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Willkommen im Globalen Dorf /
41 Die Highlights der re build 23


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Abstract: Die re:build Konferenz - ein online Event mit Watch Parties rund um den Globus - hat sich 2021 als ein spannendes Forum etabliert, das im Geist dieser Sendereihe kreative Gestalter aus allen Erdteilen zusammenbringt um die Dörfer der Zukunft zu imaginieren. Denn die Pandemie hat nicht nur die Möglichkeit der "Telearbeit" breit spürbar gemacht. Sie hat auch gezeigt dass wir den Ort von Leben und Arbeiten völlig neu und ohne alte Beschränkungen wählen können und damit dem Bedürfnis nach einem Leben in Nähe von und in Einklang mit Natur und Gemeinschaft Rechnung tragen können. Dieser Bewegung der neuen regenerativen Renaissance, ihren Werten und Ausdrucksformen, gibt die Konferenz ein Forum und zeigt die wagemutigsten Visionen und inspirierendsten Projekte. ˧

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Intro

Willkommen zur 41. Sendung der Reihe "Willkommen im Globalen Dorf". Hier ist Franz Nahrada aus Bad Radkersburg, das erste Ausstrahlungsdatum dieser Folge ist der 24. April 2023 auf Radio Agora, dem freien und nichtkommerziellen österreichisch-slowenischen Radio im Süden. Ich unterbreche wieder einmal eine sehr spannende Gedankenkette die ich später fortsetzen möchte, und berichte aus Aktualitätsgründen heute von einer online - Konferenz die ich vom 14. bis 16. April verfolgt habe. Es macht mir immer besondere Freude zu sehen, dass ich nicht alleine bin mit meinen Dorfträumen, dass immer mehr vor allem jüngere Menschen sich mit dem Etikett "Village Builders" schmücken. Die Konferenz hatte über 60 Vortragende und leider nur etwas über hundert Teilnehmer. Sie fand das zweite Mal statt, das erste Mal war 2021 gewesen. Das Motto war "Gemeinsam eine bessere Welt bauen" - und zwar unter Einsatz allen Wissens über Technik und Natur, in der Absicht einer engeren Verbindung zu Landschaft und Natur, und auf der Grundlage des Paradigmas der Regenerativität, das auf breiter Front das Nachhaltigkeitsparadigma abzulösen beginnt. Das Paradigma der Regenerativität geht über das Konzept der Nachhaltigkeit hinaus und zielt darauf ab, natürliche Systeme wiederherzustellen und zu regenerieren, um ihre Fähigkeit zur Selbstregulierung und Erneuerung zu stärken. Während Nachhaltigkeit darauf abzielt, Ressourcen zu erhalten und zu verwalten, um zukünftigen Bedürfnissen gerecht zu werden, geht Regenerativität einen Schritt weiter und versucht, die Schäden der Vergangenheit zu reparieren und das natürliche Gleichgewicht wiederherzustellen oder sogar Naturprozesse zu intensivieren. Regeneratives Denken und Handeln geht damit einher, dass man sich auf eine positive Beziehung zur Natur einstellt und sich darum bemüht, mit ihr in Einklang zu leben, anstatt sie auszubeuten. So hieß es im Konferenzmotto: 'Den Planeten zu regenerieren bedeutet, Dinge besser zu verlassen als wir sie vorgefunden haben und gesunde Lebenssysteme für die Menschheit und alle Lebewesen zu entwerfen' ˧

