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Gehen wir aus der Erzählweise zurück in unser World Building: Ich habe vorhin von Hans Widmers Vision als einer möglicherweise überschematischen Darstellung gesprochen. Da ist zum Beispiel die Unterstellung, dass nur relativ kleine, überschaubare Gruppen egalitäre und kontrollierbare Strukturen haben können. Vor kurzer Zeit ist das Buch "Anfänge" von David Graueber und David Wengrow erschienen, die aus anthropologischer und archäologischer Sicht diese These in Frage stellen. In der Frühgeschichte finden sie mannigfache Beispiele offensichtlich herrschaftsarmer komplexer sozialer Zusammenhänge, während sie Belege dafür finden, dass die Jäger- und Sammlergesellschaft vor der Neolithischen Revolution durchaus auch in kleinen Gruppen extrem hierarchische Ausprägungen hervorgebracht haben. Wir sind allem Anschein nach nicht unbedingt auf das Bild der bolos als kleiner Einheiten beschränkt. Hans Widmer selbst beschreibt ja die Kulturen der bolos abseits des Vorurteils, sie müssten sich alle am egalitären Prinzip orientieren und altruistisch und moralisch fundiert sein. In seiner ironischen endloslangen Aufzählung der verschiedenen Arten von bolos kommen durchaus dubiose "Kulturentwürfe" wie Bier-bolo, Alko-bolo, Nekro-bolo, Sado-bolo etc. vor. In diesem Sinn ist es wohl weiser, auch hier agnostisch zu sein und lediglich festzuhalten, dass es jeweils autarke lokale Kulturen sind, die sich da manifestieren, nicht nur in welcher Ausprägung und Qualität, in welcher Größe auch immer. Menschenballungen müssen nicht notwendigerweise repressiv sein.
Gehen wir aus der Erzählweise zurück in unser World Building: Ich habe vorhin von Hans Widmers Vision als einer möglicherweise überschematischen Darstellung gesprochen. Da ist zum Beispiel die Unterstellung, dass nur relativ kleine, überschaubare Gruppen egalitäre und kontrollierbare Strukturen haben können. Vor kurzer Zeit ist das Buch "Anfänge" von David Graeber und David Wengrow erschienen, die aus anthropologischer und archäologischer Sicht diese These in Frage stellen. In der Frühgeschichte finden sie mannigfache Beispiele offensichtlich herrschaftsarmer komplexer sozialer Zusammenhänge, während sie Belege dafür finden, dass die Jäger- und Sammlergesellschaft vor der Neolithischen Revolution durchaus auch in kleinen Gruppen extrem hierarchische Ausprägungen hervorgebracht haben. Wir sind allem Anschein nach nicht unbedingt auf das Bild der bolos als kleiner Einheiten beschränkt. Hans Widmer selbst beschreibt ja die Kulturen der bolos abseits des Vorurteils, sie müssten sich alle am egalitären Prinzip orientieren und altruistisch und moralisch fundiert sein. In seiner ironischen endloslangen Aufzählung der verschiedenen Arten von bolos kommen durchaus dubiose "Kulturentwürfe" wie Bier-bolo, Alko-bolo, Nekro-bolo, Sado-bolo etc. vor. In diesem Sinn ist es wohl weiser, auch hier agnostisch zu sein und lediglich festzuhalten, dass es jeweils autarke lokale Kulturen sind, die sich da manifestieren, nicht nur in welcher Ausprägung und Qualität, in welcher Größe auch immer. Menschenballungen müssen nicht notwendigerweise repressiv sein.

/Recherchen ˧

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Hier ist wieder einmal Franz Nahrada mit der Weihnachssendung 2022 aus der Reihe Willkommen im Globalen Dorf, diesmal aus Wien. Mir geht es wieder besser, und ich hoffe dass das auch so bleibt! Ich möchte dort mit Euch weiterdenken, wo ich das letzte Mal aufgehört habe. Ich erinnere daran, dass wir auf der Suche nach einer utopischen Gesellschaftsform sind, die uns nicht äußerlich als durchgesetzte und praktisch nicht mehr in Frage zu stellende Tatsache gegenübertritt, wie es heute zweifellos der Fall ist, sondern die Ernst macht mit jenem seltsamen Versprechen der Neuzeit, dass nur das Bestand haben soll was sich vor dem denkenden und urteilenden Selbst als wohlbegründet erweist, als etwas was - wie Kant es ausdrückte - zur allgemeinen Maxime menschlichen Zusammenlebens werden könnte. Freiheit beginnt in diesem Versprechen erst da, wo die Menschen frei sind, zu tun und zu lassen, was sie für richtig halten, ohne in Abhängigkeiten zu stehen oder anderen Menschen oder zu glaubenden religiösen Dogmen unterworfen zu sein. Das wiederum setzt implizit die "gleiche Augenhöhe" voraus. Diese Intention radikaler Aufklärer des 18. Jahrhunderts wie Rousseau, menschliche Beziehungen auf die Basis von Freiheit und Gleichheit zu stellen, steht freilich in scharfem Gegensatz zur realen Entwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts. Die kritischen Theoretiker Horkheimer und Adorno konstatieren in ihrem Buch "Dialektik der Aufklärung", eine „rätselhafte Bereitschaft der technologisch erzogenen Massen“, sich dem Despotismus von totalitären Ideologien und Herrschaftsformen auszuliefern.[1] Haben die großen Gegenspieler von Rousseau recht, etwa Hobbes oder Macchiavelli, dass der Mensch auf ewig Herrschaft und Knechtschaft braucht? Damit müssen wir uns nolens volens beschäftigen, wenn unsere Utopie der globalen Dörfer mehr sein soll als Phantasie. ˧

