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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2018-05-17


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Termin: 17. Mai 2017, 15.15 Uhr
Termin: 17. Mai 2018, 15.15 Uhr

Kooperative digitale Praxen

Termin: 17. Mai 2018, 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-13

Thema 1: Ilyana Balakova: Social Media und Social Bots

Thema 2: Ned O'Hara: Das Leipziger Basislager und Startup-Kulturen im Informatikbereich
Ankündigung

Social Media und Social Bots

Twitter oder Facebook, soziale Plattformen sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Social Media bezeichnet eine Vielfalt digitaler Medien und Technologien, die es Nutzern ermöglichen, sich untereinander auszutauschen und medial Inhalte zu gestalten. Als Grundlage wird zuerst der fachspezifische Begriff „Social Media“ definiert. Danach wird das Klassifikationsschema für Social Media Plattformen von Kaplan und Hänlein illustriert und erläutert. Die Frage, wie Social Media Ansätze in Unternehmen eingesetzt werden, wird an einem aktuellen Anwendungsbeispiel der Allianz SOS App dargestellt. In dem weiteren Teil des Referates liegt der Fokus auf Social Bots, da die soziale Netzwerke sehr oft sowohl als Informationsquelle als auch als Ort der Meinungsbildung eine immer bedeutendere Rolle spielen. Deshalb stellt sich die Frage, inwieweit Social Bots dazu beitragen können, Nutzer durch gezielte Informationen zu unterstützen oder auch durch Desinformation zu manipulieren und so die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Es wird eine Abgrenzung zwischen „Good Bots“ und „Bad Bots“ sowie auch ihr Einfluss auf die heutige Gesellschaft diskutiert.

Iliyana Balakova, 09.05.2018

Das Leipziger Basislager und Startup-Kulturen im Informatikbereich

Coworking ist ein Phänomen, das gerade zum Beginn eines Informationszeitalters auftaucht. Die Geschichte zeigt uns, dass sich die Tätigkeiten in unserer Ökonomie drastisch verändern, nach einem Anstieg von kollektiven Kommunikationsfähigkeiten. Seit der Etablierung von Informationstechnologie hat sich unsere Sozialstruktur verändert – dank der Technologie, die unsere sozialen und professionellen Netzwerke vergrößern.

Dabei hat sich nicht nur unsere Fähigkeit zur Kommunikation verändert, sondern auch ihre Struktur. Parallel zum Coworking-Phänomen entstehen neue delokalisierte Arbeitsweisen, die etablierte hierarchische Strukturen ersetzen, um Kunden der neuen Sharing Economy ihre Bedürfnisse zu erfüllen.

Meine Forschung ist ein Versuch, dieses neue Phänomen, seine Herkunft und Auswirkungen zu verstehen, sowie die Bedeutung dieser neuen Arbeitsweise für die nächste Generation auszuleuchten.

Ned O'Hara, 14.05.2018

Anmerkungen

Im Vortrag über das Leipziger Basislager Coworking und dessen "Bewohner" gestattete der Referent einen Einblick in den Maschinenraum des digitalen Wandels und die Denkweisen der dort beschäftigten "Proletarier".

Proletarier heißen jene Wesen wenigstens noch bei Karl Marx und Friedrich Engels im Kommunistischen Manifest, in welchem im ersten Kapitel "Bourgeoisie und Proletarier" die beiden Spezies links und rechts vom Leipziger Petersteinweg – die Finanzierer und damit Besitzer und die Aktiven des Leipziger Basislagers – einander gegenübergestellt werden, um dann im zweiten Kapitel das Verhältnis von "Proletariern und Kommunisten" zu beleuchten. Wie viel vermag ein solcher 160 Jahre alter Text über heutige Verhältnisse noch auszusagen? In der Euphorie des Referenten über die Schaffensbedingungen im Basislager war kaum zu klären, ob er sich denn nun als "Proletarier" oder "Bourgeois" verstehe bzw. was Begriffe von abhängiger Beschäftigung heute überhaupt noch auszusagen vermögen, wenn die Teilhabe an der Infrastruktur durch Mieten eines Arbeitsplatzes (in rein physischem und nicht gewerkschaftlichem Verständnis des Begriffs) und nicht durch Verdingung als Lohnarbeiter erfolgt. Dass der Referent selbst prekär lebt und froh über die im Basislager gebotene Opportunität ist, schien kaum einer Bemerkung wert, denn eigene Prekarität ist kein Alleinstellungsmerkmal unter den Aktiven des Basislagers. Allein die Formen der Prekarität haben sich in den letzten 160 Jahren gewandelt, und man kann heute auch als Unternehmer, als Vermarkter der eigenen Arbeitskraft, als "Arbeitskraftunternehmer" (Voß/Pongratz) prekär leben. Aber Proletarier? Eben Moglen reformuliert in seinem dotCommunist Manifesto den alten Gegensatz als einen solchen zwischen "Creators and Owners". Die Creators, die Kreativen (auf der rechten Seite des Petersteinwegs), kreieren, die Owner, die Eigner (auf der linken Seite des Petersteinwegs), eignen sich das Kreierte an. Eine spannende neue Perspektive auf einen alten Widerspruch. Hält sie, was sie verspricht oder ist sie auch etwas zu einfach gestrickt?

