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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
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* Semnararbeit

Unentbehrlichkeit von Bildung

Termin: 03. Dezember 2013, 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-10

Bildung war noch nie so unentbehrlich wie in einer Gesellschaft, die sich nicht nur als offene, sondern auch als beschleunigte Gesellschaft versteht und zu deren Credo permanente Innovation, schrankenlose Mobilität und chamäleongleiche Flexibilität gehören.

Vortrag und Diskussion mit Patrick Steinmetz

Ankündigung

Ich werde zu Beginn meines Vortrags zuerst einmal die Begrifflichkeiten klären, also was ist Bildung, was ist ein Credo. Dann werde ich auf die einzelnen Teile eingehen – was versteht man unter beschleunigter Gesellschaft und schrankenloser Flexibilität sowie Chamäleon gleicher Flexibilität. Als dritten Teil werde ich das Gesamtkonstrukt der Aussage anhand aktueller Daten in einen Rahmen setzen und Beispiele aufzeigen, die auch gegen die Aussage sprechen.

Patrick Steinmetz, 28.11.2013

Anmerkungen

Die These ist Teil einer These von Jürgen Mittelstraß, die in vollem Umfang lautet

These 2: Eine über den Tagesbedarf und das berufliche Kerngeschäft hinausreichende Bildung war noch nie so unentbehrlich wie in einer Gesellschaft, die sich nicht nur als offene, sondern auch als beschleunigte Gesellschaft versteht und zu deren Credo permanente Innovation, schrankenlose Mobilität und chamäleongleiche Flexibilität gehören. Ohne Bildungselemente geht eine offene Gesellschaft an ihrer eigenen Wandelbarkeit zugrunde.

Im Vortrag von Herrn Steinmetz wurden vor allem die Begriffe "Bildung" (erworbenes, verarbeitetes, weiter gegebenes Wissen, das zu eigenverantwortlichem, kompetentem und vorausschauendem Handeln befähigt), "Credo" (Glaubensbekenntnis) und "Gesellschaft" (Gesamtheit von Menschen unter gemeinsamen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen leben) genauer beleuchtet, ohne deren Verständnis und Kontext die Mittelstraßsche Montage in dieser um weitere schillernde Begriffe wie "schrankenlose Mobilität", "chamäleongleiche Flexibilität" und "eigene Wandelbarkeit" angereicherte These nicht verständlich werden kann. In diesen Kontext wurden weitere Überlegungen von Mittelstraß eingebettet, mit denen jener seine These untersetzt.

Am Ende der Ausführungen stellte Herr Steinmetz weitere Thesen aus demselben Kontext zur Diskussion:

Bildung lehrt den vernünftigen Umgang mit der Welt. Deshalb muss Bildung die zentrale Aufgabe unserer Gesellschaft werden.

Hier stieß vor allem der konnotierte Bildungsbegriff selbst auf Widerspruch, der sich so im Titel eines Manifests aus dem Jahre 2002 findet. Der belehrende Ansatz, der hier in den Vordergrund tritt (und auch ein Aspekt des "informare" in Klemms Aufsatz "Ein großes Elend" ist), scheint in Praxen des digitalen Zeitalters gegenüber Selbstlernprozessen an Bedeutung zu verlieren. Die scheinbar unlösbare Bindung von "Bildung" und "vernünftig" wird dann aber brüchig, denn im Selbst wird, jedenfalls in einem Konzept von Bildung, das auf (äußeres) Orientierungswissen abstellt, eher die Quelle von - durch Orientierungswissen zu vermeidender und durch Bildung zu korrigierender - Unvernunft gesehen.

Diese spezifische Form von Konditionierung, die schon Marx in der dritten Feuerbachthese mit der Frage nach der Erziehung der Erzieher thematisierte, ist aber tief in das herrschende Bild vom Menschen eingebrannt, das an dieser Stelle einmal - so von Mittelstraß sicher nicht beabsichtigt - aus seiner omnipräsenten Unsichtbarkeit heraustritt. Darauf machte Herr Kleemann in einem kleinen Intermezzo zu Poppers "offener Gesellschaft" aufmerksam.

Teil eines solchen, auf den "vernünftigen Umgang mit der Welt" gerichteten positiven Wissens ist der fundamentalphilosophische Versuch (insbesondere im Wiener Kreis) der Rückführung von Wissenschaft auf verifizierbare Protokollsätze und damit auf experimentell absicherbares Wissen, also auf eine Welt des Berechenbaren, in der Urteilskraft jenseits des Logos überflüssig wird. Dies nun kritisiert Weizenbaum vehement, womit sich der thematische Bogen zu unserem Ausgangspunkt schließt.

Ohne Bildungselemente geht eine offene Gesellschaft an ihrer eigenen Wandelbarkeit – vor allem, wenn diese zur Pflicht gemacht wird und keinen Aufschub duldet – zugrunde.

Eine pessimistische These, aber warum nur eine offene Gesellschaft? Ginge nicht jede Gesellschaft ohne Bildungselemente zugrunde, aber gibt es solche Gesellschaften überhaupt? Wie (und von welchen Subjekten) kann Wandelbarkeit zur Pflicht gemacht werden, welche Zwänge wirken hier und woraus ergeben sie sich? Zwang zum Wandel als Teil eines "vernünftigen" Umgangs mit der Welt? Werden dabei nicht "wohlfeile" Lösungen bereits an einer Stelle prozessiert, wo zunächst einmal die Fragen selbst zu besprechen wären? Basale Momente von Widersprüchlichkeit der Welt können nicht auf einen solchen Logos abgebildet werden.

Wichtig bleibt, dabei das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten, also Theorie nicht in einem umfassenden Skeptizismus zu verwerfen, sondern zu kritisieren und sie damit - in einem weiten Verständnis des Worts - aufzuheben.

Hans-Gert Gräbe, 10.12.2013


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