[Home]
Franz Nahrada / Buchprojekt Globale Doerfer /
Einleitung


Home
Neues
TestSeite
DorfTratsch

Suchen
Teilnehmer
Projekte

GartenPlan
DorfWiki
Bildung+Begegnung
DorfErneuerung
Dörfer
NeueArbeit
VideoBridge
VillageInnovationTalk


AlleOrdner
AlleSeiten
Hilfe

Einstellungen

SeiteÄndern







Veränderung (zum vorhergehenden Autor) (Änderung, Korrektur, Normalansicht)

Verändert: 5c5,29
===Wie wir unsere Zukunft in einem Lokalen finden, das durch Verbindungen mit der ganzen Welt lebendig wird=
====Wie wir unsere Zukunft in einem Lokalen finden, das durch Verbindungen mit der ganzen Welt lebendig wird=

[[toc]]

=== Die Frage nach unseren besseren , nein unseren besten Möglichkeiten ist alles andere als überflüssig geworden, gerade in einer Zeit in der sie dementiert werden wie schon lange nicht =

Es mutet seltsam an, in einer Zeit der rasenden Beschleunigung verhängnisvoller Entwicklungen, in der sowohl dem planetaren Netzwerk des Lebens als auch der Zukunft der menschlichen Art Bedrohungen in einem noch nie gekannten Ausmaß erwachsen sind, über eine friedliche und lebendig gedeihende Welt kooperierender Gemeinwesen zu schreiben. Was sollen diese Träume wenn wir weltweit Machtballungen und Disruptionen, Ungleichheiten und Einhegungen vorfinden, die geschichtlich einzigartig sind? Wo es kein Niemandsland mehr gibt, aber unfassbare Vergiftungen und Zerstörungen? Wo sich gleichzeitig die Technologie längst in vielen Bereichen weit über die menschlichen Fähigkeiten hinauszuentwickeln beginnt, und zugleich immer subtilere Formen der Kontrolle und Ausbeutung ermöglicht?

Doch sind die Grenzen des Möglichen eben nicht nur auf der Seite der Destruktivität ins Unermessliche gewachsen, sondern auch auf der Seite der Zusammenarbeit, der Überwindung von Gegensätzen und der gemeinsamen Lösungen für eine andere, bessere Zukunft.
* Vernetzung und Kooperation könnten auf eine neue Stufe gehoben werden, die komplexen Resultate menschlichen Handelns können beispielsweise erstmals in jeder beliebigen Dimension antizipiert und so auch bewusst korrigiert werden.

* Die Subtilität der Technologie könnte sich als nie gekanntes Zusammenspiel von Mensch und Natur entfalten. Die Automation würde nicht Berge von Produkten erzeugen die bei ihrer Herstellung schon Müll sind, sondern uns die Fähigkeit geben, das bewusst herzustellen was wir wirklich brauchen.

Diese Möglichkeiten werden sich aber nicht entfalten können, wenn nicht eine grundlegende Veränderung in den elementaren Mustern unseres sozialen, ökonomischen und politischen Gewebes und Gefüges geschieht, für die wir Bilder und Begriffe brauchen.

Denn wir sind ja nicht einer von außen kommenden Bedrohung ausgeliefert, sondern all das was wir als zerstörerische Kräfte wahrnehmen ist entstanden aus menschlichem Handeln, das sich in der Rationalität jener Formen bewegt, die scheinbar alternativlos unsere Ziele und Mittel bestimmen: der Markt, das Geld, die Konkurrenz, der Staat, die sich zu planetaren Megamaschinen fortentwickelt haben und tatsächlich mit der Unerbittlichkeit von Maschinen funktionieren. Alternative Zukunftsbilder die diese Maschinenlogik unter den Vorbehalt der Rücksichtnahme oder gar Abhängigkeit vom Wohlergehen der Menschen fortführen wollten sind verblasst, wie es der Begründer der Kybernetik, Norbert Wiener vorausgesagt hat.[[Fußnote]"Die Automatisierung der Arbeit wird nicht nur die Arbeitslosigkeit erhöhen, sondern auch die Entwertung der Arbeit selbst vorantreiben."The Human Use of Human Beings: Cybernetics and Society von Norbert Wiener (1950)] Wo die herrschenden Eliten nicht nur über die Produktionsmittel und Patente verfügen sondern auch immer unverfrorener damit drohen können, dass sie auf die unmittelbaren und mittelbaren Produzenten nicht mehr angewiesen sind, weil sie Produktionsagenten immer weitgehender selber produzieren können, droht die Mehrzahl der Menschen zu einer ungeheuren Masse "nutzloser Esser" zu verkommen, machtlos und eigentumslos ausgeliefert jenen, die ihnen auch alle Mittel der Subsistenz geraubt haben und selbst die Natur wird nie gekanntem Ausmaß eingehegt, also als Mittel menschlicher Subsistenz unbrauchbar gemacht.

In Momenten wie diesen braucht es eine grundlegend andere Erzählung, die diese unendlich zersplitterte Masse zu gemeinsamem sinnvollen Handeln zu bewegen vermag, ihre Wahrnehmung einer anderen Welt die wir vage ahnen aber nicht wirklich zu beschreiben und zu sehen vermögen, zu beflügeln. Und in der Tat arbeiten schon viele Menschen auf der ganzen Welt an Varianten dieser Erzählung, hat sich eine Schar von Utopisten und Visionären aufgemacht, der "No Future"- Kultur eine Absage zu erteilen.

In diesen Erzählungen geht es darum, wie Kerne autonomer Lebensgestaltung inmitten der und sogar durch die Mächte der kybernetischen Gesellschaft entstehen, wie sie Beziehungen aufbauen und nutzen, um sich gegenseitig zu inspirieren und zu unterstützen. Wie sie die Welt nach dem Muster eines Geflechtes umzugestalten beginnen, ohne Versuchung, ihn ihnen neue Machtzentren entstehen zu lassen. Wie sie die scheinbar intransigenten Strukturen der Megamaschine geschickt zu unterlaufen vermögen. Wie sie in ihrer Diversität alle Möglichkeiten menschlicher Entwicklung in sich aufnehmen und das menschliche Bedürfnis nach Resonanz mit einer frei gewählten gemeinschaftlichen Manifestation von Lebenssinn in einem Ausmaß zu befriedigen vermögen, das vermag sich gegen die Surrogate der Maschine zu behaupten. Wie sie die Virtualität nutzen, um den Fokus auf reale lokale Sphären zu lenken.

Was also ist unsere Variante dieser Erzählung?

Was ist die Erzählung von der Welt der Globalen Dörfer, die wir in diesem Buch in ihrer wahren Tragweite zu entfalten versuchen, der Synergie des Globalen und des Lokalen, aus der das bunte Geflecht der Sinnstiftungen wächst? Warum überhaupt etwas hinzufügen zu den aufblühenden Transition- Solarpunk- Ökodorf- Gemeinschafts- Geschichten ?
===Warum "Globale Dörfer?"=

Verändert: 9c33,34
Sicherlich sind schon ganze Bibliotheken über das Thema geschrieben worden, und doch empfinde ich einen Mangel: Die Synergie des Lokalen und Globalen zu beschreiben, also zu zeigen wie sich eine neue Kraft des Lokalen aus den unfassbaren Möglichkeiten unserer globalen Vernetzung speist, das soll bhier Thema sein.
Sicherlich sind schon ganze Bibliotheken über das Thema geschrieben worden, und doch empfinde ich einen Mangel: Die Synergie des Lokalen und Globalen zu beschreiben, also zu zeigen wie sich eine neue Kraft des Lokalen aus den unfassbaren Möglichkeiten unserer globalen Vernetzung speist, das soll hier Thema sein. In diesem Buch soll untersucht werden, wie sich die alternativen Strukturen, die durch bewussten Zusammenschluss für Regenerativität und möglichst geschlossene Kreisläufe von der lokalen auf die globale Ebene skaliert werden können. Welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich dabei? Lassen sich die Prinzipien des Dorfes bewahren, wenn die Verbindungen global werden? Wie kann Komplexität reduziert und Überschaubarkeit geschaffen werden? Und vor allem: Wie kann der Prozess von unten, durch die vereinten Kräfte der Basis, angetrieben werden?


Verändert: 23c48,142
Erst dadurch kommt die vierte Bedeutung zustande, die das Scheinhafte der ersten Bedeutung, das Fragmentierte der zweiten und das Isolierte der dritten in eine komplexe Realität aufhebt, in der tatsächlich die "Dörfer" dieser Welt in eine Kooperative Beziehung miteinader treten und die anfängliche Phrase vom "Globalen Dorf" dann doch noch ihre volle Berechtigung erhält.]
Erst dadurch kommt die vierte Bedeutung zustande, die das Scheinhafte der ersten Bedeutung, das Fragmentierte der zweiten und das Isolierte der dritten in eine komplexe Realität aufhebt, in der tatsächlich die "Dörfer" dieser Welt in eine Kooperative Beziehung miteinader treten und die anfängliche Phrase vom "Globalen Dorf" dann doch noch ihre volle Berechtigung erhält.
[[Fußnote] Ein beliebiges Beispiel mit Literaturstellen wie diese Bedeutungen durcheinander geworfen werden siehe https://www.grin.com/document/378270: " „Das global village ist zentral vernetzt, bie­tet ein hierarchiefreies Nebeneinander von unterschiedlichen Medien und Kommunikationsformen. Die auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigten In­formationen bewirken eine Kommunikation, die überall und gleichzeitig stattfin­det.“ (Giesecke, 2002, S.227). Elektronische Medien bringen die ganze Menschheit in einem einzigen globalen Dorf zusammen. Alle Menschen neh­men daran teil, dass Information und Kommunikation sofort und ständig ver­fügbar ist. Die maßgeblichen drei Eigenschaften sind: Simultan, permanent und interdependent, formuliert Grampp (vgl. Grampp, 2011, S.93). „Alle Fest­stellungen sind kurzlebig und Wahrheiten sind nicht mehr in Stein gemeißelt, keine zusammenhängende Logik, sondern nur Statements, Momentaufnah­men von extrem kurzer Haltbarkeit“, wie Dreyer es formuliert (ebd. S.75). Kein Wunder dass ein solcher Nicht - Begriff aus der Mode gekommen ist! Er erschließt sich eben erst wenn wir eine präzise Beziehung zwischen den verschiednen Bedeutungen anzugeben vermögen.]]

Die Dynamik zwischen Lokalität und Globaler Vernetzung wird also durch diese vierfache Bedeutung recht gut sichtbar gemacht.


(Eine Annäherung an diese Realität ist auch meine subjektive, von lebensgeschichtlichen Zufällen geprägte Reihe von nachhaltigen Eindrücken, die sich zu einer Theorie und zu einem Weltbild verfestigen, ein wenig zu skizzieren. Wer Interesse hat an dieser Geschichte findet Material in Anhang1-BiographieEinerIdee)

Die zwei bestimmendsten und nachhaltigsten meiner Eindrücke oder auch Facetten haben sich in die innere Polarität des Begriffes "Globale Dörfer" verwandelt, wobei der Plural eben ganz wichtig ist.

Global

Auf der einen Seite steht die Möglichkeit, menschliches Wissen mit Hilfe der elektronischen Medien völlig neu zu organisieren, sodass es einerseits alle seine Kontexte und Voraussetzungen expliziert und andererseits überall verfügbar wird. Mehr als das, die Grenzen zwischen Informationsübertragung und Herstellung materieller Güter sind durch die Eigenheiten des digitalen Mediums fließend geworden, dezentrale Automation, Fabrikation und Replikation entwickeln sich zur Antithese der großen Industrie. Das meiste von dem, was bislang nur in Städten möglich war, ist aufgrund der globalen Vernetzung letztendlich auch an den Peripherien denkbar geworden. Es passiert dort freilich nicht auf dieselbe Art und Weise und erfordert einen sehr hohen Grad an Koordination und Bildung und auch hier kritische Massen oder Mindestgrößen, aber es eröffnet neue Chancen nicht nur des Überlebens, sondern kollektiver Selbstbestimmung und einer kulturellen Renaissance der peripheren Regionen.

Eine unabdingbare Voraussetzung einer solchen Entwicklung wäre, ist dass handlungsrelevantes Wissen aus seinen proprietären Fesseln gelöst und als globales Gemeingut organisiert wird. Eine weitere Voraussetzung wäre die Etablierung starker regionaler Zentren, die nicht nur weltweit miteinander forschend kooperieren, sondern auch ein lokales Netz komplementärer Kompetenzknotenpunkte etablieren - auch und gerade in ursprünglich ländlichen Regionen.

Lokal


Auf der anderen Seite die Entdeckung, dass Natur und Technologie konvergieren. Je tiefer wir in die Geheimnisse der Natur eindringen, desto mehr erkennen wir, dass die Grenze zwischen belebter und unbelebter Materie fließend ist. Lebewesen sind hochkomplexe Systeme, die mit äußerster Präzision und Effizienz funktionieren. Ihre innere Logik und Organisation, ihr "Design" ist von so genialer Raffinesse, dass unsere avanciertesten Technologien dagegen noch immer wie primitiv anmuten.

