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Willkommen im Globalen Dorf /
Von der Videobridge zur Dorf Uni


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Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Intro   
Video - Geschichten   
Kirchbach   
Der Weg zur Multipolarität   
DorfUni   
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Intro    

Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen, hier ist wieder einmal Franz Nahrada aus Bad Radkersburg mit der 51. Sendung der Reihe "Willkommen im Globalen Dorf". ˧

Wir setzen den Gang in das Archiv der Erinnerungen fort, aber wieder mit einem aktuellen Anlass. ˧

Die lange pausierte DorfUni - ein Projekt mit dem ein sichtbares Zeichen in Richtung Aufwertung der Dörfer gesetzt werden sollte - startet wieder am 24. Mai. Anlässlich der Eröffnung einer Kunstinstallation in Zelting bei Bad Radkersburg greifen wir ein ganz bodenständigen Thema auf, die Geschichte und möglichen zukünftigen Bedeutung von Flachs, und vernetzen Flachs-Enthusiasten aus ganz Österreich. ˧

Der Flachs mit seinen Fasern wird heute synonym mit Leinen gebraucht, war viele Jahrhunderte lang das klassische Material des Verwebens. Metaphorisch gesprochen gehts mit der DorfUni ums Verweben dörflicher Bildungsräume. Es geht darum, Menschen zu Netzwerken zu verweben - Menschen die die gleichen Anliegen und praktischen Probleme haben, auch wenn sie weit voneinander entfernt sind. ˧

In unserer heutigen Folge gehts um die Rolle der Videokommunikation in diesem Kontext. Das ist durchaus keine kleine Kunst sondern eine eigene Sprache, deren Grammatik wir lernen müssen. Es hat sich in den letzten Jahren zwar - vor allem bedingt durch den Schub der Pandemie - eine sprunghafte Entwicklung der persönlichen Videokommunikation vollzogen, sodass eine Plattform wie Zoom etwa im April 2020 300 Millionen Benutzer hatte, und zum Schlüsselspieler aufstieg. Dennoch ist es für viele Menschen noch immer etwas Fremdartiges, hat etwas Erschöpfendes. Ich möchte mich daher heute ein wenig mit dem beschäftigen, was mich so im Lauf der Zeit fasziniert hat und ein paar Geschichten erzählen, um die sinnlich- ästhetische, die emotionale Komponente der Videokommunikation zu unterstreichen. ˧


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Diese Sendung trägt den Titel "Von der Videobridge zur DorfUni" und ich möchte darauf hinweisen, dass die DorfUni schon einmal Thema in unserer Sendung war. In der 15. Sendung ging es um die Vision eines neuen Bildungswesens, in dem Gemeinden und lokale Gemeinschaften aus dem Reichtum globaler Angebote die richtigen Impulse für die Erweiterung lokaler Handlungsmöglichkeiten finden. Wir haben damals ausgiebig über Bildungsräume und Bildungsteams gesprochen, über die Zusammenhänge von lokaler Innovation und lokaler Bildungsvernetzung. Die Grammatik und Ästhetik der Videokommunikation muss sich also auch auf den Realraum um die Medien herum, auf das räumliche und soziale Setting beziehen. Es geht nicht um passives Konsumieren, sondern um Interaktionen. Es geht um die Überbrückung von nicht nur räumlichen, sondern auch von kulturellen Distanzen. Immer wieder haben meine Freunde und ich mit Formaten und Ideen experimentiert, Und es hat sich gezeigt dass das was auf dem Bildschirm und der Leinwand geschieht genauso wichtig ist wie das Drumherum. Wir haben sogar begonnen, eine Mustersprache der Videokommunikation zu schreiben. Ich möchte aber nicht auf dieser systematischen Ebene einsteigen, sondern ganz konkret mit ein paar Geschichten, die das alles bei mir ausgelöst haben. ˧