In diesem Zusammenhang gewinnt natürlich der ländliche Raum an Bedeutung, da er der wichtigste Ort der Regeneration und Wiederherstellung natürlicher Systeme ist. Landwirtschaft, Forstwirtschaft und andere ländliche Aktivitäten können und müssen regenerativ gestaltet werden, um den Boden, das Wasser und die Luftqualität zu verbessern, die Biodiversität zu erhalten, das Klima zu stabilisieren und die natürlichen Kreisläufe so lebendig wie möglich zu gestalten. Der Mensch mit seiner Lebensweise kann und soll aktiver Bestandteil regenerativer Systeme sein. Alle seine wirtschaftlichen Aktivitäten müssen neue Rohstoffe hervorbringen und die Kreisläufe sollen möglichst kurz sein. Daher steht im Zentrum regenerativer Entwürfe das Leben in und mit der Natur, und das Dorf ist dafür nach wie vor die gültigste Metapher. Der Kreislauf und die Naturbeziehung bestimmen wesentlich die Architektur, die Technologie und Produktion, die menschlichen Lebenspläne, Bedürfnisse und Werte, Rollen und Beziehungen, die Politik und die Kultur. Dabei spielt sowohl der Rückgriff auf altes und bewährtes Wissen, auf alte Muster und Traditionen eine Rolle, als auch das Neugestalten im Wissen um die vielen neuen Möglichkeiten unserer Zeit. Genau darum gehts hier in dieser Sendereihe und darum gings bei der re:build - wie Troubadour Jurgis von spontanen Stichworten im Zoom Chat improvisierte. ˧

-->Re: song 00:49 ˧

Das erste Mal dass ich so ein Feuerwerk von regenerativen Ideen für den ländlichen Raum in diesem Umfang erlebt habe war im Jahr 2009, als der Zukunftsdenker, Unternehmer und Pionier der "Tech for Good Bewegung" Thomas Ugo Ermacora ein kleines Vermögen dafür ausgab, hundert kreative Visionäre im Architekturlabor von Barcelona zusammenzubringen. Damals hieß das Event "CLEAR Village Lab" und die Teilnehmenden waren allesamt ausgewählte talentierte und professionelle Schrittmacher von Nachhaltigkeits- und Community-Design. Damals war es wohl das erste Mal dass sich eine breite Gemeinschaft Gedanken über die Entwicklung eines echten nachhaltigen Dorfes machte. Wobei wir in jeweils drei parallelen Gruppen drei verschiedene Herausforderungen im mediterranen Raum bearbeiteten was zu neun komplexen Etwurfsskizzen führte. Sicher gab es Vorläufer, aber noch nie war auf breiter Front und mit solcher Überzeugung der ländliche Raum als soziale, technologische, ökologische und kulturelle Gestaltungsaufgabe begriffen worden. ˧

Es kan aber damals so, wie es oft in solchen Transformationsprozessen passiert. Die erste Generation der Imago Zellen blieb erfolglos, die Hoffnung von Thomas dass sich aus der Investition eine Fülle von ländlichen Projekten ergeben würden erfüllte sich nicht. Die Aufträge blieben aus, die Kasse bedrohlich lehr. Stattdessen musste sich Clear Village städtischen Nachbarschaftsprojekten zuwenden. ˧

Freilich entstanden mit der Ausbreitung und Verfügbarkeit digitaler Infrastrukturen auch in ländlichen Räumen immer mehr vereinzelte Fälle von Sehnsuchtsorten, wo sich digitale Nomaden zu sammeln begannen, also Menschen, die ihre Arbeit von einem beliebigen Ort ausführen können, solange sie eine Internetverbindung haben. Sie nutzen Technologie, um mobil zu sein und arbeiten oft auf Distanz für Unternehmen oder sind ohnehin Selbstständige. In bestimmten ländlichen Räumen finden sie vieles was sie anzieht: entspanntere und naturnahe Lebensweise statt Stress und Hektik des Stadtlebens, niedrigere Lebenshaltungskosten und großzügige Gestaltungs- und Entfaltungsräume, lokale Gemeinschaft, heilende Naturbeziehung, die Einseitigkeit der sitzenden Kopfarbeit ausgleichende Herausforderungen für körperliche Betätigung und vieles mehr. Natürlich müssen ihnen die Räume auch einen Arbeitsplatz mit Unterstützung bieten, nicht nur schnelle Internetverbindungen sondern auch viele andere Einrichtungen. Es beginnt mit Coworking Spaces hört aber dort lange nicht auf. ˧

