Estland hat nach der Loslösung von der Sowjetunion 1987 große Anstrenungen in Richtung des Ausbaus einer landesweiten sozio-technischen Infrastruktur unternommen, die modernste digitale Kommunikationskonzepte umsetzt. Fragen nach möglichen negativen Konsequenzen des Einsatzes solcher Technik wurden zu Gunsten pragmatischer Ansätze hintangestellt, mit dem Personal Data Protection Act und dem Data Protection Inspectorate wurden auch rechtliche Regelungen und staatliche Institutionen geschaffen, mit denen in einer so (daten)-offenen Welt auch über Missbrauch von Daten verhandelt werden kann. Mit dem Ansatz, zunächst sozio-technische Lösungen zu installieren und auf der Basis praktischer Erfahrungen mit deren Einsatz technische und rechtliche Adjustierungen vorzunehmen, geht Estland einen sehr eigenen Weg in die digitale Zukunft. Die Ergebnisse dieses Wegs sind genauer zu studieren, um Optionen den eigenen Weg des digitalen Wandels besser zu verstehen.
Estland hat nach der Loslösung von der Sowjetunion 1987 große Anstrengungen in Richtung des Ausbaus einer landesweiten sozio-technischen Infrastruktur unternommen, die modernste digitale Kommunikationskonzepte umsetzt. Fragen nach möglichen negativen Konsequenzen des Einsatzes solcher Technik wurden zu Gunsten pragmatischer Ansätze hintangestellt, mit dem Personal Data Protection Act und dem Data Protection Inspectorate wurden auch rechtliche Regelungen und staatliche Institutionen geschaffen, mit denen in einer so (daten)-offenen Welt auch über Missbrauch von Daten verhandelt werden kann. Mit dem Ansatz, zunächst sozio-technische Lösungen zu installieren und auf der Basis praktischer Erfahrungen mit deren Einsatz technische und rechtliche Adjustierungen vorzunehmen, geht Estland einen sehr eigenen Weg in die digitale Zukunft. Die Ergebnisse dieses Wegs sind genauer zu studieren, um Optionen den eigenen Weg des digitalen Wandels besser zu verstehen.
Digitaler Wandel in Estland
Termin: 20. Januar 2015, 15.15 Uhr
Ort: Seminargebäude, SG 3-12
Thema: Digitaler Wandel in Estland. Vortrag und Diskussion mit Robert Terbach.
Ankündigung
Trotz nur knapp über 1,3 Millionen Einwohnern ist es Estland gelungen, die Aufmerksamkeit der Welt auf sich zu ziehen. Mit seiner stark auf Digitalisierung ausgelegten Strategie konnte Estland einen effizienten Staatsapparat aufbauen, seine Bürger auf dem Weg aus sowjetischer Unterdrückung in die Demokratie mitnehmen und fruchtbaren Boden für Technologiefirmen anlegen. Konsequente Infrastruktur- und Bildungsinvestitionen haben staatliche sowie medizinische Dienste, Banken und die Bildung online zugänglich gemacht. In einigen Schulen wird Programmieren ab der 7. Klasse gelehrt, ein Drittel der Wähler geben ihre Stimme elektronisch ab.
Dem gegenüber stehen große Diskussionen über Privatspähre und Freiheit sowie der Hackerangriff auf die Estnische Regierung 2007. Das Referat will einen Überblick über den digitalen Raum Estland geben, Hintergründe und Folgen der Digitalisierung erläutern und die Frage stellen, ob E-Stonia mit staatlichen digitalen Identitäten und großen Datenbanken einen Großen Bruder erschafft oder Instrumente demokratischer Freiheit verfügbar macht.
1996 von Toomas Hendrik Ilves vorgeschlagen (damals Botschafter in USA)
Große Investments in Netzinfrastruktur insbesondere Schulen sollten Internetzugang und Computer bekommen
Programmieren in der weiterführenden Schule, teilweise integriert in andere Fächer
Mit Progetiiger befindet sich gerade ein weiteres Programm im Aufbau, das bisher an über 20 Schulen schon ab der ersten Klasse Programmieren lehrt.
Dieses Projekt zeigte schnell Wirkung, heute sieht es quasi überall so aus:
Vernetzung
80% Breitbandausbau
Öffentliches WLAN an über 2500 AccessPoints ~100% Abdeckung in Tallinn
4G-Netze decken 95% der Landesfläche ab
Preislich mit Festnetz konkurrenzfähig, viele haben keinen Festnetzanschluss mehr
90% der Bevölkerung sind Internetznutzer
Auch wirtschaftlich zeigte sich Wirkung, junge talentierte Leute gründen Techfirmen: Skype kommt aus Estland, Kazaa, viele weitere Startups
Dienste
eID
eingeführt im Januar 2002
enthält ausschließlich 2 Zertifikate, keine Daten
Public-Key Infrastruktur, ermöglicht Authentifizierung und Signierung
Rechtlich mit Unterschrift gleichgestellt
Daten auf den Servern sind 2048 bit verschlüsselt
Die Karte ist nicht nur Ausweis, sondern auch Nachweis der Krankenversicherung, Führerschein, ÖPNV-Ticket und Geldkarte
Medizinsektor
Rezepte digital, können per Internet verschrieben werden, gerade für ältere, chronisch Kranke sehr nützlich!