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Ich habe in der letzten Sendung skizzenhaft gezeigt dass unsere derzeitige Gesellschaftsform notwendigerweise Freiheit und Gleichheit zu verhimmelten Werten und zugleich repressiven Prinzipien pervertieren muss. ˧

  • Die Ökonomie ist so beschaffen dass sie Ungleichheiten verstärkt und einen fundamentalen Unterschied schafft zwischen denen die ihr Eigentum in Geldform vermehren und denen die sich dafür nützlich zu machen haben. Die strukturelle Gewalt des universellen Zugriffes auf menschliche Lebenszeit und natürliche Ressourcen - die also keine Grenzen anerkennen will - gründet in der Schrankenlosigkeit des Geldwachstums als Gegenstand einer Konkurrenz nicht nur von Kapitalien, sondern auch und gerade von Staaten. Dafür hat die ganze Welt bereit zu stehen. Abkopplungen von dieser Megamaschine stoßen daher auch notwendigerweise auf Feindschaftserklärungen. ˧
  • Die Politik aka Demokratie gründet auf diesem Gegensatz, weil die angesprochenen Unterschiede gegensätzlichen Interessen hervorbringen und so einer externen Gewalt bedürfen, die die Verfolgung der konfliktbehafteten Interessen in eine allgemeine Freiheitsgarantie verwandelt, die in jedem Punkt die Einschränkung der Freiheit mitformuliert. Marktwirtschaft, die die Lebensbedingungen der Mehrheit der Menschen verschlechtert, wird darübr hinaus ergänzt durch Solidarsysteme - die einerseits am Funktionieren der Märkte ihre Grenze finden und andererseits selbst keineswegs freiwillig, sondern auf der Basis von Verpflichtung organisiert sind. "Verantwortung" - einst individuelle Kompetenz der Mündigkeit - verkehrt sich in ihrer Bedeutung von der Entscheidung des Einzelnen über ihr Handeln in die Erfüllung vorgegebener Regeln und Pflichten. Der Übergang ist unmerklich und schleichend. Schon Goethe hat bemerkt „Niemand ist mehr Sklave, als der sich für frei hält, ohne es zu sein.“ Neben diesem Paraxos der Freiheit gibt es auch das Paradox der Gleichheit. "Gleichheit" ist nicht mehr die tatsächliche gleiche Handlungsmöglichkeit und Verfügung über Ressourcen, sondern regrediert auf die formale Gleichheit oder Gleichbehandlung, die uns das Recht und der Rechtsstaat bieten. Und als solche ist sie wiederum Garant und notwendige Bedingung dafür, dass wir die soziale Ungleichheit ausleben dürfen oder müssen, die sich mit einer kapitalistischen Eigentums- und Wirtschaftsordnung naturgemäß verbindet. ˧
Noch viel schlimmer ist es allerdings um unsere Zukunft bestellt, wie sie heute in Denkfabriken entworfen wird.... wo mehr als eine Ahnung besteht, dass das bestehende System des Kapitalismus am Zusammenbrechen ist - diese Zukunft ist ausgerechnet bei den Eliten klarer als bei den gewöhnlichen Menschen, und dementsprechend wird sie auch vorbereitet, und das bedeutet auch dass sich Freiheit und Gleichheit zunehmend verabschieden. ˧

Wir erleben gegenwärtig eine Transformation von oben, die reflektiert dass das Geldsystem keine wirkliche Zukunft mehr hat und gegebenenfalls auf viel archaischere Systeme zurückgegriffenn werden muss um die bestehenden Privilegien zu erhalten. Wenn schon die Hälfte des ökonomischen Reichtums einem Prozent der Welt gehören, ist es rational für die Perspektive des Geldes, auch einen Anspruch auf diese und die andere Hälfte der Welt zu haben und endlich wie im Kasino abzuräumen ach dem Moto "Rien ne va plus" und "the Winner takes it all". Das Geldsystem mag am Ende sein, aber das richtig große Geld ist nach wie vor der geltende Anspruchstitel für alles und jedes. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern schlichte Logik. Wer kennt nicht das Zitat von Warren Buffet: „Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen“ [2] Höchst fahrlässig ist der, der die Drohung nicht heraushört: der gewonnene Klassenkrieg ist Motor und Augangspunkt einer Umgestaltung der Welt, gegen die der ganz normale Kapitalismus direkt gemütlich aussieht. Was bedeutet es denn wenn selbst der Papst feststellt, "dass die Pläne der Mächtigen der Erde leider nicht die gerechten Bestrebungen der Völker berücksichtigen" [3] ˧

Den Anfang haben wir schon längst erlebt durch die Ablösung der Konkurrenz in der Produktion durch die feudale Konkurrenz um die Kontrolle der Produktionsvoraussetzungen, das sogenannte geistige Eigentum inklusive Marke und Image. Die Produktion erledigen zunächst Myriaden von Zulieferern, abhängig von den proprietären Hard- und Softwaren, die in zunehemnd prekären Lebenssituationen um Krümel konkuririeren. Die Verfügung über die geistigen Güter, die Bezollung derer die sie für die Produktion brauchen, ist die eine Seite. Der Aufkauf aller Naturgrundlagen menschlichen Lebens ist die andere. Sogenannte Natural Assets Companies sollen das bisher freie Gut Umwelt in eine lukrative Anlagesphäre für das aufgeblähte und substanzlose Kapital verwandeln, nach dem Muster des Wassers sollen sämtliche Ökosystemleistungen privatisiert sprich kostenpflichtig werden. Dieses mehrfache Abkassieren setzt sich fort in die zunehmende Substitution der menschlichen Produzenten durch immer effizienter verkörperte artifizielle Intelligenz. Mittlerweile gehen viele Beobachter von der Antiquiertheit des Homo Sapiens aus, und es ist kein Zufall dass der Elitenhistoriker Noel Yuval Harari den Begriff des Homo Deus geprägt hat. Die Welt ist in dieser Sichtweise zunehmend voll von "nutzlosen Essern", denen kein Eigentum, sondern bestenfalls (!) ein Platz in einem Pferch voll Brot aka synthetischer Nahrung, Drogen und Spielen zusteht, während die verbliebenen "Leistungsträger" unter das Diktat der ständigen Perfektionierung durch Implantate und Prothesen gestellt werden. ˧

