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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2019-01-09


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Digitalisierung: Neue Antworten und alte Fragen

Termin: 09. Januar 2019, 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-11

Thema 1: Sophia Hoffmann: Digitaler Wandel im Fernsehverhalten

Thema 2: Martin Bagehorn: Programmieren und Kunst

Thema 3: Yannik Völker: Digitale Archive

Ankündigung

Thema 1: Digitaler Wandel im Fernsehverhalten

„Die jungen Leute sind wohl für immer für das lineare TV verloren. Sie schauten auf ihren Laptops oder Handys, wann sie wollten, und setzten sich nicht mehr um 20.15 Uhr vor den Fernseher.“ (Fernsehproduzent Michael Souvignier)

Zahlreiche Streamingdienste teilen sich den Markt in Deutschland und versuchen das klassische Fernsehen abzulösen. Die Fernsehsender bzw. Mediengruppen entwickeln Alternativen und zusätzliche Angebote um attraktiv zu bleiben. Oft geht es dabei vor allem um die Flexibilität des Fernsehens „immer und überall“.

In dem Referat soll die Entwicklung des „normalen“ Fernsehens zu mehr Flexibilität bei der persönlichen Programmgestaltung, beispielsweise mit der Bereitstellung von Mediatheken und „Live-Streams" gezeigt werden. Die Veränderung der Fernsehstruktur mit zahlreichen Möglichkeiten lässt sich außerdem anhand der rasanten Entwicklung von Streamingmöglichkeiten aufzeigen. Dabei soll auf die Entstehung, die Vielfalt, u.a. technische Voraussetzungen, Nutzungsverhalten und die verschiedenen Möglichkeiten des Streamings eingegangen werden. In der Diskussion könne die persönliche Nutzung von Streaminginhalten und die Zukunft des Fernsehens erfragt und erörtert werden.

Sophia Hoffmann, 03.01.2019

Thema 2: Programmieren und Kunst

Wo findet Kunst im Programmieren statt und umgekehrt? Welchen Beitrag leisten diese Entwicklungen im Wandel zur digitalen Gesellschaft?

Mit den beiden Begriffen Programmieren und Kunst sind zwei fachfremde, aber miteinander verschränkte Pole gemeint, die sich mit Technik befassen. Der Definitionsbereich ihres Spannungsfeldes wird durch die Medienkunst gefasst. Ihre noch junge Geschichte soll grob behandelt werden sowie deren Bedeutung im digitalen Wandel. Inwiefern Programmieren eine Kunst ist, als Kulturprodukt der Gesellschaft, und welche Kunstformen durch das Programmieren gebildet und nachempfunden werden können, soll ergründet werden. Seit der Aufklärung sammeln sich die gängigen analogen Kunstformen unter den Schönen Künsten, und als Beispiel wird Musik als programmierbare Kunstform genauer betrachtet.

Martin Bagehorn, 28.11.2018

Thema 3: Digitale Archive

Wie gut können digitale Archive die Funktion analoger Archive erfüllen und wie verändert sich das Bedürfnis nach und die Rolle von Archiven in einer Informationsgesellschaft? Um einen Überblick über das Problemfeld zu schaffen werden in dieser Ausarbeitung digitale Archive analogen Archiven in drei Dimensionen vergleichend gegenübergestellt: Die Art der Speichermedien, den Inhalt der Archive, so wie die Funktion von Archiven. Also Papier gegen Bits und Bytes, Eigentumstitel und Flash-Spiele, Vergangenheitsdokumentation und stabile Wikipedia-Links.

Im Zuge dessen wird darauf eingegangen, welche Archiveigenschaften digitale Archive aufgrund ihrer technischen Eigenschaften besonders leicht zur Verfügung stellen können und welche eine Herausforderung darstellen.

Yannik Völker, 02.01.2019

Anmerkungen

Im ersten Vortrag stand der Wandel im Fernsehverhalten auf der Agenda, wobei der – allerdings nicht explizierte – Fokus auf eine spezielle Art von Fernsehen gerichtet war – auf den Konsum von Sendungen von "bleibendem Wert". Damit gemeint sind Inhalte, die aus einer dezidiert künstlerischen (auf welchem Niveau auch immer – auch diese Frage wurde nicht weiter thematisiert) oder zumindest reportageförmigen Produktion stammen, im Gegensatz etwa zu Live-Übertragungen von Sportereignissen, die einer möglicherweise anderen Dynamik folgen.

Für die Vermarktung dieser Inhalte – auch ein solcher Begriff fehlte im Vortrag, der sich allein auf soziologische Untersuchungen von Sehgewohnheiten stützte – wurde eine detaillierte Unterscheidung vorgenommen in Free-TV und Pay-TV für primär deutschsprachige Inhalte. Für Pay-TV wurden eine Reihe von Bezahlmodellen unterschieden, während die Geschäftsmodelle im Free-TV-Bereich ("über 70 Voll- und Spartenprogramme") weitgehend ausgeblendet blieben. Gerade dort werden aber in jüngerer Zeit veritable Auseinandersetzungen zwischen "privaten" und "öffentlich-rechtlichen" geführt um eine angemessene Erweiterung des öffentlichen Auftrags dieser öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten im Kontext neuer digitaler Präsentationsformate. Derartige Auseinandersetzungen sind so alt wie die Wechsel der Leitmedien in den letzten 100 Jahren, das Thema wurde aber nur am Rande in der Diskussion gestreift.