Die Pandemie hat aus diesen isolierten Anfängen ein Massenphänomen gemacht. 18,9 Millionen Amerikaner planen Berichten des Web Magazins Upwork zufolge einen Umzug aufgrund von Fernarbeit [1]. 4.9 Millionen der Erwerbstätigen sind seit 2020 wegen dieser Möglichkeit bereits umgezogen. Da es sich bei diesem Segment wahrscheinlich eher um die Qualifizierteren handelt, ist ein durchaus verständlicher Hype auch in strukturschwachen Ländern und Regionen ausgebrochen. Ab Juli 2022 haben mehr als 25 Länder Visaprogramme für "digitale Nomaden" eingeführt oder "Residenzprogramme" mit beachtlichen Erleichterungen bei Wohnungssuche und anderen essentiellen Notwendigkeiten eingeführt, um Fernarbeitskräfte in ihr Land zu locken. Vom "Summer of Pioneers" in deutschen Dörfern und Kleinstädten bis zum 1-Euro Haus und Willkommensprogrammen in Venedig und Florenz in Italien reicht die Palette; Aber auch Portugal, Brasilien, Malta, die Bahamas, Kroatien, Mexiko, Island und Costa Rica sind nur einige der Länder, die sich der Fernarbeitsmigration gegenüber aufgeschlossen zeigen. Argentinien bietet sogar ermäßigte Preise für Flüge, Unterkünfte und Co-Working-Spaces an. Die BBC berichtet, dass nicht nur junge Menschen sich diesem Angebot gegenüber offen zeigen, sondern dass ganze sogenannte digitale Nomadenfamilien ihr Leben einrichten wie früher nur die Diplomaten. [2] Auch wenn das natürlich eine Menge von Herausforderungen bedeutet, von schulischen bis zu kulturellen, und auch wenn nach der Pandemie viele Firmen wieder voll aufs Präsenzarbeitspedal treten, so zeigen viele Umfragen dass wer einmal von den Freiheiten des neuen Arbeitsstils gekostet hat diese schwer wieder aufgeben möchte.[3]. Natürlich ist es nicht einfach synchrone Meetings und Arbeitszeiten einzuhalten wenn man in verschiedenen Zeitzonen lebt, doch neue Tools ermöglichen mehr denn je asynchrone Kommunikation. Einem Bericht der Zeitschrift "wired" zufolge haben sich alleine bei einem einzigen Projekt auf Madeira namens "Digital Nomad Village" mindestens 8000 Menschen registriert, die meisten von ihnen selbständige Startups.[4] ˧

Vor diesem generellen Hintergrund ist es mehr als verständlich dass es tatsächlich den oben erwähnten generellen Trend raus aus dicht besiedelten städtischen Gebieten in Richtung Vorstädte, Kleinstädte und Dörfer gibt. Und natürlich auch in Destinationen die bislang dem gewöhnlichen Tourismus vorbehalten waren. Es ist nur logisch dass das wiederum ein Trend ist, auf den sich viele auch als Betätigungsfeld oder Unternehmensgegenstand stürzen wollen. In dem eben erwähnten wired-Bericht über Madeira ist zu lesen: "Nomaden, die als Coaches arbeiten, bieten regelmäßig Kreise und bezahlte Workshops für Atemarbeit, Körperarbeit, Schattenarbeit, Herzöffnung und Chakra-Meditation an ... Jede Woche kündigt ein neuer Flyer die DJ-Besetzung für den Purple Friday an, eine rauschende Party in einem Klippenhotel, das getrennte Einladungslisten für internationale und einheimische Gäste führt".[5] In einer gewissen Weise wiederholt sich hier so manche Entwicklung des Massentourismus, inklusive einer unausweichlichen Gentrifizierung. oder wie soll man es nennen wenn etwa in der Hauptstadt Lissabon 80% der Studenten keine Unterkunft mehr finden weil die dortige Mega-Szene alle bisher verfügbaren Häuser belegt. Und wenn die ehemalige Tourismusministerin Rita Marques zugibt, dass "wir Opfer unseres eigenen Erfolgs geworden sind, und das gilt für digitale Nomaden und auch für den Tourismus" [6] ˧

