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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2020-06-11


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* Seminararbeit Warnke

Digitale Anwendungen im musealen Kontext

Termin: 11. Juni 2020 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-13 oder virtuell im BBB-Raum https://conf.informatik.uni-leipzig.de/b/gra-y36-wd4

Thema 1: Vera Piontkowitz: Digitale Anwendungen im musealen Kontext

Thema 2: Rico Warnke: Open Source und freie Software - Gemeinsamkeiten und Unterschiede im historischen Kontext

Ankündigung

Thema 1: Digitale Anwendungen im musealen Kontext

Im Vortrag soll dargelegt werden, wie Museen digitale Anwendungen nutzen, um den Besuchenden komplexe Sachverhalte zu vermitteln und den Museumsbesuch zu einem unterhaltsamen und bereichernden Erlebnis zu gestalten. Dafür wird zunächst aufgezeigt, warum (digitale) Museumsvermittlung wichtig ist und auch aus kulturpolitischer Sicht immer mehr an Bedeutung gewinnt. Grundlagen der Museumsvermittlung werden beleuchtet, um daraufhin unterschiedliche Beispiele digitaler Anwendungen im Museum mit Blick auf Vermittlungskonzepte und -strategien vorzustellen.

Vera Piontkowitz, 03.06.2020

Thema 2: Open Source und freie Software - Gemeinsamkeiten und Unterschiede im historischen Kontext

Open Source, Freie Software. Ist das nicht dasselbe? Zunächst sollen die Begriffe „Freiheit“, „proprietär“, „Freie Software“ und „Open Source“ erläutert werden. Nach einem Überblick über die Entstehung Freier Software, welche maßgeblich durch Richard Stallmans Ideale geprägt wurde und der später daraus resultierenden Open Source Software, sollen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Modelle dargelegt werden. Als Ausgangspunkt für eine gemeinschaftliche Diskussion steht die Frage, ob es sich nur um eine wirre Ideologie handelt oder einen fortschrittlichen Entwicklungszweig darstellt.

Rico Warnke, 03.06.2020

Anmerkungen

Im ersten Vortrag ging es wesentlich um zwei Fragen – wie Museen von digitalen Technologien und Formaten profitieren können und vor welchen Herausforderungen und Änderungen Museen im Zuge des digitalen Wandels stehen.

Zunächst wurde klar herausgearbeitet, dass Museen einen kulturpolitischen Auftrag haben, der nicht allein über marktwirtschaftliche Mechanismen finanziert werden kann. Die Finanzierung durch Spenden, Projekte und öffentliche Gelder bedeutet aber auch, dass Museen über ihre Arbeit vor der Öffentlichkeit Rechenschaft ablegen müssen. Für einen solchen Prozess des Abgleichens von Anforderungen, Eigenansprüchen und Realität wurde das Konzept des Audience Development genauer dargestellt. An diesem Ansatz entzündete sich eine Diskussion um Begriffe wie Hochkultur, kulturelle Eliten und die Frage, in welchem Verhältnis zueinander die aktive Seite einer Selbstentfaltung und die passive Seite eines Entfaltet-Werdens in einem solchen Development stehen.

Der öffentliche Auftrag von Museen wurde mit den fünf Konzepten Sammeln, Bewahren, Ausstellen, Forschen und Vermitteln umrissen. Die ersten drei Konzepte weisen darauf hin, dass dem Vortrag ein sehr konservatives Museumskonzept zu Grunde gelegt wurde. Dies ist der Referentin aber kaum vorzuwerfen, da sie damit nur auf Vorstellungen zurückgreift, die unter Kulturwissenschaftlern und Museologen weit verbreitet sind. Entsprechend begrenzt blieben auch die Vorstellungen, wozu man im Museumskontext digitale Technologien einsetzen kann – als Audioguide, mehr Hintergründe, tieferes Eindringen in einzelne (vorgegebene) Exponate und Szenarien, Gruppendiskussionen über das Erlebte ...

Die Konzepte Forschen und Vermitteln greifen gesellschaftliche Prozesse auf, die bereits über die Grenzen eines einzelnen Museums hinausgehen, und betten museale Aufträge in komplexere gesellschaftliche Wissensprozesse ein. Leider blieb im Vortrag der Begriff des Museums unscharf – insbesondere auch die Frage, ob Naturkundemuseen andere und spezifische Aufträge erfüllen als etwa Kunstsammlungen. Damit ist der Begriff Museum aber auf die Anschauung verwiesen und kann nicht sinnvoll weiterentwickelt werden.

Damit wird es zugleich schwierig, neuere Entwicklungen genauer einzuordnen. Als Beispiel wurde das Projekt Bodentier hoch vier des Senckenbergmuseums Görlitz beschrieben, mit dem ein Brückenschlag zur Citizen Science versucht werde. Antworten auf die Frage nach den Hintergründen gerade dieses Projekts blieben offen, obwohl ein Blick auf die Webseite des Museums zeigt, in welchem Maße in den Senckenberg-Strukturen museale Präsentation und Forschung miteinander vernetzt sind. Einbettungen in ähnlichem Maße kann man sicher auch für andere Museen darstellen, denn es geht in den meisten Fällen nicht um Sammeln schlechthin, sondern um wissenschaftliche Sammlungen und damit um übergreifende Forschungsstrukturen, in die der Kontext der einzelnen Museen einzubetten ist.