Video - Geschichten    

Wo fang ich an? ˧

Vielleicht bei der Geschichte oder auch Legende von Joseph Goldin? Es ist eine etwas tragikomische Geschichte, die ich erzähle, weil sie so ein wenig zu den frühen Mythen der Videokommunikation gehört und sehr gut mit überzogenen und illusionären Erwartungen und Hoffnungen an die Technologie zusammenging, aber letztlich doch beträchtliche Auswirkungen hatte... ˧

Also dieser Herr Goldin war eine jener schillernden Erscheinungen der Gorbatschow- Jahre in der Sowjetunion, bei denen man nie wusste wo der Idealismus aufhört und das Glücksrittertum beginnt. Es war Mitte der achziger Jahre, als die ersten Anzeichen für ein Tauwetter mit der Wahl Gorbatschows und dem Gipfeltreffen mit Reagan in Genf 1985 Hoffnungen auf ein Ende des kalten Krieges zwischen Ost und West aufkeimen ließen. Ein sichtbares Zeichen davon war, dass das von Bob Geldof and Midge Ure organisierte Live Aid Synchron - Konzert nicht nur im Londoner Wembley Stadium und in Philadelphia sowie in Sydney stattfanden, sondern auch in Moskau. Es gab an diesen Orten nicht nur Life Acts, sondern vermutlich auch eines der größten - wenn nicht überhaupt das größte - Public Viewings der Geschichte, ein Fernsehprogramm das vermutlich fast 2 Milliarden Menschen zu sehen bekamen, damals eine ungeheuer große Zahl. Dem waren schon 3 Jahre Experimente vorausgegangen, und auf der russischen Seite war von Anfang an eben auch Joseph Goldin führend beteiligt. Er war fasziniert von den riesigen Farb - Bildschirmen von Mitsubishi und schaffte es tatsächlich diese in der Sowjetunion nachbauen zu lassen. Es gab regelmäßige Events mit dem Titel "Telemost" oder "Space Bridge" [1], aber Goldin begann sich vor allem für Masseninteraktion zu interessieren. Im April 1986 überzeugte er die Moskauer Stadtverwaltung, live Passanten mit zwei sowjetischen Kosmonauten sprechen zu lassen, zum Jahrestages von Gagarins ersten Flug ins All. In einem Interview mit Robert Gilman vom "In Context Magazin" erzählt er, dass an diesem Tag eine Idee eines Global Townhall Meetings entstand. Es ist ein langes Zitat, aber ich fand es immer schon faszinierend und herausfordernd: ˧

"Weltraumbrücken wurden in den letzten vier Jahren auf den Austausch einiger weniger Auserwählter reduziert, mit vorläufigen geschriebene Drehbücher, auf Video aufgenommen, bearbeitet und später gezeigt, ohne jede Chance auf Spontaneität. Das ist nicht meine Geschichte – es ist die Geschichte von jemand anderem. Missverständnisse zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten können nur durch direkte und spontane Kontakte zwischen großen Gruppen von Russen und Amerikanern ausgeräumt werden. Solange die Kommunikation nicht spontan und zwischen großen Gruppen erfolgt, ist das nicht meine Geschichte." ˧

"Gigantische Videobildschirme, die für die bilaterale Kommunikation zwischen Tausenden von Menschen genutzt werden, könnten zu einem traditionellen Element der Umwelt in jeder Stadt und jedem Dorf werden, genau wie die öffentlichen Plätze der griechischen Stadtstaaten oder die Foren des Römischen Reiches. Das neue Gefühl der „fernen Nähe“, das Millionen von Menschen auf der ganzen Welt erleben, würde ein neues Bewusstsein schaffen und unweigerlich zu einem radikalen Wandel führen in der Art und Weise, wie wir mit globalen Problemen umgehen." ˧

