicht an dem Thema vorbei, das mich - und höchstwahrscheinlich uns alle uns alle - seit mindestens 7 Wochen in Bann hält. Und wahrscheinlich viel länger beschäftigen wird als wir noch vor 4 Wochen geglaubt haben. Es zeigt sich immer mehr, dass die Coronakrise eine doppelte Krise ist: auf der einen Seite eine handfeste Bedrohung durch eine neue und durchaus gefährliche Krankheit, die immer neue Facetten offenbart, auf der anderen Seite aber auch ein Ausbruch einer latenten Krise unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems .... die gerade durch die Maßnahmen gegen die Krankheit erst so richtig zum Ausbruch kommt. ˧
00:03:44 Krisen haben es an sich, sowohl im medizinischen Bereich als im gesellschaftlichen, dass die destruktiven und schädigenden Entwicklungen auf ein Immunsystem treffen. Ich möchte bewusst dieses Analogie wählen, wenngleich ich nicht im Umkehrschluss Gesellschaft sozusagen zu einer biologischen und naturhaften Tatsache hochstilisieren möchte. Aber hier passt die Analogie. Wenn sich im Fall einer körperlichen Erkrankung das Immunsystem wehrt, dann kann es sehr heftig zugehen - es kann einen niederstrecken, durchschütteln, hammerhart. Es kann zu einem Prozess jenseits der Normalität kommen, ein "Schüttelfrost" der mit Heilung, bleibender Schädigung oder gänzlicher Zerstörung enden kann. Was aber genau darüber darüber entscheidet, das ist die Widerstandsfähigkeit.
00:06:27 Warum dieser sehr laienhafte Ausflug und Exkurs in die Medizin? Weil die Analogie uns klar macht, was wir nur allzugerne verdrängen. Was uns bei der Frage von Gesundheit und Krankheit relativ leicht klar ist, wird im gesellschaftlichen Bereich ideologisch vernebelt. Was ich derzeit überhaupt nicht aushalt: Es bilden sich derzeit Parteien, die sich einerseits auf die Seite der medizinisch - immunologisch begründeten Abwehrmaßnahmen wie Lockdown (...) .. die "virologische" Seite stellen, die zwar Leben retten aber die Gesellschaft zum Stillstand bringen, andererseits ergreifen die Gegner Partei für die Kontinuität des Wirtschaftsprozesses, ohne den die Gesellschaft vor die Hunde geht. (Also so wie obven der Körper die Abwehrreaktion gar nicht aushält) Ich will mich ganz bewusst heute in diesm Streit eher nicht positionieren, es sei denn gegen diejenigen die das Problem und die besondere Natur dieser Krankheit überhaupt leugnen und lieber an die ganz große Verschwörung glauben. Ich will eher darauf hinweisen dass der durchaus berechtigte Streit selbst darauf hin weist, daß schon lange vor dem Ausbruch der Krankheit und der (Wirtschafts)Krise etwas grundsätzlich nicht in Ordnung war. Ich würde mir wünschen, dass sowohl die gottergebene Disziplin der Mehrheit (diejenigen ...) als auch die Wut der Minderheit (die jetzt sogar demonstrieren gehn will) sich gemeinsam transformieren ließen in eine kreative Energie, die das was nicht in Ordnung war und was uns so wenig widerstandsfähig gemacht hat, dass wir nicht mal dieses bischen Abwehr richtig aushalten, transformieren möchte. Die nicht einfach schaut und bespekuliert was ist, sondern sich aktiv darum kümmert, was sein soll. Das was voher "normal" war muss sich in etwas neues transformieren, meinetwegen eine "neue Normalität", über die zu sprechen ist. Eine Impfung alleine - selbst wenn sie koscher und ungefährlich und spezifisch wirksam ist, von der Staatengemeinschaft kontrolliert und nicht von irgendwelchen Profiteuren hingepfuscht - wäre eine zu armselige Perspektive angesichts dessen was die Welt gerade duchmacht. Wir brauchen wirkliche Heilung. ˧