Im Mittelpunkt der Argumentation der Vortragenden stand der eigentümliche Begriff des linearen Fernsehens, der gleichwohl im Feuilleton weit verbreitet ist und wohl an den allgemeineren Begriff lineare Medien anknüpft als "Medien mit fest vorgegebenem Rezeptionsverlauf". In Zeiten, wo allein Astra 19,2 mindestens 1600 Kanäle hostet, also wenigstens so viele "lineare Kanäle" auf jedem Fernseher verfügbar sind, zwischen denen ein Zuschauer beliebig hin und her zappen kann, ist ein solches theoretisches Konzept eine Fiktion. Jeder Sender muss erhebliche Anstrengungen unternehmen, um Zuschauer zu binden und diese Medienfiktion aufrecht zu erhalten. Es gibt ausgeklügelte selbstreferenzielle Analysestrukturen des "Zuschauerverhaltens", um diese Fiktion noch eine Weile zu bedienen.

In der Diskussion wurde deutlich, dass sich hinter dem Begriff nicht-lineare Medien eine einfache Trennung von Kanal und Inhalt verbirgt und allein die kostenpflichtige Beherrschung von Inhalten in einem selbst im Wandel befindlichen Rechtssystem noch gewisse Machtpositionen sichert. In welchem Umfang auch solche Machtpositionen in Zeiten von Open Culture auf Sand gebaut sind, wird die nahe Zukunft zeigen. Eine Thematik allerdings weit jenseits von Vortrag und Diskussion an diesem Nachmittag.

Im zweiten Vortrag ging es um das spannungsvolle Wechselverhältnis von Programmieren und Kunst, was allerdings letztlich im Dickicht einer wenig ausgereiften Argumentation weitgehend auf der Strecke blieb. Das Wechselverhältnis kulminiert in den beiden Fragen "Ist Programmieren Kunst?" und "Muss ein Künstler programmieren (können)?". Wenigstens die zweite Frage ist unbedingt zu bejahen, wenn man den Programmierbegriff nicht zu eng fasst (wie im Vortrag) – jeder (gute) Künstler muss die ihm zur Verfügung stehenden Ausdrucksmittel beherrschen und planvoll einsetzen, um intendierte Wirkungen zu erzielen. Jeder Künstler ist in diesem Sinne auch Techniker, und mancher gute Techniker versteht sich selbst als Künstler. Beide setzen Dingliches in die Welt, das in seinem weiteren Eigenleben eine prozessuale Wirkung auf Dritte entfaltet. Diese Spezifik der Unterscheidung von Designzeit und Laufzeit beschränkt sich also in keiner Weise auf das Programmieren von Computern im engeren Sinne. Ist aber Programmieren Kunst? Man möchte es mit Blick auf das geplant 7-bändige Werk "The Art of Computer Programming" des Informatik-Urgesteins Donald E. Knuth annehmen. Es gibt allerdings gewichtige Argumente, diese These historisch zu relativieren und zu behaupten, dass sich Programmieren der 1990er Jahre und heute so unterscheidet wie handwerkliche und industrielle Produktion. Erstere sei Kunst, zweitere Routine.

Wir landen damit allerdings unvermittelt in einem Ebenenproblem: Was bedeutet es für Künstler und Kunst selbst, die generativen Möglichkeiten moderner Technik für eigene Expression zu nutzen? Muss man da nicht ständig nachjustieren und fragen, auf welche Ebene sich das "Schöpferische" im künstlerischen Prozess verlagert hat? Was bedeutet es für die Aufführungspraxis, wenn – wie im Vortrag vorgeführt – neben der Musik selbst auf dem Saalmonitor auch noch die Log-Files und die Programmcodestrukturen zu sehen sind, die repetitiv durchlaufen werden? Ist das vergleichbar mit dem Konzertbesucher, der besseren Genuss findet, wenn er die Partitur unter dem Arm mit sich herumträgt?

Eine solche Suche nach dem "Schöpferischen" hat allerdings so ihre Fallstricke, wie Herr Kleemann genau auseinandergenommen hat – man bewegt sich damit in einem religiös hoch aufgeladenen Bereich. Denn der SCHÖPFER ist im Gegensatz zu seinen Geschöpfen an keine Kausalität gebunden, jene aber schon – und je technisch aufgeladener, desto mehr ...

Im dritten Vortrag ging es um digitale Archive. Der Vortragende war vorsichtig genug, sich zunächst auf eine harte gesetzliche Grundlage zurückzuziehen und das Thema vom Bundesarchivgesetz her aufzuziehen. Als zweites Beispiel kam das Internet Archive, die "Way Back Machine", auf die Agenda, wo genau ein solcher öffentlicher Auftrag fehlt bzw. sich dieser aus einer zivilgesellschaftlichen Selbstermächtigung ergibt. Im dritten Schritt stellte der Vortragende heraus, dass die Archivierungsmechanismen des Internet Archive mit dynamisch erzeugten personalisierten Webinhalten und Javascript basierten dynamischen Browserinhalten auch weitgehend am Ende sind. Man müsste ja nicht nur die Inhalte, sondern auch die Abspielgeräte konservieren. Damit rücken aber Archive, Museen und Bibliotheken eng aneinander und es gerät (nicht an diesem Nachmittag) die Archäologie ins Blickfeld als Technikwissenschaft, dem Vergangenen Vergessenes zu entreißen.

In der Diskussion wurde dann deutlich, dass es nicht so sehr um Archive geht, sondern um den sozialen Prozess des Archivierens, und zwar von Artefaktischem, "wenn dessen bleibender Wert festgestellt wurde" (so das Bundesarchivgesetz). Die soziale Granularität derartiger "Wertfeststellungsprozesse", die enge Verbindung mit den Konzepten und Strukturierungen von kooperativem Handeln, wie sie in der Vorlesung entwickelt wurden und werden, sind mit den Händen zu greifen. Vortrag und Diskussion blieben allerdings auch hier weit entfernt von solchen Überlegungen.

Hans-Gert Gräbe, 15.01.2019


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