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Lernen Sie Geschichte Herr Waldhäusl


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morgen@falter.at 6.2.2023

VON EVA KONZETT
„Lernen Sie Geschichte, Herr Waldhäusl”

Ein niederösterreichischer Landesrat spricht migrantischen Wiener Jugendlichen des Gymnasiums Laaerberg die Aufenthaltsberechtigung in der Stadt ab. Rechtsextreme versuchen dann, den Schulbetrieb zu stören. Ein Schulbesuch am letzten Tag vor den Ferien.

Dieser Zeugnistag endet am Hinterausgang. Das große Tor nach vorne ist auf Geheiß der Direktorin verschlossen, eine Lehrerin als Wache postiert. In der sechsten Stunde haben die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Laaerbergstraße in Wien Favoriten ihre „Schulnachrichten” erhalten. Die Semesterferien treten sie am vergangenen Freitag inkognito an. Vor dem Haupteingang haben sich Kamerateams aufgebaut.

Sie haben die Polizeistreife abgelöst, die zuvor hier gestanden hatte.

Am vergangenen Freitag haben Unbekannte in den Morgenstunden den Vorplatz des GRG 10 Laaerberg mit rassistischen Flugzetteln gesprenkelt und ein Plakat am Schulzaun angebracht. Rhetorik und Konzept deuten auf die rechtsextremen Identitären hin. Vor „Überfremdung” und „Bevölkerungsaustausch” wird da gewarnt – und ein niederösterreichischer FPÖ-Landesrat gepriesen: „Waldhäusl hat Recht”.
„Dann wäre Wien noch Wien”: FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl bei der Puls24-Diskussion, rechtsextreme Flugblatt-Aktion am Gymnasium Laaerberg © Puls24, privat

Die Polizei ermittelt, der Verfassungsschutz ist informiert.

„Was für ein Tag”, sagt Direktorin Karina Heerstraß und lässt sich in den Sessel in ihrem Büro fallen. Sie meint damit die ganze Woche.

Denn begonnen hat das alles am Dienstagabend, ein paar Kilometer entfernt von der Schule am Laaerberg in einem Studio des Privatsenders Puls24 in St. Marx. Am Programm: Eine Live-Diskussion über Migration und die Folgen der niederösterreichischen Landtagswahl.

Im Publikum: Die 6A des Favoritner Gymnasiums, die im Rahmen ihres Medienunterrichts verschiedene TV-Formate kennenlernen wollte.

Am Podium: Unter anderem Gottfried Waldhäusl, der eine rigide Asylpolitik mit geschlossenen Grenzen forderte.

Die 6A, eine typische Wiener Klasse mit nicht unbeträchlichtem Migrationshintergrund, hörte und staunte – bis sich eine Schülerin, die 16-jährige Una, zu Wort meldete und etwas von Waldhäusl wissen wollte: Was dieser dazu sagen würde, dass die meisten ihrer Klassenkameradinnen nicht hier wären, wenn die FPÖ ihren geforderten Asyl-Kurs durchgesetzt hätte?

Und Waldhäusl antwortete: „Dann wäre Wien noch Wien”.

Selbst ÖVP-Granden wie Johanna Mikl-Leitner und Innenminister Gerhard Karner verwehrten sich gegen diese Aussage. Neos und SPÖ zeigten sich schockiert. Die Grünen luden die Klasse 6A am Donnerstag ins Parlament ein.

Waldhäusl legte noch nach: Er habe Angst, „dass meine Enkerl einmal unser geliebtes Österreich mit der Waffe verteidigen müssen”.

Was sagen die Schülerinnen und Schüler dazu? Sie antworten relativ gelassen: Waldhäusl solle doch Geschichte lernen. Besonders jene Wiens.

Rassistische Bemerkungen haben die meisten der 19 Schülerinnen und Schüler schon erfahren. „Hundefresser” müssen sich die asiatisch aussehenden ab und zu nennen lassen. Mädchen, die Kopftuch tragen, setzen die abschätzigen Blicke zu. Bei Wahlkundgebungen der FPÖ am Viktor-Adler-Markt, nur ein paar Schritte von der Schule entfernt, haben sie nie Werbegeschenke wie Stofftiere bekommen: „Für Tschuschn gibts nix”.

Die Schule war bisher ihr Safe Space. Sie lernen gerne. Cicero in Latein, das Nervensystem in Biologie, die C-14-Methode in Physik. Am Gang haben sie Zeichnungen in surrealistischen Perspektiven ausgestellt. „Wir wurden angegriffen”, sagt ihr Medienlehrer Josef Prinz. Etwas Vergleichbares habe er in 35 Jahren Berufsleben an diesem Standort nicht erlebt.