Dies soll hier nicht vertieft werden, denn die Reflexionshorizonte im Vortrag waren weit von derartigen Zusammenhängen entfernt. Die Enge und der apodiktische Charakter der vorgetragenen Argumente hat mich – nach vielen ähnlichen Debatten – allerdings nicht überrascht, zumal ich selbst die Probleme der Aneignung des historischen Erbes von Denktraditionen nur zu gut kenne. Und es kann auch nicht so sein, dass die Kenntnis eines ganzen Kanons von Literatur als Initiationsritus vorausgesetzt wird, bevor man in den Stand der "Wissenden" (Mittelstraß) aufgenommen wird, denen allein es zugestanden wird, über eigene praktische Erfahrungen öffentlich zu reflektieren. Allerdings muss sich die Unbedarftheit von Positionen konstruktive akademische Kritik gefallen lassen, um das Reflexionsniveau gemeinsam zu verbessern.

Eine der grundlegenden Erfahrungen der Aktiven im Basislager scheint die Wahrnahme jenes Orts als Ort der Wissensvermittlung zu sein. Mehr noch scheinen derartige Wissensvermittlungsprozesse zentral für das Funktionieren des Basislagers zu sein und verschiedene Formen dieser Prozesse weitreichende Auswirkungen auf Formen der Unternehmensorganisation und damit Formen des gesellschaftlichen Umgangs miteinander zu haben. Dass dies auch Prozesse der "inneren Landnahme" (etwa Graefe 2005) sind, wurde in der Diskussion nur kurz angerissen. Viel intensiver diskutiert wurde die enge Verbindung von neuen Formen der Wissensvermittlung und neuen Wissensordnungen, die verschiedene Potenziale von Selbstentfaltung, Selbstverwirklichung, aber auch Selbstausbeutung in sich tragen, siehe dazu auch (Peters 2006).

Diese Erfahrung tauchte im Vortrag in zwei Formen auf – einmal in der Diskussion um die Begriffe "sharing economy" und "Wissensmonopol" sowie andererseits um die Begriffe "Coworking" und "Holokratie". Die Reflexion dieser Erfahrung kam in beiden Fällen sehr abstrakt und unhistorisch längs eingängiger Schlagworte daher – dass über solche Fragen wenigstens seit Beginn der Bewegung um Freie Software und Open Source intensiv debattiert wird, blieb im Vortrag komplett außerhalb des Reflexionshorizonts, siehe etwa (Raymond 1999), (O'Reilly 2005) oder den Film "Revolution OS".

In der Diskussion stand die Frage nach einem tragfähigen Wissensbegriff im Vordergrund, der vor allem ein Phänomen abbilden muss – Wissen ist eine Ressource, die sich beim Teilen vermehrt. Wissen privat zu teilen bedeutet, es gesellschaftsmächtig zu verdoppeln, da im Teilen die Basis der Subjekte vermehrt wird, die dieses Wissen handlungsmächtig einzusetzen vermögen. Damit wird gesellschaftlich verfügbares Verfahrenswissen in individuell und kooperativ verfügbares Verfahrenskönnen verwandelt und so praktisch verfügbar. Eine solche Vermehrung von Wissen bedeutet aber auch, dass es – nicht nur ökonomisch – wohlfeiler wird und sich in Richtung eines allgemein verfügbaren "Stands der Technik" entwickelt, der im ökonomischen Alltagsgeschäft perspektivisch nicht mehr hintergehbar ist. Wer das nicht "kann", ist raus aus dem Geschäft. Klassische ökonomische Grenzkostenkalküle sind damit am Ende, denn die Grenzkosten derart wohlfeilen Wissens sind gleich null. Es bedarf also auch neuer ökonomischer Modelle, die in der Lage sind, derart hochdynamische Prozesse weit entfernt von Gleichgewichtslagen zu beschreiben – eine weitere Herausforderungen an Beschreibungsformen des digitalen Wandels.