00: Genauso wie zuvor bei der Krankheitsabwehr offenbart die gesellschaftliche Bewältigung einer Bedrohung wie COVID19 durch entsprechende Gegenmaßnahmen den Grad der Widerstandsfähigkeit und damit der Gesundheit des gesamten gesellschaftlichen Organismus. Eine Gesellschaft die zuwenig Regenerationsfähigkeit hat, zuwenige Vorräte, zu wenig Zusammenhalt, zu wenige oder zu lange Transportwege, zu wenig Koordination, zu wenig Anpassungsfähigkeit, die nicht stark eingebettet ist in die natürlichen Quellen von Lebendigkeit, die kann tatsächlich zugrunde gehen, wenn sie zum Beispiel für nur wenige Wochen gezwungen ist die Produktion einzustellen. Ein Zusammenbruch der dann gar nicht sehr von dem verschieden wäre, wie wenn in unserem Fall die Krankheit selbst die Wirtschaft zum Zusammenbruch gebracht hätte. (Was man vielleicht, ich wills nicht hoffen, ein wenig in den USA beobachten kann) ˧ 00:11:17 Viele Kommentatoren weisen mit Recht darauf hin, dass genau dies zu passieren droht; daß die an sich vernünftigen Maßnahmen, die beherzt und mit noch nie dagewesener Entschlossenheit in die Wege geleitet wurden, dass die sehr rasch an Grenzen stoßen. (Ich bin einfach baff, dass es wirklich das erste Mal war, dass die Politik rasch und entschlossen auf die Wissenschaft gehört hat. Jetzt aber könnte es aus sein mit dieser Courage.) [1] Der Schluss liegt nahe, dass trotz der Bekanntheit aller möglichen Bedrohungen unser Gesellschaftssystem sich als äußerst labil und wenig widerstandsfähig erweist; man könnte es in diesem Sinn als chronisch krank bezeichnen. Denn auch hier verrät die Verträglichkeit der Immunreaktion einiges über den Gesundheitszustand. Also diese an sich vernünftigen und notwendigen Maßnahmen (Ja das ist meine Meinung), die bei einer gesellschaftlichen Kraftanstrengung zur Eindämmung der Krankkeit und zur Elimination des unbekannten und unberechenbaren Virus führen könnten (Hinweis auf Neuseeland als Modell), sind nämlich unrealistisch und nicht durchzuhalten angesichts der grundsätzlichen Verfasstheit unserer Gesellschaft, in der jeder und jede einzelne sich mit seinen ökonomischen Mitteln durchschlagen muss; die allgemeine Abhängigkeit von laufenden Einkommen, der Zwang zum Geldverdienen konfligiert mit jedem Tag mehr mit den vom Staat den Menschen ("vernünftigerweise") aufgezwungenen weitgehenden Beschränkungen von Handel und Wandel. Und auch die staatlicherseits angeboteten Hilfen, die für eine gewisse Zeit die Einkommensausfälle ausgleichen sollen, stehen in keinem Verhältnis zum tatsächlich entstandenen Schaden, obwohl sie die Verschuldungsfähigkeit des Staates jetzt schon in einem Ausmaß strapazieren, das historisch ohne Beispiel ist. Nicht nur, aber vor allem dort, wo dieser Schaden eben nicht in einer Buchhaltung abbildbar ist. ˧ 14:20 Vor wenigen Tagen veröffentlichte das Austria Corona Umfrageprojekt [2] die Resultate einer Onlinebefragung, in der sich klar herausstellte, dass jene in Österreich mit weniger guten Ausgangsbedingungen, sei es Bildung, sei es das Dasein als Alleinerziehende, sei es Migrationshintergrund, ungleich schneller ihre Jobs verloren haben als andere; dass die ohnehin schon Abgehängten wie Arbeitslose, Alleinlebende und chronisch Kranken, am meisten unter Existenzängsten und Neigung zur Verdrängung durch Suchtmittel und Drogen litten. Auch der Privatbereich den sie zur Verfügung haben ist für viele Menschen viel zu eng und unwirtlich und zu ärmlich, um den Lockdown halbwegs gesund durchstehen zu können. Judith Kohlenberger paraphrasiert im Falter: "In einem geräumigen Apartment mit Dachterrasse oder einem Haus mit Garten lässt sich die soziale Isolation wesentlich angenehmer ertragen als in einer dunklen Zweizimmerwohnung, die man sich womöglich noch mit Partner und Kindern teilt. Mancherorts genießt man die neu gewonnene Freizeit und geht mittags (alleine!) laufen, während einige Meter daneben Arbeiter auf der Großbaustelle weiter schwitzen und sich anhusten lassen müssen."