Das ist, wenn man so will, der Humus auf dem re:build einerseits wächst und wo die Konferenz und die Community andererseits radikal gegensteuern will. Auch wenn das heurige Event nicht ganz so stark besucht war wie das erste, bei dem es über 100 aufgezeichnete Einzelsessions und über 700 Teilnehmer gab, so ist doch eine gewisse Weiterentwicklung der Szene zu konstatieren, die sich in einem zum Teil veränderten Themenfokus widerspiegelt. Stand vor 2 Jahren die Vorstellung von einzelnen Orten und der Lebensstil der digitalen Nomaden im Mittelpunkt, so war dieses Mal ein weiterer zusätzlicher Fokus gesetzt worden. An die Stelle der Places traten gleichberechtigt die 4 Themen Purpose, People, Planet und Prosperity - quasi die 4 Tracks der Konferenz. Und die verstanden sich sozusagen antithetisch zu den Gefahren einer unkontrollierten Massenentwicklung eines marktgetriebenen Telearbeitstourismus; stattdessen solle am Beginn ein programmatischer Wertekanon stehen. ˧

4 Säulen

Unter "Purpose" heißt es unter anderem, dass es um die Wege gehe, um etwas Sinnvolles zu bewirken und positiven Einfluss zu nehmen. Besonderes Augenmerk solle darauf gelegt werden, dass die Entwicklungen keine Gruppen erzeugt, die gegen ihren Willen zurückgelassen, marginalisiert oder ausgegrenzt werden. Gegen isolierende und abkoppelnde Entwicklungen der gegenwärtigen Form zu wirtschaften solle ein tieferes Verständnis für die Verflechtung allen Lebens und die Bedeutung des kollektiven Handelns für eine regenerativere Welt geschaffen werden. ˧

Unter "Planet" geht es vor allem um "Placemaking", ein Begriff aus der angelsächsischen Debatte den man als "Kunst gute Orte zu schaffen" beschreiben kann. Der Begriff umfasst sowohl die Dimension der Architektur als auch der sozialräumlichen Partizipation und des subjektiven Erlebens, unlängst hat jemand die Definition von Placemaking als "die Kunst, aber auch die Notwendigkeit, einen Ort gleichzeitig als kulturelles, soziales, wirtschaftliches und ästhetisches Gefüge zu formen, das Menschen anhaltend und immer wieder aufs Neue anzieht und begeistert" vorgeschlagen.[7] Die re:build gibt diesen eigentlich urbanistischen Begriff eine dörfiche Wendung, indem sie von der zentralen Eigenschaft des Landes als lebensspendende Quelle ausgeht. Wir "machen" den Ort eigentlich nicht, wir ehren ihn, lesen ihn, pflegen ihn. Überall um uns ist fruchtbare Erde, auf die wir mit unseren räumlichen Gestaltungen antworten, regenerative Landwirtschaft paart sich mit urbaner Lebenskultur, Vielfachnutzung, Synergie. Es geht darum, beispielhafte Orte und Leuchttürme zu schaffen an denen dieses Zusammenwirken sichtbar wird. Dabei spielen die Prinzipien der Permakultur [8] eine zentrale Rolle: Beobachte die Natur und interagiere mit ihr, behandle sie nicht als Ding, sondern als Zusammenspiel von sich selbst erneuernden Energieträgern, die Dir eine reiche Ernte erlauben, stelle Selbstregulation über den menschlichen Eingriff, vermeide Abfall und schaffe Stoffkreisläufe, denke vom Gesamtsystem und handle im Einzelprozess, integriere statt abzugrenzen, setze auf kleine und langsame Lösungen, bewahre die Vielfalt und ehre den Rand, sei stets kreativ und reagiere auf Wandlungsprozesse. Diese Prinzipien sollen aber auch für das soziale Design gelten, eine Vielfalt von Orten der Aktivität und Regeneration zeichnet einen guten Dorfentwurf aus. ˧

