Hans Gert Graebe / Seminar Wissen / 2018-11-28 |
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Termin: 28. November 2018, 15.15 Uhr Ort: Seminargebäude, SG 3-11 Thema 1: Justus Andreas Weber: Solaris - Technik, Mensch und Verantwortung
Thema 1: Solaris - Technik, Mensch und Verantwortung Der Vortrag nimmt Bezug auf das Buch und den Film "Solaris" (Lem 1961, Tarkowski 1972). Vorangestellt wird eine kurze Zusammenfassung der Handlung des Werkes „Solaris“, welche den Rahmen für die im Vortrag folgenden Beobachtungen und Inhalte bildet. Diese sollen im Seminar als Grundlage dienen, um den Ausführungen und Beobachtungen des Vortrags folgen zu können.
Als Näherung an das Thema aus betrachtender Sicht wird einführend der Verantwortungsbegriff (insbesondere bezogen auf die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Technik) im Rahmen des Vortrages gefasst, um anschließend einzelne Handlungselemente – vor allem die Gegenüberstellung von ‚Mensch‘ mit einer unbekannten ‚Superintelligenz‘ – unter diesem Aspekt genauer zu betrachten. Letztendlich soll eine Beobachtung zur möglichen Aktualität des Romans, insbesondere im Hinblick auf das Seminarthema „Aspekte des digitalen Wandels“ erfolgen. In diesem Zusammenhang sollen vor allem die im Buch dargestellten – fiktiven – Problemfelder in einen Vergleich mit möglichen Aktuellen gesetzt werden, die real existieren. Justus Andreas Weber, 15.11.2018 Ergänzung (Gräbe):
Das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr hat ebenfalls reagiert und eine Digitalisierungsstrategie für den Freistaat Sachsen entwickelt. Anhand von fünf strategischen Zielen und abgeleiteten Handlungsfeldern werden Vorgehensweise sowie Schwerpunktbereiche definiert, für die der Freistaat Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten durch Regierungshandeln sieht. Letzteres wird durch konkrete staatliche Maßnahmen operationalisiert. Insgesamt wurden in der aktualisierten Fassung der Digitalisierungsstrategie 81 Maßnahmen überarbeitet und 19 neu gemeldet. Im Vortrag werden die fünf Strategien, Handlungsfelder und Maßnahmen des Freistaates Sachsen vorgestellt und anschließend im Hinblick auf Bedeutung, Aktualität und Einflussmöglichkeiten eingeordnet. André Soudah, 22.11.2018
Im ersten Vortrag ging es um die Frage, wie man sich dem Thema "Technik, Mensch, Verantwortung" von künstlerischer Seite nähern kann. Dies wurde am Thema "Solaris" besprochen, in dem Stanislaw Lem und Andrei Tarkowski bereits in den 1960er und 1970er Jahren die Frage aufwerfen, in welchem Umfang die Menschheit auf ihrem aktuellen Entwicklungsstand fähig ist, mit den selbst geschaffenen technischen Möglichkeiten verantwortungsvoll umzugehen. Eine erste Umfrage in der Diskussion zeigte, dass außer dem Vortragenden und den beiden Seminarleitern niemand Lems Buch oder Tarkowskis Film kannte. Ich werde in diesen Anmerkungen deshalb auch stärker auf die Potenziale und Beschränkungen künstlerischer Darstellungen überhaupt eingehen, die sich daraus ergeben, dass ein Künstler einen Handlungsplot erzeugen muss, mit dem er seine eigenen Anliegen transportieren kann. Neben der Sprachform, die im Zentrum unseres Kurses steht, hat ein Künstler vielfältige stilistische Mittel zur Verfügung, in denen Sprachform und Wirkung in engem symbiotischen Verhältnis letztlich Eindruck beim Rezipienten hinterlassen sollen, wobei jener Eindruck nicht allein das Ergebnis intendierter Wirkung ist, sondern einer komplexen Interpretation des Rezipienten auf dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrungswelt entspringt. Der Zusammenhang zwischen Buch und Film "Solaris" ist noch komplexer, denn der Film nimmt das vorgefundene Material des Buchs und damit Lems Interpretation und reinterpretiert das Ganze auf einem modifizierten Plot und einem anderen künstlerischen Erfahrungshorizont. Derart vielfach iterierte Interpretationen – wir hatten sie auch in der Vorlesung aus einer ganz anderen Perspektive vorgefunden – sind nichts Ungewöhnliches in der Kunst, wie andere Verfilmungen literarischer Vorlagen zeigen, die sich mehr oder weniger stark von ihren Vorlagen abheben. Herr Kleemann machte in der Diskussion deutlich, dass viele künstlerische Werke ohne die großen gesellschaftlichen Debatten nicht verständlich werden und zu jenen spezifische Beiträge leisten. So geht auch das Thema "Solaris" auf eine wichtige Debatte ein – was zeichnet Intelligenz und damit letztlich Mensch sein aus. Interessanterweise nimmt die Teildebatte um künstliche Intelligenz mit Wurzeln in der Kybernetikdebatte vor über 60 Jahren heute wieder deutlich an Fahrt auf, und es ist nur legitim, sich die