Betrachten wir beispielsweise die Photosynthese, diesen fundamentalen Prozess, der die Energie des Sonnenlichts in chemische Energie umwandelt und damit letztlich alles Leben auf diesem Planeten ermöglicht. Die Light Harvesting Complexes, mit denen Pflanzen das Licht einfangen, sind von so phänomenaler Effizienz und Präzision in ihrer Nanogeometrie, dass selbst unsere besten Solarzellen im Vergleich nur grobschlächtig erscheinen. Oder nehmen wir die molekularen Mini-Motoren und Nanomaschinen, die in jeder unserer Körperzellen ihrer unermüdlichen Arbeit nachgehen - kein von Menschenhand geschaffener Motor kommt auch nur annähernd an ihre Leistungsdichte und Effizienz heran.

Je mehr wir also über die Funktionsprinzipien der Natur lernen, desto mehr konvergiert unsere Technologie mit den Lösungen, die die Evolution über Milliarden Jahre hinweg hervorgebracht hat. Statt gegen die Natur zu arbeiten, gilt es ihre genialen Innovationen zu studieren und zu imitieren. Die Zukunft gehört daher einer "biomimetischen" Technologie, welche die bewährten Baupläne der Natur nutzt und weiterentwickelt. Und vielleicht gelingt es uns eines Tages sogar, lebende Systeme und Technologie zu hybriden Artefakten zu verschmelzen, die das Beste aus beiden Welten vereinen.

Es versteht sich von selbst, dass die Entwicklung solcher Technologien ins Lokale führt: in die Entstehung eines beziehungsreichen Mikrokosmos, eines Meta-Organismus, dessen Teile jeweils in einer bestimmten physischen Realität zusammenspielen, komplex aufeinander abgestimmt und voller Stoff-, Energie und Informationsströme, die die nicht nur die Regenerativität des Gesamtsystems gewährleisten, sondern auch und vor allem Menschen einen vollwertigen und spannenden Lebensraum bieten. Unweigerlich stellt sich die Frage nach der Rolle des Menschen in diesen Zusammenhängen. Wir sind nicht außerhalb der Natur, so sehr wir in unserem Denken auch scheinbar von außen in sie eingreifen.


Sozial

Es ist ganz und gar naiv, angesichts dieser Perspektiven die gegenwärtigen Konzepte des menschlichen Lebens und Zusammenlebens fortschreiben zu wollen. Das abstrakte Individuum als das wir heute in der westlichen Zivilisation leben, nomadisch und entwurzelt, ist ebenso eine großartige Errungenschaft wie eine jämmerliche und traurige Gestalt angesichts der Möglichkeiten des Zusammenwachsens, die sich hier andeuten. Großartige Errungenschaft, weil wir erst durch unsere Vereinzelung zur Idee der Selbstbestimmung und Autonomie gefunden haben. Traurige Gestalt, weil diese Autonomie und Freiheit - die sich voll in städtischen Kontexten entfaltet - zugleich nichts weiter ist als ein Glorienschein um ihr genaues Gegenteil: Im Wesenskern einsam, versorgt und getragen von einem Berg toter Waren und einer toten sozialen Maschine namens Staat, und behaust in den Waben toter Gebäude, fristen wir unser Leben als Konkurrenten um knappe Resourcen, sind voneinander getrennt und überbrücken diese Trennung nur scheinbar in permanenten Spektakeln und indem wir uns in der Sphäre des Privatlebens als Familie eine zugleich natürliche und soziale Identität zu geben versuchen, ein Versuch der in den allermeisten Fällen an die Grenze der Überforderung stößt. [[Fußnote]Niemand hat diese Not schärfer artikuliert als die Bewegung der französischen Situationisten, und niemand ist grandioser gescheitert an der Abwesenheit einer wirklichen konkreten Verbindung zwischen den Menschen und der sie umgebenden Natur].

Die Ansätze, in dieser Situation Gemeinschaft und Dörflichkeit als konkrete und verbindliche Beziehung zwischen Menschen und ihren Lebensgrundlagen wiederherzustellen, sind Legion. Gerade in Perioden, in denen die Unzulänglichkeit unserer sozialen Verhältnisse schmerzhaft bewusst wurden (etwa in der Zeit der 68-er Bewegung), haben sich immer wieder, zumeist getrieben von charismatischen Persönlichkeiten und vermischt mit religiösen Denkmustern, kollektive Versuche der Überwindung der Schranken zwischen den Menschen in kleinen Gemeinschaften eingestellt - einige davon sind als abschreckende Beispiele von Missbrauch in das öffentliche Bewusstsein eingegangen, als Sekten, die wie soziale Krebsgeschwüre Ressourcen an sich zogen und nur selten Bestand hatten. Manchmal haben diese Versuche auch tragisch geendet, und dienen der Propaganda für den Status Quo als warnende Beispiele.

Anderswo ist aber einiges gelungen: von Ökodörfern bis hin zu städtischen Gemeinschaftsprojekten sind Versuchslabore einer anderen Zukunft entstanden. Transition Towns, Sharing und Caring Cities, Coworking und Cohousing, Maker Spaces, Urban Gardening ... die Namen und Bezeichnungen und konkreten Formen wechseln, aber die inkorporierte Intelligenz für die Herstellung gewaltfreier und symbiotischer sozialer Intelligenz ist am Wachsen. Vor allem dort, und das liegt in der Natur der Sache, wo es die sozialen Voraussetzungen für solche Experimente gibt. Und die sind gegenwärtig in städtischen Kontexten eher gegeben. Überspitzt könnte man sagen: das Dorf der Zukunft mit all den zuvor beschriebenen technologischen und sozialen innovationen wird gegenwärtig eher in der Dichte der Stadt erfunden.





Planetar

Und damit sind wir bei der innersten Charakteristik des System der Globalen Dörfer angelangt und auch bei der entscheidenden Differentia spezifika. Mit der beschriebenen Ehrfurcht und dem Respekt vor den Meisterleistungen der Natur und der Wieder-Entdeckung der Kraft der Gemeinschaften auch und vor allem in städtischen Räumen können wir einerseits argumentieren warum wir unsere Kulturlandschaften rückbauen und wieder den Bären und Wölfen Raum geben sollten - eine Position die aktuell gerade in der "progressiven" städtischen Szene dominiert. Wir können aber andererseits auch den Traum von einer neuen und intensivierten Mensch-Natur Zusammenarbeit träumen in der sich der ganze Planet in intensive Kulturlandschaft verwandelt. Unserer Erzählung liegt ganz klar die Entscheidung zur zweiten Position zugrunde.

=== Grundmotive =

In den verschiedenen Abschnitten dieses Buchs sollen die wichtigsten Gründe für diese Positionierung näher beleuchtet werden. Ich möchte sie in dieser Einleitung aber mindestens als Motive benennen:

# So sehr auch im Lauf der Geschichte die Entwicklung der Städte ein Motor der Entfaltung der menschlichen Produktivkräfte und intellektuellen Potentiale war, so sehr hat das Wachstum der Städte, das sich in unserer Epoche in nie dagewesenen Dimensionen vollzogen hat, die Menschen von ihren Lebensgrundlagen getrennt und zutiefst von der sozialen Megamaschine abhängig gemacht; zugleich sind diese Agglomerationen auch die tiefste Ursache für das extraktive Verhältnis zur Natur - etwas was sich im Regelfall jenseits der Städte abspielt und dort für Unwirtlichkeit sorgt, von der die Klimakrise nur eine von vielen Erscheinungen ist. Ein wahrhaft regeneratives menschliches Siedlungsprojekt, das auf Kreisläufen beruht, kennt hingegen verschiedene Optimalgrößen und braucht Natur und Landschaft als Gegenüber. Natur und Mensch können enorm voneinander profitieren und bei weitem mehr Fülle hervorbringen als die sich selbst überlassene (wieder)verwilderte Natur. Das ist ein enormes Sinnangebot, geht tiefer als alle Spektakel der virtuellen Welt und urbanen Abenteuer. Sich darauf einzulassen, dass der Mensch zum Nützling wird wo er durch seine kurzsichtigen Eingriffe in den Haushalt des Planeten zum Schädling wurde, kann per se eine mächtige Motivation sein.

# Das Vermeiden der Abhängigkeit, der immer stärkeren Durchgeplantheit und Rationalisierung des städtischen Lebens ist aber auch für sich selbst Motiv genug. "Reale Freiheit gibt es dort und nur dort wo sie einen Boden unter den Füßen hat." - so habe ich einmal Frithjof Bergmanns Spruch "Wir müssen alle Bauern werden" paraphrasiert [[Fußnote]Eigenzitat: http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?Willkommen_im_Globalen_Dorf/25-WirMüssenAlleWiederBauernWerden]. Das globale Dorf stellt die dörfliche Kompetenz des Lebensproduzierens wieder her. Dies geschieht freilich auch auf der Grundlage einer entwickelten Automationstechnologie die mit den lokalen Kreisläufen eine Synthese eingeht. Automation bedeutet im richtigen Verständnis ein mehr an Autonomie. Die Industrien haben die Grundlage geschaffen, die Produktion wieder an die Peripherie zu verlagern, indem sie Intelligenz in den Werkzeugen verkörpert haben. Nur wenn wir diese Werkzeuge selber in der Hand haben und ihren zweck im Lebensprozess selber definieren können werden sie uns dienen, anstatt dass uns Industrien durch arglistige Gestaltung ihrer Produkte beherrschen. Dafür spricht, daß die sich Entwicklung der industriellen Produkte selbst vergesellschaftet: Open Source.

# Es gibt aber ein weiteres sehr starkes Motiv. Der menschliche Geist hat sich in den Städten befreit von der Einseitigkeit, er hat die hundertausenden Möglichkeiten des menschlichen Daseins zu begreifen gelernt; aber es braucht Raum diese auch durchzugestalten. dies aber bedingt Rückkehr zur Dörflichkeit. Jedes Globale Dorf ist eine Inkarnation einer solch gewußten Gestaltung menschlichen Daseins aka Kultur; keines gleicht dem anderen, und jedes hat auch einen genius loci. Dieser manifestiert sich im Raum, in der Architektur, in tausend Farben und Formen. Die Gleichgesinnten finden sich im virtuellen Netz - sie verwirklichen ihre Gemeinsamkeit im realen Raum.


=== Die Vision =

(noch ein wenig detaillierter auszuführen)


Stellen wir uns eine Welt vor, in der die Trennung zwischen Mensch und Natur, zwischen ihren Räumen und Dynamiken, weitgehend aufgehoben ist. Wo unsere Siedlungen und Anbauflächen so in die bewusst kultivierte Wildnis integriert sind, dass man nicht sagen kann, wo die eine beginnt und die andere aufhört, wo sich dann aber doch feine Nuancierungen und Stufen finden die von verschiedener Intensität der menschlichen Aktivität herrühren. Wo unsere Gebäude und Infrastruktur die Landschaft nicht unterdrücken, sondern sie unterstützen und bereichern, ihr quasi zu einem noch authentischeren Ausdruck verhelfen.

Überall finden wir eine Symbiose aus Hightech und Naturnähe. Häuser mit lebenden Dächern und Fassaden, in denen Vögel nisten. Vertikale Farmen und Aquaponik-Anlagen, in denen Fische und Pflanzen in Kreisläufen verbunden sind. Riesige Gewächshäuser voller üppiger Vegetation und Obstbäume, die unsere Siedlungen durchziehen. Baldachine und Brücken aus lebendigen Pflanzen, die uns mit Nahrung und Schatten versorgen.

Mit biomimetischer Technologie erschaffen wir unsere Infrastruktur nach dem Vorbild der Natur. Straßen und Wege, die wie Adern oder Myzelgeflechte die Landschaft durchziehen. Solardächer, deren Zellen nicht nur in Form von Blättern angeordnet sind, sondern unsere Häuser tatsächlich zu großen Pflanzen machen. Mikro - Wasserkraftwerke, die sich organisch in einen Fluss einfügen. Alles nutzt und unterstützt die vorhandenen Ökosysteme, statt sie zu zerstören.

Überall finden wir eine verschwenderische Artenvielfalt. Bienen und Schmetterlinge bestäuben die Pflanzen in unseren Gärten. In den Wassergräben der vertikalen Farmen tummeln sich Frösche und Molche. Auf unseren Dächern und in unseren Parks nisten Vögel. Denn das ist das Ziel: die zerstörerische Enge der Monokulturen zu sprengen und zu Gärtnern einer beständigen Artenvielfalt zu werden.

So entsteht eine Symbiose zwischen Mensch und Natur, eine neue, nie dagewesene Form der Kulturlandschaft. Die alte Trennung zur reinen Wildnis löst sich auf. Wir sind eins mit der belebten Welt, die uns trägt und nährt. Und dieses neue Verständnis prägt auch unseren Umgang mit ihr. Wir gestalten unsere Umwelt achtsam, als Teil eines größeren, lebendigen Netzwerks. So können wir den ganzen Planeten in diese einzigartige menschlich-natürliche Kulturlandschaft verwandeln.

