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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
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Hans-Gert Gräbe, 26.6.2018
Annemarie Hohbach, 26.6.2018

Kooperative digitale Praxen

Termin: 21. Juni 2018, 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-13

Annemarie Hohbach: Wikipedia. Das Rätsel der Kooperation.

Ankündigung

„Die ursprüngliche Ideologie, die Idee, die viele dazu brachte, mitzuarbeiten, muss im Zuge der Positionenzuweisung und der zugehörigen Rollenhandlung geopfert werden. Man könnte sagen, durch diesen Prozess der Aufnahme der Konkurrenz mit den anderen Enzyklopädien, wird die Ideologie von außen manipuliert. Wikipedia steigt damit, wenn auch momentan ohne geschäftliches Interesse, in den bereits formierten Markt der Nachschlagewerke ein – es wird dazu allein durch seine Existenz „gezwungen“.“ Stegbauer (2010): 68.

Im Vortrag und der Diskussion wurde untersucht, in welchem Umfang eine solche positionale Argumentation geeignet ist, die Strukturierungsphänomene in einem sich entwickelnden kooperativen Kontext wie der Wikipedia hinreichend genau zu charakterisieren.

Annemarie Hohbach, 26.6.2018

Literatur:

Anmerkungen

In der Diskussion wurde der positionale Zugang Stegbauers zur Analyse der sozialen Prozesse innerhalb der Wikipedia als zu einseitig kritisiert. Insbesondere wurde hinterfragt, ob die Ablösung einer anarchisch geprägten Partizipationskultur der Anfangsjahre durch eine stärkere Stratifizierung von Verantwortlichkeiten im Zuge sich ausprägender Rollenkonzepte und Institutionalisierungsprozesse nicht als generelles Formierungsphänomen reifender sozialer Projekte anzusehen sei.

In den von Stegbauer ausgewerteten Daten sind derartige Sättigungs- und Schließungsprozesse, welche den Übergang von einer Ausbau- in eine Konsolidierungsphase mit Schwerpunktverschiebung hin zu Prozessen der Erhaltung und Qualitätssicherung markieren, ab 2010 zu beobachten. Derartige Schließungsprozesse beginnen allerdings deutlich früher (ab etwa 2004, also fast zusammen mit dem Werden "der Wikipedia") und sind begleitet von einem Diversifizierungsprozess in eine Vielfalt lokaler Wikipedien. Dieser Diversifizierungsprozess reagiert auf Schließungsprozesse unter dem Deckmantel der Relevanz und ist damit eine spezifische Bewegungsform des "Verlusts im Vorwärtsschreiten" (Bloch). Dies wurde in mehreren Vorträgen regionaler Wikipediaprojekte bereits während der CPOV 2010 genauer beschrieben, auf der auch Stegbauer seine Forschungen bereits vorgestellt und damit eine harsche Kontroverse zwischen Wikipedianern und Wikipedisten ausgelöst hat (siehe auch Nando Stöcklins Beitrag "Forscher und Beforschte" und die Kommentare ebenda).

Soziale Analysen dieses Kalibers sind nur möglich, weil die internen Prozesse in Versionsgeschichten und Logbüchern ausführlich und digital auswertbar dokumentiert sind. Soziologische Analysen auf derartigen Daten – trotz "diachronic turn" – setzen noch immer einen methodischen Zugang und ein darauf basierendes Analysemodell voraus. Stegbauers methodische Grundlage ist eine positionale Netzwerkanalyse. Die auf dieser Basis gezogene Schlussfolgerung, "Wikipedia steige damit ... in den bereits formierten Markt der Nachschlagewerke ein", war auch schon 2009 auf dem Hintergrund der realen Umbruchprozesse in diesem Bereich, die gerade durch das "Phänomen Wikipedia" ausgelöst wurden, kaum nachvollziehbar. Hier müssen andere, weitere oder zusätzliche Erklärungsansätze, insbesondere der Entwicklung der polit-ökonomischen Rahmenbedingungen, gefunden werden, die allerdings auch in unserem Seminarkontext kursorisch blieben.

Gestritten wurde in der Diskussion darüber, wie solche Erklärungsansätze grundsätzlich einzubinden sind und wie weit eine Faktorenanalyse Stegbauerschen Zuschnitts überhaupt geeignet ist, die Komplexität der Prozesse angemessen zu reflektieren.

Abschließend möchte ich noch auf die vielfältigen Parallelen zu Eric S. Raymonds 1997er Aufsatz "Die Kathedrale und der Basar" hinweisen, in welchem er die durchbrechende Wirkung der Entwicklungsprinzipien von Linux, eines anderen Flagschiffs von Open Culture, analysiert. Die weitere Entwicklung von Wikipedia und Linux sind gute Beispiele, dass die dort gegenübergestellten Entwicklungsmodelle nicht als Dichotomie missverstanden werden sollten.

Hans-Gert Gräbe, 1.7.2018


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