Unzählige Romane und Filme machen uns mit dieser dystopischen Zukunft vertraut, während eine andere Welt in der es sich zu leben lohnt gar nicht mehr oder nur am Rande in unserer kollektiven Phantasie vorkommt. Man fragt sich, ob diese drohende Zukunft nicht ernst genommen oder schon als unabwendbares Schicksal akzeptiert wird. Ob es für diese Umgestaltung von oben wirklich Zentralfiguren und einen Plan braucht wie einen Klaus Schwab mit seinem "Great Reset" ist der Logik der Sache nach eigentlich zweitrangig. Jedenfalls ist die Verlässlichkeit des "stummen Zwangs der ökonomischen Verhältnisse", wie das Marx formuliert hat, endgültig dahin - die Hoffnung auf ein Auskommen mit Lohnarbeit ist schon lange der pervertierten Logik der Automation zum Opfer gefallen, wie mit dem Verweis auf Norbert Wieners Prophezeiung von der Machtlosigkeit der Arbeit schon öfters erwähnt wurde. Doch was kommt dann?
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Es folgt logisch, dass unter diesen Umständen ganz prinzipiell außerökonomische Mechanismen der Kontrolle der Menschen angesagt sind. Diese existierten schon lange mitten in unserer Gesellschaft, werden aber mit großer Geschwindigkeit transformiert. Michel Foucault ist den nachgegangen und hat dafür den Ausdruck "Biopolitik" gebraucht - ich zitiere eine gute Zusammenfassung die ich im Netz fand, der Autor ist ein gewisser Martin Weiss. "Foucault zufolge ging es der Politik, bzw. dem Souverän, unabhängig davon, ob es sich um einen absolutistischen Herrscher oder eine demokratisch entscheidende Volksversammlung handelte, lange Zeit mehr um Dinge wie Landgewinn und die Organisation des öffentlichen Lebens, während die private Sphäre der Bürger und ihre biologischen Lebensfunktionen die Politik nicht interessierten. Im Laufe des 17. und vollends im 18. Jahrhundert beginnt sich der Staat dann plötzlich für das nackte Leben seiner Bürger zu interessieren. Staatliche Krankenhäuser und Irrenanstalten werden etabliert, Hygienevorschriften erlassen und die Fortpflanzung und Vermehrung der Staatsbürger zu einem primären Anliegen des Staates. Das Leben als solches wird zum Gegenstand und zur Ressource der Politik.
Der italienische Philosoph Giorgio Agamben (geb. 1942) geht davon aus, dass das nackte Leben immer schon den eigentlichen Gegenstand der Politik darstellte, denn Bürger eines Staates zu sein bedeutet, wie das bereits der Philosoph Thomas Hobbes (1588-1679) festgestellt hat, dem Souverän das Gewaltmonopol zuzugestehen und selbst auf jegliche Gewaltausübung zu verzichten. Das heißt aber auch, dass Staatsbürger zu sein bedeutet, dem Staat ausgeliefert zu sein, insofern der Souverän es ist, der die „Macht über Leben und Tod“ ausübt, wie es Foucault definiert. Dass ein wesentliches Merkmal der Politik in dieser Macht des Souveräns über das Leben seiner Bürger besteht, zeigt sich etwa in der Bestimmung der allgemeinen Wehrpflicht im Kriegsfall, der zumindest erwogenen Rechtfertigung von Folter oder der andiskutierten Möglichkeit, entführte Passagiermaschinen mitsamt der unschuldigen Passagiere abzuschießen, wenn damit „Schlimmeres“ verhütet werden könnte.
Und Weiss schließt mit folgenden Worten: "An all diesen Beispielen wird deutlich, dass der Staat, „gegründet um des Überlebens willen“ und „bestehend um des guten Lebens willen“, wie es schon bei Aristoteles heißt, immer auch eine dunkle Seite hat, denn die schützende Macht über das Leben beinhaltet immer auch die Erlaubnis zu töten. Freilich bleibt mit Agamben zu hoffen, dass es eine Alternative zu dieser auf der Idee der Souveränität gründenden Politik gibt. Wie dieses Gemeinwesen jenseits staatlicher Strukturen aussehen soll, bleibt allerdings ein Aspekt, den auch Agamben im Dunkeln belässt. " [4]. ˧

Soweit Martin Weiss, und natürlich soll es heute noch um dieses jenseits gehen. Aber zuvor müssen wir uns noch mehr auf das Diesseits einlassen. Zunächst sei an zwei bahnbrechende Studien aus dem letzten Jahrzehnt erinnert, ""Affluence and Influence" sprich Reichtum und "Reichtum und Einfluss" 2012 von der Orinceton University und "Systematisch verzerrte Entscheidungen" [5][6] einer Osnabrücker Forschungsgruppe 2017. Resultat: Die Ansichten der Armen und der Mittelschicht sind sowohl in Deutschland als auch in den USA völlig irrelevant für die tatsächliche Politik. Regierungen und Geldadel arbeiten Hand in Hand an der vorhin angesprochenen Umgestaltung der Welt. Digitalisierung und Biopolitik sind dabei zentrale Projekte. ˧