Im Zentrum der kommunalen Lebens Globaler Dörfer stehen lebendige Dorf- und Stadtzentren, die Raum für Begegnung, Austausch und Kultur bieten und zugleich die Orte sind, an denen Begegnungen über weite Distanzen möglich sind. Aber auch abseits der Zentren begegnen sich private und öffentliche Lebensräume, etwa in Grünstraßen mit Läden und Begegnungszonen, was zur permanenten Interaktion anregt.
Produktion findet kaum mehr in Fabriken statt, sondern in viel kleineren und vielfältigeren Räumen. Auch hier ist die Biomimetik federführend; Die Produktion orientiert sich an zyklischen Prozessen der Natur, sowohl was die Energie als auch was das Material betrifft. Es entstehen keine Abfallprodukte, alles wird vollständig verwertet. Fertigungsprozesse ahmen die komplexen Prinzipien der Natur nach. Zum Beispiel werden robuste Verbindungen durch flechten, weben oder knüpfen erreicht. Die Produktion ist modular und flexibel, interaktiv und reagiert auf die Bedürfnisse der Gemeinschaft. Sie kann leicht an geänderte Bedürfnisse angepasst werden. Massenproduktion wird vermieden, stattdessen liegt der Fokus auf individuellen und langlebigen Produkten. Die Arbeitsabläufe sind an den menschlichen Bedürfnissen orientiert. Handarbeit und traditionelle Handwerkskunst spielen trotz allem Einsatz flexibler Automation und KI eine wichtige Rolle. Die Palette an solcherart generierten Produkten ist sehr vielfältig und deckt einen großen Teil des täglichen Bedarfs ab.

Die geografische Streuung der Siedlungen fördert lokale Autarkie bei Energie-, Wasser- und Nahrungsmittelversorgung. Dennoch sind sie auf verschiedenste Arten miteinander verbunden, Schiene, Straße, Luft und Wasser sind gleichermaßen Verkehrswege.

Die Welt ist unterteilt in ca. 1000 Regionen, die allesamt zumindest eine größere Stadt als "Mutterstadt" aufweisen. Staaten gibt es nicht mehr, dafür aber sehr viele globale Netzwerke, die sich um Fragen von gemeinsamem Belang kümmern.




Die meisten Krisen und Gefahren von heute würden in einer solchen Welt nicht existieren. Ein solcher Planet und eine solche Organisationsweise wären nicht nur widerstandsfähig, sondern sie könnten wesentlich mehr Menschen ernähren als das heute noch vorstellbar ist. Zugleich würde sich aber durch den ubiquitären Wohlstand das Wachstum der Menschen - Bevölkerung stabilisieren.

=== Jede Menge Fragen =

Bedenken

Ich kann schon hören wie sich Widerstand gegen diese Vision regt. Was ist mit dem urbanen Leben oder der Erforschung des Weltraums? - um nur zwei der tausend Fragen zu nennen, die schon die grobe Umschreibung der Vision provoziert.

Zuallererst: die Städte werden in dieser Vision nicht einfach abgeschafft, sondern transformiert. Sie werden "Mutterstädte". Anstatt allen Reichtum und alle Menschen an sich zu saugen, sind die intellektuellen und auch noch wo notwendig industriellen Zentren von Bioregionen, die das dezentrale gute Leben erst so richtig ermöglichen. Sie sind die Schatzhäuser der Menschheit: Bildung, Forschung und Kultur, Universitäten, Bibliotheken, Museen und kreative Zentren bleiben wichtige städtische Einrichtungen. Sie sind auch selbst Entwicklungs- und Innovationslabore der neuen Dörflichkeit, Konzepte wie Sharing und Kreislaufwirtschaft werden hier immer weiter verfeinert; Städte werden zu pulsierenden Zentren des menschlichen Lebens und Zusammenlebens in Harmonie mit der Natur. Sie bleiben die Zentren des Zusammenkommens und des Austausches.

Schon von ihrer Anmutung her werden viele Städte durch ihre Gestaltung Zeugnis ablegen von dieser Wende: Parks, Gärten und naturnahe Elemente durchdringen den urbanen Raum und machen die Stadt zu einem lebendigen Organismus. Dach- und Vertical Farming bringen die Nahrungsproduktion zurück in die Stadt. Stadtplanung orientiert sich am menschlichen Maßstab und schafft lebendige, vernetzte Nachbarschaften. Plätze und Straßen sind Begegnungsräume statt Verkehrsadern. Die Natur dringt bis ins Zentrum vor, von begrünten Fassaden über urbane Wälder bis zu vertikalen Gärten.

Auch die Expansion jenseits unseres Planeten ist nicht zum Stillstand gekommen in einer Welt der Globalen Dörfer. Sie ist schon deswegen notwendig, damit sich das Netz des Lebens gegen die regelmäßigen kosmischen Katastrophen schützen kann, die schon mehrmals in der Geschichte unseres Planeten eingetreten sind. Allerdings ist der Weltraum zunächst eher ein Ort der mit Maschinen und Sonden heimgesucht wird, als ein Ort für menschliche Kolonialisation. Die hektischen Pläne der Besiedelung anderer Planeten wurden als ideologischer Reflex der Zerstörung unserer irdischen Lebensgrundlagen weitgehend aus den Diskursen der Menschheit verdrängt, was nicht heißt, dass es nicht eine Minderheit gäbe, die diese Pläne nach wie vor verfolgt.

Vielleicht ist hier der Ort über ein weiteres Merkmal unserer Erzählung einer globalen Zukunftskultur zu sprechen: während viele utopische Entwürfe ihre Gestaltung einer Fiktion eines bis ins Detail durchdeklinierten Weltbildes verdanken, in der sich eine wie immer geartete Vernunft durchgesetzt hat, ist die Welt der Globalen Dörfer eine, in der die Differenz und die Ausdifferenzierung von Kulturen und ihre jeweils lokale Manifestation das Bild bestimmen. Ja diese Welt ist geradezu dazu eingerichtet, der Vielfalt menschlicher Daseinsentwürfe Raum zu geben. [[Fußnote]Hinweis auf bolo'bolo, die erste Utopie die diesen Gedanken konsequent ausgeführtr hat.]

Verändert: 25,27c144
[[Fußnote] Ein beliebiges Beispiel mit Literaturstellen wie diese Bedeutungen durcheinander geworfen werden siehe https://www.grin.com/document/378270: " „Das global village ist zentral vernetzt, bie­tet ein hierarchiefreies Nebeneinander von unterschiedlichen Medien und Kommunikationsformen. Die auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigten In­formationen bewirken eine Kommunikation, die überall und gleichzeitig stattfin­det.“ (Giesecke, 2002, S.227). Elektronische Medien bringen die ganze Menschheit in einem einzigen globalen Dorf zusammen. Alle Menschen neh­men daran teil, dass Information und Kommunikation sofort und ständig ver­fügbar ist. Die maßgeblichen drei Eigenschaften sind: Simultan, permanent und interdependent, formuliert Grampp (vgl. Grampp, 2011, S.93). „Alle Fest­stellungen sind kurzlebig und Wahrheiten sind nicht mehr in Stein gemeißelt, keine zusammenhängende Logik, sondern nur Statements, Momentaufnah­men von extrem kurzer Haltbarkeit“, wie Dreyer es formuliert (ebd. S.75).

::Kein Wunder dass ein solcher Nicht - Begriff aus der Mode gekommen ist!"]
- * -
Tiefere Bedenken

Hinzugefügt: 28a146
Es gibt aber auch Bedenken die weit prinzipieller sind gegen die Entwicklung einer solchen Realutopie.

Verändert: 30c148
Eine Annäherung an diese Realität ist meine subjektive, von lebensgeschichtlichen Zufällen geprägte Reihe von nachhaltigen Eindrücken, die sich zu einer Theorie und zu einem Weltbild verfestigen, ein wenig zu skizzuieren
Da ist zum einen die Hinweise auf eine ewige menschliche Natur:

Verändert: 32c150
Die zwei bestimmendsten und nachhaltigsten dieser Eindrücke haben sich in die innere Polarität des Begriffes "Globale Dörfer" verwandelt.
Sind nicht "menschliche Daseinsentwürfe" immer im Kampf miteinander gelegen? Ist uns das Hemd nicht immer näher gewesen als der Rock? Alleine die Vorstellung der "Mutterstädte" als nährende und gebende Aggregate menschlichen Zusamenwirkens widerspräche doch aller historischen Erfahrung, dass Städte in aller Regel um das Marktprinzip herum enstanden seien, also Orte der Akkumulation von Reichtum. Wie kann man im Ernst meinen, dass Verteilungskonflikte um Ressourcen und Lebenschancen zwischen verschiedenen Regionen der Welt, die gewaltsam eingerichteten Benutzungsverhältnisse sich nicht immer wieder spontan einstellen würden? Die Natur hat ja ihre Reichtümer nicht gleichmäßig auf der Welt verteilt.

Entfernt: 34d151
Auf der einen Seite steht die Möglichkeit, menschliches Wissen mit Hilfe der elektronischen Medien völlig neu zu organisieren, sodass es einerseits alle seine Kontexte und Voraussetzungen expliziert und andererseits überall verfügbar wird. Mehr als das, die Grenzen zwischen Informationsübertragung und Herstellung materieller Güter sind fließend geworden, dezentrale Automation, Fabrikation und Replikation entwickeln sich zur Antithese der großen Industrie. All das, was bislang nur in Städten möglich war, ist aufgrund der globalen Vernetzung letztendlich auch an den Peripherien denkbar geworden. Es passiert dort freilich nicht auf dieselbe Art und Weise und erfordert einen sehr hohen Grad an Koordination und Bildung und auch hier kritische Massen, aber es eröffnet neue Chancen nicht nur des Überlebens, sondern kollektiver Selbstbestimmung und einer kulturellen Renaissance der peripheren Regionen.Eine unabdingbare Voraussetzung wäre, dass handlungsrelevantes Wissen aus seinen proprietären Fesseln gelöst und als globales Gemeingut organisiert wird. Eine weitere Voraussetzung wäre die Etablierung starker regionaler Zentren, die nicht nur weltweit miteinander forschend kooperieren, sondern auch ein lokales Netz komplementärer Kompetenzknotenpunkte etablieren - auch und gerade in ursprünglich ländlichen Regionen.

Verändert: 36c153
Lebensgeschichtlich hat sich für mich die Beschäftigung mit den neuen Formen der Wissensorganisation und den Potentialen der digitalen Medien vor allem aus meiner Auseinandersetzung mit den frühen und noch entwicklungsoffenen Hypermedia Systemen, vor allem HyperCard, ergeben. Aber erst das Zusammentreffen mit dem Medienvisonär Kim H. Veltman hat mich zu einer Systematik der Modalitäten des Digitalen angespornt und für mich begreiflich gemacht, wie die unendlichen Möglichkeiten der digitalen Technologie auseinander hervorgehen und einander befördern.
Da ist weiters die tausendfach vorgetragene Überzeugung dass ohne eine regelnde und ordnende politische Gewalt nichts geht auf der Welt:

Verändert: 38c155
Auf der anderen Seite stand zunehmend die Faszination durch die Möglichkeiten "der Welt außerhalb des Computers", unserer Lebensräume und der Potentiale der Einbettung von Technologie in Lebenswelten mit menschlichen Dimensionen. Im Wesentlichen geht es um die Frage, welche neuen und zusätzlichen Optionen die Technologie der Kommunikation auf den Raum hat und wie sie dessen Möglichkeiten unterstützt. Doch dazu sind Raum - Erfahrungen der verschiedensten Art notwendig.
Hat uns nicht die Geschichte gezeigt dass sich immer wieder tribalistische und mafiöse Strukturen herausgebildet haben, denen nur durch einen staatlichen Leviathan mit Gewaltmonopol beizukommen sei? Die kommunistischen Träume vom Absterben des Staates - haben sie nicht in Alpträume von Stagnation und Unterdrückung geführt? Welche Hoffnung gäbe es denn für die Menschheit angesichts der Konflikte der Machtblöcke außer einem Hegemon oder gleich einem Weltstaat? - und so fort.

Verändert: 40c157
Der lebensgeschichtliche Zufall, der dabei den Ausschlag gab, war die Begegnung mit der griechischen Dorfkultur auf der Insel Samos, die ich in einem Prozess eines beginnenden Niedergangs ab 1982 kennenlernen durfte. Beides war für mich gleich ergreifend: die intensive Lebendigkeit sowohl was die sozialen Beziehungen als auch die Einbettung in eine über viele Generationen gepflegte und bereicherte Natur anbelangte, als auch die Unerbittlichkeit mit der der Einzug des Tourismus und externer Verlockungen zum Exodus der jungen Generation führte, bis aus den lebendigen Dörfern binnen kurzer Zeit Ruinen wurden.
In der Tat liegt die Latte für einen Zukunftsentwurf, der sich nicht dem Vorwurf der Naivität gefallen lassen will, recht hoch. Viele Menschen die sich angesichts der Multikrise zum aktiven Handeln und Widerstand entscheiden haben dem Prinzip Hoffnung mehr oder weniger eine Absage erteilt, es als unnötigen mentalen Ballast verabschiedet. Stattdessen gälte es, sich auf das Schlimmste einzustellen (Im Englischen hat sich dafür der Begriff "Doomsters" herausgebildet) und im Rahmen dieses Fatalismus die geringen Handlungsmöglichkeiten zu erkunden, die uns in einer Situation der "Deep Adaptation" überhaupt noch bleiben.

