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Willkommen im Globalen Dorf / 61 Die Neuen Dorfmitten |
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Hallo, Hier ist wieder Franz Nahrada mit der Sendung "Willkommen im Globalen Dorf", Ausgabe 61 vom 26. Mai 2025. Unsere Sendereihe widmet sich ja insgesamt den aufregenden aber auch mühsamen und komplexen Perspektiven eines Aufstiegs des ländlichen Raumes zum gleichwertigen Lebensraum in einer neuen, zukünftigen Epoche - nach der gegenwärtigen Ära, die von der noch immer sich verstärkenden und zuspitzenden Dominanz der Städte geprägt ist. ˧ Wir erleben derzeit eine immer wahnsinniger anmutende Beschleunigung der gesellschaftlichen Entwicklung: Zeichen des Verfalls der städtisch-industriellen Epoche, des Nationalstaatsmodells, des globalisierten Kapitalismus mehren sich. Aber nur sehr wenige Menschen erfassen bislang, wohin die Reise wirklich gehen könnte – oder sogar müsste. ˧ In dieser Sendung schauen wir daher ganz bewusst auf Orte, die heute noch an der Peripherie liegen – aber schon morgen im Zentrum einer neuen Lebensweise stehen könnten. Auf ländliche Gemeinden, die nicht in der Vergangenheit stecken bleiben wollen, sondern den Wandel aktiv gestalten. Die erkannt haben, welche Muster sich zu einem lebendigen Gesamtbild zusammenfügen lassen. Die die Herausforderung annehmen, den Menschen in neuen Formen all das anzubieten, weswegen sie bislang mehr oder weniger gezwungenermaßen das Leben in den Städten wählen mussten. ˧ Dieser Weg ist wie gesagt nicht einfach, er geht sich nicht von selbst. Aber wir sehen schon was sich bewährt, was sich wiederholt, was in immer neuen Formen wiederkehrt. ˧ Ein wichtiges Muster, dem wir uns heute schwerpunktmäßig widmen, und das in dieser Sendung auch immer wieder angesprochen wurde, sind neue Dorfmitten - Orte, an denen sich Menschen aus der Nähe begegnen, die belebt sind durch mannigfache Aktivitäten, die wiederum andere Aktivitäten hervorbringen und fördern. Dieses Muster breitet sich rasend schnell aus, unter vielen Namen, und einer dieser Namen ist "kooperative Multifunktionshäuser". Dieser Name klingt zunächst einmal sperrig und technisch – ist aber ein spannender Ansatz für eine neue Art des gemeinsamen Lebens, Arbeitens und Versorgens vor Ort. ˧ (Musik Fadeout) ˧
Unmittelbarer Anlass für die heutige Sendung war eine Exkursion, die das Landwirtschaftsministerium ausgeschrieben hat und die dann von unseren Freunden vom Architekturbüro Nonconform durchgeführt wurde. Ich hätte eigentlich an dieser Exkursion, schon der zweiten ihrer Art, vom 9. bis 11. Mai teilnehmen sollen, alles war vorbereitet und dann hab ich mich leider verletzt und musste in Wien bleiben . Aber glücklicherweise waren zwei Menschen mit denen ich immer wieder zusammenarbeite dabei, und ich kann hier ihre Eindrücke auch aufnehmen. ˧ Wie ernst es dem Ministerium mit dem Thema war ist sieht man auch daran dass vor der Exkursion auch ein über 70 Seiten starker Leitfaden entstanden war, an dem 4 renommierte Regionalentwickler mitgeschrieben haben. Und ein über 100 Seiten starkes Papier mit 15 starken Beispielen, das von Autorinnen einer oberösterreichischen Gruppe für Stadt. und Regionalmarketing verfasst wurde. ˧ Warum beschäftigt sich eigentlich ausgerechnet das Landwirtschaftsministerium mit so etwas wie Begegnungshäusern, Nahversorgung oder Co-Working auf dem Land? ˧ Die Antwort ist einfach – und tiefgründig zugleich: Weil es um nicht weniger als die Zukunft unserer ländlichen Räume geht. Denn das Landwirtschaftsministerium ist nicht nur für Felder, Wälder und Viehzucht zuständig. Es trägt Verantwortung für das Leben im ländlichen Raum insgesamt – und dieses Leben steht unter enormem Druck. ˧ Immer mehr Menschen wandern in die Städte ab. Dienstleistungen verschwinden. Ortskerne veröden. Und genau in diesem Moment stellt sich die Frage: Wie kann ländliches Leben nicht nur erhalten, sondern neu erfunden werden? ˧ Das Ministerium hat erkannt, dass es hier nicht mit Förderungen für Einzelmaßnahmen getan ist. Stattdessen braucht es Modelle, die ganzheitlich denken – die räumlich, sozial, ökonomisch und kulturell neue Wege gehen. Wie wir schon oft in dieser Sendung betont haben: das Leben am Land ist komplett unterschiedlich von den Städten. Es gibt eben gerade keine Vielzahl von allen möglichen Dienstleistern, an die man Aspekte der Daseinsvorsorge auslagern kann. Im Wesentlichen hängt es sehr stark von den wenigen Menschen vor Ort ab, bis zu welchem Grad und in welcher Intensität die hier schon oft beschriebene Aufgabe erfüllt werden kann, mit den Städten gleichwertige Standards zu schaffen. Standards, in denen