Patientenakte digital & zentral
Steuern, Schule, Hochschulbewerbung
Steuererklärung - 95% machen das Online
Schulnoten & Material (Hausaufgaben, Informationn, Fehlstunden, Beurteilungen) online einsehbar, Kommunikation
Schulabschlussnoten werden u.a. per SMS versendet, Bewerbungen an Universitäten können dann direkt einfach geschickt werden
Wahlen: Neben dem klassischen 'auf Papier wählen' kann man in Estland noch mit seiner eID über das Internet wählen oder per SMS
SMS über spezielle SIM-Karten
Anonymität gewahrt, Authentifizierung unabhängig von der Stimme (2 PINs)
2005 war die Erste e-Wahl möglich
2013 waren über 30% der Stimmen bei der EU-Wahl digital, 10% der Wähler würden klassisch nicht wählen gehen
Digitale Staatsbürgerschaft
Für jeden auf der Welt zu erwerben (50€ Bearbeitungsgebühr)
Man erhält eine eID und Zugriff auf fast alle Online-Dienste
Die Ziele sind durchaus ambitioniert, es sollen in den nächsten 10 Jahren 10 Millionen 'digitale Esten' enstehen
Klar im Vordergrund steht hier der Versuch wirtschaftlich international konkurrenzfähiger zu werden. Man will Firmengründungen erreichen, die in Estland Steuern zahlen.
Datenschutz
Persönliche Informationen die als vertraulich angesehen werden: politische Meinungen, Glaube, Herkunft, sexuelle Orientierung, Angaben über die gesundheitliche Verfassung oder Vorstrafen dürfen nicht ohne die Einwilligung des Bürgers verarbeitet werden.
Es muss einen Beauftragten in jeder Firma geben, der für die Vertraulichkeit dieser Daten sorgt
Dieser Verantwortliche muss angemeldet sein beim Data Protection Inspectorate.
Jeder Zugriff auf Personenbezogene Daten wird protokolliert und den Betroffenen mitgeteilt
Data Protection Inspectorate
Die Hauptaufgabe des DPI ist der Schutz der Individuen vor den staatlichen Autoritäten, also Ämtern zu schützen, ebenso wie auch der bereits angedeutete Schutz vor Firmen.
Mittlerweile erfordert jedoch, mit steigender Tendenz, der Schutz des Individuums vor anderen Einzelpersonen immer mehr Aufmerksamkeit. Immer mehr persönliche Daten landen im Netz (Social Media, Dronen, Recognition Software)
Zusammenfassung:
Dank Tiigrihype bekomen praktisch alle Bürger früh Kompetenzen für Computer vermittelt
Verwaltungsdienste sind schlank und für Bürger leicht benutzbar
eID ermöglicht viele praktische Services
Die Demokratie wird immer stärker, Verbindung zur Regierung relativ direkt
Und die Wirtschaft ist international konkurrenzfähig
Zensur
Es gibt Internetzensur, die über 1000 Internetseiten blockiert. Es geht darum illegales Online-Glücksspiel zu verhindern; Die Liste ist transparent einzusehen. Ziel ist hier die Besteuerung.
Keine weitere Zensur - Estland ist auf Platz 1 der Internetfreiheit (Freedom House)
Angreifbarkeit: 2007 hat die Regierung Estlands ein russisches Denkmal und Kriegsgräber verlegt. Es kam zu größeren Protesten der russischen Minderheit. Mutmaßlich infolgedessen wurde Estland digital angegriffen; es wurden mit Botnetzen DDOS Angriffe auf Regierungsseiten gefahren. Ebenso wurden Parteiseiten und Nachrichten angegriffen. Es hat sich Jahre später jemand dazu bekannt, aber es ist nicht abschließend geklärt, wer alles beteiligt war.
Probleme:
Wahlsicherheit - Der CCC hat ja in der Vergangenheit mehrfach gezeigt, dass digitale Wahlen angreifbar sind;
Versuche, die Estnischen Wahlen anzugreifen wurden bisher nicht bekannt
Es gibt keine Testläufe, man will nicht in den Prozess eingreifen, es ist aber unbekannt
The X-Road EU environment has been specifically developed for EU countries from the X-Road core technology that has been in use in Estonia since 2002.
Veröffentlichung von Regierungsdaten ist in anderen europäischen Ländern noch nicht so weit fortgeschritten
Open Data ist zwar ein Ziel, aber bisher ist die Richtung relativ einseitig
Anmerkungen
Die Huffington Post vom 24.03.2014 benennt acht Gründe, weshalb Estland als Vorreiter des digitalen Wandels gilt.
