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Ein Enttäuschter Sozialdemokrat


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Fritz Endl: 8.11.2017

===Auszüge aus dem Gespräch mit St.K. (Jg.1937), einem enttäuschten Sozialdemokraten aus Favoriten.=

St.K. wohnt seit 1963 in einem „Gemeindebau“ im „<n>Triesterviertel</n>“ und war dort auch im Mieterbeirat.

E: Wie ist die Stimmung?

K: Früher war´s gemütlicher. Was ich so hasse, ist der Rassismus zu allen. Der Hausbetreuer z.B. kommt aus dem Kosovo. Woher die anderen das wissen, weiß ich nicht. Sagt einer, der stolz darauf ist, dass er ein Serbe ist, obwohl er österreichischer Staatsbürger ist: „Des is a Tschusch.“ … Wann was mit den Kindern ist, dann streiten nur die Männer, die Frauen nicht. Da träumt man vom vereinten Europa und dann macht man jeden Häuserblock zu einem neuen Land.

E: Was macht Wiener Wohnen, um da zu vermitteln?

K: Es war schon zwei Mal in der Waschküche eine Frau aus der Hansson-Siedlung da, weil die von der Triesterstraße, die sind zwar gut, aber die können nichts machen. Man kann hingehen und die holen dann zwei drei Leute und suchen die Ursachen. Aber das ist furchtbar, das ist, wie wenn Nordkorea mit Südkorea an einen Tisch setzen. Sie trinken ein Glas <n>Wasser</n> und gehen wieder. Jeder sagt zwar, ja ja, er wird sich bemühen, aber es ändert sich nichts. Um Zwei in der Früh, Radio auf volle Lautstärke. „Ich habe mich geirrt“ sagen´s dann, aber wach waren alle anderen.

E: Eine Gemeinschaft gibt´s also nicht mehr?

K: Es sind halt die Interessen ganz andere. Das was ich in der heutigen Zeit kritisier: Früher hat wer g´sagt: I bin a Favoritner, wann er schon net g´sagt hat: I bin a Wiener. Auch wenn er einmal aus dem Burgenland gekommen ist. Zum Beispiel die drei Resetarits-Buam. Lukas, der Älteste war ja in der Reinprechtsdorfer-Schule im 5.Bezirk: Er ist ein Favoritner. Heute geht das nicht mehr. Heute ist er zuerst einmal ein Serbe, dann ist er ein Jugoslawe, dann kommt oft noch die Religion und erst ganz unten in der Tabelle ist er vielleicht ein österreichischer Staatsbürger. Und das ist ungut. Er hat kein Heimatgefühl mehr. Er hat seine Heimat nicht in Österreich. Er hat kein Interesse an Österreich.

E: Sie schauen auch oft nur das Fernsehen dieser Länder.

K: Die werden dadurch auch manipuliert über das Fernsehen, über die Schüssel. Wenn ich in der 1-er Straßenbahn den Schülern aus dem Rainer-Gymnasium oder der Waltergasse zusehe, könnte ich explodieren. Kaum kommen sie aus den Schulen heraus und hängen schon am Smartphone. Sitzen zwar nebeneinand aber haben kein Interesse, miteinander zu reden. Wir haben früher über die Schul g´redt, wir haben geblödelt, haben oder habe´n sich was ausg´macht. Aber die leben in ihrer Kastlwelt. Ich find´s net gut, aber wir werden´s net ändern.

E: Und was macht die Politik gegen die Isolation oder für die Gemeinschaft?

K: Die kämpfen ja so gegeneinander, dass sie keine Zeit mehr haben für die wichtigen Sachen für die Menschen. Es gibt ja überall einen Krach. Aber was machens fürs Volk?

E: Gibt’s Politiker in unserer Umgebung, mit denen man noch reden kann?

K: Ich kenne z.B. eine türkische Familie, die schon länger da sind. Mit Tochter und Sohn. Die Tochter arbeitet in einer Bank und spricht phantastisch Deutsch. Dann gibt es aber welche, wo er mit allen redet, aber die Frau darf mit niemand reden. Es ist ihm schon peinlich, wenn die Frau im Aufzug ist und es steigt ein Mann ein. Da müsste sie warten. Sie haben drei Kinder und er wundert sich, dass die Kinder in der Schule nicht mitkommen. Na, weil sie nicht einmal das Einfachste verstehen.

E: Kann die Frau Deutsch?

K: Ja, sie kann es, aber sie redet nicht.

E: Wie redet sie mit den Kindern?

K: Türkisch. Und auch andere, die schon Jahrzehnte da sind.

E: Mit welchen Bezirkspolitikern, Bezirkspolitikerinnen gibt es in unserer Wohnumgebung Kontakt? Kennst du welche, die sich dafür interessieren, was da passiert?

K: Nein. Z.B. die H., sie ist Bezirksrätin gewesen. Der frühere Sektionsleiter B. in der Braunspergengasse hat sich gekümmert, der war anwesend im Gasthaus am Sonntag, hat zug´schaut beim Kartenspielen, beim Tarockieren, hat mit ihnen g´redt, hat die Ohren groß g´macht.