Dann die dritte Säule der Konferenz, die "People", die Menschen. Auch hier ist wichtig dass jeder Ort eine Geschichte hat, Geschichten von Ahnen und indigene Weisheit mit sich bringt, die ganz wesentlich sind für die ganzheitliche und heilende Qualitätn derentwegen wir uns an genau diesem Ort zusammenfinden. Es ist förderlich auf das Zusammenspiel der Generationen zu achten, auf eine regenerative Qualität auch in unseren sozialen Beziehungen und Organisationsformen und Organisationskulturen.Was sind Spezifika, die regenerative Organisation von anderen unterscheiden? Welche Komponenten, Bewegungen und Ideen müssen integriert werden, um ein lebendiges und lebensspendendes Muster zu weben? Wie ist das Zusammenspiel von 'fern' und 'nahe', nicht nur im Bereich der Arbeit? Fernlernen ist ein weiterer Schlüssel zur Dorfbildung. Es müssen zum Beispiel Modelle geschaffen werden, bei dem lokale Waldschulen oder Lerngemeinschaften, in denen Kinder gemeinsam auf dem Land spielen und lernen, mit dem Online-Zugang zu globalen, kulturell vielfältigen Lehrkräften, Gleichaltrigen und Lernressourcen kombiniert werden können, wie Viktor Vorski, einer der Initiatoren erklärt: "Wir verfügen heute über die erforderlichen Instrumente, um der allgemeinen Besorgnis über die Abgeschlossenheit des Lebens in früheren Dorfmodellen zu begegnen und Dörfer des 21. Jahrhunderts zu schaffen, die lokal und global sind. Die Herausforderung des Zugangs zu qualitativ hochwertigen Gesundheitsdiensten in den Dörfern ist sozusagen das letzte Hindernis, das mit der Einführung von Ferndiagnosen und virtuellen Ordinationen beseitigt wird." [9] ˧

Die vierte Säule der Konferenz ist eine, mit der ich allerdings Probleme habe. Sie heißt Prosperität. Und hier geht es nicht nur um den fast selbstverständlichen Gedanken, dass ein regeneratives System Reichtum produziert. Auch nicht nur um den Gedanken dass Reichtum in stofflicher Form von einem Punkt zu einem anderen transferiert werden kann. Es geht um die verselbständigte Form des Reichtum als Wert und Geld, und hier gleich um eine wundersame Geldsammelmaschine namens DAO oder Dezentrale autonome Organisation. Wichtig ist, dieses Konzept nicht mit der selbstbestimmten bewussten Organisation von autarken Menschen jenseits von Staat und industrieller Megamaschine zu verwechseln. Also etwa mit der von Peter Wilson unter dem Pseudonym "Hakim Bey" proklamierte Temporäre Autonomer Zone aus dem gleichnamigen Buch von 1991, die durch ihren flexiblen flashmobartigen Charakter immer noch Widerstandsformen rund um die Welt inspiriert und die den langen Winterschlaf anarchistischer Theorie und Praxis beendet hat [10]. ˧