Verändert: 42c159
In der Tat sind diese beiden so verschiedenen Ausgangspunkte, das riesige Potential der elektronischen Medien als Quelle und Speicher und Beschleuniger von Wissen und Können einerseits und die Potentiale eines pflegenden und regenerativen Mensch-Naturverhältnisses genau die Polarität, die meine Wahrnehmung und meine Phantasie in den folgenden Jahrzehnten bestimmten. Einmal in diese Polarität zwischen global und lokal gelangt, entdeckte ich auf beiden Seiten der Gleichung immer neue Manifestationen, immer neue Potentiale der Entwicklung und vor allem der wechselseitigen Befruchtung. Später lernte ich zu erkennen, dass es um die Herausbildung von Mustern ging.
Wenn wir dagegen halten dass es auch und gerade in einer Situation der Hoffnungslosigkeit umso notwendiger ist, die Erinnerung an unsere besten Möglichkeiten zu bewahren und die Erzählung über das was sein könnte als Kraftquelle zu sehen - dann bedeutet das also nicht dass wir naiv die drohenden Gefahren von Krieg, Umweltzerstörung, Verarmung, Brutalisierung, Autoritarismus und zu allem Überdruss auch noch die reale Gefahr der "Antiquiertheit des Menschen" durch einen zunehmenden Selbstlauf der Technologie der künstlichen Intelligenz ignorieren. Wir betonen aber, dass die Reflexion und die Imagination selber Bestandteile der Realität sind und daher, wie eingangs gesagt, unabdingbar sind, sollen sich bessere Möglichkeiten in dieser Realität realisieren. Der kritischen und - von allen verzerrenden Verhübschungen freien - Analyse der geltenden Zwecke und strukturellen Verhängnisse muss trotz allem ein real möglicher Zukunftsentwurf, ein Bild das uns unsere unsere langfristigen Ziele und Chancen bewusst macht, an die Seite gestellt werden, um uns dann zu einem der gegenwärtigen Situation adäquaten "pragmatischen" Handeln zu befähigen. Oft genug beinhaltet das pragmatische Element auch genau die Aktivierung jener visionären Potentiale im richtigen Moment am richtigen Ort, wie französische Studenten im Mai 68 es formulierten indem sie die Parole "Soyez realistes, demandez l'impossible" affichierten. [[Fußnote]Das Zusammenspiel von drei Intelligenzen, der kritischen, der visionären und der pragmatischen, habe ich einmal in einem eigenen Buch zum Thema gemacht: Franz Nahrada(Hg.)Unsichtbare Intelligenz: Kritik, Vision und Umsetzung - Bausteine einer neuen Theoriekultur * ISBN 978385476-312-3]

Verändert: 44c161
Auf der physischen Seite war es vor allem die Auseinandersetzung mit dem städtebaulichen Experiment Arcosanti in der Wüste von Arizona, das ich von 1987 bis 1995 viermal besuchte und auch die Gespräche mit dem Begründer Paolo Soleri, die mich nachhaltig neeindruckten. Arcosanti ist das ehrzeigige Projekt, eine Stadt von 5000 Menschen auf der Grundfläche eines kleinen Dorfes zu bauen und damit einen dreidimensionalen Organismus zu schaffen, der der umliegenden Landschaft alle Entfaltungsmöglichkeiten gibt. Soleri war davon überzeugt, dass sich unsere Städte entwickeln wie Organismen, dass es einen evolutionären Grundzug zu steigender Komplexität gäbe, der durch eine bewusste Optimierung der räumlichen Strukturen in Richtung Mehrfachnutzung, Kompaktheit und Lebendigkeit ausgeglichen werden müsse. Diese Evolution bedeute sparsamen und effektiven Umgang mit Ressourcen ("Frugality") und ziele nicht ins Wachstum, sondern in angepasste Größen ("Miniaturisation").


Entfernt: 46d162
Dies wurde ergänzt durch die Freundschaft mit einem seiner Schüler, dem Architekten Joseph Smyth, dem ich damals in Thousand Oaks nördlich von Los Angeles begegnete und der in einer kühnen Vision Soleris Theorien für die Umwandlung der Autostadt LA in ein Netzwerk von fußgängerorientierten verdichteten "urbanen Dörfern" umsetzen wollte, verbunden durch ein neues Netzwerk von öffentlichen Verkehrsmitteln. Die kreative Phantasie von Josephs Raumentwürfen zeigte mir mit einem Schlag, wie viel Potential europäische gewachsene Raumstrukturen für unsere Zukunft enthalten. Später sollten viele weitere Architekten und Planer an der Schnittlinie von amerikanischer Unbekümmertheit und Innovationsfreude und europäischer (und asiatischer) Raumweisheit dazukommen, die ich auf die Global Village Konferenzen in Wien einladen konnte.

Entfernt: 48d163
Auf der Seite der Informationstechnologie und der Wissensorganisation war es vor allem die Begegnung mit Douglas Engelbart in Stanford 1990, die mein Weltbild auf völlig neue Grundlagen stellte. Engelbart ist in vielem der erste Pionier eines Verständnisses der Computertechnik als Kommunikations- und Denkwerkzeug gewesen, er wollte die Potentiale des menschlichen Denkens, des menschlichen Intellekts über ein passendes Interface zum Computer als Wissensspeicher vervielfachen. Dafür hat er die wesentlichen Basisinnovationen erfunden, er hat zur selben Zeit die Computermaus, die "Fenstertechnik", also das simultane Darstellen mehrerer Anwendungsbereiche, Textstellen oder Prozesse auf einem Bildschirm und den Hyperlink, das heißt die Möglichkeit, assoziative Verbindungen am Computer darzustellen - etwas, was wir mit dem World Wide Web heute für selbstverständlich nehmen.

Entfernt: 52d166
Engelbart begrüßte mich aber zu meiner großen Überraschung in unserem Gespräch als Soziologen, etwas was ich nicht erwartet hätte. Er war fasziniert von der Frage, welche Wirkungen das Human Interface in der Gesellschaft hat. Einerseits würde es die Zugänglichkeit und die wechselseitige Erhellung und Erweiterung des Wissens unterstützen, aber eben auch die Multiperspektivität. In dieser Multiperspektivität sah er auch einen Schlüssel zur Lösung gesellschaftlicher Probleme.

Entfernt: 54d167
Um mir die soziale Seite der Angelegenheit praktisch zu demonstrieren schickte er mich auf einen Besuch in das Institute for the Research on Learning ins nahegelegene Palo Alto - und tatsächlich war dieser Besuch ein Schlüsselerlebnis. Als Gemeinschaftsgründung von Persönlichkeiten aus dem XEROX Palo Alto Research Center und der Stanford Universität war das IRL eine gemeinnützige Forschungsorganisation, die sich mit dem Lernen in Schulen, am Arbeitsplatz und in informellen Umgebungen befasste und dabei auf kooperativen, multidisziplinären Teams aufbaute. Die Forschungsfragen basierten auf realen Problemen und Rahmenbedingungen, die in Zusammenarbeit mit Menschen in Schulen und am Arbeitsplatz definiert wurden, die sich für diese Aktivitäten einsetzten. Das Institut hatte durch die Entwicklung des Konzepts der "Community of Practice" nicht nur in den USA, sondern weltweit einen erheblichen Einfluss auf Bildung und Wissensmanagement (neben vielen anderen Bereichen). In den wenigen Stunden die ich dort verbrachte gewann ich den Eindruck, dass tatsächlich hier eine neue Form von nichthierarchischer und höchst produktiver Wissenssuche gelebt wurde. Die Teams waren ja nicht nur interdisziplinär zusammengesetzt (Programmierer, Interfacegestalter, Pädagogen, Wahrnehmungspsychologen), sondern auch mit Personen ergänzt, die der Wissenschaft eher fern standen, Eltern, Kinder, Lehrpersonen und so weiter. Und es war spannend zu sehen und zu hören, dass oft gerade die Beiträge dieser Laien zu Durchbrüchen bei der Entwicklung von Lernumgebungen führten.

Verändert: 56c169
Engelbart hatte in seinen Arbeiten dieses Konzept schon längst verallgemeinert. Er nannte diese soziale Seite seiner Forschungsmethode die "Bootstrap Communities". Dabei legte er großen Wert darauf, dass nicht einfach Produkte verbessert würden, sondern dass fast alle Bereiche der Gestaltung unserer Lebenswelt Aspekte der Verbesserung oder Behinderung von Zusammenarbeit sowie der Senkung oder Erhöhung der kollektiven Intelligenz durch diese Gestaltungen beinhalten, und dass diese Erhöung der Intelligenz / Effektivität gerade durch die Nutzung der eigenen Produkte und/oder Dienstleistungen für die Methode konstitutiv seien [[Fußnote] https://www.dougengelbart.org/content/view/226/269/] . Nur so könne gewährleistet werden, dass tatsächlich kleine Gemeinschaften mit Multiperspektivität die Herausforderungen an größere Kollektive oder ganze Gesellschaften bewältigen helfen.
Der Anspruch unserer Erzählung kann nur sein, die Bedenken - von denen nur einige angeführt wurden - nicht zu ignorieren. Wenn wir die Welt der Globalen Dörfer darstellen, dann muss die immense Arbeit durchschimmern, die notwendig gewesen sein wird, einen derartigen Stand der Dinge zu erreichen; die materiellen Bedingungen, die gegeben sein müssen, genauso wie den Kulturwandel und warum und wie er möglich und erfolgreich gewesen sein wird. Wir müssen uns vor allem auch ganz prinzipielle Fragen stellen ...

Verändert: 58c171,181
Wesentlich sei weiters, dass in Umrissen die Innovation - als Komplex technischer, sozialer, kultureller Entdeckungen oder Wiederentdeckungen verstanden - eine gemeinsame Mission sei und von allen Mitgliedern der Community geteilt werden könne. Die Multiperspektivität sei eben auch ein Mittel gegen einseitig technokratische Konzepte und sorge für ausgeglichene und balancierte Lösungen. Nichtsdestoweniger wäre eine Art Vision oder Wunschbild für die Identität einer solchen Community konstitutiv. Nicht einfach als Forschungsfrage nach den Möglichkeiten, sondern immer schon als normative Aussage über das Wünschenswerte.
* wie es überhaupt dazu kommt dass Menschen in einer lokalen Sphäre als Kultur-Gemeinschaft agieren können, ohne dass die Autonomie des Einzelnen am Druck von scheinbaren Sachzwängen, Konventionen, Stimmungen etc. zugrunde geht. Wie sich Vielfalt und Einheit, Individualität und Gemeinsinn, die Bedürfnisse von heute und die Bedürfnisse der Zukunft, wie sich diese scheinbaren Gegensätze ausbalancieren lassen.
* wie ein Zusammenspiel von regionaler bis globaler Kooperation und der angestrebten lokalen Autonomie überhaupt möglich ist und funktionieren kann,
* wie Verteilungskonflikte um Ressourcen und Lebenschancen zwischen verschiedenen Regionen der Welt sich friedlich lösen lassen,
* wie bei aller kulturellen Diversität überhaupt so etwas wie eine gemeinsame Ausrichtung, ein gemeinsames Ziel, das letztlich auch zu gemeinsamen Entscheidungen auf planetarer Ebene führt, möglich ist und wie sich dieses Bild eines konsensualen Zusammenwirkens von der Vorstellung eines Weltstaats unterscheidet,
* wie, mit welchen Mechanismen, Entscheidungen auf lokaler, regionaler und globaler Ebene transparent und partizipativ getroffen werden können und wie neue Formen der Entscheidungsfindung jenseits der repräsentativen Demokratie aus den elementaren Strukturen und planetaren Zellen hervorgehen,
* welche Rolle spielt Geld in dieser Welt spielt,
* Ob es weiterhin Privateigentum und Profitstreben gibt, wo und an welchem Ort, und wenn ja, wie sie mit der Idee des Gemeinwohls zusammengehen,
* wie dem immer möglichen Rückfall in Tribalismus, Nationalismus und wechselseitige Abschottung vorgebeugt werden kann,
* wie man den technologischen Fortschritt steuern kann, sodass er die Harmonie zwischen Mensch und Natur fördert anstatt sie zu gefährden,
* Welche Form von Bildung es braucht, um überall das Verbindende der Kulturen, weltbürgerliches Denken und planetare Verantwortung zu fördern, Menschen Begeisterung und Verständnis für die notwendige Vielfalt der Kulturen zu vermitteln und zugleich sie zu ermutigen in dieser Vielfalt nach Resonanz und ihrer eigenen Identität zu suchen,
* Und letztlich stellt sich ganz pragmatisch die Frage,wie wir von der zerstörerischen Gegenwart zu dieser positiven Vision kommen - welche Schritte in die Globale Dorf-Welt führen.

Entfernt: 60d182
An diesem Punkt fragte mich Engelbart zum Abschied, ob ich denn eine klarere Vorstellung von meiner Rolle in diesem Prozess gewonnen hätte. Und ich antwortete mit Ja. In der Überzeugung, dass unsere künftige Rolle und Entwicklung als Gesellschaft mehr denn je von der Wiedergewinnung der Fähigkeit zur Formung kleiner, kreativer Gemeinschaften abhinge, die die vielfältigen Möglichkeiten unserer Daseinsgestaltung in einem vernetzten und kooperativen Zusammenhang erkunden, wollte ich mich der Gestaltung der Lebensräume und der Lebensqualität solcher Gemeinschaften widmen und transdisziplinäre Teams zusammenbringen. Wesentlich sei, dass wir mehr denn je der Wiederintegration von menschlichem Dasein und Natur unsere Aufmerksamkeit schenkten, wie ich sie an den griechischen Dörfern so lebendig erlebt hatte - und zugleich dafür sorgen, dass die kollektive Intelligenz und Integration solcher "Dorfumgebungen" in ein weltweites Projekt kollektiver Evolution dabei gleichwertiges Ziel bleibe.