Es scheint, ob nun geplant oder nicht, dass die letzten Jahre uns einen unheimlichen Aufschwung der Biopolitik gebracht haben - sprich: dass sich die Medizin zum wahren Souverän oder vielmehr zur neuen Argumentationsgrundlage der Politik im permanenten Ausnahmezustand aufgeschwungen hat. Dabei entfaltet sie ihre Macht, wie Hans Martin Schönherr Mann von der Uni München in seinem demnächst erscheinenden Buch Buch "Die Lebenskünstlerin und ihr Herr" darstellt, durch eine apokalyptische Rhetorik und Methoden der Furchterzeugung, die gleich der Religion eine lange machiavellistische Tradition und eine höchst wirksame Durchschlagskraft hat. Nicht nur hat die Politik höchst diskussionsbedürftige Formeln wie "Gesundheit" und "Gefährder" als Universalrechtfertigungen widersprüchlicher und eben auch willkürlicher Maßnahmen in das alltägliche Vokabular im Sinn von verbindlichen Sprachregelungen eingeführt, sondern auch die zivilgesellschaftlichen Emanzipationsbewegungen scheinen ihre gesellschaftliche Wirkkraft an diesem Punkt verloren zu haben. Der Geist der Freiheit ist gerade dort, wo er immer zuhause war, nämlich auf der Seite der politischen Linken, weitgehend verschwunden, hier herrscht ein nahezu kindliches, eingelulltes Vertrauen in die bevormundende staatliche Fürsorge. In einer seltsamen Umstülpung wird Kritik - wenn überhaupt noch - hauptsächlich von rechter, traditionell autoritätsgläubiger Seite geübt. ˧

Dementsprechend geht es in der Politik auch längst nicht mehr um Visionen oder überprüfbare Ziele, sondern um die Bewahrung des Status quo angesichts einer Welt von Bedrohungen, Herausforderungen und Krisen. Nicht zufällig hat es der Begriff der Nachhaltigkeit zur universellen Leerformel gebracht, auch wenn er einen durchaus rationalen Ursprung hat. Und nicht zufällig ist es längst aus der Mode gekommen, Politik an geschädigten Interessen zu messen. Stattdessen ist der Erfolg, das Stehvermögen, das Image, das gelungene Marketing, die Glaubwürdigkeit und so fort dieses Politikers oder jener Politikerin zum Maßstab der öffentlichen Debatte und Betrachtung geworden. Die Grundwahrheit, dass sich die Lebensverhältnisse der Menschen grosso modo seit Jahrzehnten nicht mehr verbessert haben, dass der gesellschaftliche Reichtum und auch der Einfluss auf politische Entscheidungen grosso Modo einer sogenannten Elite gehört, regt kaum jemanden mehr auf. Ganz im Gegenteil: diese Elite darf nicht nur ihren Reichtum unverschämt zur Schau stellen, sondern auch ihre prinzipielle Menschenfreundlichkeit zu bezweifeln trägt einem in der öffentlichen Debatte Minuspunkte oder Schlimmeres ein. Dass ein ehemaliger Softwaremonopolist sich öffentlich zum globalen Gesundheitshüter aufschwingt, dass mit einem Mal ganz unter der Hand der menschliche Körper , lange Zeit die letzte Bastion der Autonomie, auf zellulären Niveau zur automatisierten Produktionsstätte von patentierten und proprietären Updates wird, die unser Immunsystem endgültig und fundamental enteignen, desorientieren und im Innersten von beständiger Verschlimmbesserung abhängig machen, ist wohl eines der charakteristischsten Kapitel der anbrechenden Zeitenwende. Nicht nur in der Dystopie werden wir wirklich Teil der Maschine wie die menschlichen Batterien im Film Matrix. ˧

Unter solchen Umständen kann auch eine veritable Fundamentalentscheidung für die endgültige Klarstellung der globalen Machtfragen durch einen durchaus und schon lange auch vom Westen gewollten Krieg ganz ohne Volksabstimmung durchgehen. Die sogenannte Zeitenwende drückt sich eben auch in massenhafter blinder Kriegsbegeisterung aus, und wo sie ausbleibt wird sie von den Politikern eingefordert. Die deutsche Außenministerin warnte in diesem Sinn vor Kriegsmüdigkeit. Aber auch dort, wo scheinbar harmlos von Grundwerten die Rede ist, sollte man genau hinschauen. Jenseits aller Interessen, ganz abstrahierend davon, soll es etwas geben zu dem sich alle bekennen - müssen. Etwas wofür man alles andere bis hin zum eigenen Leben zu geben hat. Was anderes soll das sein als das Ideal einer unhinterfragbaren staatlichen Gewalt der man sich verpflichtet wissen soll? Dafür dürfen "wir" schon mal im Winter frieren, durch Inflationierung von allem und jedem verarmt werden nach Strich und Faden, und uns um ukrainische Flüchtlinge kümmern, das sind nämlich die Guten. Und wer dazu nicht immer wieder ein Bekenntnis ablegt und sämtliches Böse beim erklärten Feind sieht, der als einziger den Krieg gewollt haben soll, der hat sich als Gefährder der einvernehmlichen Ordnung selbst ins Abseits gestellt. ˧