Das "autonom" in der DAO mit weichem D hingegen hat nichts zu tun mit Autarkie und Autonomie im geistesgeschichtl Sinne. Man könnte sogar sagen dass hier eine regelrechte Umdefinition oder Infiltration stattfindet: Bei der DAO handelt es sich eher um Autonomie einer hochgradig verdinglichten gesellschaftlichen Beziehung gegen jedwede unvorhergesehene menschliche Eingriffe im Sinn einer softwaregesteuerten, auf Werteinheiten und vordefinierten Regeln zu ihrer Verwendung, sogenannten Smart Contracts, basierenden Organisationsform, in die Geld investiert bzw. transferiert werden kann. In der Tat scheinen einige spektakuläre Beispiele zu belegen dass hier ein großes Potential für die leichte Attraktion ungeheurer Geldsummen schlummert. Die Assange-DAO generierte fast 56 Millionen Dollar, um die Befreiung des Wikileaks-Gründers Julian Assange zu unterstützen. Eine Constitution DAO wurde gegründet, um ein Exemplar der Verfassung der Vereinigten Staaten zu ersteigern und zu verwalten und sammelte zu diesem Zweck USD 47 Mio. in Ethereum ein. DAOS sind also wie Stiftungen, mit einem festgeschriebenen Verwendungszweck beziehungsweise Verfahren, das durch die Bockchain - also eine automatisiert dezentrale und jederzeit nachvollziehbare Speicherung von Information - eine Menge Bürokratie überflüssig zu machen scheint. Die Idee, regenerative Dörfer als DAOS in diesem Sinn über ein "regenerative Financing" zu organisieren, hat in der Tat einen wichtigen Teil der Konferenz ausgemacht, den ich aber hier bewusst ausklammern möchte. Ich bin kein Freund monetärer oder marktförmiger Organisation von Gesellschaft und stehe diesen Ideen sehr skeptisch gegenüber. Leider ist diese Sichtweise im Moment sehr dominant gerade unter jungen Menschen und es bleibt abzuwarten, wann die ersten Spekulationsblasen platzen und ob sich nicht hinter dem Rücken der Beteiligten neue und unvorhergesehene Strukturen von Macht, Einfluss und Missbrauch herausbilden, wofür es leider auch schon belastbare Beispiele gibt. ˧

Viele kleine Schritte

Stattdessen möchte ich von den vielen kleinen Schritten der Vernetzung und des Wachstums der Bewegung berichten, die auf er Konferenz zu spüren waren. ˧

Zwischen den beiden Konferenzen hatten vier physische Meetings stattgefunden, in Portugal, den Niederlanden und Costa Rica. Das kleine Netzwerk hatte sich vergrößert und Kontakte zu mindestens 50 Dörfern waren gegründet worden, rund um die Welt, in verschiedenen Entwicklungsstadien, von unterschiedlicher Größe und auch ganz unterschiedlich in der Art der Gestaltung, ihres inneren Aufbaues, ihrer Beziehungen nach außen und doch daran interessiert, die besten Wege für jede besondere Umgebung zu testen und zu teilen Eine Fülle von Ideen, wie dieses Netzwerk blühen und gedeihen konnte, entstand. Die Dimensionen dieses Blühens und Gedeihens sind im Gedanken gewachsen. Zitat: "Die Welt steht an der Schwelle eines großen Wandels, aber unsere Bemühungen sind noch zersplittert, wir sind gespalten. re:build verkörpert die Hoffnung, alle zusammenzubringen, die glauben, dass Regeneration die Zukunft ist, dass wir gemeinsam die Regenerationsbewegung aufbauen können, indem wir uns verbinden, austauschen und voneinander lernen. Die Gründer hoffen, dass die Bewegung zu unseren Lebzeiten auf über 1 Million regenerative Dörfer auf der ganzen Welt anwächst, die im Lauf ihrer Geschichte auf irgendeine Weise von unserer Arbeit inspiriert worden sind." ˧

Solche Sätze wärmen natürlich mein Herz, der ich seit mehr als 30 Jahren ähnliche Gedanken mit mir herumtrage. In der Tat ist ein starker Impuls der mich anzieht, die derzeitige Marginalität und Fragmentierung der neuen Dorfbewegung zu überwinden und ihre Wirkung, Ausstrahlung und Diversität durch Kooperation zu vervielfachen. Die Konferenz war auf einer Scoocs-Plattform angesiedelt, die jede Menge Tools für direkte Kommunikation, Kontaktaufnahme, spontane und geplante Videomeetings, virtuelle Breakouträume und mehr enthielt. Das ist mittlerweile State of the Art. Es geht nicht nur darum, Ideen auszutauschen und sich inspirieren zu lassen, sondern auch darum, Mitstreiter und Projekte zu finden, an denen man sich beteiligen kann, und Verbindungen zu knüpfen, die zu Co-Creation und langfristigen Beziehungen führen. Nicht nur Menschen, sondern auch Visionen sollen sich verbinden. ˧