Verändert: 62c184
Wenig später bastelte ich mit Hannes Wolf, einem technologiebegeisterten Freund aus Apple Tagen, an einem Akronym für dieses Projekt. Wir kamen auf GIVE, Globally Integrated Village Environment. Die Globale Integration sollte nicht eine Form der Dominanz einer Ideologie oder Kultur sein, sondern sich aus dem gemeinsamen Anliegen der Erhöhung lokaler Handlungsfähigkeit aller durch die Zuwendung an die unendlichen Möglichkeiten der Miniaturisierung und inneren Diversifikation von gemeinschaften naturwüchsig ergeben, als Repository der bewährten Möglichkeiten.
Es gibt keine einfachen Antworten auf diese komplexen Fragen. Eine lebendige Kultur der gemeinschaftlichen Selbstbestimmung zu erhalten, die auf den Potentialen des globalen Wissens und Könnens beruht, erfordert sorgfältige Abwägungen und Kompromisse. Kleine und größere Einheiten auf jeder Ebene, von Individuen und Gruppen, Dörfern, Städten, Regionen usw. in ein Zusammenspiel zu bringen, ohne strukturelle Dominanz zuzulassen, ist eine große Herausforderung. Wir werden die vielerlei Kräfte, Bedingungen und Konstellationen anschauen, die sich förderlich auf eine solche Kooperation auswirken.

Verändert: 64c186
Auch auf dieser Seite gab es noch viele Egänzungen und Vertiefungen. Die zwei wichtigsten möchte ich hier noch kurz beschreiben:
Eines sei aber abschließend noch kurz erwähnt: in meiner grundsätzlichen Überzeugung dass sich ein wirklich vereinigendes Systen der Governance findet, gehe ich von einer uralten Idee aus, der holarchischen Kreiskultur, wie sie sich etwa im indianischen Medizinrad manifestiert. Das Medizinrad war nicht nur ein Werkzeug der Entscheidungsfindung innerhalb von Stämmen und Völkern, es wurde auch ansatzweise angesichts der kollektiven Bedrohung durch die Weißen auf übergeordneten Ebenen als Werkzeug des Interessensausgleichs und des "Nation Building" eigesetzt, auch wenn die Kolonisierung und Vertreibung der Indigenen solche nation building Prozesse dann aber jäh zunichte machten.

Verändert: 66c188
1995, bei meinem letzten Aufenthalt in den USA, wurde ich durch eine eher ungewöhnliche Verkettung von Ereignissen mit den Lehren des indianischen Medizinrades konfrontiert. Kurz zusammengefasst, ist das Medizinrad eine Sequenz von Perspektiven, die zu einer "weisen" Entscheidung der verschiedensten Fragestellungen führen. Im Unterschied zur demokratischen Ratsversammlung westlichen Typs agieren die Teilnehmenden nicht als Individuen mit partikularen Interessen, sondern sie ordnen sich acht fixen Gesichtspunkten zu, die bei jeder Frage eine Rolle spielen und durch Himmelsrichtungen repräsentiert werden. Von der kreativen Innovation führt der Weg über die Wertschätzung des Bestehenden zur bewussten Artikulation von Konflikten, um in Stationen des einigenden Gemeinschaftsbewusstsein, des Sachwissens und der strategischen Optionen zu einer Entscheidung zu führen, die sich dann freilich nachträglich noch einmal die Prüfung auf Integrität und Konsensualität über sich ergehen lassen muss, was zumeist zu einer neuen Runde im zeremoniellen Reden und resoektvollen Zuhören führt.
Die Grundidee, die sich symbolisch aus den Himmelsrichtungen ableitet, ist die Polarität und Unterschiedlichkeit der Kräfte, die zur Ganzheit aller Aspekte des Lebens führen. Im Gegensatz zur westlichen Demokratie geht es in der indianischen Ratsversammlung nicht um Mehrheitsfindung, sondern um wirklichen Konsent, das heißt auch dass jede/r der/die einen Einwand äußert nicht nur angehört wird, sondern dass die Einwände tatsächlich als Bestandteil der gesellschaftlichen Realität ernst genommen werden, der Entscheidungsprozess daher auch nicht an sein Ende kommt bis alle Einwände integriert sind.

Verändert: 68c190
Was so banal klingt, war für mich eine Offenbarung, die das Bootstrap-Prinzip noch einmal vertieft: Multiperspektivität scheint im Kern nichts Zufälliges zu sein, sondern ein zeitloses, immer wiederkehrendes Geflecht von Polaritäten. Es scheint dass das das vielen indigenen Kulturen bekannt war und als Organisationsprinzip für Entscheidungen und Forschungen benutzt wurde. Es ist eine faszinierende Herausforderung, nach solchen Universalien zu suchen, die uns helfen Perspektiven miteinander zu verbinden und in einem dialektischen Prozess auseinander hervorgehen zu lassen.
Es könnte sein, und darauf gründet sich eine erste Hoffnung zur Auflösung der oben angeführten Bedenken, dass alleine die Tatsache dass Einwände ernst genommen und nicht abgeschmettert werden, zu einer tiefen Transformation führt. Einwände werden anders vorgebracht und können anders bearbeitet werden, wenn sie apriori als Teil einer verbundenen Ganzheit geäußert werden, wie es sich etwa auch im indianischen zermoniellen Modus des Sprechstabes ausdrückt. Es gibt dann nicht das antagonistisch Böse und das Außen an sich, schon gar nicht in einer Welt die so intensiv kommunikativ zusammengewachsen ist wie es <n> McLuhans? </n> Metapher ausdrückt. Diese Gegensätze entstehen erst wenn wir uns weigern die Einheit in der Differenz zur Grundlage unseres Diskurses zu machen. Dies aber erfordert eine enorme Arbeit von allen Seiten, soviel ist klar. Die Idee der Globalen Dörfer ist die Idee einer Welt die Raum schafft für Verschiedenheiten aller Art, für ein Nebeneinander von fast gegensätzlichen Lebensauffassungen. Dazu gehört auch, dass jede dieser Lebensauffassungen sich nicht selbst verabsolutiert und missionarisch die Welt nach ihrem Bild formen will. Vielleicht ist dies die eine Sache, die die Menschheit lernen muss, wenn sie überleben will.

Entfernt: 70d191
.....

Entfernt: 73d193
Die letzte wesentliche Inspiration schließlich war die Idee der Mustersprache als Organisationsprinzip von Gestaltungswissen.

Globale Dörfer    

oder ˧

Wie wir unsere Zukunft in einem Lokalen finden, das durch Verbindungen mit der ganzen Welt lebendig wird    

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Globale Dörfer   
Wie wir unsere Zukunft in einem Lokalen finden, das durch Verbindungen mit der ganzen Welt lebendig wird   
Die Frage nach unseren besseren , nein unseren besten Möglichkeiten ist alles andere als überflüssig geworden, gerade in einer Zeit in der sie dementiert werden wie schon lange nicht   
Warum "Globale Dörfer?"   
Grundmotive   
Die Vision   
Jede Menge Fragen   
˧

Die Frage nach unseren besseren , nein unseren besten Möglichkeiten ist alles andere als überflüssig geworden, gerade in einer Zeit in der sie dementiert werden wie schon lange nicht    

Es mutet seltsam an, in einer Zeit der rasenden Beschleunigung verhängnisvoller Entwicklungen, in der sowohl dem planetaren Netzwerk des Lebens als auch der Zukunft der menschlichen Art Bedrohungen in einem noch nie gekannten Ausmaß erwachsen sind, über eine friedliche und lebendig gedeihende Welt kooperierender Gemeinwesen zu schreiben. Was sollen diese Träume wenn wir weltweit Machtballungen und Disruptionen, Ungleichheiten und Einhegungen vorfinden, die geschichtlich einzigartig sind? Wo es kein Niemandsland mehr gibt, aber unfassbare Vergiftungen und Zerstörungen? Wo sich gleichzeitig die Technologie längst in vielen Bereichen weit über die menschlichen Fähigkeiten hinauszuentwickeln beginnt, und zugleich immer subtilere Formen der Kontrolle und Ausbeutung ermöglicht? ˧

Doch sind die Grenzen des Möglichen eben nicht nur auf der Seite der Destruktivität ins Unermessliche gewachsen, sondern auch auf der Seite der Zusammenarbeit, der Überwindung von Gegensätzen und der gemeinsamen Lösungen für eine andere, bessere Zukunft. ˧

  • Vernetzung und Kooperation könnten auf eine neue Stufe gehoben werden, die komplexen Resultate menschlichen Handelns können beispielsweise erstmals in jeder beliebigen Dimension antizipiert und so auch bewusst korrigiert werden. ˧
  • Die Subtilität der Technologie könnte sich als nie gekanntes Zusammenspiel von Mensch und Natur entfalten. Die Automation würde nicht Berge von Produkten erzeugen die bei ihrer Herstellung schon Müll sind, sondern uns die Fähigkeit geben, das bewusst herzustellen was wir wirklich brauchen. ˧
Diese Möglichkeiten werden sich aber nicht entfalten können, wenn nicht eine grundlegende Veränderung in den elementaren Mustern unseres sozialen, ökonomischen und politischen Gewebes und Gefüges geschieht, für die wir Bilder und Begriffe brauchen. ˧

Denn wir sind ja nicht einer von außen kommenden Bedrohung ausgeliefert, sondern all das was wir als zerstörerische Kräfte wahrnehmen ist entstanden aus menschlichem Handeln, das sich in der Rationalität jener Formen bewegt, die scheinbar alternativlos unsere Ziele und Mittel bestimmen: der Markt, das Geld, die Konkurrenz, der Staat, die sich zu planetaren Megamaschinen fortentwickelt haben und tatsächlich mit der Unerbittlichkeit von Maschinen funktionieren. Alternative Zukunftsbilder die diese Maschinenlogik unter den Vorbehalt der Rücksichtnahme oder gar Abhängigkeit vom Wohlergehen der Menschen fortführen wollten sind verblasst, wie es der Begründer der Kybernetik, Norbert Wiener vorausgesagt hat.[1] Wo die herrschenden Eliten nicht nur über die Produktionsmittel und Patente verfügen sondern auch immer unverfrorener damit drohen können, dass sie auf die unmittelbaren und mittelbaren Produzenten nicht mehr angewiesen sind, weil sie Produktionsagenten immer weitgehender selber produzieren können, droht die Mehrzahl der Menschen zu einer ungeheuren Masse "nutzloser Esser" zu verkommen, machtlos und eigentumslos ausgeliefert jenen, die ihnen auch alle Mittel der Subsistenz geraubt haben und selbst die Natur wird nie gekanntem Ausmaß eingehegt, also als Mittel menschlicher Subsistenz unbrauchbar gemacht. ˧

In Momenten wie diesen braucht es eine grundlegend andere Erzählung, die diese unendlich zersplitterte Masse zu gemeinsamem sinnvollen Handeln zu bewegen vermag, ihre Wahrnehmung einer anderen Welt die wir vage ahnen aber nicht wirklich zu beschreiben und zu sehen vermögen, zu beflügeln. Und in der Tat arbeiten schon viele Menschen auf der ganzen Welt an Varianten dieser Erzählung, hat sich eine Schar von Utopisten und Visionären aufgemacht, der "No Future"- Kultur eine Absage zu erteilen. ˧

In diesen Erzählungen geht es darum, wie Kerne autonomer Lebensgestaltung inmitten der und sogar durch die Mächte der kybernetischen Gesellschaft entstehen, wie sie Beziehungen aufbauen und nutzen, um sich gegenseitig zu inspirieren und zu unterstützen. Wie sie die Welt nach dem Muster eines Geflechtes umzugestalten beginnen, ohne Versuchung, ihn ihnen neue Machtzentren entstehen zu lassen. Wie sie die scheinbar intransigenten Strukturen der Megamaschine geschickt zu unterlaufen vermögen. Wie sie in ihrer Diversität alle Möglichkeiten menschlicher Entwicklung in sich aufnehmen und das menschliche Bedürfnis nach Resonanz mit einer frei gewählten gemeinschaftlichen Manifestation von Lebenssinn in einem Ausmaß zu befriedigen vermögen, das vermag sich gegen die Surrogate der Maschine zu behaupten. Wie sie die Virtualität nutzen, um den Fokus auf reale lokale Sphären zu lenken. ˧

Was also ist unsere Variante dieser Erzählung? ˧

Was ist die Erzählung von der Welt der Globalen Dörfer, die wir in diesem Buch in ihrer wahren Tragweite zu entfalten versuchen, der Synergie des Globalen und des Lokalen, aus der das bunte Geflecht der Sinnstiftungen wächst? Warum überhaupt etwas hinzufügen zu den aufblühenden Transition- Solarpunk- Ökodorf- Gemeinschafts- Geschichten ? ˧

Warum "Globale Dörfer?"    