Kaum jemand kommt angesichts dieser schrecklichen Entwicklungen noch auf die Idee, staatliche Gewalt insgesamt in Frage zu stellen und sich zu überlegen wie das oben bei Agamben angedeutete "Gemeinwesen jenseits staatlicher Strukturen" aussehen könnte. Maximal bewegt auch noch gegen all diese Entwicklungen Protestierende die Schuldzuweisung an Personen. Nicht wenige Wutbürger fordern Rücktritte und Strafverfahren gegen die Verantwortlichen. Sie glauben wenn man die Verantwortlichen abwähle und durch andere ersetze, werde alles besser. Es müssten eben nur „die Richtigen“an der Macht sein. Gesucht wird der Erlöser, ob er nun Donald Trump heißt oder Giorgia Meloni oder auch Lula. Im Extremfall will man halt den ganzen Staat austauschen wie die Reichsbürger. Leider haben diejenigen, die sich vor all diesem Personenkult zurückziehen und in Deckung gehen, überschaubare Solidarsysteme aufbauen und lokale Netzwerke knüpfen, nur eine vage Vorstellung wie eine andere Welt jenseits von Herrschaft und Zwangsverpflichtung ausschauen könnte. Gut schaut es jedenfalls nicht aus auf der Welt. ˧

Also verlassen wir jetzt endgültig das Diesseits und Springen in eine andere Zukunft. Und noch ein Disclaimer weil das Anzweifeln staatlicher Strukturen heute schon anrüchig und justiziabel ist: ich persönlich akzeptiere, dass wir ein wie auch immer geartetes staatliches Konstrukt benötigen, um die innerhalb einer gegensätzlichen Gesellschaft wie der unseren notwendigen Spielregeln festzulegen. Doch von einer anderen Gesellschaft träumen wird man ja wohl noch dürfen oder ist das auch schon verboten? (#bis hierher 16500 Zeichen, also etwas mehr als die halbe Sendungszeit) ˧

Musik: ˧

https://freemusicarchive.org/music/Sergey_Cheremisinov/Dream/Sergey_Cheremisinov_-_Dream_-_06_Escape/ cc by nc ˧

Eine andere Zukunft

Sergej Cheresimov war das mit dem Stück "Escape" aus dem Album "Dream". Und damit leiten wir über zu unsere Zukunftstraum. ˧

Ich könnte so anfangen: Wir befinden uns in der Mitte des 22. Jahrhunderts. Die Erde ist nicht mehr aufgeteilt zwischen Staaten und Machtblöcken, es hat nach den Stürmen der Kriegs- und Klimakatastrophen eine dezentrale Revolution gegeben. Ganz so, wie im 21. Jahrhundert die Machtblöcke ihre Völkerschaften und Klientenstaaten um sich scharten, wie die Reichen und die Regierungen eine Allianz formten, entstand eine Koalition der Unwilligen, die zunächst einmal nur von der Ablehnung dessen, was Lewis Mumfort die Megamaschine genannt hatte, zusammengehalten wurde. Es sollte endlich Schluss gemacht werden mit 5000 Jahren der fortschreitenden Zentralisation von Macht und Herrschaft, des Wachstums der menschlichen Ameisenhaufen und der Heere der Überflüssigen, der Erpressung zum sogenannten Fortschritt. Es war eine buntscheckige und diverse Bewegung, die nicht denkbar wäre ohne den leidenschaftlichen Einsatz einer großen Gruppe von Vernetzern und Aktiven, die über Jahre und Jahrzehnte die Konturen eines planetaren Betriebssystems auf der Grundlage des wechselseitigen Respekts der Kulturen und der individuellen und kollektiven Autonomie erarbeitet hatten. Niemand hatte auch nur annähend einen Überblick über dieses Rhizom, das auch in Kreise der Mächtigen gewachsen war, und doch war durch die Arbeit von Versuch und Irrtum, durch die Transformation der Vision in glauhafte Beispiele, in Geschichten und Bilder und durch die gelungene Übersetzung in verschiedene heterogene Gedankenwelten das Gefühl entstanden und hatte sich ausgebreitet: ja, das könnte klappen. Die "Bewegung" reichte von noch in ihrer traditionellen Lebensweise verwurzelten Indigenen über alle möglichen Kulturen und Religionen bis hin in die dissidenten Subkulturen innerhalb der Machtblöcke selbst, vor allem die zentrifugalen und regionalen Strömungen. Das Internet war noch immer ein brauchbares Medium, das die Menschen trotz räumlicher und sprachlicher Distanzen zusammenbrachte und in all diese sozialen Räume hineinreichte. Was diese letztlich vereinte war sowohl das Gefühl der Bedohung ihrer traditionellen Lebensweisen als auch das Bewusstsein, dass zu ihrer Abwehr etwas Außerordentliches geschehen müsste, etwas grundsätzlich Neues, anderes. Einerseits hatte dieses Neue die Kraft für viele, ja eigentlich alle attraktiv zu sein, ganz ähnlich wie das Christentum zur Zeit des Rönischen Reiches trug die Revolution im Denken zugleich auch eine klare Botschaft mit sich: es kommt auf Dich an, Du bist wichtig! ˧

Und andererseits war die Idee jenes alternativen planetaren Betriebssystems in der Tat neu in dem Sinn, dass sie keinen für alle verbindlichen Gesellschaftsentwurf generieren wollte; Es sollte alles vermieden werden was den Menschen den einen richtigen Weg vorschreiben sollte, im Gegenteil: und es gab auch nicht den Versuch, alle Menschen in ihren Ansichten, Überzeugungen und Einstellungen auf den wahren Pfad der Tugend zu bringen. Die globale Vereinigung sollte nicht durch Uniformität stattfinden, sondern durch nicht nur tolerierte, sondern bewusst gewollte Andersartigkeit, Vielfalt und gegenseitige Unterstützung. Wie also ließe sich eine Welt einrichten, in der tatsächlich Freiheit und Gleichheit im Sinn der alten Aufklärer, als gleiche Befähigung aller zum Gestalten ihres Lebens, Geltung hat? ˧