"Stellen Sie sich eine kleine Stadt vor, die an das Netzwerk der Spacebridge-Terminals angeschlossen ist. Dies würde es uns ermöglichen, ein „Stadt-als-Klassenzimmer“-Modell für lebenslanges Lernen zu schaffen. Die gesamte Bevölkerung der Stadt könnte an der multilateralen Kommunikation mit anderen Städten auf der ganzen Welt teilnehmen. Für wirklich kreative Wissenschaftler und Künstler würde sofort die Versuchung aufkommen, ihre Kräfte zu bündeln, um gewöhnlichen Bewohnern dabei zu helfen, sich in Weltbürger zu verwandeln. Wenn hundert Amerikaner in die Rolle von Russen schlüpfen würden, um in drei Wochen die russische Sprache zu beherrschen (oder umgekehrt), wäre das auch eine Chance, die Wahrnehmungen und Fehlwahrnehmungen einer Nation über sich selbst und andere Nationen zu bewerten. Oder wenn mehrere tausend Menschen an einem lebendigen Theaterereignis beteiligt wären, das von fortschrittlichen Regisseuren, Designern und Schauspielern inszeniert würde, wäre das nicht nur Routineunterhaltung, sondern die Einführung gewöhnlicher Menschen in die Zone erweiterten Bewusstseins. ˧

Verborgene menschliche Reserven können sich in nahezu jedem Bereich menschlichen Handelns manifestieren: beschleunigte Lernmethoden; körperliche Transformation durch Sport; meditative Disziplinen; spirituelle Heilung; gesteigerte Fähigkeit zur Intuition und außersinnlichen Wahrnehmung; allgemeine Phänomene der „Gipfelerfahrung“ als Mittel zur Kultivierung universellen Denkens und so weiter. Aber das Potenzial verborgener menschlicher Reserven wurde von strategischen Planern, globalen Modellierern oder einfachen Wählern nie berücksichtigt. Es sollte etwas getan werden, um den Teufelskreis aus Angst und Misstrauen zu durchbrechen, damit wir die Technologie endlich von Waffen auf „Lebensmittel“ umorientieren und so das gesamte Paradigma der modernen Kultur verändern können." [2] ˧

Soweit im Originalton von 1987 der sowjetische Visionär. Tatsächlich war Goldin wesentlicher Antreiber von Projekten und forderte seine westliche Partner zu Experimenten heraus, wobei deren Berichte schon davon zeugten dass sie sich hier mit einem durchaus schwierigen Menschen eingelassen hatten. Ich sehe auf der einen Seite bei ihm ein fast naives Vertrauen in die Spontaneität von Begegnungen und auf der anderen Seite bei seinen Partnern Bemühungen, diese durch professionelle Moderation zu begleiten. Letztlich hat sich dann das Projekt von seinem Initiator gelöst, wie aus dem Interview zuvor leicht verständlich ist. Die Videobrücken wurden in Fernsehstudios von professionellen Moderatoren wie Phil Donahue and Vladimir Pozner weitergeführt, und wurden tatsächlich zu einem bewusstseinsbildenden Faktor der den Perestroika Geist unterstützte. Und tatsächlich hat die Geschichte von Joseph Goldin einen sehr ironischen Fortgang gefunden: Im Bemühen seine Theorie von der spontanen Kommunikation doch noch irgendwo und irgendwie unter Beweis zu stellen, ist er nämlich unter vielen anderen zu guter Letzt auch an mich geraten. Der in der letzten Sendung erwähnte JohnMcConnell brachte 1993 ein Videotelefon von AT&T nach Wien mit, Goldin rief mich unermüdlich jeden Tag aus Los Angeles an und wollte dass ich alle Ressourcen der Konferenz Global Village für sein Experiment umwidme. Glücklicherweise fanden sich Freunde, die das ganze in ein kleines Event am Rand der Menschenrechtskonferenz namens "Global Tea Party" transformierten, mit dem winzigen Bildschirm des Videotelefons als Begegnungsfläche, und mich auch in der Folge abschirmten und ungestört an der ersten Global Village arbeiten ließen. Wir hatten mit den Ressourcen der Telekom Firmen im Prechtsaal der TU vor allem professionelle Anwendungen von lokalen netzwerken auf große Entfernungen erweitert. Aber nichtsdestoweniger blieben die Ideen, die Werkzeuge der visuellen Kommunikation auch für allgemeine Dialoge und kulturelle Verständigung zu nutzen, sozusagen in meinem Hinterkopf präsent. ˧