sich gestiegen und veränderte Bedürfnisse nach Hilfe und Unterstützung in allen Lebenslagen reflektieren. ˧ Natürlich gibt es absolute Prioritäten, etwa die freiwilligen Feuerwehren, wo es in Österreich und auch in Deutschland ein weltweit nahezu einzigartiges System der Organisation und Mobilisation ehrenamtlicher Kräfte im Bereich der Daseinsvorsorge gibt.Es ernmöglicht einen hohen flächendeckenden Schutz, ist jederzeit einsatzbereit und dezentral organisiert, kosteneffizient für die öffentliche Hand und sorgt für breites bürgerschaftliches Engagement und gesellschaftliche Integration. In anderen Ländern ist die Quote von Freiwilligen im Brand- und Katastroophenschutz wesentlich geringer oder sogar vernachlässigenswert, was sich dann eben auch in den Standards ausdrückt. ˧ Dies ist aber nur die Spitze eines breiteren Systems der Daseinsvorsorge, das sich von sozialen Diensten wie Betreuung und Versorgung von Alten, Bedürftigen und Kranken samt Rettungsdiensten über Bildungs- und Betreuungsaufgaben im außerschulischen Bereich wie Kindergärten, Büchereien bis hin den Bereichen Sport, Kultur und Brauchtum zieht. ˧ Aber alle diese klassischen "Elementarfunktionen" leiden zunehmend unter Mitgliederschwund. Das Leben vieler Menschen die in Dörfern Leben spielt sich oft gar nicht mehr vor Ort ab, sie müssen pendeln und Einkommensmöglichkeiten die weit enfernt sind wahrnehmen. Dadurch zeigt sich generell die zunehmende Schwierigkeit, ausreichend Freiwillige für zentrale Aufgaben zu vor Ort gewinnen. ˧ Als wäre das nicht schon Herausforderung genug, ziehen sich auch die noch vorhandenen markt- und staatsförmigen Strukturen aus wirtschaftlichen Gründen oder wegen Personalmangels vor allem aus kleinen Gemeinden zurück. Beispiele sind das Schließen von Postämtern, Nahversorgern oder Gasthäusern. Die Verantwortung für bestimmte Leistungen verschiebt sich dadurch zunehmend von öffentlichen Stellen oder dem Markt auf Familien, private Haushalte und Nonprofit-Organisationen. Die Alterung der Bevölkerung verstärkt diese Problematik: In vielen Gemeinden wird ein Drittel der Bevölkerung in naher Zukunft über 65 Jahre alt sein. Gleichzeitig schrumpft wie gesagt die Gruppe der Erwerbstätigen und potenziellen Freiwilligen, was das ehrenamtliche Engagement weiter erschwert. ˧
Wir haben bis jetzt aber nur den Sektor der klassischen Daseinsvorsorge angeschaut.Aber es gibt auch jene Funktionen, die eher auf zukünftige Entwicklungen als auf die dringendsten tagtäglichen Bedürfnisse abzielen. Dabei geht es um Aufbau von Kapazitäten aller Art, um höhere Bildung, um kreative Entfaltung von jungen aber auch von älteren Menschen, um Partizipation Der Rückgang der Freiwilligen gefährdet also die Aufrechterhaltung vieler Angebote in ländlichen Räumen und scheint neue Angebote, die aber immer mehr verlangt werden, zu verunmöglichen. ˧ Deswegen braucht es neue, oft kooperative und innovative Lösungsansätze. Wir haben in unserer Sendereihe schon über "Landstädte" gesprochen, was nichts anderes bedeutet als interkommunale Zusammenarbeit, bei der mehrere Gemeinden gemeinsam Angebote organisieren; wir haben von der Notwendigkeit gesprochen aktiv Menschen zu gewinnen aus Gruppen die bisher am Rand der ländlichen sozialen Netze standen, etwa die Zuzügler. Oder eben auch die älteren Menschen deren Kompetenzen oft übersehen werden. Wir haben am Beispiel DorfUni und verwandten Feldern über das ungeheure Potential der digitalen Lösungen gesprochen, Distanzen zu überwinden und neue Angebote zu etablieren und bestehende zu effektivieren; wir haben auch über die Professionalisierung von Kerntätigkeiten im Freiwilligenbereich gesprochen, um die Last von der reinen Freiwilligenarbeit zu nehmen. ˧ Aber es kommt auch darauf an, neue Räume zu schaffen, in denen sich diese Funktionen und Potentiale entwickeln und beheimaten können. ˧ Wobei neue Räume auch heißen kann: radikale Umwidmung von Dingen, die nicht mehr so funktionieren wie tradionell überliefert.... Die Idee ist also: Man nimmt ein leerstehendes Gebäude – oft das alte Gasthaus, das Postamt, den Kaufmannsladen – und macht daraus einen Ort für alles, was dem Gemeindeleben dient: Lebensmittelversorgung, Café, Arztpraxis, Bibliothek, Veranstaltungsraum, Werkstatt, Coworking, Kinderbetreuung – unter einem Dach! ˧