Ein wichtiger Impuls war das Werk einem Schweizer Schriftstellers des 20. Jahrhunderts, der schon früh eine derartige Utopie versucht hatte, auch wenn diese selbst noch Züge einer überschematischen Lösung trug. Hans Widmer, der sich jahrzehntelang hinter dem Akronym "p.m." verbarg und der Inspirator der Bewegung Neustart Schweiz war, hatte schon 1983 eine Vision eines Planeten der Dörfer. Er führt in seiner utopischen Ethnographie "bolo'bolo" [7] eine Weltsprache mit einigen dutzend Wörtern ein, die zentrale Konzepte einer radikal dezentralen Weltgesellschaft widerspiegeln. Die Menschheit organisiert sich darin dezentralisiert in unzähligen kleinen, autonomen, kommunenartigen Gemeinschaften, sogenannten „bolos“ , die zwar auf mannigfaltige Weise miteinander vernetzt sind, jedoch ohne dabei einen Staat herauszubilden. Diese Assoziationen von 300-500 Menschen haben die kritische Größe, einen weitgehend autarken ganzen Haushalt mit Gebäuden, Werkstätten und Land zu bilden. Solche dezentralen Gemeinschaften bilden die gesellschaftliche Grundstruktur. Wichtig ist, dass sich das Prinzip der freien Kooperation von unten nach oben durchzieht. ˧

Vieles von dieser Utopie hat das globale Betriebssystem der Freiheit inspiriert, vor allem der Gedanke, dass ein gewisser Grad an Autarkie die Grundlage aller Autonomie ist. Die Autarkie kennt ihre eigenen Formen der Vergesellschaftung, wenn wir diesen soziologischen Terminus einmal benutzen wollen ohne "Gesellschaft" selbst zu ontologisieren, also zum eigenständigen Subjekt zu machen. Wichtig ist dass auch die Nichtkooperation eine reale Möglichkeit ist und bleibt, erst dann funktioniert Kooperation wirklich: hier sei Hans Widmer zitiert: ˧

"Die weitgehende Selbstversorgung bedeutet nicht unbedingt Isolation oder Selbstbeschränkung. Die Bolos können Tauschverträge (oder ähnliche Vereinbarungen) mit anderen Bolos abschließen und so eine größere Vielfalt an Lebensmitteln oder Dienstleistungen erhalten. Diese Zusammenarbeit ist bi- oder multilateral und wird nicht von einer zentralisierten Organisation geplant; sie ist völlig freiwillig. Das Bolo selbst kann den Grad seiner Autarkie oder Interdependenz je nach seiner kulturellen Identität wählen. ˧

Was aber wirklich interessant und wirksam war an Widmers Utopie ist nebem dieser Betonung der Autarkie - also damit auch des Rechtes sich sogenannten Fortschritten zu verweigern - diese Betonung der kulturellen Identität oder wie es in der Weltsprache heißt, des nima. Diese kulturelle Identität ist nicht das Resultat eines zufälligen Aushandelns, sondern sie existiert als Resonanzphänomen zwischen Menschen - und ist eher Grundlage als Resultat der Aushandelsprozesse. Wieder ein Zitat: ˧

"bolos entstehen nicht einfach aus irgendwelchen Nachbarschaften oder weil es praktisch ist. Das wirkliche Motiv, das die ibus (das ist der Ausdruck für Individuum oder Mensch) veranlasst, in bolos zusammenzuleben, ist ein gemeinsames nima. Bestimmte nimas kann das ibu nur dann voll ausleben, wenn es andere ibus findet, die das gleiche haben. In einem bolo verwirklichen, ergänzen und verändern die ibus ihr gemeinsames nima. Umgekehrt können ibus, deren nima keine gesellschaftlichen Formen zulässt (Einsiedler, Vagabunden, Misanthropen, lndividualanarchisten, Narren, Weise usw.) allein bleiben und in den «Zwischenräumen» der überall vorhandenen, aber nicht obligatorischen bolos leben. Das nima enthält eine Lebensauffassung, die Grundstimmung, Philosophie, Interessen, Kleidung, Ernährungsweise (Kochstil), Umgangsformen, Verhältnis zwischen den Geschlechtern, zu Kindern, Wohnräumen, Gegenständen, Farben, Tieren, Bäumen, Ritualen, Tagesablauf, Musik, Tanz, Mythologie, kurz all das, was man als «Tradition» oder «Kultur» bezeichnen könnte. Das nima definiert das Leben, so wie das ibu es sich konkret wünscht" (p.86) ˧

Das, was in unserem Zukunftstraum die Generationen immer mehr an Widmers Vision fasziniert hat, ist genau diese unbedingte Pluralität von kulturellen Manifestationen, zwischen denen Individuen wählen oder auch in mehr oder weniger geschützte Zwischenräume oder Niemandsländer abtauchen können. Das hatte viele zum Weiterdenken inspiriert, die Herausforderung einer extrem multipolaren Welt anzunehmen nachdem der Einigkeitswahn die Welt an den Rand des Abgrunds getrieben hatte. ˧