Noch kontroverser werden Begriffsbestimmungen, wenn es um die Vermittlungsfunktion von Museen als Lernorten geht. Ist etwa (pars pro toto für ein inzwischen flächendeckendes Angebot entsprechender Einrichtungen in Deutschland) die Leipziger Inspirata, die sich selbst als "Mitmachmuseum auf der alten Messe" bezeichnet, ein Museum? Die Exponate regen zu eigenständigem Forschen an, erfüllen – im Wechselspiel mit entsprechenden Workshops – auch einen Vermittlungsauftrag, und auch die Funktionen Sammeln, Bewahren (hier vor allem: Reparieren) und Ausstellen spielen eine Rolle. Allerdings liegt der Schwerpunkt auf forschendem Vermitteln und nicht Sammeln und Präparieren, wie etwa beim Naturkundemuseum Leipzig, das vor allem durch seine große Ter-Meer-Sammlung berühmt ist, die heute weitgehend in den Depoträumen verstaubt und sich auch als Ausstellung eher an Museumskonzepten des ausgehenden 19. Jahrhunderts orientiert als an denen des aufkommenden digitalen Zeitalters.

Die zu beobachtenden Entgrenzungstendenzen lokaler Museumsarbeit – Deutsche Digitale Bibliothek, Europeana wie auch die Vielzahl von Projekten zum Aufbau virtueller Lernangebote durch Museen – spielten in Vortrag und Diskussion nur eine marginale Rolle, obwohl sich durch diese museale Konkurrenz im virtuellen Raum Bedeutungen aktuell massiv verschieben. Damit stehen – gerade auch in Coronazeiten – Museen nicht allein vor Herausforderungen, die Vermittlungsstrukturen von Wissen gründlich umpflügen. Mit dem Hype um den einen virtuellen Lernort "Internet" geraten lokale realweltliche Lernorte weiter unter Druck und regionalpolitisch ist zu entscheiden, wie viel regionale kulturelle Landschaft man sich noch leisten will (und kann). Dabei geht es nicht nur, aber eben auch um Museen. Die Abwicklung realweltlicher Lernorte zugunsten des Versprechens zukünftiger virtueller Verfügbarkeit bzw. die bewusste Entfaltung regionaler Kulturinstitutionen wie das als Beispiel angeführte Senckenbergmuseum Görlitz verweisen auf zwei sehr verschiedene regionale Entwicklungspfade in die Zukunft.

Im zweiten Vortrag ging es um Open Source und Freie Software. Die Auseinandersetzungen um offene Entwicklungsmodelle von Software, die vor 20 Jahren geführt wurden, kann man sich heute kaum noch vorstellen, und so geraten schnell wichtige Komponenten jener Auseinandersetzungen aus dem Blickfeld. Neben dem deutlichen Aufschwung offener Entwicklungsmodelle im Umfeld von Linux waren dies vor allem folgende, im Vortrag nur marginal berücksichtigten Aspekte:

  1. Die (bereits damals geleakten) "Halloween Paper" zu einer Strategie, mit der Microsoft als Platzhirsch proprietärer Softwareentwicklung dagegenhalten wollte.
  2. Das Engagement vom IBM für Linux (1 Mrd. Dollar in 2000), die mit Blick auf ihr Großrechnergeschäft den Einstieg in den Desktopmarkt verschlafen hatten.
  3. Weniger ideologisch aufgeladene Projekte der kooperativen Software-Entwicklung wie FreeBSD (seit 1993), BSD Unix (seit 1977) und vor allem das Apache-Projekt (Gründung der Apache Foundation 1999) sowie Suns Java-Projekt (seit 1991, mit großem Hype nach 1996).
Die Schritte, die Richard Stallman 15 Jahre früher mit auch großen persönlichen Konsequenzen gegangen ist – immerhin hat er seinen gut dotierten MIT-Job gegen eine ungewisse Zukunft eingetauscht – spielen eine wichtige Rolle, sind aber auch im Klima jener Zeit und jener Personengruppen verankert, die diese junge Technologie mit aus der Taufe gehoben haben. Das Gedankengut hat viel mit den – mehr oder weniger reflektierten – Wertevorstellungen einer libertären amerikanischen Linken zu tun und wenig mit Hobbes, Locke und Kant. Die Wurzeln liegen mehr in den Erfahrungen und Praxen der Auswanderungswelle aus Europa in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und damit in libertär-anarchistischen Ansätzen, wie sie etwa vom Leipziger "Präanarchisten" Max Stirner entwickelt wurden. Das Verhältnis zum "Kommunismus" ist entsprechend angespannt und reicht von Eric Raymonds' "dann entsichere ich meine Pistole" bis zu deutlich reflektierteren Antworten von Richard Stallman selbst ("I'm a libertarian.") – beides aus "Revolution OS" – oder Eben Moglens "Anarchism Triumphant".

Es greift aber deutlich zu kurz, diese Entwicklungen allein aus derartigen Wertevorstellungen begründen zu wollen und die handfesten ökonomischen Gründe und Bedingtheiten aus dem Auge zu verlieren, wie sie etwa in (Grassmuck 2004) zusammengetragen oder im Oekonux-Projekt diskutiert wurden. Um 2000 herum war klar, dass man mit Linux auch im geschäftlichen Bereich operieren kann, auch wenn die Service-Strukturen noch längst nicht so ausgebaut waren wie heute, siehe dazu etwa (Gräbe 2005). Die Hauptfrage war damals die nach angemessenen Business-Strategien. Die Anfänge der Riesen Google (seit 1997), Amazon (seit 1994), und Apple (Steve Jobs kehrt 1997 zurück und rettet die Firma vor der Pleite) liegen in jenen Entwicklungen, und Microsoft ist mit der .NET Foundation inzwischen auf diesen Zug aufgesprungen. Details dazu in den Vorlesungsfolien.

Links:

Hans-Gert Gräbe, 13.06.2020


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