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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
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Technikbildung und „digitale Medienbildung“

Termin: 19. Dezember 2019 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-11

Thema: Alexander Krebs: Technikbildung und „digitale Medienbildung“ im historischen Kontext des deutschen Gymnasiums

Ankündigung

In der Absichtserklärung (Juni 2019) zwischen Freistaat Sachsen, Universität Leipzig, TU Dresden und TU Chemnitz zur Zusammenarbeit beim Aufbau der so genannten M.I.T. Schulen (mit Schwerpunkten in den Bereich Medien, Informatik und digitale Technologien) heißt es:

„Im Zeitalter einer zunehmenden Digitalisierung in allen Bereichen der Gesellschaft und der Wirtschaft stehen vor Sachsens Schulen neue Herausforderungen. Es werden immer mehr Absolventen benötigt, welche über erweiterte Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in den Fachgebieten der Medientechnologien und der Informatik verfügen. Die heute an Sachsens Schulen lernenden Schülerinnen und Schüler werden auf eine Arbeitswelt treffen, die sich in einem signifikanten Wandel befindet. Der Einsatz von mobilen Robotern, von Anwendungen mit künstlicher Intelligenz, von 3D-Werkzeugen und Objekten der virtuellen Realität verändert die bisherigen beruflichen und außerberuflichen Tätigkeitsfelder. [...] Der sich im Kontext von „Industrie 4.0“ vollziehende, grundlegende technologische Wandel erfordert auch ein tiefgreifendes Überdenken der Lehr- und Lernprozesse sowie dafür notwendige Bedingungen an Schulen.“ ( Quelle)

Ausgehend vom Bekenntnis der Koalitionsparteien CDU, SPD und Grüne, die Digitalisierung und Medienbildung in der Schule weiter zu intensivieren und dabei Pilotprojekte wie die der M.I.T.-Schulen auszubauen (vgl. Koalitionsvertrag 2019-2024, S.9), soll das grundsätzliche Verhältnis von Technik und Bildung an allgemeinbildenden höheren Schulen in Deutschland betrachtet werden.

Dazu werden die Beziehungen zwischen technischer Entwicklung und unterschiedlichen Bildungsvorstellungen in der deutschen Bildungsgeschichte ab dem 19. Jahrhundert am Beispiel des Gymnasiums in den Mittelpunkt gerückt. Dabei soll unter anderem auch die Frage beantwortet werden, warum entwickelte Gesellschaften institutionalisierte Bildungssysteme unterhalten (Dimension der Bildungspolitik) und wie sich die Einflussnahme von „oben“ bezüglich des „höheren“ Schulwesens im Laufe der Jahrzehnte verändert hat. Darüber hinaus sollen unterschiedliche Ansätze der Technik- und Medienbildung im (höheren) deutschen Schulwesen vor 1945 schlaglichtartig und ab 1945 in den beiden deutschen Staaten genauer vorgestellt werden.

Die Betrachtung des o.g. Themas soll letztlich in der Gegenwart münden, wobei einerseits ein Überblick über die Ausprägung der Technikbildung an staatlichen Schulen in den einzelnen Bundesländern erfolgen wird und andererseits anhand der M.I.T Schulen diskutiert werden soll, inwiefern „im Zeitalter einer zunehmenden Digitalisierung in allen Bereichen der Gesellschaft und Wirtschaft“ das Bildungssystem zunehmend von tiefgreifenden Wandlungsprozessen gekennzeichnet ist und ob das „klassische“ humboldtsche Bildungsideal der Gymnasien vor diesem Hintergrund noch Bestand hat.

Alexander Krebs, 12.12.2019

Anmerkungen

Im Vortrag ging es um das ambivalente Verhältnis des "deutschen Gymnasiums" zum Thema Technikbildung. Gleich zu Anfang betont der Referent, dass es mit Blick auf die hochgradige politische Zersplitterung des Territoriums, das man heute gemeinhin als "Deutschland" bezeichnet, ein typisches deutsches Gymnasium nie gegeben habe, auch nicht nach 1871 und selbst heute, mit Verweis auf die Länderzuständigkeit in Bildungsfragen, von einem solchen keine Rede sein könne. Das ist natürlich eine für das Vortragsthema wenig hilfreiche Position, da dies einerseits der begrifflichen Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands im Wege steht und andererseits der Existenz eines Bilds vom "deutschen Gymnasium" – und sei es das aus dem Film "Die Feuerzangenbowle" – nicht gerecht wird.