[3] Für viele reicht es nicht mal zum Nötigsten. Mitarbeiter der Caritas erzählten von Fällen, wo sich Eltern von ihren Kindern das gesparte Taschengeld ausleihen mussten, um die Miete bezahlen zu können[4] Nicht nur in den USA, sondern schon auch an vielen Orten in Europa stehen Menschen stundenlang Schlange in der Hoffnung, von Wohltätigkeitsorganisationen, Tafeln etc. ein wenig Essbares zu kriegen. Wir hören wenig über die Hungerrevolten in Frankreich, aber wer sich die Mühe macht kann erschütternde Berichte und Videos im Netz finden. Und wir hören wie sich COVID19 sich weltweit besonders in Armenvierteln breit macht. Eingeschleppt durch die wenigen, die überhaupt noch einen Job haben - als Buschauffeur oder bei der Müllabfuhr zum Beispiel. Wir hören von den Gastarbeitern in Singapur, in deren Massenquartieren die ausgerottet geglaubte Seuche wiederaufflammt [5]. ˧
16:51 Nicht zu vergessen dass viele Menschen in reichen Ländern heutzutage nicht einmal ein Dach über dem Kopf haben. Nur sehr selten hört man von Fällen, in denen Wohnungslose in den sowieso leerstehenden Hotels einquartiert werden. Und in ärmeren Ländern wie etwa Indien, die wegen der geringeren Mobilität verzögert von der Krankheit erreicht wurden (Ja, das war eine Krankheit der Jet-Setter), spielen sich jetzt schon noch heftigere Tragödien ab als im Normalzustand, obwohl dort ohnehin schon viele Epidemien wie Tuberkulose gleichzeitig grassieren und durch den Lockdown noch verschärft werden, abgesehen davon dass eine massive Hungersnot droht. In der Arte Reportage "Lockdown eigentlich unmöglich" vom 17.4. aus einem Slum in Dehli heißt es lapidar: "die indische Regierung hat die Wahl zwischen Pest und Cholera und opfert ein Viertel der Bevölkerung um die Coronakrise einzudämmen". ....Und so weiter. ˧ 00:18:02 Währenddessen meldet überigens die "Fast Company" (online) in einem Artikel: "Im gleichen Monat, in dem 22 Millionen Amerikaner ihren Arbeitsplatz verloren, stieg das Gesamtvermögen der amerikanischen Milliardärsklasse um etwa 10% an. Das sind 282 Milliarden Dollar mehr als Anfang März. Sie haben nun zusammen ein Nettovermögen von 3,229 Billionen Dollar." (und nebenbei zahlen sie rund 80% weniger Steuern als noch 1980. Sie hatten sich in kurzer Zeit vom ökonomsischen Schock von 2008 erholt, während die Mittelklasse 2019 (von diesen Schocks) immer noch geschwächt war, als sie in die Coronakrise taumelte) [6]" ˧
19:00 Auf einen Schlag hat sich in der Coronakrise geoffenbart, wie dysfunktional unser Wirtschaftssystem ist und dass anscheinend jede Krise diese Dysfunktionalitäten beschleunigt, wie bei einem Organismus der hintereinander eine Krankheit nach der anderen durchmacht ohne sich zu erholen - und unter der glänzenden Fassade immer ausgezehrter und verwundbarer wird. ˧ Und auch klar ist: ˧
22:48 Die Coronakrise ist aber nicht die einzige Krise die unser gesellschaftliches System bedroht. ˧ Da ist vor allem die immer deutlicher anschwellende Klimakrise. Die Analogie: die scheinbare anfängliche Unmerkbarkeit der Krise, die dazu führt dass der entscheidende Moment, ihr frühzeitig entgegenzutreten, verschlafen wird. Während aber bei Corona nach Wochen des verhängnisvollen Nichtstuns weltweit eine beispiellose Kette von noch nie dagewesenen dramatischen und alle bisherigen Normen verlassenden Maßnahmen ergriffen wurde, billionenschwere Rettungspakete auf den Weg gebracht