Nicht lange danach, im Juli 1993 fand in Palma De Mallorca eine Konferenz der Universität Newcastle mit dem vielversprechenden Titel "Telematik and Innovation" statt. Es war wohl eine der ersten von vielen einschlägigen internationalen Konferenzen in Europa, an der ich teilnahm. Ich habe schon erzählt dass mir das einen Platz in der Jury des Parc BIT Wettbewerbes im Folgejahr eintrug, aber es ist mir eine Präsentation von dieser Konferenz besonders in Erinnerung geblieben. Ein Manager von British Telecom namens Robert Broadbent stellte das Resultat eines Pilotversuches in Inverness, Schottland zur Einführung von Telearbeit vor. Dabei war das doppelte Interesse der Firma, einerseits als Telekom Provider das "Produkt Telearbeit" zu verkaufen, andererseits selbst als Arbeitgeber von der neuen Arbeitsform zu profitieren. Also wurde ein Pilotprojekt mit den eigenen Mitarbeitern der Telefonauskunft veranstaltet, die Zugang zur notwendigen Technologie von zu Hause installiert bekamen. Mir blieb schon ein wenig die Luft weg, als ich die unverblümte neoliberale Metaphorik der britischen Arbeitswelt zu hören bekam: man könne die Inanspruchnahme der Arbeitskraft regulieren "wie die Flamme auf einem Gasherd", flexibel und der jeweiligen Workload angepasst, wenn die Leute zu Hause ihr Büro hätten. Verspätungen und Abwesenheit würden der Vergangenheit angehören, Oberheadkosten für Büroräume könnten drastisch reduziert werden, selbst die Lohnhöhe könnte sinken Interessant war dass im Verlauf dieses Projektes das technisch auf dem damaligen ISDN-Standard basierte große Unzufriedenheit bei den Auskünftlern entstand, weswegen ein eigener ISDN-Kanal für die interne Videokommunikation mit Kolleginnen und Kollegen eingerichtet wurde. Von da an, so die Behauptung des Managers, war die Arbeitszufriedenheit hoch, selbst wenn die Zeit für solche Tratschereien kontingentiert war. Ich war und bin sehr geneigt ihm das zu glauben und das große Experiment in der Pandemie 2020 hat das anscheinend auch bestätigt. ˧

Ein drittes Schlüsselerlebnis hatte ich im November 1995 bei einem Kolloquium der Redaktion der Zeitschrift "Architektur und Verhaltensweisen" am Monte Verita am Südrand der Schweiz - über "Die Auswirkungen der Informationstechnologie auf das Leben und die Gestaltung unserer Städte". Nichts hat mich so sehr von den Potentialen der Videokommunikation überzeugt wie jener abendliche Vortrag, den ein Sprecher der Firma Ascom der - wie wir anfangs erfuhren - gehbehindert war, von seinem Heim in der Zentralschweiz aus hielt. Ich erinnere mich heute noch vage, wie er wie in einer Miniaturwelt Objekte vor sich am Tisch aufgebaut hatte, aus denen er mit großer Geschicklichkeit seine Geschichte baute. Diese Eindringlichkeit und Fokussierung wäre niemals möglich gewesen, wenn er physisch vor uns gesessen hätte. Ab diesem Moment verstand ich die Wichtigkeit von Inszenierung und Perspektive. ˧

