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Hans Gert Graebe / Philo Debatte /
2014-03-11


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In der Diskussion ging es dann stark um die Frage, wie ein solches "Weltentwerfen" sprachlich zu fassen sei. Wenn ein Begriff von "Konstruktion" ein hierfür wichtiges Beschreibungsmittel ist, dann kann dieser nicht bei der rein technischen Umsetzung eines Kalküls, also von Berechnung schlechthin, stehen bleiben, denn die zunächst potenzielle Möglichkeit einer solchen Konstruktion wird von konkreten, in konfliktäre Verhältnisse eingebundenen menschlichen Subjekten als Gestaltungsmittel eingesetzt. Die gesellschaftliche Tragweite ist also nur in einer menschlichen Praxis als aktiver Weltgestaltung aufzufangen, in der die Weiterentwicklungen der Sprachformen als Grundlage verständigen Konstruierens immanenter Teil einer sich weiterentwickelnden "Welt" sind. Technik - verstanden als das verfügbare "Verfahrenswissen" ist allerdings, wenigstens in dieser "neuen, artifiziellen Welt", nur auf der Ebene des Gattungssubjekts (als vorläufiger Arbeitsbegriff) zu fassen und wird damit den Individualsubjekten zur zweiten "äußeren Natur" in ähnlicher Weise, wie dies die "erste" Natur ist - als Quelle und Target von "Weltgestaltung", wenigstens so lange jene Individualsubjekte kein tätiges Verständnis in ausreichendem Umfang zu entfalten vermögen, dass ihr eigenes "Weltgestalten" in jene Welt unlösbar eingebunden und eingebettet ist.
In der Diskussion ging es dann stark um die Frage, wie ein solches "Weltentwerfen" sprachlich zu fassen sei. Wenn ein Begriff von "Konstruktion" ein hierfür wichtiges Beschreibungsmittel ist, dann kann dieser nicht bei der rein technischen Umsetzung eines Kalküls, also von Berechnung schlechthin, stehen bleiben, denn die zunächst potenzielle Möglichkeit einer solchen Konstruktion wird von konkreten, in konfliktäre Verhältnisse eingebundenen menschlichen Subjekten als Gestaltungsmittel eingesetzt. Die gesellschaftliche Tragweite ist also nur in einer menschlichen Praxis als aktiver Weltgestaltung aufzufangen, in der die Weiterentwicklungen der Sprachformen als Grundlage verständigen Konstruierens immanenter Teil einer sich weiterentwickelnden "Welt" sind. Technik - verstanden als das verfügbare "Verfahrenswissen" - ist allerdings, wenigstens in dieser "neuen, artifiziellen Welt", nur auf der Ebene des Gattungssubjekts (dies als vorläufiger Arbeitsbegriff) zu fassen und wird damit den Individualsubjekten zur zweiten "äußeren Natur" in ähnlicher Weise, wie dies die "erste" Natur ist - als Quelle und Target von "Weltgestaltung", wenigstens so lange jene Individualsubjekte kein tätiges Verständnis in ausreichendem Umfang zu entfalten vermögen, dass ihr eigenes "Weltgestalten" in jene Welt unlösbar eingebunden und eingebettet ist.

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Darüber wollen wir uns zur nächsten Diskussion am 10.04. weiter verständigen.

Konstruktionen und Real World Modelling

11.03.2014, 15:00 Uhr im Raum P-702, Paulinum der Uni Leipzig (7. Etage), Augustusplatz.

Ankündigung

Prozessunterstützende IT-Systeme werden in den meisten Fällen nach der Methodik des "Real World Modelling" (auch als Outside-In-Methode bezeichnet) erstellt, indem über eine Anforderungsanalyse die genauen Bedürfnisse der einzelnen "Stakeholder" (sprachlich) erfasst werden und dann daraus ein bedürfnisgerechtes IT-System "konstruiert" wird.

Ähnliches gilt, mit etwas anderer Gewichtung, auch für technische Artefakte wie zum Beispiel Autos. Hier wird allerdings eher nach der Inside-Out-Methode vorgegangen und dabei ein Artefakt nach einer modellhaften Beschreibung erstellt.

Beides sind allerdings "artifizielle Strukturen", von denen Mittelstraß mit großer Sorge feststellt: "Die moderne Welt ist das Produkt des wissenschaftlichen und des technischen Verstandes. Ihre artifiziellen Strukturen nehmen zu, ihre natürlichen Strukturen nehmen ab".

Mit semantischen Technologien rücken maschinenlesbare Beschreibungen weiter ins Zentrum des digitalen Wandels, "Konstruktionen" von Wissensbasen nehmen auf ähnlich fundamentale Weise Einfluss auf unser Sein wie die in den letzten 100 Jahren immer weiter verbesserten Konstruktionen etwa von Automobilen. Die "Datenautobahnen" dafür sind schon gut ausgebaut.