--> Commonwealth ˧

Am Anfang stand die Bildung von Gruppen oder Gilden, die verschiedene Beiträge zur regenerativen Zukunft liefern. Technik. Bildung. Ökodesign. Gesundheit. Kunst. Gemeinschaftsbildung. Wirtschaft und so weiter. Die Teilnehmer wurden anhand dieser Stichworte eingeladen, ihre Kompetenzen, Zugansweisen und erzielte Wirkungen sichtbar zu machen, sich auch gleich virtuell zu Interessensgruppen zusammenzuschließen und einander so näher kennenzulernen. ˧

Ich ging bewusst zu den Technikern - und sofort entstanden nicht nur menschliche Kontakte, sondern auch gleich Bilder von Möglichkeiten der gemeinsamen Arbeit. Und ich erfuhr so viel Neues.Ich traf Bart Hoorweg, Mitbegründer von GaiaNet?, den ich schon von früher kannte und erfuhr, dass mittlerweile Liminal Village wo er seine basis hat gewachsen ist. Liminal Village ist ein Co-Living- und Co-Creation-Hub im Zentrum von Italien der sich der Verbindung von Technologie und Ökologie widmet. Inspiriert vom Konzept der ressourcenbasierten geldfreien Wirtschaft ist Liminal, was so viel bedeutet wie "ein Ort des Übergangs" oder "ein Ort, der beide Seiten zusammenbringt", ein Experimentierfeld, in dem wertorientierte Menschen zusammenkommen, um gemeinsam die Zukunft zu gestalten und zu erleben, die sie gerne sehen würden. 2021 haben sie eine alte Zementfabrik gekauft, beginnen mit dem 3D Druck von Lehmhäusern, Wassersammel- und Reinigungssystemen und Open Source Agrarroboter. Regelmäßig finden sogenannte "Hackalongs" statt, bezeichnenderweise signalisiert mit den Mondzyklen. Die Online Präsenz von Liminal Village ist eine, der man wirklich globale Integration ansieht. An jedem Detail ist zu sehen, dass es ein wirklich grenzüberschreitender Ort ist. Dann ist da Harald Neidhart, der drei Jahrzehnte in der digitalen Welt gearbeitet hat, ein Pionier der Internet Medien mit legendären Startups wie digital World und Pixelpark, immer an der Spitze der Innovation. Jetzt ist er dabei, ein kleines Ökodorf im Alentejo aufzubauen. Und viele andere sind da, sie bauen Wohnmobile und Solaranlagen und viele andere Dinge. Viel zu schnell ist die Breakoutsession vorbei. ˧

Dann gibts das erste Plenum, es spricht Angela Jakob Bermuda. Sie hat mit anderen Menschen 2018 in einer von unzähligen Burning Man Camp Gruppen "Future Horizon" gegründet. Sie wollten vom Spektakel zu greifbarer Wirkung auf die Zukunft fortschreiten, trafen einander während der Pandemie in der Dominikanischen Republik, begannen sich dort auch sozial zu engagieren. Im Zug ihrer Entwicklung entwickelten sie sich zu einer Bewegung die zwischen verschiedenen Beitragenden mit gleichen oder ähnlichen Zielen Verbindungen herstellt, statt jedesmal das Rad neu zu erfinden. Ganzheitliche Lösungen die skalierbar und übertragbar sind. In der Suche nach einem Ort, wo diese Lösungen sichtbar sind, hat diese Gruppe ein Landstück von 24 Quadratkilometern in Brasilien gefunden. Ähnlich wie die Burning Man Gruppe, die in Nevada über 15 Quadratkilometer, auf der sogenannten Fly Ranch, der praktischen Zukunftsforschung in Richtung nachhaltige Systeme für Lebensmittel und Lebensräume, Erde, Wasser und Luft, Energie und Stoffkreisläufe geschaffen hat. Der Unterschied ist, dass das Versuchsgelände eben auch ein permanenter Begegnungsort sein soll, sozusagen Burning Man und Fla Ranch in einem: ˧