Gehen wir aus der Erzählweise zurück in unser World Building: Ich habe vorhin von Hans Widmers Vision als einer möglicherweise überschematischen Darstellung gesprochen. Da ist zum Beispiel die Unterstellung, dass nur relativ kleine, überschaubare Gruppen egalitäre und kontrollierbare Strukturen haben können. Vor kurzer Zeit ist das Buch "Anfänge" von David Graeber und David Wengrow erschienen, die aus anthropologischer und archäologischer Sicht diese These in Frage stellen. In der Frühgeschichte finden sie mannigfache Beispiele offensichtlich herrschaftsarmer komplexer sozialer Zusammenhänge, während sie Belege dafür finden, dass die Jäger- und Sammlergesellschaft vor der Neolithischen Revolution durchaus auch in kleinen Gruppen extrem hierarchische Ausprägungen hervorgebracht haben. Wir sind allem Anschein nach nicht unbedingt auf das Bild der bolos als kleiner Einheiten beschränkt. Hans Widmer selbst beschreibt ja die Kulturen der bolos abseits des Vorurteils, sie müssten sich alle am egalitären Prinzip orientieren und altruistisch und moralisch fundiert sein. In seiner ironischen endloslangen Aufzählung der verschiedenen Arten von bolos kommen durchaus dubiose "Kulturentwürfe" wie Bier-bolo, Alko-bolo, Nekro-bolo, Sado-bolo etc. vor. In diesem Sinn ist es wohl weiser, auch hier agnostisch zu sein und lediglich festzuhalten, dass es jeweils autarke lokale Kulturen sind, die sich da manifestieren, nicht nur in welcher Ausprägung und Qualität, in welcher Größe auch immer. Menschenballungen müssen nicht notwendigerweise repressiv sein. ˧

Die Utopie und die mit ihr entworfene Welt muss also offen bleiben für verschiedenste Manifestationen des Prinzips lokaler Autarkie, auch der menschliche Ameisenhaufen hat seinen Platz in dieser Welt und ihrem Ökosystem. Dennoch können wir folgende Charakteristika festhalten: ˧

  • Die Menschheit hat nach den absehbaren planetaren Katastrophen insgesamt aus ihren Fehlern gelernt und ist durch eine Phase der aktiven „Wiedergutmachung“ gegangen: Aufforstung, regenerative Land- ud Naturpflege und weitere globale Anstrengungen haben Gaia weitgehend stabilisiert und zu einem neuen globalen Bewusstsein beigetragen. ˧
  • Der Kapitalismus und sein neofeudaler Bastard sind in der Krise ebenso untergegangen wie ihre politischen Aganturen; die Menschheit in gewisser Weise aus der hypnotischen Fixierung einer nivellierenden und in letzter Konsequenz alle lebendigen Strukturen zerstörenden globalen Megamaschine erwacht. Die Maschine selbst wurde nicht einfach zerstört; die unglaublichen Errungenschaften von Jahrhunderten des Aushandelns, staatliche und überstaatliche Kompetenzen des Aushandelns und Kompromisse findens wurden in die neue Ordnung integriert. ˧
  • In der neuen Istzeit leben über 80% der Menschheit in relativ autarken Gemeinschaften, Dörfern und Kleinstädten, die auf verschiedensten Ebenen mehr oder weniger vernetzt agieren, in Regionen und darüber hinaus. Es gibt aber auch nach wie vor städtische Zentren, die freilich sehr viel stärker als Unterstützer dezentralen Lebens agieren müssen, wenn sie mit "außen" arbeiten. ˧
  • Energie- und Stoffkreisläufe sind im hohen Masse lokal und regional geschlossen und nachhaltig. Mit der Natur zusammen zu arbeiten wird allgemein als befriedigender und sinnvoller erlebt, als der Kampf gegen sie. Die Vollkommenheit und Leistungsfähigkeit auch der kleinsten Biosoziotope zur lokalen Problembewältigung steht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und des Erfindungsreichtums. Mobilität hingegen wird vom Zwang zum Vergügen und Abenteuer, das es einmal war. ˧
  • Mit der Megamaschine hat auch die atemlose Hetze und Beschleunigung ein Ende gefunden, die die Menschheit seit der Industrialisierung im Bann hielt. Echte Kreativität, Achtsamkeit und innere Entwicklung erhalten einen neuen Stellenwert. Der wahre Reichtum liegt im Wunder des Lebens, die unfassbare Vielfalt und Schönheit die darin verborgen liegt wird an vielen Orten auf viele Weise kultiviert. ˧
  • In ihre Selbstentfaltung befreite Gemeinschaften entwickeln eine Vielzahl an neuen lebendigen Strukturen und Kulturen und ermöglichen wiederum unzählige neue Entwicklungsmöglichkeiten für Individuen. Dabei transformieren sich oft virtuelle Communities in Kerne künftiger gelebter Kulturentwürfe, wobei die Rolle von Quellenpersonen wie letztens erwähnt ganz wichtig ist und bleibt. Ebenso sind indigene Kulturen wichtige Inspiration. ˧
  • Diese neue Welt steht auch philosophisch auf einem neuen Fundament. War die Ontologie der Megamaschine, die des vereinheitlichenden Systems, umkreist das Denken nun Begriffe wie: lebendige Strukturen, Freiheit, Vielfallt und Hermetik. Nicht mehr eine Lehre des „Seins“, sondern eine des „Werdens“ beherrscht das Bewusstsein. ˧
  • Die Pole „Lokal“ und „Global“ sind darin neu strukturiert. Global bedeutet nicht mehr, alles Lokale in einen umfassenden Horizont zu zwingen. Gerade weil alle lokalen Strukturen in ihre Selbstentwicklung entlassen sind, liegt der globale Konsens darin, jede Kultur nur von innen heraus und nicht von außen verstehen zu können. Übergreifend bleiben Werte wie: Menschlichkeit, Freiheit und Gerechtigkeit global gültig. Diese Begriffe können jedoch in jeder Kultur so verschieden konkretisiert sein, dass sie im Vergleich zwischen Kulturen wie Widersprüche wirken. Die Idee einer absolute Wahrheit wurde zugunsten vieler konkreter Wahrheiten aufgegeben. Das heißt aber nicht, dass es nicht verbindende und verbindliche Communities gibt die Dialog und Austausch zu ihrem Anliegen gemacht haben. ˧
  • Konkretion, ein Begriff der viel mit „hier" und „jetzt" zu tun hat, ist zu einem Schlüsselwort der neuen Zeit geworden. ˧
  • Technologisch hat sich die Welt nur bedingt weiter entwickelt. Treiber der technologischen Entwicklung, wie der industriell-militärische Komplex, sowie die großen Konzerne haben sich in den Wirren der Übergangszeit aufgelöst. Technik erhält in den neuen kleinräumigen Strukturen eine spielerische Note und eine menschliche Dimension. Das Interesse hat sich größtenteils in biologische Felder und in die Erforschung des Bewusstseins entwickelt. Freilich gibt es gerade deswegen auch ganz interessante Communities, die ihrerseits das Erbe der technologischen Zivilisation in neuer, nicht bösartigen Form hochhalten und kultivieren und so eine wichtige Funktion in dieser Welt erfüllen. ˧
  • Im Rahmen des Worldbuildings im Globe of Villages ist natürlich Raum für verblüffende Innovationen, die – wenn sie den Rahmen einer hermetischen Welt verlassen – in das Framework der globalen Erzählung eingearbeitet werden können. ˧
Ich habe gemeinsam mit Thomas Diener vor 2 Jahren begonnen, in obigem Sinn an einem solchen World - Building zu arbeiten, also an einem Universum in dem verschiedenste Geschichten und narrative Strukturen Platz haben. So wie es ein fantastisches Universum von Star Trek und Star Wars, ein dystopisches von Blade Runner und Matrix gibt, sollte es ein ermutigendes Universum "Globe of Villages" geben, an dem sich viele Menschen mit ihren Erzählungen beteiligen können, und helfen, diese mögliche und wünschenswerte Realität zu erforschen und zu durchdenken. Ein konkret -utopischer Weltentwurf, an dem sich viele beteiligen können und der für unterschiedlichen Menschen zu einem Attraktor werden kann. Der nicht die dystopischen Züge der Gegenwart in ihre erschreckenden Konsequenzen weiterdenkt sondern Appetit macht auf eine wünschenswerte Welt. ˧