werden, um die Wirtschaft vor dem Zusammenbruch zu bewahren, ist in Sachen Klima das blanke Gegenteil zu vermelden. Noch werden Lippenbekenntnisse zum "Green New Deal" abgelegt, aber in der Realität wird eine Maßnahme nach der anderen abgesagt. Am 16.4. meldet das 'Handelsblatt', dass gemäß eines geleakten Papiers der EU Komission unter anderem die europäische Aufforstungsstragie verschoben werden soll, ebenso die Initiative zur nachhaltigen Nutzung von Treibstoffen, die Initiative zum Recht auf Reparatur und gegen geplante Obsoleszenz, die Initiative für einheitliche Ladekabel und gegen Elektroschrott und vieles mehr. "Weitere Verschiebekandidaten sind die Offshore-Windstrategie, die neue Chemie-Strategie und die Strategie für nachhaltige und smarte Mobilität. Die neue Landwirtschafts- und Lebensmittelstrategie „Farm to fork“ sowie die Biodiversitätsstrategie wurden bereits verschoben." [9] ˧ 00:24:35 Währenddessen brennt die Klimakrise im bildlichen Sinn unter den Nägeln. Die ausgedehnten Dürren, die wir gerade jetzt nicht nur in Europa, sondern auch in anderen Teilen der Welt erleben, die Wald- und Moorbrände von Australien bis Tschernobyl - aber selbst jetzt im April schon im Oster Deutschlands, die Hitzwellen die sich jedes Jahr steigern und die Grenzen der Erträglichkeit längst überschritten haben, die selbst in hochentwickelten Ländern wie Japan bereits 2019 eine dreistellige Zahl von Todesopfer gefordert haben [10], die sinkende Ertragskraft der Landwirtschaft durch Viehsterben und Bodenerosion, all das lässt nur einen Schluss zu: daß das auf uns zukommende Klimachaos noch um einige Größenordnungen tödlicher und gefährlicher sein wird als die Coronakrise! ˧ 25:25 Fabian Scheidler, ein engagierter Publizist und Historiker, fragt zurecht " Gewiss: In der Pandemie müssen wir Menschen schützen, vor allem die Risikogruppen. Aber warum gilt nicht das gleiche für Klimaopfer? Wenn bei Corona das Vorsorgeprinzip gilt, dann muss es beim Klimaschutz ebenso gelten." [11] Warum gibt es weiterhin Business as usual? Warum ändert sich da nichts? ˧ Die Antwort, die er und auch viele andere Autoren geben ist ernüchternd - drei hauptsächliche Gründe: ˧
"Eine entscheidende Frage für die Zukunft des Planeten wird sein, wie die billionenschweren Rettungspakete für die Wirtschaft, die derzeit verhandelt werden, aussehen. Werden die schmutzigsten Industrien, die für das Klimachaos verantwortlich sind, wie die Flugzeugbranche, die Autoindustrie und viele mehr, gerettet, um danach ihr Business-as-usual fortzusetzen? Oder werden diese Gelder benutzt, um die nicht zukunftsfähigen Branchen zu konvertieren? Warum zum Bespiel nicht für die Mitarbeitenden von Airlines massiv neue Stellen bei der Deutschen Bahn schaffen, wo in den vergangenen Jahrzehnten viele viele tausende Arbeitsplätze abgebaut wurden? Warum nicht Rettungspakete für Autokonzerne daran koppeln, dass sie ihre Produktion so rasch es technisch geht auf Ein-Liter-Autos, kleine Elektroautos und vor allem öffentliche Verkehrsmittel umbauen? Warum nicht massiv in die öffentliche Gesundheitsversorgung investieren, die lange kaputtgespart und privatisiert wurde, und damit auch für weitere Pandemien sowie für kommende Hitzewellen gerüstet zu sein? Und warum nicht, wie einst unter dem New Deal in den USA, Einkommens- und Vermögenssteuern für die Reichsten auf 70 Prozent und mehr erhöhen, damit sie ihren fairen Anteil an diesem gesellschaftlichen Umbau leisten? ˧ All das ist, wie wir gerade sehen, keine Utopie, sondern möglich. Aber es kann nur Wirklichkeit werden, wenn sich Bürgerinnen und Bürger und die gesamte Zivilgesellschaft aus der