Der Spruch "think global, act local" [2] ist zum geflügelten Wort einer weltweiten Bewegung geworden, die viele Namen hat, aber eine einigende Überzeugung: dass die globalen Bedrohungen des Anthropozäns, des vom Menschen erzeugten Zustands unserer Erde, eine Wendung in Richtung einer Orientierung auf kleinteilige, kreislaufförmige, nach innen und außen kooperative Lebensformen notwendig machen. Den Imperativen der Globalisierung und der Geopolitik nach Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Dominanz, die zur Plünderung und Verwüstung der planetaren Ressourcen und Ökosysteme geführt haben, wird der Imperativ entgegengestellt, die Handlungsfähigkeit und Resilienz der untersten Einheiten im menschlichen Lebens in den Mittelpunkt zu stellen. ˧

Sicherlich sind schon ganze Bibliotheken über das Thema geschrieben worden, und doch empfinde ich einen Mangel: Die Synergie des Lokalen und Globalen zu beschreiben, also zu zeigen wie sich eine neue Kraft des Lokalen aus den unfassbaren Möglichkeiten unserer globalen Vernetzung speist, das soll hier Thema sein. In diesem Buch soll untersucht werden, wie sich die alternativen Strukturen, die durch bewussten Zusammenschluss für Regenerativität und möglichst geschlossene Kreisläufe von der lokalen auf die globale Ebene skaliert werden können. Welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich dabei? Lassen sich die Prinzipien des Dorfes bewahren, wenn die Verbindungen global werden? Wie kann Komplexität reduziert und Überschaubarkeit geschaffen werden? Und vor allem: Wie kann der Prozess von unten, durch die vereinten Kräfte der Basis, angetrieben werden? ˧

Gibt es einen kohärenten Rahmen, innerhalb dessen sowohl eine maximale Dynamik menschlicher Entwicklung in kultureller Differenziertheit als auch eine stabile und friedliche gemeinsame Lebensgrundlage in Einklang mit dem Netzwerk der Biosphäre geschaffen werden kann? Und gibt es einen Ausdruck dafür, Begriff und allgemeinste Charakteristik zugleich, so etwas wie eine Elementarform, [3] in der dieser Rahmen angelegt ist und die sich zu einer reichhaltigen und attraktiven Realität entwickeln kann? Ich habe mich immer mehr dazu entschlossen, den Begriff "Globale Dörfer" zu verwenden, jenes von Marshall McLuhan ersonnene schillernde Oxymoron, in der handfeste lokale physische Realität mit den extremsten Möglichkeiten der globalen Kommunikation in einen spannenden Tanz eintritt, aus dem letztlich eine totale Umgestaltung der Welt resultiert. ˧

"Globales Dorf" verwandelt sich dabei aus einer scheinhaften, zugleich illusionären und doch höchst wirksamen medialen Projektion in eine zunehmend materielle Realität, die nur im Plural real ist: in eine Vielzahl von alten und neuen, bewusst gestalteten Lokalitäten, die die Herausforderungen des Umganges mit begrenzten Ressourcen vor dem Hintergrund der beständigen Kommunikation mit den unbegrenzten kreativen Potentialen einer globalen Denk- und Entwicklergemeinschaft annehmen und die in diesem Sinn letztlich zu einer globalen Noosphäre verwachsen. ˧

Es gibt vier Bedeutungen der Metapher "Globales Dorf" bei McLuhan, und es scheint dass ihm diese Ambiguität nicht störte, sondern sogar behagte. ˧

Die erste Bedeutung ist wie gesagt das "as if": Wir werden mit Realitäten in Echtzeit konfrontiert, die den Eindruck erwecken als spiele sich das was wir über die Medien erleben in unserer unmittelbaren Nachbarschaft ab. Das stiftet nicht nur Faszination, sondern auch Schmerz, Verwirrung und Abstoßung, ˧

Die zweite Bedeutung ist das, was er auch oft die elektronische Tribalisierung genannt hat und die im scharfen Kontrast steht zur ersten Bedeutung. Es bilden sich kulturelle Blasen, abgegrenzte Räume die in gewissen Weise wie virtuelle Stammes- oder Dorfkulturen funktionieren. Oft genug wird "Globale Dörfer" in diesem Sinn verwendet - und wie gesagt, das ist durchaus im Sinn des Erfinders. ˧

Die dritte Bedeutung ist allerdings der Umschlag in die materielle Welt. Die Intensivierung der virtuellen Beziehungen führe zur Entstehung von Orten, die mit der Energie diese virtuellen Beziehungen aufgeladen sich der "Renaissance des Lokalen", der "kosmolokalen" oder "hyperlokalen" Bildung von gemeinschaftlicher Lebensgestaltung und der Fokusierung auf reale lokale Sphären derselben zuwenden. Hier hakt unser Begriff der dem Buch den Namen und die Perspegtive gibt, ein. ˧

Erst dadurch kommt die vierte Bedeutung zustande, die das Scheinhafte der ersten Bedeutung, das Fragmentierte der zweiten und das Isolierte der dritten in eine komplexe Realität aufhebt, in der tatsächlich die "Dörfer" dieser Welt in eine Kooperative Beziehung miteinader treten und die anfängliche Phrase vom "Globalen Dorf" dann doch noch ihre volle Berechtigung erhält. [4]

˧

Die Dynamik zwischen Lokalität und Globaler Vernetzung wird also durch diese vierfache Bedeutung recht gut sichtbar gemacht. ˧

(Eine Annäherung an diese Realität ist auch meine subjektive, von lebensgeschichtlichen Zufällen geprägte Reihe von nachhaltigen Eindrücken, die sich zu einer Theorie und zu einem Weltbild verfestigen, ein wenig zu skizzieren. Wer Interesse hat an dieser Geschichte findet Material in Anhang1-BiographieEinerIdee) ˧

Die zwei bestimmendsten und nachhaltigsten meiner Eindrücke oder auch Facetten haben sich in die innere Polarität des Begriffes "Globale Dörfer" verwandelt, wobei der Plural eben ganz wichtig ist. ˧

Global ˧

Auf der einen Seite steht die Möglichkeit, menschliches Wissen mit Hilfe der elektronischen Medien völlig neu zu organisieren, sodass es einerseits alle seine Kontexte und Voraussetzungen expliziert und andererseits überall verfügbar wird. Mehr als das, die Grenzen zwischen Informationsübertragung und Herstellung materieller Güter sind durch die Eigenheiten des digitalen Mediums fließend geworden, dezentrale Automation, Fabrikation und Replikation entwickeln sich zur Antithese der großen Industrie. Das meiste von dem, was bislang nur in Städten möglich war, ist aufgrund der globalen Vernetzung letztendlich auch an den Peripherien denkbar geworden. Es passiert dort freilich nicht auf dieselbe Art und Weise und erfordert einen sehr hohen Grad an Koordination und Bildung und auch hier kritische Massen oder Mindestgrößen, aber es eröffnet neue Chancen nicht nur des Überlebens, sondern kollektiver Selbstbestimmung und einer kulturellen Renaissance der peripheren Regionen. ˧

Eine unabdingbare Voraussetzung einer solchen Entwicklung wäre, ist dass handlungsrelevantes Wissen aus seinen proprietären Fesseln gelöst und als globales Gemeingut organisiert wird. Eine weitere Voraussetzung wäre die Etablierung starker regionaler Zentren, die nicht nur weltweit miteinander forschend kooperieren, sondern auch ein lokales Netz komplementärer Kompetenzknotenpunkte etablieren - auch und gerade in ursprünglich ländlichen Regionen. ˧

Lokal ˧

Auf der anderen Seite die Entdeckung, dass Natur und Technologie konvergieren. Je tiefer wir in die Geheimnisse der Natur eindringen, desto mehr erkennen wir, dass die Grenze zwischen belebter und unbelebter Materie fließend ist. Lebewesen sind hochkomplexe Systeme, die mit äußerster Präzision und Effizienz funktionieren. Ihre innere Logik und Organisation, ihr "Design" ist von so genialer Raffinesse, dass unsere avanciertesten Technologien dagegen noch immer wie primitiv anmuten. ˧

Betrachten wir beispielsweise die Photosynthese, diesen fundamentalen Prozess, der die Energie des Sonnenlichts in chemische Energie umwandelt und damit letztlich alles Leben auf diesem Planeten ermöglicht. Die Light Harvesting Complexes, mit denen Pflanzen das Licht einfangen, sind von so phänomenaler Effizienz und Präzision in ihrer Nanogeometrie, dass selbst unsere besten Solarzellen im Vergleich nur grobschlächtig erscheinen. Oder nehmen wir die molekularen Mini-Motoren und Nanomaschinen, die in jeder unserer Körperzellen ihrer unermüdlichen Arbeit nachgehen - kein von Menschenhand geschaffener Motor kommt auch nur annähernd an ihre Leistungsdichte und Effizienz heran. ˧

Je mehr wir also über die Funktionsprinzipien der Natur lernen, desto mehr konvergiert unsere Technologie mit den Lösungen, die die Evolution über Milliarden Jahre hinweg hervorgebracht hat. Statt gegen die Natur zu arbeiten, gilt es ihre genialen Innovationen zu studieren und zu imitieren. Die Zukunft gehört daher einer "biomimetischen" Technologie, welche die bewährten Baupläne der Natur nutzt und weiterentwickelt. Und vielleicht gelingt es uns eines Tages sogar, lebende Systeme und Technologie zu hybriden Artefakten zu verschmelzen, die das Beste aus beiden Welten vereinen. ˧

Es versteht sich von selbst, dass die Entwicklung solcher Technologien ins Lokale führt: in die Entstehung eines beziehungsreichen Mikrokosmos, eines Meta-Organismus, dessen Teile jeweils in einer bestimmten physischen Realität zusammenspielen, komplex aufeinander abgestimmt und voller Stoff-, Energie und Informationsströme, die die nicht nur die Regenerativität des Gesamtsystems gewährleisten, sondern auch und vor allem Menschen einen vollwertigen und spannenden Lebensraum bieten. Unweigerlich stellt sich die Frage nach der Rolle des Menschen in diesen Zusammenhängen. Wir sind nicht außerhalb der Natur, so sehr wir in unserem Denken auch scheinbar von außen in sie eingreifen. ˧

Sozial ˧

Es ist ganz und gar naiv, angesichts dieser Perspektiven die gegenwärtigen Konzepte des menschlichen Lebens und Zusammenlebens fortschreiben zu wollen. Das abstrakte Individuum als das wir heute in der westlichen Zivilisation leben, nomadisch und entwurzelt, ist ebenso eine großartige Errungenschaft wie eine jämmerliche und traurige Gestalt angesichts der Möglichkeiten des Zusammenwachsens, die sich hier andeuten. Großartige Errungenschaft, weil wir erst durch unsere Vereinzelung zur Idee der Selbstbestimmung und Autonomie gefunden haben. Traurige Gestalt, weil diese Autonomie und Freiheit - die sich voll in städtischen Kontexten entfaltet - zugleich nichts weiter ist als ein Glorienschein um ihr genaues Gegenteil: Im Wesenskern einsam, versorgt und getragen von einem Berg toter Waren und einer toten sozialen Maschine namens Staat, und behaust in den Waben toter Gebäude, fristen wir unser Leben als Konkurrenten um knappe Resourcen, sind voneinander getrennt und überbrücken diese Trennung nur scheinbar in permanenten Spektakeln und indem wir uns in der Sphäre des Privatlebens als Familie eine zugleich natürliche und soziale Identität zu geben versuchen, ein Versuch der in den allermeisten Fällen an die Grenze der Überforderung stößt. [5]. ˧

Die Ansätze, in dieser Situation Gemeinschaft und Dörflichkeit als konkrete und verbindliche Beziehung zwischen Menschen und ihren Lebensgrundlagen wiederherzustellen, sind Legion. Gerade in Perioden, in denen die Unzulänglichkeit unserer sozialen Verhältnisse schmerzhaft bewusst wurden (etwa in der Zeit der 68-er Bewegung), haben sich immer wieder, zumeist getrieben von charismatischen Persönlichkeiten und vermischt mit religiösen Denkmustern, kollektive Versuche der Überwindung der Schranken zwischen den Menschen in kleinen Gemeinschaften eingestellt - einige davon sind als abschreckende Beispiele von Missbrauch in das öffentliche Bewusstsein eingegangen, als Sekten, die wie soziale Krebsgeschwüre Ressourcen an sich zogen und nur selten Bestand hatten. Manchmal haben diese Versuche auch tragisch geendet, und dienen der Propaganda für den Status Quo als warnende Beispiele. ˧

Anderswo ist aber einiges gelungen: von Ökodörfern bis hin zu städtischen Gemeinschaftsprojekten sind Versuchslabore einer anderen Zukunft entstanden. Transition Towns, Sharing und Caring Cities, Coworking und Cohousing, Maker Spaces, Urban Gardening ... die Namen und Bezeichnungen und konkreten Formen wechseln, aber die inkorporierte Intelligenz für die Herstellung gewaltfreier und symbiotischer sozialer Intelligenz ist am Wachsen. Vor allem dort, und das liegt in der Natur der Sache, wo es die sozialen Voraussetzungen für solche Experimente gibt. Und die sind gegenwärtig in städtischen Kontexten eher gegeben. Überspitzt könnte man sagen: das Dorf der Zukunft mit all den zuvor beschriebenen technologischen und sozialen innovationen wird gegenwärtig eher in der Dichte der Stadt erfunden. ˧

Planetar ˧

Und damit sind wir bei der innersten Charakteristik des System der Globalen Dörfer angelangt und auch bei der entscheidenden Differentia spezifika. Mit der beschriebenen Ehrfurcht und dem Respekt vor den Meisterleistungen der Natur und der Wieder-Entdeckung der Kraft der Gemeinschaften auch und vor allem in städtischen Räumen können wir einerseits argumentieren warum wir unsere Kulturlandschaften rückbauen und wieder den Bären und Wölfen Raum geben sollten - eine Position die aktuell gerade in der "progressiven" städtischen Szene dominiert. Wir können aber andererseits auch den Traum von einer neuen und intensivierten Mensch-Natur Zusammenarbeit träumen in der sich der ganze Planet in intensive Kulturlandschaft verwandelt. Unserer Erzählung liegt ganz klar die Entscheidung zur zweiten Position zugrunde. ˧