Das Besondere ist dabei nicht nur die Vielfalt der Funktionen. Es ist die Kooperation Was wir hier sehen, ist mehr als Dorfentwicklung. Es ist ein neuer Gesellschaftsentwurf im Kleinen. ˧ Ein solches kooperatives Multifunktionshaus ist ein Mikrokosmos, in dem sich das aufbaut, was unsere Gesellschaft zunehmend verloren hat: soziale Nähe, funktionale Dichte, lokale Selbstorganisation und Resilienz. ˧ Es bringt Menschen zusammen, die sonst keine Berührungspunkte mehr haben. Es macht aus Konsum wieder Begegnung. Und es schafft eine Infrastruktur, auf der sich neue Formen des Wirtschaftens, des Lernens und des Zusammenlebens entwickeln können – angepasst an die konkreten Bedürfnisse vor Ort. ˧ In einer Zeit, in der die großen Systeme ins Wanken geraten, zeigen diese Häuser, wie Zukunft von unten, gemeinsam und lokal gebaut werden kann. Sie bündeln viele Angebote, von denen jedes für sich zu schwach wäre, um eine eigene Struktur zu tragen. Sie schaffen Synergien zwischen verschiedenen Angeboten, erlauben es die kostbaren menschlichen Ressourcen aber auch die Infrastruktur gemeinsam zu nutzen, gegebenenfalls auch einander an kritischen Punkten zu ergänzen. Sie schaffen wie weiland das Gasthaus oder der Greissler einen konstanten und nachhaltigen sozialen Raum der Begegnung, in dem sozialer Zusammenhalt und Gemeinschaftsgefühl wachsen können. Dieser Raum muss niederschwellige Teilhabe ermöglichen, zentral gelegen und offen gestaltet sein, um den Zugang zu wichtigen Dienstleistungen, insbesondere für ältere Menschen oder Menschen ohne Mobilität zu ermöglichen. Im Idealfall entsteht er nicht "von oben", sondern wird schon im Planungsstadium unter starker Einbindung der Bevölkerung konzipiert, aber dann auch realisiert und ständig erweitert und umgestaltet, um die Identifikation mit dem Ort so stark wie möglich zu halten. ˧
Wer jetzt denkt, bei den kooperativen Multifunktionshäusern handle es sich um ein fertiges Modell, das man einfach von Ort zu Ort kopieren kann – der irrt. Denn was diese Projekte auszeichnet, ist gerade ihre kontextsensitive Entwicklung: ˧ Jedes dieser Häuser ist ein Unikat, ein Spiegel der jeweiligen Gemeinde, ihrer Geschichte, ihrer Herausforderungen und – vor allem – ihrer Menschen. ˧
Ich war ja selbst an einer der ersten Entwicklungen in dieser Hinsicht beteiligt, dem Haus KB 5 in Kirchbach in der Südoststeiermark. Lange bevor das Muster öffentlich wahrgenommen und anerkannt wurde, war dieses Haus ein wegweisendes Pilotprojekt für neue Dorfmitten und multifunktionale Bildungszentren im ländlichen Raum. Entstanden aus dem Engagement einer Gruppe unternehmerischer Rückkehrer und engagierter Dorfbewohner, die mich - damals noch im fernen Wien - als Impulsgeber aufnahmen, wurde KB5 ab den frühen 2000er-Jahren zu einem innovativen Ort für Bildung, Begegnung und gesellschaftlichen Austausch. Die Initiatoren wollten mehr als nur einen Veranstaltungsraum schaffen: das KB5 sollte ein lebendiges Zentrum sein, in dem Bildung, Kultur, Kulinarik und Gemeinschaft auf einzigartige Weise verschmelzen. KB stand so nicht nur für die Hausnummer, denn die war tatsächlich Kirchbach 5, sondern eben für Kultur und Bildung oder Kulinarik und Business. Es war ein schon lange nicht mehr für den ursprünglichen zweck genutztes und herabgekommenes altes Gerichtsgebäude, das die 5 jungen Unternehmer mit einem Millionenkredit sanierten - wofür sie außer für den Aufzug keinerlei öffentliche Förderung erhielten. ˧ Das Besondere am Haus KB5 war die Vielschichtigkeit seiner Nutzung. Es diente als Plattform für EU-Projekte, Kooperationen mit Universitäten, Ort der Erwachsenenbildung, von EDV-Kursen für Senior:innen, von internationale Videokonferenzen und kulturelle Veranstaltungen wie Lesungen, Diskussionsrunden oder verteilten Veranstaltungen wie die "Tage der Utopoie" oder die „Lange Nacht der Sprachen“. Die „Montagsakademie“ der Universität Graz wurde regelmäßig live übertragen und ermöglichte den Dorfbewohnern den direkten Austausch mit universitären Vortragenden. Auch innovative Bildungsformate wie modulare Lernangebote und thematische Workshops wurden erprobt, stets mit dem Ziel, Theorie und Praxis, Wissenschaft und Alltagswissen zu verbinden. ˧ KB5 war nicht nur Bildungsstätte, nicht nur Bürogebäude mit verschiedensten Dienstleistern wie Versicherung, Steuerberatung, Internet Provider, Graphiker und vieles mehr im zweiten Stock und im Parterre, sondern vor allem auch ein sozialer Treffpunkt: Während in Dachgeschoß Gäste von auswärts untergebracht werden konnten, im ersten Stock die Bildung und das Coworking beheimatet war wurden aus den Bildungsveranstaltungen regelmäßig gesellschaftliche Ereignisse, bei denen Menschen aller Generationen und Hintergründe zusammenkamen – mit Brötchen, Bier und Wein im aufwändig restarierten und klimatisierten Keller. Die persönliche Atmosphäre und der Mut, neue Wege zu gehen, machten KB5 zu einem Vorbild für andere Regionen. Trotz des späteren Endes aufgrund der gewaltigen auf ganz wenigen Schultern drückenden Schuldenlast