Begonnen habe ich das Ganze mit einer Skizze für einen Entwicklungsroman, der von den Kämpfen und Zweifeln der Selbstfindung junger Menschen auf Lernreisen durch diese bunte Welt erzählt. Dem liegt die Idee eines in dieser Welt erfolgreichen kooperativen Projektes der Kommunen zugrunde, das junge Menschen auf Wanderschaft durch verschiedenen, zum Teil wunderliche hermetische Welten schickt. Ganz so wie die Amish Peaople ihre jungen Menschen zum "Rumspringen" aus ihrer hermetischen Welt rauswerfen, in die sündige böse Außenwelt, so gibt es das auch im Globe of Villages - allerdings in positiver Funktion. Es gilt, das Individuum nicht auf seine Herkunftskultur zu beschränken sondern in einer Phase der Entdeckungsreisen auch seine Hinkunfts- und Zukunftskultur finden zu lassen - ein Ritus, der sich auf systemischer Ebene als wirksames Mittel gegen Erstarrung und Unfruchtbarkeit herausgestellt hat. ˧

Aber neben dieser Geschichte, die ich noch gerne erzählen wollte, existieren ja unendlich viele andere. Die kann ich heute nicht mal mehr andeuten, aber es geht ja weiter ... vielleicht nicht das nächste Mal - aber bald, so das Universum nicht über meine Pläne lacht. ˧

Ich schließe die heutige Sendung mit einer Widmung: ein Bruder im Geiste, Heinz Göd aus Innsbruck, hat mit 2069 eine ganz ähnliche Utopie geschrieben. Ich möchte ihm hier für die konstante Unterstützung danken, die er der embryonalen Bewegung der Globalen Dörfer gibt. ˧

Outro

Ich verabschiede mich mit einem weiteren schönen Stück von Sergey Cheremisinov - wie immer Musik aus den Creative Commons! Guten Rutsch in ein hoffentlich besseres 2023. ˧

https://freemusicarchive.org/music/Sergey_Cheremisinov/Dream/Sergey_Cheremisinov_-_Dream_-_02_Moonlight/ ˧

Überschussmaterial

Dass sich diese Bewegung überhaupt gegen die Pläne der Eliten durchsetzen konnte, lag an vielen Faktoren: ˧

  • die größere Geschwindigkeit mit der Alternativen bekannt wurden und kommuniziert werden konnten ˧
  • die Arroganz und Selbstgerechtigkeit mit der das globale Machtkartell sich über jeden Widerstand hinweggesetzt hatte. ˧

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[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Dialektik_der_Aufklärung#Grundthese

[2] Quelle: https://beruhmte-zitate.de/zitate/126606-warren-buffett-es-herrscht-klassenkrieg-richtig-aber-es-ist-mei/

[3] am 25. Oktober 2022 beim Friedenstreffen der Religionen

[4] Martin Weiss, Was ist Biopolitik? https://www.philosophie.ch/2016-11-12-weiss abgerufen am 16.12.2022

[5] https://www.armuts-und-reichtumsbericht.de/SharedDocs/Downloads/Service/Studien/endbericht-systematisch-verzerrte-entscheidungen.html

[6] https://www.heise.de/tp/features/Westliche-Demokratie-ist-hohl-Reichtum-regiert-4009334.html?seite=all

[7] https://www.tuneful.at/elixier/media/bolobolo.pdf