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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
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* Seminararbeit "Digitalisierung der Fitnessindustrie" von Martin Schöbel.

Medizin im digitalen Wandel

Termin: 16. Mai 2017, 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-10

Medizin im digitalen Wandel. Vortrag und Diskussion mit Sebastian Schlegel und Martin Schöbel.

  • Folien zum Vortrag.
  • Seminararbeit "Die elektronische Gesundheitskarte (eGK). Eine explorative Betrachtung" von Sebastian Schlegel.
  • Seminararbeit "Digitalisierung der Fitnessindustrie" von Martin Schöbel.
Ankündigung

eHealth, Telehealth, EHR, eGk, Mobile und Wireless Health, sind Begriffe die wir in den letzten Jahren immer häufiger lesen. Apps und Fitnesstracker sagen uns, wie viele Schritte wir gehen sollen, und unsere Handys können den Puls und den Blutzucker messen. Wie sah es in der Medizin vor all diesen Neuerungen aus? Was sind die Chancen und Risiken dieser Entwicklung? Der Fokus des Vortrages soll den aktuellen Stand der Medizin betrachten, die Möglichkeiten, die jeder von uns im Privatleben hat, und was die Chancen und Risiken dabei sind.

Sebastian Schlegel, Martin Schöbel, 9.5.2017

Anmerkungen

Unter der Überschrift "Private Gesundheitsinformationen im digitalen Zeitalter" ( Seminararbeit) waren Aspekte des Themas bereits im Wintersemester 2013/14 auf der Agenda des Seminars. Seither haben sich die technischen Möglichkeiten stürmisch weiterentwickelt.

Im Vortrag wurde zunächst die Digitalisierung bestehender Beschreibungsformen (Patientenakte, Arztbriefe, Diagnostikergebnisse, Abrechnungen mit den Krankenkassen) thematisiert, wobei sich in diesem Bereich die Konsequenzen der Veränderungen im Gesundheitswesen wenig von denen in anderen Teilen von Wirtschaft und Gesellschaft unterscheiden. Mit einer solchen Digitalisierung von Beschreibungsformen eröffnen sich vor allem neue algorithmische Möglichkeiten zur Verbesserung der Zugänglichkeit von Informationen sowie der Reorganisation von Betriebsabläufen in bestehenden Organisationen – hier vor allem Arztpraxen, Krankenhäuser und Krankenkassen.

In Bezug auf die Behandlung einzelner Patienten bewegen sich diese Änderungen, so sehr sie im Detail auch betriebsinterne Prozesse umkrempeln (etwa beim Übergang von der Papierakte zur elektronischen Patientenakte), längs etablierter Organisationsstrukturen und sind von ihrem Potenzial eher unspektakulär, auch wenn die schnellere und vollständigere Zusammenführung von Informationen zum jeweiligen Patienten bessere und genauere Diagnosen und damit zielgerichtetere Behandlungen ermöglicht. Ähnliches gilt für die Telemedizin, die bewährte Verfahren und Vorgehensweisen wie ärztliches Konsilium oder Diagnostik mit Großgeräten (siehe auch den Vortrag am 25.4.2017 zu NMR) mit neuen Möglichkeiten des Internets verbindet.

Neue Möglichkeiten mit deutlich größerem Konfliktpotenzial ergeben sich bereits bei der detaillierteren Auswertung von Patientendaten durch die Krankenkassen. Die Verarbeitung entsprechender Abrechnungsdaten und ihre personenbezogene Zuordnung ist auftragsgemäß erforderlich und war dies auch in vordigitalen Zeiten. Dabei galt es schon immer medizinische personenbezogene Daten nur in einem solchen Umfang zu übermitteln, wie dies für den Auftrag der Krankenkassen erforderlich ist, wozu zum Beispiel entsprechende Krankheitsschlüssel eingeführt wurden. Heute ist es möglich, auf digital verfügbaren derartigen Daten Muster zu identifizieren und damit (genauer als bisher) Risikogruppen zu identifizieren und einzugrenzen. Wie immer in solchen Fällen entsteht die Frage, was derartige Muster mit Kausalitäten zu tun haben und inwiefern damit Praxen gerechtfertigt werden können, die auf solchen Risikomustern basieren. Derartige Entscheidungen sind Gegenstand gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse und letztlich ordnungsrechtlicher Festlegungen von Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich Krankenkassen bewegen müssen.

Noch komplexer und ambivalenter wird die Diskussion um Vor- und Nachteile bei der Zusammenführung medizinischer Daten zu einer Person aus verschiedenen Quellen über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) bzw. den electronic health record (EHR). Diese aus medizinischer Sicht für die Behandlung konkreter Patienten zu begrüßende Datenzusammenführung – damit lassen sich Mehrfachuntersuchungen vermeiden und Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Krankheitserscheinungen sicherer erkennen – wirft eine Reihe grundsätzlicher Fragen zur Gestaltung einer Dateninfrastruktur auf, die Missbrauch durch unbefugtes Zusammenführen dieser Daten verhindert. Schließlich ist das Arzt-Patienten-Verhältnis Teil einer inneren Privatsphäre, die auch grundgesetzlich geschützt ist. Neben solchen Fragen des geschützten Datenzugangs stehen Fragen der Datenverfügbarkeit und Datensicherheit, die Lösungen mit einem "single point of failure" ausschließen und damit anspruchsvolle Anforderungen an ein entsprechendes Infrastrukturdesign stellen. Im Lichte von Wikileaks stellt sich die Frage, ob ein solches Design sozio-technisch überhaupt möglich ist bzw. in welchem Umfang dabei technische und rechtliche Aspekte ineinander greifen müssen.

Das Zusammenführen von Patientendaten ist auch aus wissenschaftlicher Sicht erforderlich, um die empirische Basis unseres Wissens über Krankheiten und Krankheitsverläufe weiterzuentwickeln. Hier gibt es mit der Pseudonymisierung von Patientendaten bewährte vordigitale Praxen, um die Zusammenführung von Aspekten einer Krankengeschichte zu gewährleisten, diese aber von Verweisen auf konkrete Personen zu trennen. Ein solcher Ansatz lässt sich mit digitalen Identitäten leicht übertragen, allerdings ergibt sich die Frage, ob die Potenziale gefilterter Mustersuchen Pseudonymisierungen im bisherigen Verständnis aushebeln. Erinnert sei hier an die Möglichkeit des Verfolgens von Surfverhalten einzelner Personen an Hand ihrer Browsersignaturen. Auch stehen sich die Anforderungen der Pseudonymisierung und der sicheren realweltlichen Personenidentfizierung im Kontext eines EHR diametral gegenüber. Insgesamt ergibt sich ein ambivalentes Bild dessen, wo wir als Gesellschaft genau hinwollen.

Während eine solche gesamtgesellschaftliche Diskussion eher zaghaft geführt wird, geht es im Fitnessbereich mit Datenerfassung über Fitness-Armbänder und andere persönliche Geräte bereits deutlich zur Sache. Privatheit wird hier durch die private Anschaffung und private Nutzung derartiger Geräte suggeriert. Ob allerdings die dabei verwendeten Apps diese Privatheit auch respektieren bleibt im Einzelfall zu untersuchen. Auf alle Fälle werden durch diese Anwendungen Praxen geschaffen, die einen erheblichen Einfluss auf die weitere Diskussion um Für und Wider der Ausgestaltung von Privatheit in diesem sensiblen Bereich haben werden.

Hans-Gert Gräbe, 18.5.2017


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