blieb das Projekt ein Impulsgeber: Es zeigte, wie mit Kreativität, Bürgerbeteiligung und Offenheit für Neues die Lebensqualität und die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum nachhaltig gestärkt werden konnte. ˧ Das Pilotprojekt KB5 in Kirchbach steht aber auch exemplarisch für die Ambivalenz, mit der Pioniere und Social Entrepreneurs im ländlichen Raum häufig konfrontiert sind. Ihre Rolle ist geprägt von Innovationsgeist, Idealismus und dem Mut, neue Wege zu gehen – doch gerade darin liegt auch eine gewisse Tragik. ˧ Pioniere wie die Initiatoren des KB5 sind oft Einzelkämpfer, die gegen bestehende Strukturen, Skepsis und manchmal auch offenen Widerstand ankämpfen müssen. Die Geschichte von KB5 zeigt, dass der Wegbereiter oft „einen Kopf kürzer gemacht“ wird – eine Metapher dafür, dass Pioniere selten breite Unterstützung erfahren und häufig mit Ablehnung oder Gleichgültigkeit ringen müssen. Die gesellschaftliche Anerkennung bleibt oft aus, solange der Erfolg nicht offensichtlich ist. ˧ Die Akteure von KB5 mussten nicht nur infrastrukturelle Herausforderungen wie die Renovierung des Gebäudes überwinden, sondern auch mentale und emotionale Barrieren: Die Integration neuer Ideen in eine ländliche Umgebung, die Abwanderung junger Menschen, der Verlust an Know-how und die geringe Verteilung höherer Bildungsabschlüsse erschweren nachhaltige Entwicklung. Trotz ihres Engagements stoßen Social Entrepreneurs immer wieder an Grenzen – sei es durch fehlende Ressourcen, mangelnde politische Unterstützung oder die Überforderung durch zu viele Aufgaben. Unser Freund David Wortley aus England hat dafür ein Sprachdenkmal geschaffen: "Social Entrepreneur - you asked for it!" ˧ Diese Tragik zeigt sich auch darin, dass die Pioniere oft zu viel auf einmal schultern müssen: Sie sind Ideengeber, Organisatoren, Netzwerker und Motivatoren in Personalunion. Natürlich war es schön, dass da regelmäßig so viele Menschen kamen - doch blieb selbst die Vorbereitungs- und Reinigungsarbeit bei den Beteiligten hängen, summierten sich tausende unbezahlte Stunden, häuften sich die persönlichen Konflikte um die Lastenverteilung. Häufig bleibt die langfristige Verstetigung der Projekte aus, wenn die Initiatoren ermüden oder sich zurückziehen. Die Innovationskraft einzelner reicht nicht aus, um strukturelle Defizite dauerhaft zu kompensieren – es fehlte zumindest damals an breiter gesellschaftlicher und institutioneller Verankerung. Die Tragik der Pioniere und Social Entrepreneurs wie bei KB5 liegt darin, dass sie mit großem Einsatz und Kreativität neue Wege eröffnen, aber oft an mangelnder Unterstützung, Überforderung und strukturellen Widerständen scheitern oder sich aufreiben. Ihr Beitrag bleibt dennoch unverzichtbar, denn sie sind die Wegbereiter für Veränderungen, auch wenn sie selbst selten die Früchte ihrer Arbeit ernten. Wenn einmal die Bresche durch den Dschungel geschlagen ist, hat die Idee plötzlich viele Väter und Mütter. ˧
Wer heute, mehr als zwanzig Jahre nach der Eröffnung des KB5, sich die Landschaft der Projekte ansieht, ist mittlerweile fast erschlagen von der Vielzahl und auch Vielfalt. Ich erinnere daran, dass es kein allgemeingültiges Modell gibt, sondern zuallermeist einen Hauptfokus, um den sich dann aber oft neue und andere Funktionen gruppieren. ˧ Neben dem schon erwähnten 15 Beispiele Papier aus dem Bereich des Landwirtschaftsministeriums fand ich besonders die Broschüre über "Regionale Co-Modelle" aus der Reihe der Trendreports der oberösterreichischen Landesakademie vom Juli 2024 spannend. Dort wurden gleich 160 Beispiele gesammelt und in neun Kategorien eingeteilt, die sich teilweise sehr stark mit dem Thema Multifunktionhaus überschneiden. Das hab ich mir genauer angeschaut. ˧
Die erste Funktion die sich immer wieder zeigt ist die kooperative Nahversorgung. Oft ist der Ausgangspunkt dass der letzte Nahversorger schließt und in Form eines Vereins oder einer Genossenschaft eine Versorgungseinrichtung mit Laden, Café oder regionaler Vermarktung entsteht. gerade hier sind die Beispiele Legion. ˧ Beginnen wir in Thal, einem kleinen Ortsteil von Sulzberg in Vorarlberg. Dort steht ein stattliches altes Gasthaus – die „Krone“. Früher Zentrum des Dorflebens, war es lange geschlossen. Heute ist es ein Multifunktionshaus. In der Krone bekommt man wieder frische Lebensmittel, einen warmen Mittagsteller, und ein Gespräch an der Theke. Es gibt einen Veranstaltungsraum, einen Proberaum für die Musikkapelle, einen Jugendraum. Getragen von einem Verein, getragen von den Menschen vor Ort. Die Krone ist nicht nur ein Laden – sie ist wieder Herzschlag und Wohnzimmer der Gemeinde geworden. ˧ Oder das LENZ in Gaflenz in Oberösterreich. Lebensmittelnahversorger, Einkaufslieferdienst, Café, Poststelle und Trafik in einem. Besonders ist die Verbindung mit dem Gaflenzer Freibad – Kassa und Badbuffet werden über das Lenz bedient. Hinter dem Projekt steht die neu gegründete Bürgergenossenschaft GenialRegionalGaflenztal?, mit aktuell etwas über 230 Mitgliedern. Die MitarbeiterInnen sind über die Genossenschaft angestellt. Durch das Hybridsystem ist auch Einkaufen mit Selbstbedienung außerhalb der regulären Öffnungszeiten möglich. ˧ Ein ähnliches Projekt wurde auch als letztes Projekt bei der Exkursion besucht, das Stefansplatzerl in St. Stefan Afiesl. Sollte es möglich sein sein werden wir in einer der nächsten Sendungen darüber berichten. ˧
Einige Häuser bieten Raum für Bürgerservices, Informationsstellen oder Beteiligungsprozesse. Entweder können BürgerInnen Räume im Gemeindebereich mitnutzen oder umgekehrt: ziehen Gemeindeeinrichtungen näher zu den neuen gesellschaftlichen Brennpunkten. Entstehen hier auch neue Formen dialogischer Verwaltung? ˧ Das Bürgerzentrum Böheimkirchen wurde mit dem Ziel errichtet, ein transparentes und bürgernahes Gemeindezentrum zu schaffen, das Platz für sämtliche Betreuungs- und Informationsaufgaben bietet. Die Kernbereiche der Gemeindeverwaltung, wie das Bauamt und Büros, befinden sich im historischen Gebäudeteil. Im neuen Gebäudeteil sind der neue Besuchereingang mit dem Bürgerservice und die Information untergebracht. Zudem gibt es großzügige Räumlichkeiten für Versammlungen, Vorträge und Feste. ˧ Ein außergewöhnliches Projekt hat schon vor längerer Zeit die Gemeinde Hofstetten - Grünau im Pielachtal realisiert - ein Bürger- und Gemeindezentrum das wirklich alle Stückln spielt. Dort gibt es neben dem Bürgerservicebüro einen Postpartner, die Volkshochschule Pielachtal, eine Multimediathek mit Zugang zu digitalen und analogen Medien, eine Raiffeisenbank, ein niedrigschwelliges Kaffeehaus, das Hallenbad "Aquarella" mit Sauna, Masseur und Fußpflege sowie einen Genussladen mit Rund-um-die-Uhr-Verkauf regionaler Spezialitäten und verschiedensten Veranstaltungsräumen wie Trauungssaal, Seminarraum, Sitzungssaal und Kulturraum. ˧ Es gibt eine weitere Entwicklung die dem sehr in die Hände spielt: anstatt zu fusionieren, was außerhalb der Steiermark fast überall ein No-Go ist, schließen sich Gemeinden untereinander zu sogenannten Verwaltungskooperationen zusammen. Diese dezentralen Backoffices lassen sich theoretisch leichter ausgliedern und ebenfalls in Bürgerservicestellen unterbringen. ˧
Eine weitere wichtige Kategorie sind Räume, die sich einer genauen Definition gerade entziehen. Ich nenne sie Möglichkeitenräume, Orte die primär dem sozialen Miteinander, dem niedrigschwelligen Austausch und der Stärkung des Gemeinwesens dienen. Der Entdeckung von Gemeinsamkeiten, der Anbahnung von Beziehungen. das haben die klassischen ländlichen Orte der Begegnung wie Gasthäuser oder Kirchen nur sehr bedingt geschafft, es wird nicht nur durch Ausdünnung solcher Orte virulenter, sondern auch durch neue Lebensstile wie Multilokalität. Es ist erstaunlich, wieviele Beispiele hier schon existieren. Wie an definierte Funktionen eben auch undefinierte angelagert werden können. ˧ "Die Gute Stube Andelsbuch in Vorarlberg fördert als offener Experimentier und Begegnungsraum Kultur, Kreativität und junges Unternehmertum. Auf Initiative des Vereins „Offene Jugendarbeit Bregenzerwald“ wurde das ehemalige Hotel gemeinsam mit jungen Menschen 2014 übernommen. Mit Unterstützung der Gemeinde Andelsbuch, die auch Eigentümerin des Gebäudes ist, der Regio Bregenzerwald und einer Förderung über LEADER konnte das Projekt umgesetzt werden. Vom CoWorking? Büro über Töpferstube, Fotolabor, Kreativsuiten bis hin zum Salon, finden sich verschiedene Räumlichkeiten, die flexibel nutzbar sind. Hauptamtliche werden von Ehrenamtlichen unterstützt" [1] ˧ Solche Möglichkeitenräume gibt es in verschiedensten Formen - man denke an die OTELOS, die sich von der Gemeinde einen Möglichkeitenraum für nahezu alles und jedes finanzieren lassen, das OKH (Offenes Kunst- und Kulturhaus) in Vöcklabruck, den Dorfplatz in St. Andrä-Wördern und vieles mehr. ˧