Literatur:

Im Vortrag Social Media und Social Bots ging es um zwei Schlagworte, welche die heutigen Debatten prägen. Die Dekonstruktion derartiger mit vielfältigen Perspektiven aufgeladenen Begriffe und deren Einordnung in den historischen Diskurs ist oft schwierig. Ich gehe von der Beobachtung aus, dass eines der zentralen Momente des digitalen Wandels die wachsende Bedeutung technischer Artefakte in der Organisation sozialer Prozesse ist. Dieses Moment hat zwar mit dem Anbruch des Mobilfunkzeitalters noch einmal stark an Bedeutung gewonnen, seine Wurzeln finden sich aber in Geräten und Prozessen deutlich vor Anbruch jener Zeit, in PDA's – personal digital assistents –, Desktops und der Informatisierung innerbetrieblicher Prozesse. Die erste Auflage von Lessigs Buch Code and Other Laws of Cyberspace ist fast 20 Jahre alt wie auch die Erfahrung im Kundenkontakt "Das lässt mich der Computer nicht eingeben", mit der klare firmeninterne Regelungen hinter der "Macht" eines technischen Artefakts versteckt werden.

Im Kontext des Vortrags drängen sich damit zwei Fragen auf:

  1. Lassen sich Medien sinnvoll von den Kontexten ihres Gebrauchs abheben?
  2. In welchem Verhältnis stehen Medien und Praxen?
Die erste Frage scheint die Referentin mit der Definition

Social Media umfasst webbasierte Medien und Werkzeuge, damit die Nutzer untereinander und in Gemeinschaften mediale Inhalte gestalten und austauschen können. Soziale Interaktionen und kollaboratives Arbeiten ersetzen klassische Kommunikationsformen durch vernetzte Dialoge und Zusammenarbeitsformen.

positiv zu beantworten. Diese begriffliche Fassung ist aber eigenartig selbstreferentiell – "soziale Medien" werden über "Medien und Werkzeuge" sowie "mediale Inhalte" definiert, "soziale Interaktionen" und "kollaboratives Arbeiten" unvermittelt "klassischen Kommunikationsformen" gegenübergestellt, als ob es erstere erst seit Anbruch des digitalen Zeitalters geben würde. Zwei Folien weiter wird eine "Klassifikation sozialer Medien" präsentiert, die vor allem eines ist – eine Klassifikation sozialer Medien nach verschiedenen Einsatzpraxen und damit eine negative Antwort auf die erste Frage.

Damit ist die Grundlage fragil, über Social Bots zu sprechen oder gar eine Unterscheidung in "Good Bots" und "Bad Bots" zu begründen. In der Diskussion wird deutlich, dass derartige Begriffe ohne Kontextualisierung ihres Gebrauchs leer bleiben müssen. In der medialen Diskussion ist vor allem der Gebrauch von Social Bots innerhalb großer sozialer Netzwerke mit entsprechend hohem Einflusspotenzial. Der Gebrauch von Social Bots in derartigen Kontexten bewegt sich aber im Fahrwasser des Gebrauchs automatisierter Verfahren in der innerbetrieblichen IT und ist somit ein Moment der Informatisierung von Produktion und Gesellschaft. Wir sind weniger mit einem ethischen ("gut und böse") als vielmehr einem Problem des technology assessment konfrontiert, einem gesellschaftlichen Prozess der Assimilation einer neuen Technologie, in welchem deren Janusköpfigkeit in zu schaffenden adäquaten gesellschaftlichen Regelungen und Institutionen aufgefangen wird. Das Beispiel einer "political data science" (Video im Vortrag) wie auch die Diskussion um Facebook und Cambridge Analytica sind Teil dieses politischen Prozesses.

In der Diskussion wurde besonders der Begriff Authentizität aufgegriffen, der eng mit einem vordigitalen Medienbegriff verbunden ist. Synchronität von Broadcastmedien sowie das Anspruchsniveau von Qualitätsjournalismus waren Basis für die Wahrnahme von Authentizität der Medien jener Zeit, von der auch das Internet als Medium lange zehren konnte, obwohl die technische Basis für Homogenität längst nicht mehr gegeben war. Mit der Offenlegung der konzertierten Planung und Umsetzung von Fake News Kampagnen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung hat diese Wahrnahme von Authentizität noch einmal einen gehörigen Knacks bekommen, wirkungsvoller als jede Kampagne der "Medienerziehung". Dass Social Bots als Werkzeuge derartiger Kampagnen eine wichtige Rolle spielen, darf nicht verschleiern, dass es nicht um die Medien selbst geht, sondern um die Kontexte ihres Gebrauchs in konkreten gesellschaftlichen Praxen. Die Werkzeuge als "Bad Bots" zu schelten ist ähnlich naiv wie im Eingangsbeispiel den Computer für das Versagen einer vertraglichen Regelung.

Die wahren Verhältnisse sind nicht durch die Technologie getriggert, sondern durch Akteure, die Technologie für je eigene Zwecke nutzen.

Literatur:

  • Lawrence Lessig (2000): Code and Other Laws of Cyberspace. Mehrere spätere Auflagen.
Hans-Gert Gräbe, 21.05.2018


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