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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2020-07-02


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* Seminararbeit von Julia Güttler
* Seminararbeit von Lisa Wagner
* Seminararbeit von Julia Güttler

Rezos Kritik am etablierten Politiksystem

Termin: 2. Juli 2020 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-13 oder virtuell im BBB-Raum https://conf.informatik.uni-leipzig.de/b/gra-y36-wd4

Thema: Julia Güttler, Lisa Wagner: Rezos Kritik am etablierten Politiksystem

Ankündigung

Mit seinem Video "Die Zerstörung der CDU" hat Rezo im Mai 2019 ein Lauffeuer in den Medien entfacht.

Um dieses Video besser einordnen zu können, muss man sich die Klimapolitik seit der Amtszeit Angela Merkels genauer anschauen, um Rezos Kritik am System zu verstehen. Weiterhin sind Reaktionen auf das Video in Medien und vor allem sozialen Medien wie Twitter genauer zu betrachten, um ein Gefühl für die vorherrschenden Fronten zu entwickeln. Wie sah deutsche Klimapolitik vorher aus? Welche Missstände hat Rezo aufgezeigt? Hat sich seit der Veröffentlichung des Videos etwas geändert? Wie haben Politiker auf das Video reagiert? Diese Fragen werden wir genauer in unserem Vortrag beleuchten.

Julia Güttler, Lisa Wagner, 23.06.2020

Anmerkungen

Rezos Kritik am etablierten Politiksystem prägte im Mai 2019 die Aufmerksamkeitsökonomie der öffentlichen Medienkarawane und nötigte die Regierungsparteien CDU und (in geringerem Maße) SPD zu Reaktionen, die in der Wahrnahme durch jene Medienkarawane als weitgehend ungeschickt gebrandmarkt wurden. Philipp Amthor als damalige CDU-Medienhoffnung ist ein Jahr später selbst in die Mühlen jener Medienmaschine geraten und kämpft um sein politisches Überleben. An Rezos damalige "Großtat" würde sich im Medienrummel inzwischen kaum noch jemand erinnern, wenn er nicht jüngst gegen die FAZ nachgelegt hätte. So etwa hätte der Plot dieses Vortrags aussehen können.

Oder auch anders: Die Industriegesellschaft ist mit ihren "Segnungen" an einem Punkt angelangt, wo die Kollateralschäden zunehmend bedrohlich für die Existenzbedingungen auf diesem Planeten selbst werden. Politik reagiert darauf zögerlich – zu zögerlich? –, was gerade junge Leute, etwa im Rahmen von "Fridays for Future" auf die Straße treibt. Dieser Politisierung Jugendlicher, die in ihren Forderungen die Grenzen von "Politik als der Kunst des Möglichen" oft weit überschreiten, verlieh Rezos Kritik eine Stimme.

Oder noch anders: War alles nur eine große Show, in welcher der FAZ als Medienmultiplikator eine größere Rolle zukommt als Rezo selbst, der inzwischen zu einer "Zerstörung der Presse" als Ganzem angesetzt hat.

Der Vortrag konzentrierte sich allerdings auf ein anderes Thema – die Rolle der Politik, namentlich der Bundesregierung, in der Klimakrise im Wechsel ergriffener und verpasster Chancen auf dem Hintergrund von Lobbyaktivitäten verschiedener industrieller Interessengruppen, was im Feuilleton auf spezifische Weise selektiv gebrochen reflektiert wird. Für diese "Politikbegleitung" ist ein deutlicher personeller Rechercheaufwand zu treiben, der "autonomen" Bloggern nicht zur Verfügung steht. Diese müssen sich deshalb entweder der Medienindustrie in irgendeiner Weise anschließen oder aber als mediales Sprachrohr der einen oder anderen politischen oder industriellen Lobbygruppe profilieren (etwa als Medienredakteur im "Team Amthor"). Ein solcher grober Umriss der Anforderungen an eine einigermaßen aussagekräftige "kritische Begleitung der Klimapolitik der Bundesregierung" zeigt, dass damit nicht nur das eigentliche Thema verfehlt ist, sondern auch ein im Rahmen dieses Seminars nicht einzulösender Anspruch formuliert wird.

Es ist auch kaum möglich, mit den in unserem Seminarkontext verfügbaren Ressourcen einen ernsthaften (akademisch tragfähigen) "Faktencheck" von Rezos Kritik gegen die "wirkliche Politik" zu führen, da Rezos Kritik selbst (der Form und der Sache geschuldet) populistisch und unterkomplex ist, indem er bestehende abgenutzte Kritikstereotype aufnimmt, so berechtigt diese auch in jedem einzelnen Fall sein mögen. Entsprechend einfach war es auch für die CDU, der Kritik einen 11-seitigen "Faktencheck" entgegenzusetzen, auch wenn sie dafür eine Woche gebraucht hat, um sich von der Überraschung zu erholen und zu sammeln.

Die Diskussion konzentrierte sich dann auch stärker auf zwei Fragen:

  1. Wie funktioniert das "Phänomen Rezo"?
  2. Wie funktioniert mediale Politikbegleitung in einem durch Gewaltenteilung geprägten gesellschaftlichen Gemeinwesen, vor allem auch durch die "vierte Gewalt", die Medien? Wie unabhängig sind diese wirklich und welche Auswirkungen hat in diesem Bereich der digitale Wandel?
Zu 1. Hier wurden vor allem Fragen nach den Arbeitsbedingungen und dem Geschäftsmodell des "Teams Rezo" vor und nach ihrem Mediencoup diskutiert. Interessanterweise gibt es hierzu recht umfangreiche Wikipedia-Informationen. Die naheliegende Frage, in welchem Umfang dies Teil der Imagepflege des Teams und damit einer Selbstinszenierung ist, wurde allerdings nicht aufgeworfen, da die schlichte Lektüre jener Ausführungen das bei den Seminarteilnehmern vorab vorherrschende Rezobild bereits deutlich relativierte. Qualitätsjournalismus begänne an dieser Stelle mit einem unabhängigen Faktencheck. Dies würde allerdings bereits den Rahmen einer Seminararbeit sprengen, die sich auf ein deutliches Gegenüberstellen medial zugänglicher Äußerungen beschränken kann, wenn diese in einen stimmigen Zusammenhang ("roter Faden") eingeordnet werden.

Zu 2. Hier wurde intensiver diskutiert, in welchem Verhältnis Journalisten, Qualitätsjournalismus und die Strukturen einer Medienindustrie stehen. Journalisten sind in ihrer Berufsausübung geschützt, allerdings weniger durch personenrechtliche Regelungen (wie Abgeordnete, Richter und Anwälte), sondern durch den grundgesetzlichen Schutz der Pressefreiheit. Auch wenn die Berufsbezeichnung Journalist nicht geschützt ist, gibt es verschiedene zivilgesellschaftliche Mechanismen, sich nachhaltige journalistische Tätigkeit auch bestätigen zu lassen, und sei es durch einen Presseausweis. Die Frage, in welchem Umfang Rezo oder auch andere Blogger in derartige interpersonelle Strukturen eingebunden sind und sich durch diese neuen Akteure jene deutlich älteren und tiefer gestaffelten interpersonellen Strukturen selbst in einem digitalen Wandel befinden (etwa durch den Aufbau von Mediatheken und eigenen Streamingangeboten) blieb in diesem Seminar aber ebenfalls unbeleuchtet.

Hans-Gert Gräbe, 04.07.2020


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