Im ländlichen Raum führen Abwanderung, Überalterung und veränderte Familienstrukturen zu neuen Herausforderungen im sozialen Miteinander. Neben bewährten Angeboten sind deshalb innovative, generationsübergreifende Lösungen in Gesundheit, Pflege, Nachbarschaftshilfe und gemeinschaftlichen Wohnformen gefragt. Auch hier bewähret sich die Idee, Dinge die bislang separiert waren unter einem Dach zusammenzufassen - und auch verschiedene Lebensbereiche zu verbinden. ˧ Ein besonders schönes Beispiel war die zweite Station der Exkursion: das "Haus der Begegnung" in Kirchanschöring/Bayern ist ein innovatives Zentrum, das generationengerechtes und nachhaltiges Wohnen mit wichtigen Gemeindefunktionen verbindet. Im Herzen des Ortes entstanden nach jahrelanger Planung 19 barrierefreie, seniorengerechte Wohneinheiten: Zehn kleinere davon bilden eine ambulant betreute Wohngemeinschaft mit Gemeinschaftsräumen und 24-Stunden-Betreuung, neun weitere sind als selbständige Seniorenwohnungen im sozialen und kommunalen Wohnungsbau konzipiert. Ergänzt wird das Angebot durch eine integrierte Arztpraxis, das Sozialbüro der Gemeinde sowie großzügige Gemeinschaftsräume für Veranstaltungen, Kurse und Treffen. Das Haus dient nicht nur den Bewohnern, sondern ist als offenes Begegnungszentrum für alle älteren Bürgerinnen und Bürger im Ort gedacht. Es ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben im Alter, fördert soziale Kontakte und bindet die Menschen weiterhin in das kulturelle und gesellschaftliche Dorfleben ein. Die zentrale Lage und die Vielfalt der Angebote machen das Haus der Begegnung zu einem neuen sozialen Mittelpunkt von Kirchanschöring. In einer zweiten Sendung über die Exkursion werde ich vielleicht auch die Chance haben, den Bürgermeister direkt erzählen zu lassen. ˧ In Österreich gibt es ein ähnliches Modell, denn auch das altbekannte Projekt AGYL („Alt und glücklich in Ybbsitz leben“) ist ein Multifunktionshaus im klassischen Sinn. 27 barrierefreie Wohneinheiten in zentraler Lage nahe dem ortszentrum und der Dorfmitte von Ybbsitz mit intakter Nahversorgung, ein offener Gemeinschafts- und Begegnungsraum im Erdgeschoß strategisch am Weg zur Schule plaziert, Physiotherapie, ein Tageszentrum mit offenen Türen, Caritasbüro sowie ein Antiquitäten-, Second Hand und Handwerksladen des Vereins AGYL ergänzen sich; gegenseitige Nachbarschaftshilfe und das Miteinander aller Generationen werden hier aktiv gefördert und begleitet. All diese Modelle scheinen nicht nur lebendiger zu sein als ein Altenpflegeheim, sondern auch durch die vielen Synergie-Effekte auch kostengünstiger. ˧
Nicht nur das Wohnen der alten Generation, auch das Wohnen im Allgemeinen verändert sich - und wiederum sind es gemeinsam geschaffen Modelle, die auch im ländlichen Raum Einzug halten und ganz wesentliche neue Qualitäten schaffen können. Steigende Baukosten, neue Arbeitsformen und soziale Isolation fordern neue Antworten: ˧
Solche Projekte brauchen andere Formen der Organisation und Finanzierung – aber sie bringen Menschen näher zueinander und schaffen Räume für ein neues Miteinander. Nicht nur das: solche mehr oder weniger gemeinschaftlichen Wohnprojekte sind auch besonders attraktiv für Menschen aus der Stadt, die hier nicht zugezogene Außenseiter sind sondern tragender Teil eines lebendigen Alltags. Ein klassisches Vorzeigeprojekt ist etwa das Cohousing Pomali im niederösterreichischen Wölbling, das 84 Menschen (51 Erwachsene, 33 Kinder) im Alter von 0 bis 80 Jahren zusammengebracht hat, mit 29 Wohneinheiten, einem zentralen Gemeinschaftsgebäude mit großzügigen Gemeinschaftsräumen, Gemeinschaftsküche, Werkstätten und Wirkstätten und 10.000m² Grünraum mit Obst- und Gemüsegärten und Naturbadeteich hohe Maßstäbe gesetzt hat. Selbstverständlich haben auch die Kinder hier ihr eigenes Reich. Wie sich die Gemeinschaft in der Gemeinde engagiert dazu noch etwas später. Mittlerweile ist gerade rund um Wien und auch im niederösterreichischen Kernland ein Kranz von ländlichen Gemeinschaftsprojekten mit klangvollen Namen wie Lebensraum, Lebensgut Miteinander, Auenweide oder Garten der Generationen entstanden. In Volkersdorf bei Graz entstand die KoWoo, im ehemaligen Stiftshof bei Garsten die GeNaWo . ˧ Ein ebenso großes Projekt, gestartet in jahrelanger Vorbereitung von Gleichgesinnten aus Wien und Graz ist das Projekt Cambium in Fehring; Die ehemalige Hadik-Kaserne wurde von der Gemeinschaft die rund 70 Menschen umfasst in einen Ort mit unterschiedlichen Funktionen umgewandelt. Neben privaten Wohneinheiten für Singles, Paare, Familien und WGs gibt es zahlreiche gemeinschaftlich genutzte Bereiche wie Küchen, Speiseräume, Wohnzimmer, Bibliothek, Kinderraum, Werkstatt, Sauna sowie große Räume für Seminare, Workshops und Gästeunterkünfte. ˧