Im weiteren Vortrag wurde dann auch mit diesem Bild als vager Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands gearbeitet und dieses Bild einer Betrachtung der historischen Entwicklung des Bildungsbegriffs zu Grunde gelegt. Das verengt den Blick gewaltig und rückt einen "humanistischen" Bildungsbegriff einer bürgerlichen Mittelschicht in den Fokus, der Bildung als Kultur – als "idealtypisches hermeneutisches Konstrukt" (Böhm u.a. 2003, S. 32) – einem Konzept Bildung und Arbeit entgegensetzt.

Das ist natürlich nicht nur das Problem einer deutschen gymnasialen Tradition, sondern eines der kulturellen Wahrnahme von Technik überhaupt, die sich ja auch in der akademischen Tradition einer deutschen universitas litterarum im 20. Jahrhundert ihren Platz erst mühsam erkämpfen musste. Auch die diesbezüglichen Napoleonischen Reformen am Ausgang des 18. Jahrhunderts in Frankreich mussten sich nach Deutschland erst mühsam ihren Weg bahnen und wurden im Zuge der Preußischen Reformen nur halbherzig implementiert.

Diese Entwicklung kann man analysieren und ihr kritisch begegnen, und sei es in der Aufarbeitung entsprechender verbreiteter Positionen, die eine "sinnlich-ganzheitliche Welterfahrung" (Böhm u.a. 2003, S. 40) einer "rationalen Technikerfahrung" (ebenda) entgegensetzt. Eine solche Grundposition hat aber spätestens im 20. Jahrhundert ausgedient und wurde von der praktischen Entwicklung (Realgymnasien, Einbau grundlegender Elemente einer naturwissenschaftlich-technischen Bildung in die Curricula – in Sachsen teilweise deutlicher in der Oberschule als im Gymnasium) überholt. Die Grundprobleme, die das "deutsche Gymnasium" nach wie vor mit dem Technikbegriff hat, haben ihre Wurzeln aber zu einem großen Teil in diesem überholten, aber nach wie vor virulenten "humanistischen" Bildungsverständnis.

Aus dem Blick geraten bei einer solchen Betrachtung die Reaktionen einer Bildungslandschaft auf die praktischen Bildungserfordernisse einer sich entfaltenden kapitalistischen Produktionsweise, wie dies etwa Jürgen Stahl in (Stahl 2014) beschreibt. Diese reichen von den Rechenschulen eines Adam Ries über Realgymnasien und Oberrealschulen, aber auch Arbeiterbildungsvereine im 19. und 20. Jahrhundert bis zur Polytechnischen Oberschule des "Arbeiter-und-Bauern-Staats" DDR. Dass der Vortrag wenigstens an letzteren nicht vorbei kam, hat wohl auch viel damit zu tun, dass die bundesdeutsche Beerdigung jener Konzepte mit der Wende 30 Jahre später immer schmerzlicher wahrgenommen wird. Ob diese "Verluste im Vorwärtsschreiten" (Ernst Bloch) mit dem im Vortrag aufgerufenen Bildungsbegriff angemessen thematisiert werden können, bezweifle ich. Damit ist zugleich das größte Defizit des Vortrags benannt – nach einem Semester harter Arbeit am Begriff "Technik" vor allem in der Vorlesung wird dieser auf "Schöpfung menschlichen Geistes" (Böhm u.a. 2003, S. 29 und 38) reduziert.

Verweise:

  • Technik und Bildung. Hrsg. von Laetitia Böhm, Charlotte Schönbeck. Springer-Verlag, Berlin 2003.
  • Jürgen Stahl: Konstruktion - Antizipation und gestaltende Fähigkeit des Subjekts. LIFIS-Online, 22.07.2014.
Hans-Gert Gräbe, 12.01.2020


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