E: War das der Vorgänger vom H.?

K. Ja, der hat sich wirklich gekümmert, der hat die Ohren aufg´stellt.

E: Wann war das?

K: Das war von 1965 bis zum Ende der Sektion in der B.gasse. Der B. war herzkrank und ist gestorben. Sein Nachfolger war der H. und seine Mutter.

E: Der H. hat doch hier bei G. seine Sprechstunden gehabt. Macht er die noch immer?

K: Ich weiß nicht. Jetzt ist die L. als Kontakt.

E: Ja, das ist die ehemalige Bezirksrätin und ist jetzt vermutlich zuständig für das Grätzl.

K: Ihr Mann kümmert sich wirklich und betreut den Info-Kasten in der K.gasse. Da hat sich irgendjemand beschwert, meine Frau auch. Bei uns sind die Fahnen rausgehängt worden für den 26. Oktober, auf Halbmast. Fetzen von Fahnen. Die hätte früher der Zuständige zehn Mal um den Schädel gekriegt. Die ist 53, 54 Jahre da irgendwo gelegen.

E: Und die haben‘ s aufgehängt.

K: Ja, aber net ganz rauf, nur halbert.

E: Warum halbmast?

K: Keine Ahnung. Weils angeblich net geht.

E: Sie ist irgendwie ein Symbol für den Zustand der SPÖ: Auf Halbmast und zerfetzt.

K: Könnte man so sagen. Jedenfalls hat jemand von Wiener Wohnen bei uns angerufen und wollte wissen, was da los ist, wie das passiert ist. Habe ich dem Hausbetreuer gesagt: Gebt´s die Fahne weg. Ist doch besser als so etwas. Sie ist dann irgendwann weggekommen. Aber es pfeift sich sonst niemand.

E: Es ist aber doch symbolisch für den Zustand der SPÖ bei uns.

K: Ja. z.B. die Kinderfreunde, eine große Organisation, die wir ja nicht erst seit einem Jahr haben. Man ruft in der Albertgasse an: Da ist ein Schloss kaputt, es gehen Leute hinein beim Gesträuch im Hof. Die Männer pinkeln dort hin. Wir haben Hausparteien, die Essen auf das Dachl oder hinunter werfen. Dann kommen die Tauben und die haben immer eine Begleitung. Wann‘ s dunkel wird kommen die Ratten.

E: Und dass der Kinderfreunde-Kindergarten und der Hort seit einem Jahr geschlossen ist, das hat der H. nicht gewusst?

K: Nein. Da war er mit dem B. da.

E: Der B. sagt ja immer wieder, dass er da in die Schul gegangen ist.

K: Den B. kenn ich ja eigentlich 54 Jahre.

E: Man kann aber sagen, dass sie sich nicht einmal um ihr eigenes Grätzl kümmern. Nicht einmal das ist ihnen wichtig, weil sie so viele andere Sachen zu tun haben.

K: Ja, was die Leute interessiert, die einen Bezug haben zu der Partei, zur SPÖ, ist das Waldmüllerzentrum, darum kümmern sie sich.

E: Ja, weil seine Frau, die M., dort ihre Operettenlieder singen darf.

K: Da gehen fünf, sechs Leute hinunter und wenn man sich beschwert, sagen sie, das ist nicht normal....

Früher hat es noch einen persönlichen Bezug gegeben. Da ist der Kassier kommen. Früher waren ja noch mehr SPÖ-Mitglieder im Gemeindebau. Die haben sich untereinander kennt und was g´sagt, wenn es ein Problem geben hat. Und der Kassier hat´s weiter g´meldet und die waren zufrieden...

In unserem Haus sind inzwischen acht Leute gestorben, von denen ich gewusst habe, sie waren bei der SPÖ. Der L. ist kassieren kommen, die H. ist kassieren kommen, der T. und sie. Jetzt geht alles über Banken und dadurch fehlt der Kontakt....

Was mir z.B. beim Bockerer so gut g´fallen hat, da war ja das Hauptthema das Tarockieren. Da hat sich alles abg'spielt. Es war die Basis für das Tagesthema. Was ist in der Hackn passiert? Dazu ist Wein trunken worn. Das fehlt heute. Die Gasthäuser hab´n zug´perrt

E: Es ist ja auch verständlich, die Leute sitzen jetzt vorm Fernseher.

K: Früher war´n wir beim „F.“ vier fünf Leute. Das hat sich auch zerschlagen.

E: Dieses Gespräch, das fehlt heute. Wo kann man das machen? Wie wir jetzt miteinander reden, das muss meist geplant werden. Aber das regelmäßige Besprechen des Alltags fehlt.

K: Ja, es ist zwar ein einfaches System gewesen, aber man hat dabei etwas über sein Wohngebiet erfahren hat, hat die Leut' kennen g´lernt. Früher hat´s auch einen Marktplatz geben...