Die Besonderheit: mit den großen Wald- und Wiesenflächen der Kaserne sowie der Infrastruktur ehemaligen Hallen versteht sich Cambium als solidarisches Ökodorf und betreibt gemeinschaftliches Wirtschaften. Es gibt Ateliers, Arbeitsräume, Co-Working-Spaces und die Ansiedlung von innovativen Betrieben und Start-ups ist Teil des Konzepts. Die Finanzierung erfolgte gemeinschaftlich über einen Vermögenspool, an dem sich über 250 Personen beteiligten. Die Gemeinschaft arbeitet eng mit der Gemeinde Fehring und anderen lokalen Initiativen zusammen, um sich in der Region zu verwurzeln und Synergien zu schaffen. Es finden regelmäßig öffentliche Veranstaltungen, Symposien, Konzerte und Feste statt, die speziell auch für die lokale Bevölkerung offenstehen.Das Cambium legt Wert auf nachhaltiges Bauen, erneuerbare Energien und Kreislaufwirtschaft und ist ein Ort für ökologische und soziale Innovation. Auch wenn es streng genommen zwar nicht in der Dorf- bzw. Kleinstadtmitte liegt, so ist es ein wegweisendes Vorreiterprojekt das international beachtung ´findet. In dieser Liga spielt auch das Schloss Tempelhof in Süddeutschland in der Gemeinde Kreßberg. Dort ist man vielleicht noch einen Schritt weiter, verfügen neben Betrieben auch über Kindergarten und Schule die auch Kindern aus der Region offen stehen. Und vielleicht der spektakulärste Fall einer Gemeinschaft die ausstrahlt und wirkt ist Tamera
Wir sehen also wie sich bei näherem Hinschauen schon ein ganzes Gewebe von innovativen Experimenten gebildet hat; ich erinnere an die Sendung 41 zur großen virtuellen "rebuild" Konferenz 2023, die ein paar der spannendsten Projekte vorgestellt hat. Kehren wir aber wirlich in unsere heimischen Dorfmitten zurück und schauen wir auf das nächste Leitmotiv, dann drängt sich das neue Arbeiten in Co Working Spaces auf. ˧ Coworking Spaces auf dem Land bieten attraktive Arbeitsplätze für Menschen, die im ländlichen Raum leben möchten, aber dennoch städtische oder digitale Jobs ausüben. Sie tragen dazu bei, Abwanderung zu bremsen oder sogar umzukehren, indem sie jungen Menschen und Fachkräften eine Perspektive in ihrer Heimat bieten, Sie fördern Unternehmertum, bieten vor allem Selbstständigen und kleinen Unternehmen professionelle Infrastruktur und stärken lokale Netzwerke. Sie dienen aber auch als neue soziale Treffpunkte, stärken die lokale Gemeinschaft und schaffen Orte für Austausch, Zusammenarbeit und gemeinschaftliche Projekte. ˧ Zwei Beispiele: Das Coworking-Projekt FRAU iDA in Zwettl verbindet klassisches Coworking mit Service für Kinder- und Seniorenbetreuung und macht so besonders die Leistungen von Frauen im ländlichen Raum sichtbar. Projekte wie „Meine Arbeit nach der Arbeit“ für Pensionistinnen, Gründerberatungen und regionale Netzwerktreffen runden das Bild ab. Es ist zugleich ein dynamisches Impulszentrum in der Zwettler Innenstadt und Katalysator für gemeinschaftliche Unternehmungen. ˧ Der Maker Space[A] in Amstetten hat uns in unserem virtuellen Lernorteforum unlängst demonstriert, wie er sich sich in kurzer Zeit von einer Werkstatt für Technikbegeisterte zu einem lebendigen sozialen Treffpunkt entwickelt hat. Durch regelmäßige Veranstaltungen wie den „Stammtisch der Ideenspinnerei“ kommen Menschen unterschiedlichster Hintergründe – von UnternehmerInnen über EntwicklerInnen bis zu kreativen BastlerInnen – zusammen, um Ideen auszutauschen, gemeinsam Projekte zu entwickeln und Netzwerke zu knüpfen. Die offene, einladende Atmosphäre fördert den unkomplizierten Austausch, sodass schnell Synergien und erste Kooperationen entstehen. Geboten wird nicht nur Zugang zu Werkstätten und moderner Technik, sondern auch Raum für Begegnung, Inspiration und gegenseitige Unterstützung. Formate wie der Klima- und Energie-Stammtisch oder spezielle Programme für junge Menschen („Make Fun“) schaffen zusätzliche Anlässe für gemeinschaftliches Lernen und Arbeiten. ˧
Von hier gibt es einen Übergang zu einer weiteren Form, die ich kurz hervorheben will, weil sie für mich eine logische Konsequenz darstellt. Die wirtschaftlichen Aktivitäten die sich aus solchen gemeinschaftlichen Erlebnisorten entwickeln können noch weit mehr sein als bloße Nahversorgung; es können auch gemeinschaftliche Unternehmungen entstehen. ˧ Paradigmatisch ist für mich das auf der Exkursion beuschte "Kleinstadtbiotop Vöcklabruck" - ein innovatives Innenstadtprojekt, das seit Oktober 2023 am Stadtplatz von Vöcklabruck neue Maßstäbe für Stadtentwicklung, solidarisches Wirtschaften und Inklusion setzt. Auf rund 1.300 m² vereint das Kleinstadtbiotop zehn Geschäfte, zwei Restaurants, eine Markthalle, Kinder- und Veranstaltungsflächen sowie drei soziale Einrichtungen unter einem Dach. Rund 80 Menschen arbeiten im Kleinstadtbiotop, darunter auch neun Personen mit körperlichen oder intellektuellen Beeinträchtigungen, die etwa an der Rezeption oder im Verkauf tätig sind. Das solidarische Modell der Markthalle ermöglicht es kleinen Unternehmen und Start-ups, gemeinsam Infrastruktur, Kosten und Öffnungszeiten zu teilen. Ein Unternehmen übernimmt jeweils den Verkauf für alle anderen; so entstehen Synergien und ein niederschwelliger Zugang zu regionalen Produkten und Dienstleistungen. Ergänzt wird das Angebot durch konsumfreie Begegnungszonen, Veranstaltungsräume und eine offene, inklusive Atmosphäre, die Begegnung, Austausch und gemeinschaftliche Projekte fördert. Ich hoffe dass wir darauf noch näher eingehen werden können, falls die Sendung über die Exkursion zustande kommt. ˧ Ich möchte mich schnell noch den letzten beiden Bereichen widmen, denn unsere Sendezeit ist schon wieder fast vorbei. Diese Bereiche beschäftigen sich mit Infrastrukturfragen. ˧