gegenwärtigen Schreckstarre befreien und aktiv werden, um in die so folgenreichen Entscheidungsprozesse der nächsten Wochen einzugreifen. Einen Shutdown der Demokratie dürfen wir nicht zulassen. Im Gegenteil: Jetzt ist die Zeit des Handelns. Wenn nicht auf der Straße, dann im Netz. [12]'' ˧ 00:30:35 Und Sascha Lobo schreibt im Spiegel, dass einiges von dem was jetzt, in der Krise geht, eben nicht rückgängig gemacht werden dürfe: ˧ "manche Maßnahmen mögen temporär geplant sein. Aber Fortschritt hat schon oft krisenbedingt begonnen, plötzlich entsteht aus der Asche der früheren Selbstverständlichkeiten eine neue Gegenwart." [13] ˧ Hat vielleicht der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Romer recht wenn er sagt: ˧
00:31:18 Denn nach all dem Gesagten müssen wir auch eine andere Seite sehen. Die Krise hat ja nicht nur Stillstand herbeigeführt, sondern auch enorme Kräfte, Abwehrkräfte, Selbstheilungskräfte, geoffenbart, die in unserer Gesellschaft durchaus vorhanden sind: Kräfte der gegenseitigen Hilfe, der Bereitschaft vieler Menschen im Gesundheitswesen und an anderen kritischen Punkten, sogar die Bedenken um die eigene Gesundheit hintanzustellen und zu helfen. Nicht nur weil es angeordnet wird, weil man mit Jobverlust bedroht wird, nein, durchaus freiwillig. Die Bereitschaft, das Richtige zu tun, "koste es, was es wolle", die Bereitschaft Regeln und Gewohnheiten zu brechen und einem gemeinsamen Ziel und dem Wohlergehen aller unterzuordnen. Es wäre furchtbar, wenn wir in diesem Moment versäumen würden, unsere gedankliche Energie auch auf das Morgen zu richten. ˧ 00:32:13 Sascha Lobo - der es ja wissen muss wie kaum ein anderer - führt aus: "Jahrelang galten die sozialen Medien in erster Linie als Treiber der Polarisierung, als Hass- und Manipulationsmaschinen, als Motor der Radikalisierung. Die netzorganisierte, grundpositive Bewegung "Fridays for Future" erschien eher als Ausnahme. Aber jetzt wird anlässlich der Coronakrise eine gewisse Netzwärme sichtbar, sie besteht aus Humor und Solidarität, und die sprühende Kreativität des Humors erreicht ungeahnte Krisenqualitäten." [14] ˧ 00:32:54 Der Salzburger Erich Schnaitl hat sich ein "Gehzeug" umgehängt, einen Leichtholzrahmen von zweimal zwei Metern (nach einer Idee von Hermann Knoflacher 1974) zum automatischen Abstandhalten, schön geschmückt mit Blumen an allen vier Ecken und einem großen Schild an der Vorderseite mit den drei Worten: "Wir müssen reden". Er geht damit als Einmanndemonstrant durch die Salzburger Innenstadt. ˧ Zugleich schreibt er in einem Facebook Post: "Wir müssen darüber reden, wie wir in Zukunft als Gesellschaft zusammenleben wollen, was uns wichtig ist, was aus der Vergangenheit in die Zukunft übernommen werden soll und wovon wir uns trennen müssen." [15] ˧ Und, wie Scheidler, argumentiert er dass wir jetzt, in der Krise, die Weichen neu stellen müssen. ˧ "„Geht nicht, gibt’s nicht“ und das ist jetzt offensichtlich. Flugzeuge stehen am Boden, Einkaufszentren sind geschlossen und Straßen sind deutlich leerer. Jetzt und nicht erst nach Ende der Ausgangsbeschränkungen möchte ich, dass eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber geführt wird, wie es nach der Coronazeit weiter gehen soll und in welche Richtung wir uns entwickeln... Die momentane Situation bietet die Chance zu diskutieren welchen Stellenwert die Banken und das Finanzsystem in Zukunft haben werden, wie wir Tourismus und nachhaltige Mobilität gestalten wollen, wie viel ein Mensch an Vermögen besitzen bzw. selbst erarbeiten kann, welche Tätigkeiten wie hoch/niedrig entlohnt werden sollen, welchen Stellenwert der Mensch zur Natur hat, welche Form der Tierhaltung wir haben wollen und - ganz wichtig - an wen wir die staatlichen Corona-Hilfsmilliarden verteilen." [16] ˧ 00:35:06 Und der Leiter des Kompetenzzentrums für Nachhaltigkeit an der Wirtschaftsuniversität Wien. Fred Luks, schreibt in seinem Online - Tagebuch: ˧