1. Personalausweis und Unterschrift sind überflüssig
Bürger weisen ihre Identität mit einer persönlichen ID-Nummer nach. Die Nummer ist auf einer ID-Karte abgespeichert - oder auf der Sim-Karte im Mobiltelefon. Die Bürger können sich damit zum Beispiel bei Behörden, bei der Bank, beim Schließen von Verträgen und beim Arzt ausweisen. Seit das Digitale-Signaturen-Gesetz erlassen wurde, zählt die ID genauso viel wie die Unterschrift auf Papier.
2. Kostenloses WLAN ist selbstverständlich. Überall.
In Estland ist an fast allen Orten kostenloses WLAN verfügbar. So stellen etwa Geschäfte und öffentliche Einrichtungen ihr WLAN frei zur Verfügung, da sie für das Zahlen mit EC-Karte sowieso eine Internet-Verbindung brauchen und die ungenutzte Bandbreite den Kunden zur Verfügung stellen.
3. Die Esten bezahlen mit Online-Währung auf der Geldkarte im Mobiltelefon.
4. Die Krankenakte ist digital und für den Patienten jederzeit einsehbar.
In Estland ist der Patient Herr über seine eigenen Informationen. Arztbesuche, Medikamente und Untersuchungsergebnisse werden in der digitalen Patientenakte gespeichert. Ärzte und Kliniken überall im Land können sofort alle wichtigen Informationen einsehen - aber nur, wenn sie die Erlaubnis des Patienten haben.
5. Eltern wissen alles über die Schulleistungen ihrer Kinder.
Schüler können schlechte Noten nicht mehr verheimlichen. Noten, Fehlstunden, Hausaufgaben und Lehrpläne werden auf einer zentralen Plattform gespeichert.
6. Die Steuererklärung macht sich von selbst.
Die Daten werden vom Finanzamt automatisch bei Arbeitgebern, Banken und andere Organisationen abgerufen. Am Ende prüfen die Bürger die Informationen und schicken das Formular ab. Zwei Tage später haben sie die Rückzahlungen auf ihrem Konto.
7. Transparenz ist mehr als nur ein Wort
Skeptiker mögen einwenden, dass die Bürger zu viele Daten preisgeben. Tatsächlich scheinen die Esten dadurch aber mehr Kontrolle über ihre Informationen zu haben. Sie können in einem Protokoll einsehen, wer ihre Daten wann abgerufen hat. Wenn es dafür keinen triftigen Grund gibt, können sie klagen.
8. Innovationen haben es leicht
In dem kleinen Land entstehen gemessen an der Einwohnerzahl mehr Startups als irgendwo sonst in Europa. Deshalb wird Estland international schon als das "nächste Silicon Valley" gehandelt. Estnische Bürger können Firmen online gründen - im E-Business-Register. Das dauert nur 18 Minuten. Besuche beim Notar oder bei Behörden sind nicht nötig.
Estland hat nach der Loslösung von der Sowjetunion 1987 große Anstrengungen in Richtung des Ausbaus einer landesweiten sozio-technischen Infrastruktur unternommen, die modernste digitale Kommunikationskonzepte umsetzt. Fragen nach möglichen negativen Konsequenzen des Einsatzes solcher Technik wurden zu Gunsten pragmatischer Ansätze hintangestellt, mit dem Personal Data Protection Act und dem Data Protection Inspectorate wurden auch rechtliche Regelungen und staatliche Institutionen geschaffen, mit denen in einer so (daten)-offenen Welt auch über Missbrauch von Daten verhandelt werden kann. Mit dem Ansatz, zunächst sozio-technische Lösungen zu installieren und auf der Basis praktischer Erfahrungen mit deren Einsatz technische und rechtliche Adjustierungen vorzunehmen, geht Estland einen sehr eigenen Weg in die digitale Zukunft. Die Ergebnisse dieses Wegs sind genauer zu studieren, um Optionen den eigenen Weg des digitalen Wandels besser zu verstehen.
Eines der Hauptziele der estnischen Politik ist es, mit derartigen Bedingungen Estland zu einem High-Tech-Land zu entwickeln, in dem wichtige digitale Technologien entwickelt werden. Dazu wurde eine virtuelle Staatsbürgerschaft eingeführt. "Die sogenannte E-Residency erlaubt es Menschen mit oder ohne existierende Verbindung zu Estland, das breite Spektrum an E-Government-Dienstleistungen und Onlineservices in Anspruch zu nehmen, für welches das Land mittlerweile internationale Bekanntheit genießt. Von einer herkömmlichen Staatsbürgerschaft unterscheidet sich die virtuelle Variante primär durch das Fehlen eines Wahlrechts, einer physischen Aufenthaltsgenehmigung sowie einer Berechtigung zur Ausstellung eines estnischen Reisepasses". ( Quelle)
Estland als großer High-Tech-Staatskonzern? Ein Beispiel mehr, welche Optionen der digitale Wandel innerhalb einer bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft eröffnet.