Ich könnte noch viele solcher Geschichten erzählen, aus einer Zeit in der noch nichts selbstverständlich war und alles nur mit vergleichsweise großem technischen Aufwand realisiert werden musste. Etwa die Begegung mit Guiseppe Silvi aus Italien, dem Promotor der "Piazza Telematica" bei der Habitat in Istanbul 1996. Damals ging man noch davon aus, dass es unmöglich sein würde, dass sich alle Menschen adäquate persönliche Kommunikationsmöglichkeiten leisten könnten. Aber darüber hinaus wäre diese digitale Isolation, oder wie man es später nannte, das Cocooning, eine überaus bedenkliche Entwicklung. "Die Interaktion zwischen Menschen kann und soll niemals vollständig durch die Interaktion zwischen dem Individuum und technologischen Geräten ersetzt werden, die zwar den Kontakt zu anderen Teilen des "globalen Dorfes" herstellen können, dies aber auf Kosten der lokalen Beteiligung und des Interesses an der eigenen Nachbarschaft, am städtischen Umfeld, an den sozialen Beziehungen zu den Mitbürgern und damit an der Entwicklung von Möglichkeiten zur Selbstständigkeit und zur Schaffung von Arbeitsplätzen tun. Daher im ist es gerade auch im städtischen Kontext wichtig, dass die Telematik als neues Instrument zur Förderung von sozialen Begegnungen und zu Kontakten mit der öffentlichen Verwaltung ihren Beitrag leistet." [3] - Das tut sie indem sie einen öffentlicher Raum neu strukturiert, der im Herzen einer Stadt oder eines Stadtviertels liegt und sowohl die alten Funktionen des Zusammenkommens und der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen auf lokaler Ebene als auch die neuen Formen der Interaktivität aus und mit der Ferne wie Telearbeit, Telemedizin, E-Commerce, lebenslanges Lernen über Videowände und die neuen nachhaltigen Mobilitätsdienste wie Bike-Sharing, Car-Sharing und Coworking beherbergt. [4]. ˧

Gerade die Videokommunikation, die eigentlich den höchsten Datendurchsatz und die größte Bandbreite erfordert, ist die niedrigschwelligste digitale Technologie überhaupt: dies war das Postulat von Bernd Eisinger, einem - wie ich meine - genialen österreichischen Entwickler im Bereich Ambient Assisted Living, also dem Einsatz digitaler Technologien im Bereich der Unterstützung von älteren und behinderten Menschen. Übrigens der Sohn einer Lehrerin im der Parallelklasse meiner Jedleseer Volksschule. Er forderte im Rahmen seines Projektes "Windows Wide Open" den Einsatz von HD-Fernsehern, um älteren Menschen die besten visuellen Unterstützungen bei der Kommunikation mit ihrem Umfeld zu ermöglichen. [5] ja.... das sind so ein paar Streiflichter .... (bis hierher 15.870 Zeichen bzw, 23m42sec) ˧

Kirchbach    

All das und noch viel viel mehr stand Pate, als mein Freund Franz Steinwender - der es immer wieder verstand meinen Ideen realistisch nachzugehen - mir Anfang 2003 erzählte, dass er mit seinen Freunden ein großes Gebäude in seinem Heimatdorf Kirchbach erwerben könnte: eben das ehemalige Gerichtsgebäude, bevor die Gerichtsbarkeit in die Bezirkshauptstadt Feldbach übersiedelt wurde. Er hatte die Freunde von der Idee überzeugt, gemeinsam ihre Arbeitsplätze zurück ins Dorf zu holen und die Kraft der Nähe für eine wechselseitige Stärkung zu nutzen, ein Zentrum für Kultur und Business zu schaffen, mit vielfältigen Dienstleistungen. Ich war natürlich begeistert von dieser Idee: wieder einmal könnten so Visionen an der Realität überprüft werden. Ich ermutigte Franz, ganz groß zu denken und auch einen Raum für Bildung zu schaffen, ein "fliegendes Klassenzimmer", um überall auf der Welt dabei zu sein wo es etwas zu lernen gibt. Das müsse nicht ein wie das in Erich Kästners charmanten Roman namensgebende Flugzeug aus dem Theaterstück sein, sondern es könne schlicht und einfach eine interaktive Kinoleinwand sein, die ein Fenster zu allem und jedem aufmacht, das uns interessiert. Franz war begeistert von der Idee eben auch die Uni ins Dorf zu holen und überzeugte seine Partner davon, auch einen großen Bildungsraum in das Haus einzubauen. Glücklicherweise waren einige seiner Partner technisch sehr versiert, wie etwa der Internet Provider Peter Mayer, und wagten sich an den Kauf einer Videokonferenzeinrichtung. ˧

