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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
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Kunst zwischen digitalem Wandel und Nachhaltigkeit

Termin: 3. Dezember 2020 15.15 Uhr

Ort: BBB-Raum BIS.SIM

Thema: Marlene Mertens: Soziale Netzwerke und öffentliche Meinung

Ankündigung

Öffentliche Meinung stellt einen wichtigen Faktor im Prozess der politischen Willensbildung in demokratischen Systemen dar. Die Schweigespirale von Noelle-Neumann ist eine der bekanntesten Theorien zur Entstehung und Verbreitung dieser. Nach Noelle-Neumann wird die öffentliche Meinungsbildung stark durch die Berichterstattung der Massenmedien, zu dem Zeitpunkt ihrer Betrachtung, dem Fernsehen, beeinflusst.

Seit mehreren Jahren lässt sich beobachten, dass die Berichterstattung über das Internet in diesem Zusammenhang zunehmend an Einfluss gewinnt. Neben Online-Berichterstattung der klassischen Fernsehsender und Zeitungen tragen auch soziale Netzwerke wesentlich dazu bei. Anhand einiger Beispiele der letzten Jahre soll diskutiert werden, welchen Einfluss soziale Netzwerke auf die Entstehung und Veränderung der öffentlichen Meinung haben und inwieweit die Schweigespirale dort noch Bestand hat.

Marlene Mertens, 27.11.2020

Anmerkungen

In der Diskussion wurde schnell deutlich, dass der im Vortrag entwickelte Ansatz eines Begriffs öffentliche Meinung wenig trägt. Dieser Begriff lässt sich weder als statistische Größe, noch als Mehrheitsmeinung oder gar Konsens fassen. Es wurde deutlich, dass wir es mit einem gesellschaftlichen Institutionalisierungsphänomen zu tun haben, wie es auch im Technikkonzept der Vorlesung als institutionalisierte Verfahrensweise eine wichtige Rolle spielt, etwa im Konzept Stand der Technik. Dort sind es Befestigungen von Verfahrensweisen rund um konkrete Gegenstandsbereiche, die als Normen, Best Practices und oft undokumentierter "general nonsense" – nirgends aufgeschrieben, aber alle machen es so – Referenzpunkt von Handeln sind, auf die man sich positiv wie negativ beziehen kann, bei negativem Bezug aber vor einem erhöhten Begründungsbedarf steht.

Fasst man in diesem Sinne öffentliche Meinung auch als gesellschaftlichen Aushandlungsprozess auf, so lassen sich zwei Grundprobleme des Vortrags heilen. Dies ist erstens die vollkommene Inhaltsleere des Begriffs – Meinung worüber? – und zweitens das Verhältnis des Begriffs zum Demokratiebegriff, insbesondere dem einer wehrhaften Demokratie (bis hin zu Art. 20 GG).

Öffentliche Meinung als Aushandlungsprozess ist dabei als Prozess zu verstehen, der zu konkreten Inhalten eine gesellschaftlich akzeptierte "Ideallinie" (im Sinne der Vorlesung) konstituiert. Die kann durchaus streitbar sein und dieser Streit in spezifischen Teilstrukturen der Gesellschaft ausgefochten werden. Eine solche öffentliche Meinung zum Thema "Komponentensoftware" ( "Kann eine Krise 25 Jahre dauern") etwa wird sicher informatikintern verhandelt, die zum "Standardmodell der Physik" (Dazu etwa Sabine Hossenfelder in der FAZ) hat inzwischen die engen Grenzen der Physik verlassen. Sicher auch deshalb, weil hier eine spezifische "geozentrische" Sichtweise ("unser Universum") an ihre Grenzen geraten ist und der Einbau neuer Beobachtungsergebnisse in das Standardmodell (die "öffentliche Meinung" zu diesem Gegenstand) stark an die Epizykeltheorien am Ende des geozentrischen Weltbilds erinnert, die dann im heliozentrischen Weltbild eine einfache Auflösung erfahren haben.

Schauen wir durch eine solche Brille auf entsprechende Prozesse im politischen Alltag, so wird schnell deutlich, dass eine befestigte öffentliche Meinung zu konkreten Themen als Referenzpunkt einerseits wichtig ist für Begriffe wie political correctness, die insbesondere von den Öffentlich-Rechtlichen eingefordert wird, diese andererseits aber selbst zum Feld der Auseinandersetzung in einer wehrhaften Demokratie wird, wie etwa aktuell in Landesregierung und CDU Sachsen-Anhalt in der Frage des Umgangs mit der AfD beobachtet werden kann.

Krassere Formen nehmen solche Auseinandersetzungen inzwischen auf EU-Ebene an, wo ein solches wehrhaftes Ringen um den Begriff Rechtsstaatlichkeit droht, den kompletten EU-Haushalt zu blockieren. Noch gefährlicher sind die Entwicklungen in den USA, ein tief gespaltenes Land, in dem die öffentliche Meinung weitgehend in zwei Lager zerfallen zu sein scheint, befördert noch durch einen gerade abgewählten Präsidenten. Dies ist aber zugleich ein guter Gegenstand der Analyse, um auch die Zentripedalkräfte zu identifizieren und damit besser zu verstehen, welches Gesellschaft strukturierendes Potenzial jenseits von Gesetzgebungsverfahren und anderen ordnungsrechtlichen Instrumenten eine wehrhafte Demokratie zu entwickeln vermag.

Hans-Gert Gräbe, 05.12.2020


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