Grundmotive    

In den verschiedenen Abschnitten dieses Buchs sollen die wichtigsten Gründe für diese Positionierung näher beleuchtet werden. Ich möchte sie in dieser Einleitung aber mindestens als Motive benennen: ˧

  1. So sehr auch im Lauf der Geschichte die Entwicklung der Städte ein Motor der Entfaltung der menschlichen Produktivkräfte und intellektuellen Potentiale war, so sehr hat das Wachstum der Städte, das sich in unserer Epoche in nie dagewesenen Dimensionen vollzogen hat, die Menschen von ihren Lebensgrundlagen getrennt und zutiefst von der sozialen Megamaschine abhängig gemacht; zugleich sind diese Agglomerationen auch die tiefste Ursache für das extraktive Verhältnis zur Natur - etwas was sich im Regelfall jenseits der Städte abspielt und dort für Unwirtlichkeit sorgt, von der die Klimakrise nur eine von vielen Erscheinungen ist. Ein wahrhaft regeneratives menschliches Siedlungsprojekt, das auf Kreisläufen beruht, kennt hingegen verschiedene Optimalgrößen und braucht Natur und Landschaft als Gegenüber. Natur und Mensch können enorm voneinander profitieren und bei weitem mehr Fülle hervorbringen als die sich selbst überlassene (wieder)verwilderte Natur. Das ist ein enormes Sinnangebot, geht tiefer als alle Spektakel der virtuellen Welt und urbanen Abenteuer. Sich darauf einzulassen, dass der Mensch zum Nützling wird wo er durch seine kurzsichtigen Eingriffe in den Haushalt des Planeten zum Schädling wurde, kann per se eine mächtige Motivation sein. ˧
  2. Das Vermeiden der Abhängigkeit, der immer stärkeren Durchgeplantheit und Rationalisierung des städtischen Lebens ist aber auch für sich selbst Motiv genug. "Reale Freiheit gibt es dort und nur dort wo sie einen Boden unter den Füßen hat." - so habe ich einmal Frithjof Bergmanns Spruch "Wir müssen alle Bauern werden" paraphrasiert [6]. Das globale Dorf stellt die dörfliche Kompetenz des Lebensproduzierens wieder her. Dies geschieht freilich auch auf der Grundlage einer entwickelten Automationstechnologie die mit den lokalen Kreisläufen eine Synthese eingeht. Automation bedeutet im richtigen Verständnis ein mehr an Autonomie. Die Industrien haben die Grundlage geschaffen, die Produktion wieder an die Peripherie zu verlagern, indem sie Intelligenz in den Werkzeugen verkörpert haben. Nur wenn wir diese Werkzeuge selber in der Hand haben und ihren zweck im Lebensprozess selber definieren können werden sie uns dienen, anstatt dass uns Industrien durch arglistige Gestaltung ihrer Produkte beherrschen. Dafür spricht, daß die sich Entwicklung der industriellen Produkte selbst vergesellschaftet: Open Source. ˧
  3. Es gibt aber ein weiteres sehr starkes Motiv. Der menschliche Geist hat sich in den Städten befreit von der Einseitigkeit, er hat die hundertausenden Möglichkeiten des menschlichen Daseins zu begreifen gelernt; aber es braucht Raum diese auch durchzugestalten. dies aber bedingt Rückkehr zur Dörflichkeit. Jedes Globale Dorf ist eine Inkarnation einer solch gewußten Gestaltung menschlichen Daseins aka Kultur; keines gleicht dem anderen, und jedes hat auch einen genius loci. Dieser manifestiert sich im Raum, in der Architektur, in tausend Farben und Formen. Die Gleichgesinnten finden sich im virtuellen Netz - sie verwirklichen ihre Gemeinsamkeit im realen Raum. ˧
Die Vision    

(noch ein wenig detaillierter auszuführen) ˧

Stellen wir uns eine Welt vor, in der die Trennung zwischen Mensch und Natur, zwischen ihren Räumen und Dynamiken, weitgehend aufgehoben ist. Wo unsere Siedlungen und Anbauflächen so in die bewusst kultivierte Wildnis integriert sind, dass man nicht sagen kann, wo die eine beginnt und die andere aufhört, wo sich dann aber doch feine Nuancierungen und Stufen finden die von verschiedener Intensität der menschlichen Aktivität herrühren. Wo unsere Gebäude und Infrastruktur die Landschaft nicht unterdrücken, sondern sie unterstützen und bereichern, ihr quasi zu einem noch authentischeren Ausdruck verhelfen. ˧

Überall finden wir eine Symbiose aus Hightech und Naturnähe. Häuser mit lebenden Dächern und Fassaden, in denen Vögel nisten. Vertikale Farmen und Aquaponik-Anlagen, in denen Fische und Pflanzen in Kreisläufen verbunden sind. Riesige Gewächshäuser voller üppiger Vegetation und Obstbäume, die unsere Siedlungen durchziehen. Baldachine und Brücken aus lebendigen Pflanzen, die uns mit Nahrung und Schatten versorgen. ˧

Mit biomimetischer Technologie erschaffen wir unsere Infrastruktur nach dem Vorbild der Natur. Straßen und Wege, die wie Adern oder Myzelgeflechte die Landschaft durchziehen. Solardächer, deren Zellen nicht nur in Form von Blättern angeordnet sind, sondern unsere Häuser tatsächlich zu großen Pflanzen machen. Mikro - Wasserkraftwerke, die sich organisch in einen Fluss einfügen. Alles nutzt und unterstützt die vorhandenen Ökosysteme, statt sie zu zerstören. ˧

Überall finden wir eine verschwenderische Artenvielfalt. Bienen und Schmetterlinge bestäuben die Pflanzen in unseren Gärten. In den Wassergräben der vertikalen Farmen tummeln sich Frösche und Molche. Auf unseren Dächern und in unseren Parks nisten Vögel. Denn das ist das Ziel: die zerstörerische Enge der Monokulturen zu sprengen und zu Gärtnern einer beständigen Artenvielfalt zu werden. ˧

So entsteht eine Symbiose zwischen Mensch und Natur, eine neue, nie dagewesene Form der Kulturlandschaft. Die alte Trennung zur reinen Wildnis löst sich auf. Wir sind eins mit der belebten Welt, die uns trägt und nährt. Und dieses neue Verständnis prägt auch unseren Umgang mit ihr. Wir gestalten unsere Umwelt achtsam, als Teil eines größeren, lebendigen Netzwerks. So können wir den ganzen Planeten in diese einzigartige menschlich-natürliche Kulturlandschaft verwandeln. ˧

Im Zentrum der kommunalen Lebens Globaler Dörfer stehen lebendige Dorf- und Stadtzentren, die Raum für Begegnung, Austausch und Kultur bieten und zugleich die Orte sind, an denen Begegnungen über weite Distanzen möglich sind. Aber auch abseits der Zentren begegnen sich private und öffentliche Lebensräume, etwa in Grünstraßen mit Läden und Begegnungszonen, was zur permanenten Interaktion anregt. Produktion findet kaum mehr in Fabriken statt, sondern in viel kleineren und vielfältigeren Räumen. Auch hier ist die Biomimetik federführend; Die Produktion orientiert sich an zyklischen Prozessen der Natur, sowohl was die Energie als auch was das Material betrifft. Es entstehen keine Abfallprodukte, alles wird vollständig verwertet. Fertigungsprozesse ahmen die komplexen Prinzipien der Natur nach. Zum Beispiel werden robuste Verbindungen durch flechten, weben oder knüpfen erreicht. Die Produktion ist modular und flexibel, interaktiv und reagiert auf die Bedürfnisse der Gemeinschaft. Sie kann leicht an geänderte Bedürfnisse angepasst werden. Massenproduktion wird vermieden, stattdessen liegt der Fokus auf individuellen und langlebigen Produkten. Die Arbeitsabläufe sind an den menschlichen Bedürfnissen orientiert. Handarbeit und traditionelle Handwerkskunst spielen trotz allem Einsatz flexibler Automation und KI eine wichtige Rolle. Die Palette an solcherart generierten Produkten ist sehr vielfältig und deckt einen großen Teil des täglichen Bedarfs ab. ˧

Die geografische Streuung der Siedlungen fördert lokale Autarkie bei Energie-, Wasser- und Nahrungsmittelversorgung. Dennoch sind sie auf verschiedenste Arten miteinander verbunden, Schiene, Straße, Luft und Wasser sind gleichermaßen Verkehrswege. ˧

Die Welt ist unterteilt in ca. 1000 Regionen, die allesamt zumindest eine größere Stadt als "Mutterstadt" aufweisen. Staaten gibt es nicht mehr, dafür aber sehr viele globale Netzwerke, die sich um Fragen von gemeinsamem Belang kümmern. ˧

Die meisten Krisen und Gefahren von heute würden in einer solchen Welt nicht existieren. Ein solcher Planet und eine solche Organisationsweise wären nicht nur widerstandsfähig, sondern sie könnten wesentlich mehr Menschen ernähren als das heute noch vorstellbar ist. Zugleich würde sich aber durch den ubiquitären Wohlstand das Wachstum der Menschen - Bevölkerung stabilisieren. ˧

Jede Menge Fragen    

Bedenken ˧

Ich kann schon hören wie sich Widerstand gegen diese Vision regt. Was ist mit dem urbanen Leben oder der Erforschung des Weltraums? - um nur zwei der tausend Fragen zu nennen, die schon die grobe Umschreibung der Vision provoziert. ˧

Zuallererst: die Städte werden in dieser Vision nicht einfach abgeschafft, sondern transformiert. Sie werden "Mutterstädte". Anstatt allen Reichtum und alle Menschen an sich zu saugen, sind die intellektuellen und auch noch wo notwendig industriellen Zentren von Bioregionen, die das dezentrale gute Leben erst so richtig ermöglichen. Sie sind die Schatzhäuser der Menschheit: Bildung, Forschung und Kultur, Universitäten, Bibliotheken, Museen und kreative Zentren bleiben wichtige städtische Einrichtungen. Sie sind auch selbst Entwicklungs- und Innovationslabore der neuen Dörflichkeit, Konzepte wie Sharing und Kreislaufwirtschaft werden hier immer weiter verfeinert; Städte werden zu pulsierenden Zentren des menschlichen Lebens und Zusammenlebens in Harmonie mit der Natur. Sie bleiben die Zentren des Zusammenkommens und des Austausches. ˧

Schon von ihrer Anmutung her werden viele Städte durch ihre Gestaltung Zeugnis ablegen von dieser Wende: Parks, Gärten und naturnahe Elemente durchdringen den urbanen Raum und machen die Stadt zu einem lebendigen Organismus. Dach- und Vertical Farming bringen die Nahrungsproduktion zurück in die Stadt. Stadtplanung orientiert sich am menschlichen Maßstab und schafft lebendige, vernetzte Nachbarschaften. Plätze und Straßen sind Begegnungsräume statt Verkehrsadern. Die Natur dringt bis ins Zentrum vor, von begrünten Fassaden über urbane Wälder bis zu vertikalen Gärten. ˧

Auch die Expansion jenseits unseres Planeten ist nicht zum Stillstand gekommen in einer Welt der Globalen Dörfer. Sie ist schon deswegen notwendig, damit sich das Netz des Lebens gegen die regelmäßigen kosmischen Katastrophen schützen kann, die schon mehrmals in der Geschichte unseres Planeten eingetreten sind. Allerdings ist der Weltraum zunächst eher ein Ort der mit Maschinen und Sonden heimgesucht wird, als ein Ort für menschliche Kolonialisation. Die hektischen Pläne der Besiedelung anderer Planeten wurden als ideologischer Reflex der Zerstörung unserer irdischen Lebensgrundlagen weitgehend aus den Diskursen der Menschheit verdrängt, was nicht heißt, dass es nicht eine Minderheit gäbe, die diese Pläne nach wie vor verfolgt. ˧

Vielleicht ist hier der Ort über ein weiteres Merkmal unserer Erzählung einer globalen Zukunftskultur zu sprechen: während viele utopische Entwürfe ihre Gestaltung einer Fiktion eines bis ins Detail durchdeklinierten Weltbildes verdanken, in der sich eine wie immer geartete Vernunft durchgesetzt hat, ist die Welt der Globalen Dörfer eine, in der die Differenz und die Ausdifferenzierung von Kulturen und ihre jeweils lokale Manifestation das Bild bestimmen. Ja diese Welt ist geradezu dazu eingerichtet, der Vielfalt menschlicher Daseinsentwürfe Raum zu geben. [7] ˧

Tiefere Bedenken ˧

Es gibt aber auch Bedenken die weit prinzipieller sind gegen die Entwicklung einer solchen Realutopie. ˧

Da ist zum einen die Hinweise auf eine ewige menschliche Natur: ˧

Sind nicht "menschliche Daseinsentwürfe" immer im Kampf miteinander gelegen? Ist uns das Hemd nicht immer näher gewesen als der Rock? Alleine die Vorstellung der "Mutterstädte" als nährende und gebende Aggregate menschlichen Zusamenwirkens widerspräche doch aller historischen Erfahrung, dass Städte in aller Regel um das Marktprinzip herum enstanden seien, also Orte der Akkumulation von Reichtum. Wie kann man im Ernst meinen, dass Verteilungskonflikte um Ressourcen und Lebenschancen zwischen verschiedenen Regionen der Welt, die gewaltsam eingerichteten Benutzungsverhältnisse sich nicht immer wieder spontan einstellen würden? Die Natur hat ja ihre Reichtümer nicht gleichmäßig auf der Welt verteilt. ˧