Jürgen Stahl wird in einem Impulsbeitrag zunächst Überlegungen aus dem unten gelisteten Aufsatz zum Begriff "Konstruieren" in seiner philosophie-historischen Genese zusammenfassen. Auf der Basis wollen wir uns in der Diskussion den Begriff des "Konstruierens" in einer modernen Lesart erarbeiten.

Weiterhin wollen wir uns darüber verständigen, wann, wo, wie und zu welchen Themen das Seminar in etwa monatlichem Rhythmus fortgesetzt werden soll.

Literatur:

  • Jürgen Stahl: Perspektivwechsel: Konstruktion, Antizipation und gestaltende Fähigkeit des Subjekts. Zur Veränderung des Begriffsverständnis zwischen Aufklärung und Moderne. ( pdf)
  • Jürgen Mittelstraß: Schöne neue Leonardo-Welt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25. Juli 2011, Nr. 170, S. 7. pdf. Siehe auch: Rede bei einer BMBF-Tagung im Juli 2011.
Hans-Gert Gräbe, 18.02.2014

Anmerkungen

In seinem Impulsreferat führte Jürgen Stahl entlang der Argumentationslinien seines Aufsatzes wichtige Etappen der Entfaltung des Konstruktionsbegriffs aus. Es wurde dabei deutlich, dass der Begriff selbst in den letzten 300 Jahren, parallel zu den sich entfaltenden Möglichkeiten technischer Gestaltung, seine Semantik gewechselt hat, was, so Jürgen Stahl, insbesondere in der Architektur deutlich nachvollzogen werden kann. Während in frühen Zeiten Bauwerke aus Stein und Holz vorwiegend ausgehend von erfahrungsbasiertem Wissen errichtet wurden, wandelte sich das Herangehen im 19./20. Jahrhundert hin zu ingenieurtechnischen Zugängen, die auf umfassenderen Vorabberechnungen und damit Modellbildungen beruhten.

Dies ist sicher als gradueller Übergang zu begreifen, da zu vermuten ist, dass auch bei ausgewählten sehr alten Bauwerken wie den ägyptischen Pyramiden Berechnungen eine wichtige Rolle gespielt haben. Der wesentliche Unterschied zur Neuzeit ist allerdings in einer theoretischen und modellhaften Fundierung solcher Berechnungen zu sehen, mit denen die entsprechenden Zugänge nicht nur für besonders repräsentative Bauten als "Geheimwissen" führender Bauhütten zur Verfügung standen, sondern in das alltägliche Bau"geschäft" Einzug hielten.

Ein solcher Wechsel technischer Beschreibungskultur ist zeitlich und sicher auch kausal eng mit dem Aufkommen neuer Beschreibungskulturen in verschiedenen Wissenschaften verbunden, insbesondere der Mechanik, die Thomas S. Kuhn als Übergang zu einer von Paradigmen gesteuerten Wissenschaft charakterisiert. Siehe hierzu auch (Laitko 2012).

Wir haben es dabei mit einem Bruch in der Reproduktionskultur von Wissen zu tun, den es noch genauer zu fassen gilt, da mit Begriffen wie "Gutenberg-Ära", "nacharistotelische Wissenschaft", "Moderne Science", aber auch der im 16. Jahrhundert an Bedeutung gewinnenden Volksbildung (Adam Riesens "Coß" etwa) sowie der sich in ersten Ansätzen entwickelnden bürgerlichen Gesellschaft hier vielfältige Vorläuferprozesse zu betrachten sind, die den Humusboden für eine veränderte Fassung des Konstruktionsbegriffs im 18./19. Jahrhundert bereiteten. Jürgen Stahl konzentrierte sich mit seiner Analyse allerdings zurecht nicht auf solche innerwissenschaftlichen Brüche, sondern betrachtete mit den Auswirkungen auf die Architektur einen Bereich von unmittelbar gesellschaftlich-praktischer Bedeutung als Gradmesser für Veränderungen.

Hier nennt Jürgen Stahl das Jahr 1742 als einen frühen Markstein, an dem Veränderungen praktisch sichtbar wurden, als bei der Analyse von Schäden am Petersdom in Rom erstmals nicht allein praktisches Erfahrungswissen herangezogen wurde, sondern modellhafte statische Berechnungen in größerem Umfang ausgeführt wurden. Dieser Übergang zu berechnenden Verfahren einer artefaktischen Konstruktion entfaltet sich im 19. Jahrhundert zu einer ersten Blüte, wobei der Fokus auf die Form - die ingenieurtechnische Berechnung - den Blick auf den Hintergrund etwas verstellt - jede Berechnung erfordert einen Kalkül, der nur als komprimierte Form einer zu Voraussagen fähigen messenden Wissenschaft fassbar ist. Moderne Philosophen, etwa Mittelstraß, sprechen mittlerweile von einer "zunehmend artifiziellen Welt". Mittelstraß stellt mit Sorge fest, "die moderne Welt ist das Produkt des wissenschaftlichen und des technischen Verstandes, ihre artifiziellen Strukturen nehmen zu, ihre natürlichen Strukturen nehmen ab".