(Musik - Pause) ˧ 00:36:14 Musik: https://freemusicarchive.org/music/Cara_Leigh_Produced_by_Cornelius_Julius/Resilience/Cara_Leigh_Produced_by_Cornelius_Julius_-_Resilience_-_01_House_Of_Cards House Of Cards by Cara Leigh, Produced by Cornelius Julius is licensed under a Creative Commons Attribution-NonCommercial?-NoDerivatives? 4.0 License. ˧
00:38:20 Nach diesen recht langen ausführungen zur Krise - ein zweiter Teil zu Resilienz. Es ist ganz einfach zu begreifen: so wie wir als einzelner Mensch dafür sorgen müssen, dass unser Körper genügend Kraft und Reserven hat, eine Krankheit zu überwinden, so müssen wir auch als Gesellschaft dafür sorgen, vielen möglichen Krisen gegenüber gewappnet zu sein, gegen Störungen nicht nur entschiedenen Widerstand zu entwickeln, sondern sich auch rasch und vollständig regenerieren zu können. Es zeigt sich, dass diese Fähigkeit, die wir mit abstrakt mit dem Begriff Resilienz bezeichnen, eben nicht nur dann zum Tragen kommt wenn Krisen eintreten. ˧ Resilienz beginnt schon lange vorher , mit der Vorbeugung zur Vermeidung von Krisen, mit der Vorsorge für die Mittel um tatsächlich Widerstand leisten und Krisensituationen aussitzen zu können, mit der Anpassung und Flexibilität um zeitweise oder dauernde Veränderungen durch neue Strukturen und Maßnahmen ausgleichen zu können. Und mit der Fähigkeit der Regeneration und Reparatur, um während und nach einer Krise unbeschadet wieder zum Ausgangspunkt zurückkehren zu können. ˧ 00:39:55 All das ist Resilienz - und Resilienz ist ein Gebot der Stunde. Mannigfache Krisen bedrohen unsere Gemeinden und Regionen, Krisen die wir lange verdrängt haben - ein ökonomisches Wachstum das ohnehin schon lange auf hemmungslosem Schuldenmachen basierte; die Erschöpfung der planetaren Ressourcen, die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, der Artendiversität und des Bodens; die drohende Klimakatastrophe; die pathologischen Folgen der in Massentierhaltung wurzelnden und global sich auswirkenden Zoonosen; und wahrscheinlich noch so viele andere, dass selbst Rechenkünstler den Überblick verlieren. ˧ 00:40:42 All diesen Krisen können wir am wirksamsten entgegentreten, wo wir über ein regenerationsfähiges und lebensförderliches System verfügen: in unseren Gemeinden und Nachbarschaften, in denen Menschen solidarisch und koordiniert handeln, die Grundversorgung mit Lebensmitteln und wichtiger Infrastruktur (Energie, Sorge für die Schwachen und Kranken etc.) in der Hand haben. Hier zeigt sich, daß Resilienz viele Gesichter hat. ˧
(Hinweis auf DorfUni in den 4 Wochen Mai und Juni) ˧
00:44:50 Resilienz beginnt in der kleinsten Einheit, die auch dann lebensfähig bleiben muss, wenn andere Einheiten geschädigt und Verbindungen unterbrochen sind. Die allerkleiste Einheit ist wohl unser Körper, und gerade schickt mir Wolfgang Lalouschek vom Planet Yes ein Video, in dem er über die vielen Dinge spricht, die wir für unsere persönliche Resilienz tun können. ˧
1. eine Moderate Ausdauerbewegung 00:46:47 Warum zähle ich das alles auf? Weil es in keinem nationalen Krisenbewältigungsplan vorkommt, obwohl die lebensentscheidende Funktion dieser individuellen Resilienz eigentlich evident sein müsste. ˧
00:47:30 Eine britische Umfrage zum Lockdown auf die Rob Hopkins hinweist hat mich aufhorchen lassen. Eine solche Umfrage sollte es auch bei uns geben!!