Eine Lehrerin verteilt am Freitag die Zeugnisse der 6A. Bei guten Noten wird geklatscht. Die Schülerinnen und ihre zwei männlichen Klassenkameraden klatschen häufig an diesem 3. Februar. Nach den Ferien hat Bürgermeister Michael Ludwig sie alle ins Rathaus eingeladen. Nach dem Hinterausgang wartet auf die Klasse aber erst einmal: Sieben Tage Ruhe.

morgen@falter.at 6.2.2023

VON EVA KONZETT „Lernen Sie Geschichte, Herr Waldhäusl”

Ein niederösterreichischer Landesrat spricht migrantischen Wiener Jugendlichen des Gymnasiums Laaerberg die Aufenthaltsberechtigung in der Stadt ab. Rechtsextreme versuchen dann, den Schulbetrieb zu stören. Ein Schulbesuch am letzten Tag vor den Ferien.

Dieser Zeugnistag endet am Hinterausgang. Das große Tor nach vorne ist auf Geheiß der Direktorin verschlossen, eine Lehrerin als Wache postiert. In der sechsten Stunde haben die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Laaerbergstraße in Wien Favoriten ihre „Schulnachrichten” erhalten. Die Semesterferien treten sie am vergangenen Freitag inkognito an. Vor dem Haupteingang haben sich Kamerateams aufgebaut.

Sie haben die Polizeistreife abgelöst, die zuvor hier gestanden hatte.

Am vergangenen Freitag haben Unbekannte in den Morgenstunden den Vorplatz des GRG 10 Laaerberg mit rassistischen Flugzetteln gesprenkelt und ein Plakat am Schulzaun angebracht. Rhetorik und Konzept deuten auf die rechtsextremen Identitären hin. Vor „Überfremdung” und „Bevölkerungsaustausch” wird da gewarnt – und ein niederösterreichischer FPÖ-Landesrat gepriesen: „Waldhäusl hat Recht”. „Dann wäre Wien noch Wien”: FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl bei der Puls24-Diskussion, rechtsextreme Flugblatt-Aktion am Gymnasium Laaerberg © Puls24, privat

Die Polizei ermittelt, der Verfassungsschutz ist informiert.

„Was für ein Tag”, sagt Direktorin Karina Heerstraß und lässt sich in den Sessel in ihrem Büro fallen. Sie meint damit die ganze Woche.

Denn begonnen hat das alles am Dienstagabend, ein paar Kilometer entfernt von der Schule am Laaerberg in einem Studio des Privatsenders Puls24 in St. Marx. Am Programm: Eine Live-Diskussion über Migration und die Folgen der niederösterreichischen Landtagswahl.

Im Publikum: Die 6A des Favoritner Gymnasiums, die im Rahmen ihres Medienunterrichts verschiedene TV-Formate kennenlernen wollte.

Am Podium: Unter anderem Gottfried Waldhäusl, der eine rigide Asylpolitik mit geschlossenen Grenzen forderte.

Die 6A, eine typische Wiener Klasse mit nicht unbeträchlichtem Migrationshintergrund, hörte und staunte – bis sich eine Schülerin, die 16-jährige Una, zu Wort meldete und etwas von Waldhäusl wissen wollte: Was dieser dazu sagen würde, dass die meisten ihrer Klassenkameradinnen nicht hier wären, wenn die FPÖ ihren geforderten Asyl-Kurs durchgesetzt hätte?

Und Waldhäusl antwortete: „Dann wäre Wien noch Wien”.

Selbst ÖVP-Granden wie Johanna Mikl-Leitner und Innenminister Gerhard Karner verwehrten sich gegen diese Aussage. Neos und SPÖ zeigten sich schockiert. Die Grünen luden die Klasse 6A am Donnerstag ins Parlament ein.

Waldhäusl legte noch nach: Er habe Angst, „dass meine Enkerl einmal unser geliebtes Österreich mit der Waffe verteidigen müssen”.

Was sagen die Schülerinnen und Schüler dazu? Sie antworten relativ gelassen: Waldhäusl solle doch Geschichte lernen. Besonders jene Wiens.

Rassistische Bemerkungen haben die meisten der 19 Schülerinnen und Schüler schon erfahren. „Hundefresser” müssen sich die asiatisch aussehenden ab und zu nennen lassen. Mädchen, die Kopftuch tragen, setzen die abschätzigen Blicke zu. Bei Wahlkundgebungen der FPÖ am Viktor-Adler-Markt, nur ein paar Schritte von der Schule entfernt, haben sie nie Werbegeschenke wie Stofftiere bekommen: „Für Tschuschn gibts nix”.

Die Schule war bisher ihr Safe Space. Sie lernen gerne. Cicero in Latein, das Nervensystem in Biologie, die C-14-Methode in Physik. Am Gang haben sie Zeichnungen in surrealistischen Perspektiven ausgestellt. „Wir wurden angegriffen”, sagt ihr Medienlehrer Josef Prinz. Etwas Vergleichbares habe er in 35 Jahren Berufsleben an diesem Standort nicht erlebt.

Eine Lehrerin verteilt am Freitag die Zeugnisse der 6A. Bei guten Noten wird geklatscht. Die Schülerinnen und ihre zwei männlichen Klassenkameraden klatschen häufig an diesem 3. Februar. Nach den Ferien hat Bürgermeister Michael Ludwig sie alle ins Rathaus eingeladen. Nach dem Hinterausgang wartet auf die Klasse aber erst einmal: Sieben Tage Ruhe.