---> Angela Regeneration Soundtrack ˧

Natürlich laden auch sie schon dieses Jahr zu einer ersten Zusammenkunft ein. Das Projekt war auch Projektionsfläche für die Kommunikation der Teilnehmenden in der nächsten Breakout Group. Kann ein wirklich umfassender Begegnungsort geschaffen werden für Menschen aus dem globalen Norden und dem globalen Süden? Wie kann aus einem Gelände das von den vorherigen Besitzern schlecht behandelt worden war, der Erosion und der Überflutung ausgesetzt, wie kann daraus ein Leuchtturm für Humusaufbau und lebendige Kreisläufe werden? Wie können verschiedene Gruppen zusammenarbeiten und sich voll einbezogen fühlen? Auch wenn das Briefing sehr abstrakt war, haben sich neben viele Fragen nach dem Wozu doch spontan viele Ideen ergeben, die die vielen verschiedenen Möglichkeiten und Träume sichtbar machen. Alleine die Größe des Landes war ein geistiger Katalysator. Es wurde wieder einmal klar dass ein wirkliches Zukunftslabor eine gewisse Mindestgröße haben muss, um die Komplexität und vielen positiven und vielversprechenden Interaktionen aufzunehmen - zum Beispiel die zwischen Kunst und Alltagsleben. ˧

Einen Kontrapunkt zu diesen Luftschlössern der Phantasie setze der zweite Keynotevortrag von Cynthia Tina aus ihrer idyllischen Gemeinschaft in Vermont. Kontrapunkt war das schlicht und einfach dadurch, dass sie zeigte was es schon alles gibt. Sie war lange Zeit führend in der Foundation of Intentional Communities tätig und hat in dieser Funktion über 100 existierende Gemeinschaften auf der ganzen Welt besucht und in ihren Besonderheiten und Unterschieden, Umgebungen, Geschichten und Kulturen kennengelernt. Eingangs stellt sie ihren persönlichen Zugang dar und das Spektrum das sie abdeckt: ˧

(Passage aus dem Vortrag) ˧

Ich bitte zu entschuldigen dass das Werkzeug mit dem ich das Computeraudio aufnehmen wollte, leider auch mein Getippe aufgenommen hat. ˧

(Der Schluss zu Cynthia Tina in freier Rede nach Notizen) ˧

Musikauswahl

https://freemusicarchive.org/music/Ketsa/equinox-rising/rebirth/ ˧





[1] Remote Workers on the Move Report: https://www.upwork.com/research/new-geography-of-remote-work

[2] https://www.bbc.com/worklife/article/20220615-the-rise-of-digital-nomad-families

[3] Zum Beispiel diese Umfrage von IBM: https://newsroom.ibm.com/2020-05-01-IBM-Study-COVID-19-Is-Significantly-Altering-U-S-Consumer-Behavior-and-Plans-Post-Crisis

[4] https://www.wired.com/story/digital-nomad-village-madeira-portugal/

[5] https://www.wired.com/story/digital-nomad-village-madeira-portugal/

[6] https://www.wired.com/story/digital-nomad-village-madeira-portugal/

[7] https://realacestudio.de/placemaking-als-erfolgreiches-geschaeftsmodell/

[8] vgl. etwa https://de.serlo.org/nachhaltigkeit/35139/die-zwölf-prinzipien-der-permakultur-nach-holmgren

[9] https://www.linkedin.com/pulse/rebuild-regenerative-renaissance-barbara-lima/

[10] https://www.splicetoday.com/politics-and-media/the-chaz-has-a-history