Aber all das war eingebettet in eine Umgebung, die selbst viel mehr darstellte als eine Bildungseinrichtung. Hans Jörg Matzer, der leider viel zu früh verstorbene Front Man der Gruppe schrieb: " Mit viel eigenem und geborgtem Geld, fast ohne öffentliche Förderung(lediglich zur Errichtung des Liftsgab es einen Zuschuss des Landes Steiermark) und unendlich viel persönlichem Einsatz gelang es uns, aus dem ehemals fast verfallenen Objekt ein Schmuckstück für den Ort zu machen. Das Haus KB5 sollte nach unseren Plänen mehr sein als bloß eine Immobilie, in der man Büros mieten kann. Für uns war das Haus KB5 eben die "Piazza Telematica" des "Globalen Dorfes" Kirchbach." So war es denn auch: Ein geradezu perfektes Zusammenspiel der verschiedenen Teile des Hauses ermöglichte unter anderem, Gäste zu beherbergen und im gastronomisch anheimelnd gestalteten Keller des Hauses das Dargebotene zu reflektieren und zu verdauen. Schon kurz nach der Eröffnung gelang es Franz Steinwender, die Uni Graz zu überzeugen und die Vorlesungen der "Montagsakademie" aus der Aula der Universität Graz nicht nur in die technisch dafür ausgestatteten Technologiezentren, sondern auch ins Herz eines Dorfes zu übertragen. Die Montagsakademie wurde in Kirchbach zu einer Art von gesellschaftlichem Ereignis, hier waren mehr Besucher als anderswo. Und hier begann dann auch schon die Arbeit an der Qualität der Kommunikation. ˧

Wie kein anderer Standort hatte Kirchbach nämlich von Anfang an das Verständnis, dass die Telepräsenz der Moderation bedarf. Um die Fülle des dargebotenen Wissens wirklich nachhaltig ins Dorf zu holen, bedarf es einer lokalen Persönlichkeit, die auf gleicher Augenhöhe mit den fernen Impulsgebern steht und oft auch eine Funktion des Übersetzers wahrnimmt. In Kirchbach war das vor allem Prof. Dr. Michael Narodoslawsky von der Technischen Universität Graz, der im nahen Paldau zu Hause ist und sich immer wieder als Moderator zur Verfügung stellte, vor allem als es ums Leitthema "Nachhaltigkeit" ging. Später gab es eine Reihe "Religion am Donnerstag" in exklusiver Zusammenarbeit mit der theologischen Fakultät, und wir haben sogar mit zwei Kamerateams filmisch dokumentiert wie der Theologieprofessor Bucher (mit weichem B) in Graz und Vinzi-Pfarrer Wolfgang Pucher in Kirchbach interagierten. Da ging es nicht nur um Übersetzung von Fachsprache in Alltagssprache, sondern eben auch um die Arbeit des Lenkens der Aufmerksamkeit, des Angleichens der Zeitempfindung und vieles mehr. So sympathisch die Goldinsche Vision von der Spontaneität der Interaktion klingen mag: wenn man es wirklich unternimmt zwei (oder gar mehr) entfernte Standorte miteinander zu verbinden, dann muss man viele unterschwellige Brücken bauen. Wir haben das leidvoll erfahren müssen, als wir 2008 zur "Langen Nacht der Sprachen" eine Verbindung mit der Volkshochschule Brigittenau aufgebaut haben. [6] Im Lauf des Abends sind uns die Rapports, die Beziehungen zueinander, abhandengekommen. Und man hat wirklich gemerkt, wir versuchen zwar immer wieder da gegenzusteuern und in einen Dialog zu kommen, aber die städtische und die ländliche Bevölkerung leben ganz sinnfällig in zwei verschiedenen Welten, Rythmen, Symboliken und Kulturen. Ja und auch in verschiedenen Sprachen. Ich habe mich damals sehr für die Wiener Ignoranz und Selbstbezüglichkeit geschämt. Mir ist aber eben auch ein positives Gegenbeispiel gelungen. Ich war ja von 2000 bis 2015 Direktor des Hotel Karolinenhof in Wien, und einmal ergab sich die Gelegenheit eine jener Veranstaltungen auch bei mir in Wien zu testen, die sogenannte Minimed der Meduni Graz. Auch hier war es entscheidend, eine Brückenperson zu haben, in diesem Fall war es unser lokaler Apotheker Mag. Martin Mähr. Ich dufte in dieser kleinen Versuchsanordnung im März 2010 mit einigen Grätzelbewohnern erleben, welchen Unterschied ums ganze es machte, so eine Bezugsperson als Anker zu haben, und so wurde das durchaus interessante Thema - es ging ums Mikrobiom - auch Auslöser einer lebhaften Diskussion, die anders wohl nie zustande gekommen wäre. ˧