Mit dem Übergang neuer Wissenschaftsgebiete wie etwa der Chemie auf paradigmatische Grundlagen erweitern sich die Ausdrucksformen der für Gestaltung brauchbaren Voraussagen, was seine praktische Auswirkung in erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten der verständigen Menschen (hier bereits nur als kooperative Subjekte zu fassen) findet. Jürgen Stahl erläutert dies an der Entwicklung der Eisenbearbeitung zum Ende des 19. Jahrhunderts hin zu Stahlsorten mit kalkulierbaren Eigenschaften, auf deren Basis so komplexe und spektakuläre ingenieurtechnische Leistungen wie der Bau des Pariser Eiffelturms möglich werden. Mit Blick auf die praktischen Auswirkungen auf Produktionsformen waren es allerdings weniger solch spektakuläre Leistungen als vielmehr der umfassende Einzug dieses Materials in den Alltag.

Die Fundamente einer solchen Wissenschaft, die nun in der Tat wenigstens den Anschein möglicher Weltgestaltung in sich trägt, bleiben weiter bloßzulegen. Dass es sich dabei, trotz der Vielzahl von Paradigmata und damit der heute oft beklagten Aufspaltung von Wissenschaft in eine Vielzahl von Spezialdisziplinen, nur um die Fundamente einer einzigen Wissenschaft handeln kann, siehe (Laitko 2009), ergibt sich daraus, dass sich all diese Konstruktionen in dieser "einen, globalsingularen Welt" (Miemiec 2008) bewähren müssen. Jürgen Stahl verwies dazu auf Fichte und dessen philosophische Refokussierung vom Ansatz der Weltordnung zum Ansatz des Weltentwerfens.

In der Diskussion ging es dann stark um die Frage, wie ein solches "Weltentwerfen" sprachlich zu fassen sei. Wenn ein Begriff von "Konstruktion" ein hierfür wichtiges Beschreibungsmittel ist, dann kann dieser nicht bei der rein technischen Umsetzung eines Kalküls, also von Berechnung schlechthin, stehen bleiben, denn die zunächst potenzielle Möglichkeit einer solchen Konstruktion wird von konkreten, in konfliktäre Verhältnisse eingebundenen menschlichen Subjekten als Gestaltungsmittel eingesetzt. Die gesellschaftliche Tragweite ist also nur in einer menschlichen Praxis als aktiver Weltgestaltung aufzufangen, in der die Weiterentwicklungen der Sprachformen als Grundlage verständigen Konstruierens immanenter Teil einer sich weiterentwickelnden "Welt" sind. Technik - verstanden als das verfügbare "Verfahrenswissen" - ist allerdings, wenigstens in dieser "neuen, artifiziellen Welt", nur auf der Ebene des Gattungssubjekts (dies als vorläufiger Arbeitsbegriff) zu fassen und wird damit den Individualsubjekten zur zweiten "äußeren Natur" in ähnlicher Weise, wie dies die "erste" Natur ist - als Quelle und Target von "Weltgestaltung", wenigstens so lange jene Individualsubjekte kein tätiges Verständnis in ausreichendem Umfang zu entfalten vermögen, dass ihr eigenes "Weltgestalten" in jene Welt unlösbar eingebunden und eingebettet ist.

Damit rückt aber die Notwendigkeit der Arbeit an einem Begriff von "Welt" ins Zentrum, mit dem zugleich die beschränkten, praktischen "Erfahrungen von Welt" der Individualsubjekte (und auch kooperativer Subjekte, wie sie die verschiedenen wissenschaftlichen Schulen in den verschiedenen Spezialdisziplinen je konstituieren) und die Notwendigkeit aufgehoben sind, diese beschränkten Horizonte auch sprachlich zu transzendieren.

Darüber wollen wir uns zur nächsten Diskussion am 10.04. weiter verständigen.

Weitere Literatur:

  • Thomas S. Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. 23. Auflage, Suhrkamp Taschenbuch 2012.
  • Hubert Laitko: Der Wandel des wissenschaftlichen Denkens und die Entwicklung der Menschheit. 400 Jahre "Western Science". In: MINT - Zukunft schaffen. Innovation und Arbeit in der modernen Gesellschaft. (Hrsg. von H.-G. Gräbe). Leipziger Beiträge zur Informatik, Band 32, Leipzig 2012. urn:nbn:de:bsz:15-qucosa-81933
  • Hubert Laitko: »... es wird eine Wissenschaft sein«. Taugt Karl Marx’ Jugendvision (1844) als Leitbild für die Wissenschaft des 21. Jahrhunderts – immer noch oder jetzt erst recht? Rohrbacher Manuksripte, Heft 15, Leipzig 2009. S. 60-83. pdf
  • Olaf Miemiec: Karl Marx. Die Thesen über Feuerbach. April 2008. html
Hans-Gert Gräbe, 28.03.2014


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