Da ist weiters die tausendfach vorgetragene Überzeugung dass ohne eine regelnde und ordnende politische Gewalt nichts geht auf der Welt: ˧

Hat uns nicht die Geschichte gezeigt dass sich immer wieder tribalistische und mafiöse Strukturen herausgebildet haben, denen nur durch einen staatlichen Leviathan mit Gewaltmonopol beizukommen sei? Die kommunistischen Träume vom Absterben des Staates - haben sie nicht in Alpträume von Stagnation und Unterdrückung geführt? Welche Hoffnung gäbe es denn für die Menschheit angesichts der Konflikte der Machtblöcke außer einem Hegemon oder gleich einem Weltstaat? - und so fort. ˧

In der Tat liegt die Latte für einen Zukunftsentwurf, der sich nicht dem Vorwurf der Naivität gefallen lassen will, recht hoch. Viele Menschen die sich angesichts der Multikrise zum aktiven Handeln und Widerstand entscheiden haben dem Prinzip Hoffnung mehr oder weniger eine Absage erteilt, es als unnötigen mentalen Ballast verabschiedet. Stattdessen gälte es, sich auf das Schlimmste einzustellen (Im Englischen hat sich dafür der Begriff "Doomsters" herausgebildet) und im Rahmen dieses Fatalismus die geringen Handlungsmöglichkeiten zu erkunden, die uns in einer Situation der "Deep Adaptation" überhaupt noch bleiben. ˧

Wenn wir dagegen halten dass es auch und gerade in einer Situation der Hoffnungslosigkeit umso notwendiger ist, die Erinnerung an unsere besten Möglichkeiten zu bewahren und die Erzählung über das was sein könnte als Kraftquelle zu sehen - dann bedeutet das also nicht dass wir naiv die drohenden Gefahren von Krieg, Umweltzerstörung, Verarmung, Brutalisierung, Autoritarismus und zu allem Überdruss auch noch die reale Gefahr der "Antiquiertheit des Menschen" durch einen zunehmenden Selbstlauf der Technologie der künstlichen Intelligenz ignorieren. Wir betonen aber, dass die Reflexion und die Imagination selber Bestandteile der Realität sind und daher, wie eingangs gesagt, unabdingbar sind, sollen sich bessere Möglichkeiten in dieser Realität realisieren. Der kritischen und - von allen verzerrenden Verhübschungen freien - Analyse der geltenden Zwecke und strukturellen Verhängnisse muss trotz allem ein real möglicher Zukunftsentwurf, ein Bild das uns unsere unsere langfristigen Ziele und Chancen bewusst macht, an die Seite gestellt werden, um uns dann zu einem der gegenwärtigen Situation adäquaten "pragmatischen" Handeln zu befähigen. Oft genug beinhaltet das pragmatische Element auch genau die Aktivierung jener visionären Potentiale im richtigen Moment am richtigen Ort, wie französische Studenten im Mai 68 es formulierten indem sie die Parole "Soyez realistes, demandez l'impossible" affichierten. [8] ˧

Der Anspruch unserer Erzählung kann nur sein, die Bedenken - von denen nur einige angeführt wurden - nicht zu ignorieren. Wenn wir die Welt der Globalen Dörfer darstellen, dann muss die immense Arbeit durchschimmern, die notwendig gewesen sein wird, einen derartigen Stand der Dinge zu erreichen; die materiellen Bedingungen, die gegeben sein müssen, genauso wie den Kulturwandel und warum und wie er möglich und erfolgreich gewesen sein wird. Wir müssen uns vor allem auch ganz prinzipielle Fragen stellen ... ˧

  • wie es überhaupt dazu kommt dass Menschen in einer lokalen Sphäre als Kultur-Gemeinschaft agieren können, ohne dass die Autonomie des Einzelnen am Druck von scheinbaren Sachzwängen, Konventionen, Stimmungen etc. zugrunde geht. Wie sich Vielfalt und Einheit, Individualität und Gemeinsinn, die Bedürfnisse von heute und die Bedürfnisse der Zukunft, wie sich diese scheinbaren Gegensätze ausbalancieren lassen. ˧
  • wie ein Zusammenspiel von regionaler bis globaler Kooperation und der angestrebten lokalen Autonomie überhaupt möglich ist und funktionieren kann, ˧
  • wie Verteilungskonflikte um Ressourcen und Lebenschancen zwischen verschiedenen Regionen der Welt sich friedlich lösen lassen, ˧
  • wie bei aller kulturellen Diversität überhaupt so etwas wie eine gemeinsame Ausrichtung, ein gemeinsames Ziel, das letztlich auch zu gemeinsamen Entscheidungen auf planetarer Ebene führt, möglich ist und wie sich dieses Bild eines konsensualen Zusammenwirkens von der Vorstellung eines Weltstaats unterscheidet, ˧
  • wie, mit welchen Mechanismen, Entscheidungen auf lokaler, regionaler und globaler Ebene transparent und partizipativ getroffen werden können und wie neue Formen der Entscheidungsfindung jenseits der repräsentativen Demokratie aus den elementaren Strukturen und planetaren Zellen hervorgehen, ˧
  • welche Rolle spielt Geld in dieser Welt spielt, ˧
  • Ob es weiterhin Privateigentum und Profitstreben gibt, wo und an welchem Ort, und wenn ja, wie sie mit der Idee des Gemeinwohls zusammengehen, ˧
  • wie dem immer möglichen Rückfall in Tribalismus, Nationalismus und wechselseitige Abschottung vorgebeugt werden kann, ˧
  • wie man den technologischen Fortschritt steuern kann, sodass er die Harmonie zwischen Mensch und Natur fördert anstatt sie zu gefährden, ˧
  • Welche Form von Bildung es braucht, um überall das Verbindende der Kulturen, weltbürgerliches Denken und planetare Verantwortung zu fördern, Menschen Begeisterung und Verständnis für die notwendige Vielfalt der Kulturen zu vermitteln und zugleich sie zu ermutigen in dieser Vielfalt nach Resonanz und ihrer eigenen Identität zu suchen, ˧
  • Und letztlich stellt sich ganz pragmatisch die Frage,wie wir von der zerstörerischen Gegenwart zu dieser positiven Vision kommen - welche Schritte in die Globale Dorf-Welt führen. ˧
Es gibt keine einfachen Antworten auf diese komplexen Fragen. Eine lebendige Kultur der gemeinschaftlichen Selbstbestimmung zu erhalten, die auf den Potentialen des globalen Wissens und Könnens beruht, erfordert sorgfältige Abwägungen und Kompromisse. Kleine und größere Einheiten auf jeder Ebene, von Individuen und Gruppen, Dörfern, Städten, Regionen usw. in ein Zusammenspiel zu bringen, ohne strukturelle Dominanz zuzulassen, ist eine große Herausforderung. Wir werden die vielerlei Kräfte, Bedingungen und Konstellationen anschauen, die sich förderlich auf eine solche Kooperation auswirken. ˧

Eines sei aber abschließend noch kurz erwähnt: in meiner grundsätzlichen Überzeugung dass sich ein wirklich vereinigendes Systen der Governance findet, gehe ich von einer uralten Idee aus, der holarchischen Kreiskultur, wie sie sich etwa im indianischen Medizinrad manifestiert. Das Medizinrad war nicht nur ein Werkzeug der Entscheidungsfindung innerhalb von Stämmen und Völkern, es wurde auch ansatzweise angesichts der kollektiven Bedrohung durch die Weißen auf übergeordneten Ebenen als Werkzeug des Interessensausgleichs und des "Nation Building" eigesetzt, auch wenn die Kolonisierung und Vertreibung der Indigenen solche nation building Prozesse dann aber jäh zunichte machten. ˧

Die Grundidee, die sich symbolisch aus den Himmelsrichtungen ableitet, ist die Polarität und Unterschiedlichkeit der Kräfte, die zur Ganzheit aller Aspekte des Lebens führen. Im Gegensatz zur westlichen Demokratie geht es in der indianischen Ratsversammlung nicht um Mehrheitsfindung, sondern um wirklichen Konsent, das heißt auch dass jede/r der/die einen Einwand äußert nicht nur angehört wird, sondern dass die Einwände tatsächlich als Bestandteil der gesellschaftlichen Realität ernst genommen werden, der Entscheidungsprozess daher auch nicht an sein Ende kommt bis alle Einwände integriert sind. ˧

Es könnte sein, und darauf gründet sich eine erste Hoffnung zur Auflösung der oben angeführten Bedenken, dass alleine die Tatsache dass Einwände ernst genommen und nicht abgeschmettert werden, zu einer tiefen Transformation führt. Einwände werden anders vorgebracht und können anders bearbeitet werden, wenn sie apriori als Teil einer verbundenen Ganzheit geäußert werden, wie es sich etwa auch im indianischen zermoniellen Modus des Sprechstabes ausdrückt. Es gibt dann nicht das antagonistisch Böse und das Außen an sich, schon gar nicht in einer Welt die so intensiv kommunikativ zusammengewachsen ist wie es McLuhans Metapher ausdrückt. Diese Gegensätze entstehen erst wenn wir uns weigern die Einheit in der Differenz zur Grundlage unseres Diskurses zu machen. Dies aber erfordert eine enorme Arbeit von allen Seiten, soviel ist klar. Die Idee der Globalen Dörfer ist die Idee einer Welt die Raum schafft für Verschiedenheiten aller Art, für ein Nebeneinander von fast gegensätzlichen Lebensauffassungen. Dazu gehört auch, dass jede dieser Lebensauffassungen sich nicht selbst verabsolutiert und missionarisch die Welt nach ihrem Bild formen will. Vielleicht ist dies die eine Sache, die die Menschheit lernen muss, wenn sie überleben will. ˧


DiesesWiki:FranzNahrada/BuchprojektGlobaleDoerfer//FragenAnDieCommunity ˧





[1] "Die Automatisierung der Arbeit wird nicht nur die Arbeitslosigkeit erhöhen, sondern auch die Entwertung der Arbeit selbst vorantreiben."The Human Use of Human Beings: Cybernetics and Society von Norbert Wiener (1950)

[2] Geht wahrscheinlich zurück auf den schottischen Biologen und Geographen https://de.wikipedia.org/wiki/Patrick_Geddes, den viele als "Vater der Stadtplanung bezeichnen. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4557557/

[3] So mancher Leser wird beim Wort Elementarform an das Kapital von Karl Marx denken, an die innere Polarität der Ware, aus der sich eine ungeheure Dynamik der Wertformen entwickelt. Sie enthält sowohl das Element der Naturbeziehung als auch das der gesellschaftlichen Vermittlung der Bedürfnisse, aber in einer falschen, krisenhaften und destruktiven Form. Das Bedürfnis ist von seiner gesellschaftlichen Realität getrennt, die gesellschaftliche Realität erscheint als äußerer, beschränkender Maßstab der Zahlungsfähigkeit.

[4] Ein beliebiges Beispiel mit Literaturstellen wie diese Bedeutungen durcheinander geworfen werden siehe https://www.grin.com/document/378270: " „Das global village ist zentral vernetzt, bie­tet ein hierarchiefreies Nebeneinander von unterschiedlichen Medien und Kommunikationsformen. Die auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigten In­formationen bewirken eine Kommunikation, die überall und gleichzeitig stattfin­det.“ (Giesecke, 2002, S.227). Elektronische Medien bringen die ganze Menschheit in einem einzigen globalen Dorf zusammen. Alle Menschen neh­men daran teil, dass Information und Kommunikation sofort und ständig ver­fügbar ist. Die maßgeblichen drei Eigenschaften sind: Simultan, permanent und interdependent, formuliert Grampp (vgl. Grampp, 2011, S.93). „Alle Fest­stellungen sind kurzlebig und Wahrheiten sind nicht mehr in Stein gemeißelt, keine zusammenhängende Logik, sondern nur Statements, Momentaufnah­men von extrem kurzer Haltbarkeit“, wie Dreyer es formuliert (ebd. S.75). Kein Wunder dass ein solcher Nicht - Begriff aus der Mode gekommen ist! Er erschließt sich eben erst wenn wir eine präzise Beziehung zwischen den verschiednen Bedeutungen anzugeben vermögen.

[5] Niemand hat diese Not schärfer artikuliert als die Bewegung der französischen Situationisten, und niemand ist grandioser gescheitert an der Abwesenheit einer wirklichen konkreten Verbindung zwischen den Menschen und der sie umgebenden Natur

[6] Eigenzitat: http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?Willkommen_im_Globalen_Dorf/25-WirMüssenAlleWiederBauernWerden

[7] Hinweis auf bolo'bolo, die erste Utopie die diesen Gedanken konsequent ausgeführtr hat.

[8] Das Zusammenspiel von drei Intelligenzen, der kritischen, der visionären und der pragmatischen, habe ich einmal in einem eigenen Buch zum Thema gemacht: Franz Nahrada(Hg.)Unsichtbare Intelligenz: Kritik, Vision und Umsetzung - Bausteine einer neuen Theoriekultur * ISBN 978385476-312-3