00:50:31 Wie eingangs versprochen, möchte ich abschließend noch einen Artikel aus der Vergessenheit der Feuilletonspalten entreißen, der mir besonders gut gefallen hat. Am 27. März schrieb Vinzent Tschirpke eine "Abschiedskolumne" in der Süddeutschen Zeitung unter dem Titel "Warum das Dorf in Krisenzeiten besser als die Großstadt ist".[18] Er beschreibt liebevoll-ironisch, wie er aus seiner Bremer Innenstadt - WG in sein Herkunftsdorf geflüchtet ist. ˧ "Um Kontakt mit anderen Menschen zu vermeiden, und weil das in einer etwas sorglosen WG nicht so gut funktioniert, bin ich nach Hause gefahren. Zurück aufs Land. Und stelle fest: Das geordnete, bürgerliche Dasein gibt mir Halt. Die spießige Routine im Wohngebiet – Rasenmähen am Vormittag, Auto putzen am Nachmittag – sie hat mich immer genervt. Aber in einer Zeit, in der Vorsicht wichtig, Panik aber gefährlich ist, wirken solche Rituale doch ganz beruhigend." ˧ "Für Viren sind Kleinstädte ein hartes Pflaster. Noch nie habe ich jemanden an einer der zwei Bushaltestellen einsteigen sehen. Man fährt Auto. Das Dorfleben ist nicht nur gleich eingeschränkt, es hat gegenüber der engen Großstadt nun sogar Vorteile: Im überdimensionierten Supermarkt waren die Gänge schon vorher so groß, dass der ganze Landkreis gleichzeitig einkaufen könnte – ohne sich dabei auf anderthalb Meter zu nähern. Klopapier und Seife sind genauso wenig ausverkauft wie Nudeln oder Mehl. Wozu auch? Die Leute kaufen seit jeher im Sieben-Tage-Rhythmus. Manche Vorratskammern könnten gleich zwei oder drei Weltuntergänge überstehen." ˧ "Milch und Eier kriegt man nicht erst seit Corona ohne menschlichen Kontakt beim Bauern nebenan. Karton aus dem Kühlschrank, zwei Euro in die Schüssel davor. Und für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich doch in Hysterie verfalle und jedes Desinfektionsmittel aus dem Drogeriemarkt hamstern wollte – spätestens an der Supermarktkasse würde ich einen Bekannten treffen und mich für meinen Egoismus schämen. Rücksichtslos lebt es sich leichter in der Großstadt-Anonymität." ˧ "Zurzeit gehe ich jeden Abend alleine spazieren. Ein paar Minuten frische Luft als Ausgleich zum stundenlangen Hocken in der Bude. Andere Menschen treffe ich dabei nicht – jeder hat schließlich seinen eigenen Weg ins Freie. In der Großstadt sind es allein von meinem WG-Zimmer zum nächsten Park sieben Stationen und zwei Mal umsteigen. Überhaupt sind Wohnungen in der Stadt nicht krisentauglich. Schon ein Balkon gilt als Luxus, das Wort »Gartenliege« kommt im Großstadt-Wortschatz nicht vor. Dabei ist es momentan besonders wichtig, auch ungestört an die frische Luft zu können. Laut einer Studie der Universität Aarhus verringert ein Garten oder der direkte Zugang zu Wäldern und Natur die Gefahr einer psychischen Krankheit um 55 Prozent. Langfristig bedroht die Isolation der Städte also die mentale Gesundheit – auf Dauer auch ohne Corona-Quarantäne." ˧ "Es scheint, als wolle mir mein Heimatdorf zurufen: Ich kann auch außerhalb einer Pandemie ein alltagstauglicher Ort für dich sein! Trotzdem werde ich, wenn die Corona-Krise irgendwann vorbei ist, zurück in die große Stadt gehen. Ganz so schnell muss ich diesmal aber nicht weg – und allzu lang wird es bis zum nächsten Besuch auch nicht dauern." (00:54:20) ˧ Abspann. ˧ (Musik bis 00:57:57) ˧
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