Antworten oder auch nur Fragen anzusehen, die hierzu zu jener Zeit gegeben oder gestellt wurden. Lem (Galizien) und Tarkowski (Russland) greifen in ihren Antworten zusätzlich auf kulturelle Traditionen zurück, die in der Selbstgefälligkeit rezenter anglo-westeuropäischer Denktraditionen gern unter den Tisch fallen. In der Vielfalt der Handlungsdimensionen von Buch und Film stand in unserer Diskussion die Frage im Vordergrund, was Intelligenz eigentlich auszeichnet. Lem stellt diese Frage in den Kontext einer Begegnung mit einer "Erscheinung" planetaren Ausmaßes, der im allgemeinen Urteil in Gänze etwas wie "Intelligenz" zugebilligt wird. Wie gehen die Menschen damit um? Kann man so etwas "erforschen" im herkömmlichen Sinn, wie es in Buch und Film die "Solaristik" 10 Jahre erfolglos versucht hat? Warum stellt niemand die nahe liegende Frage, was jenes "Wesen" wohl mit uns macht, wenn es wirklich "intelligent" ist? Lems Buch endet – wie viele seiner Bücher und Erzählungen – damit, dass diese Dimension begriffen wird und sich Menschen von jenem "Wesen" "untersuchen" lassen. Der Kontakt ist gelungen, eine kommunikative Situation hergestellt. Tarkowski, so meine Interpretation in der Diskussion, geht weiter – es geht nicht nur darum, Kontaktversuche als solche zu erkennen und Kontakt herzustellen, sondern zu verständigem Handeln zu finden, indem das "Wesen" nicht nur die für Menschen bedrohlichen psychischen Kommunikationsformen mit dem Verschwinden von Hari einstellt, sondern diese seine spezifischen Fähigkeiten als Hilfe zum Einsatz bringt – selbstloses Handeln als hohe Form von Intelligenz und die Fähigkeit, solches Handeln als "Begünstigter" auch zu erkennen und damit schließlich eine höhere symbiotische Ebene zu gewinnen, so meine Interpretation der Schlussszene des Films. Zwei sehr verschiedene Antworten auf eine Frage, ausgerollt auf demselben künstlerischen "Plot". Dass Lem mit dieser Weiterentwicklung des Sujets durch Tarkowski nicht glücklich ist, wie im Vortrag unterstrichen wurde, öffnet eine weitere Dimension von Kunst, die in vielen modernen Theateraufführungen mehr als strapaziert wird: Auf demselben künstlerischen Plot kann man verschiedene Antworten geben. Oft sind es dann allerdings auch verschiedene Fragen, die mit künstlerischen Mitteln verhandelt werden. Fragen und Antworten lassen sich dabei (jenseits eines platten Agit-Prop-Kinos) allerdings nicht mehr so einfach trennen, denn Antworten und deren gesellschaftliche Befestigung führen zu neuen Fragen. Das Ganze heißt dann Erkenntnisprozess. Eine letzte Anmerkung eines Tarkowski-Fans im Kontext unseres Modulthemas: "Solaris" greift die Frage auf, was intelligentes menschliches Handeln ausmacht, also eher die inneren Momente von Handeln in einer in Film und Buch diffus bleibenden homogenen Gesellschaftlichkeit. Die uns interessierenden Fragen des Verhältnisses von gesellschaftlich dominanten Verfahrensweisen und privatem Verfahrenskönnen im Konflikt zwischen ordnungsrechtlich und privatrechtlich begründetem Handeln, im Konflikt zwischen Disziplinarmacht und Gestaltungsmacht (entlehnt von Foucault) thematisiert Tarkowski deutlicher im Film "Andrei Rubljow". Im zweiten Vortrag ging es um Digitalisierungsstrategien im Freistaat Sachsen, die sich aktuell vor allem in der Digitalen Offensive Sachsen sowohl konzeptionell als auch praktisch manifestiert. Für Details sei auf die Folien verwiesen. Im Vortrag und der Diskussion wurde die Ambivalenz der Ansätze unterstrichen, die mit der Geschwindigkeit der technischen Entwicklungen nicht Schritt halten. Insbesondere wurden Diskrepanzen deutlich und diskutiert zwischen den theoretischen Argumentationslinien entsprechender Grundlagendokumente und praktischem Verwaltungshandeln. Bei ersterem spielt der Begriff einer "digitalen Infrastruktur" in einem durchaus komplexen Verständnis eine Rolle, allerdings verfangen sich die Argumentationslinien dann im ideologischen Gestrüpp einer Hypertrophierung privatwirtschaftlicher Entwicklungspotenziale, während auf der praktischen Seite die Konzentration der geringen investiven Mittel auf den Ausbau der technischen Infrastruktur vom Vortragenden durchaus als Erfolg gewertet wurde. Meine Frage nach prinzipiellen Grenzen von politischem Handeln öffentlicher Hände (in ihrer bundesdeutschen Vielfältigkeit) im Kontext eines demokratisch verfassten und der Gewaltenteilung verpflichteten Gemeinwesens, in dem Verwaltungshandeln grundsätzlich aus den Regularien des Verwaltungsverfahrensgesetzes zu begründen ist, blieb leider auch diesmal unbeantwortet. Hans-Gert Gräbe, 02.12.2018
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