Es liegt auf der Hand, dass Multifunktionale Gemeinschaftsprojekte auch ihre Energie selber erzeugen. Das gängigste Modell ist die sogenannte „gemeinschaftliche Erzeugungsanlage“ (GEA), bei der mehrere Parteien innerhalb eines Gebäudes – etwa in einem Mehrparteienhaus oder einem multifunktionalen Zentrum – gemeinsam Strom aus einer Photovoltaikanlage am Dach erzeugen und diesen bedarfsgerecht aufteilen und nutzen. Auf energiegemeinschaften.at finden sich konkrete Beispiele wie etwa der Gewerbepark von St,Stefan im Lavanttal. ˧ Ein weiterer Bereich ist die Mobilität: ˧ Ein fiktives Projekt von Bernhard Harrer und Sabine Rösler gewann 2017 den Mobilitätspreis des VCÖ. Darin bieten sie das Konzept eines Dorfladens an, der gleichzeitig als Café, Treffpunkt und Dorfkino fungiert und per elektrisch angetriebenem Kleinbus die regionale Mobilität verbessert und als Mobilitätszentrale mit Verleih von eBikes und eLastenrädern wirkt, sowie Personen- und Güter-Transporte in der Region im Stil eines Sammeltaxis per Smartphone-App bereitstellt. Obwohl diese umfassende Realisierung noch aussteht, ist diese Verbindung zwischen multifunktionellem Gemeinschaftsprojekt und allgemeiner Moblilität zumindest in einem Fall schon realsiert worden. ˧ Das schon erwähnte Cohousing Pomali war wesentlich daran beteiligt, dass in Wölbling den ehrenamtlichen Fahrtendienst {WE MOVE}? gibt; dieser fährt von Montag bis Freitag jeweils von 6:00 bis 20:00 im Gemeindegebiet und bis zum nächsten Bahnhof. ˧
Zum Abschluss noch ein paar Worte zum letzen großen Bereich, dem der Bildung. dem hab ich speziell am Anfang unserer Sendereihe schon sehr viel an Aufmerksamkeit geschenkt, es gab Sendungen über Bildungspioniere, kommunale Bildungszentren, das Muster Schulcampus und vieles mehr. ˧ In der Zwischenzeit hat sich die Bildungslandschaft immer mehr zu verändern begonnen. In unserem letzten Lernorte-Talk Anfang Mai haben uns die Karnischen Werkstätten in Hermagor an einem konkreten Beispiel vorgeführt, wie die "kopernikanische Wende" konkret aussieht. Unsere Hypothese ist ja, dass sich die vielen virtuellen Bildungsangebote nicht nur vermehren, sondern auch zunehmend zu zusammensetzbaren Modulen mutieren, also Mikro - Lehrgänge darstellen, die nach lokalen Bedürfnissen ganz unerschiedlich zusammengesetzt werden können. So steigt immer mehr das Bedürfnis, auch in der Erwachsenenbildung eine koordinierende und vernetzende Institution vor ort zu haben, die zugleich mit vielen Bildungsanbietern zusammenarbeitet aber den lokalen Bildungsbedürfnissen verpflichtet ist. Genau dies setzen sich eben die Karnischen Werkstätten als Aufgabe. Sie fungieren als intermediäres Zentrum zwischen Bildungsinstitutionen, Unternehmen und regionalen Akteuren, das maßgeschneiderte und bedarfsorientierte Bildungsangebote nicht nur für Unternehmen hervorbringt. ˧ Im übrigen bin ich sehr froh, dass in der Oberösterreichischen Zukunftsbroschüre unser Projekt der DorfUni auch seinen Platz gefunden hat. ˧ OK, das war einmal ein grober Duchgang durch die Neuen Dorfmitten, ich hoffe Euch allen das Gefühl vermittelt zu haben dass eine Revolution im ländlichen Raum zugange ist, die das Gesicht unserer Dörfer grundlegend zum Positiven verändern kann. ˧
Eines ist klar: es bedarf für die Entwicklung solcher Projekte grundsätzlich neuer Mentalitäten. Die Zeit der einsamen Entscheider, der bürokratischen Verwalter und selbstherrlichen Patriarchen ist am Auslaufen. Kooperative Strukturen funktionieren nur, wenn zugehört und gemeinsam entschieden wird. Das betrifft nicht nur unsere Gemeinden und Regionen, es betrifft auch all jene Institutionen die in diesem Feld aktiv sind, sie müssen lokale Gegebenheiten und Potentiale erkennen und akzeptieren lernen und eines verstehen: Drüberfahren gibts nicht mehr. Mit dieser Bemerkung schließe ich meine heutige Sendung bei Radio Agora und hoffe, dass es demnächst weitergeht mit der Neuentdeckung der Kultur der Kooperation
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