Zurück nach Kirchbach und ins Jahr 2005. Nicht nur die Montagsakademie war ein Highlight des ersten Jahres - mir gelang es auch, die Einwilligung zu einer interaktiven Version der "Tage der Utopie" aus dem vorarlbergischen Götzis nach Kirchbach zu bekommen. Die Kirchbacher schickten ein Filmteam ins Bildungshaus Sankt Arbogast mit dem damals schon als Filmer erfahrenen Ossi Weiß und Rupert Payer als Kameramann. Wie bei einer professionellen Fernsehübertragung verstand es das Team, nicht einfach einen Vortrag mit Folien zu übermitteln, sondern wirklich Atmosphäre einzufangen, mit close-ups sprich Großaufnahmen aus dem Publikum, die ganz geschickt die Aufmerksamkeit und Spannung vermitelten. Das war eine echte künstlerische Arbeit, die nur möglich war weil Ossi seinen Regieplatz mitgebracht hatte und zwei Kameraleute einsetzen konnte. Ich habe mich da auch immer wieder an mein Erlebnis vom Monte Verita erinnert, wie nämlich sehr die Dynamik des Bildes wichtig ist, um Aufmerksamkeit festzuhalten. Wir erleben das heut auch mit Zoom, wie rasch die Aufmerksamkeit ermüdet wenn immer nur dieselbe Einstellung läuft. Und noch etwas wurde überdeutlich: wenn Vortragende nicht zu einer Kamera sprechen sondern zu realen Zuhörern, zu einem aufmerksamen Publikum, dann steigt die Qualität und Lebendigkeit ihres Vortrages sehr stark an. Allerdings ist die Präsenz von Kameraleuten auch ein etwas störendes Element gewesen - weswegen auch später andere Lösungen gesucht und gefunden wurden. ˧

All dieser Aufwand hat sich aber zumindest kurzfristig gelohnt: über 700 Besucher und Besucherinnen stürmten für diese Übertragung das KB5, sodass im Haus mehrere Räume für diesen Ansturm zumindest fürs Public Viewing vernetzt werden mussten. ˧

Wenn man sich heute das Portfolio der Veranstaltungen ansieht ist das, was in den folgenden zehn Jahren KB5 abgelaufen ist wirklich beeindruckend. Mit der Übertragung der Lesung des usbekischen Dichters Yodgor Obid aus dem KB5 in die Oregon-State- University in den USA und mit den Übertragungen der von Bio Austria initiierten "Bioversität" aus dem Haus KB5 in über 30 Außenstellen im gesamten deutschen Sprachraum wurde signalisiert, dass Dörfer nicht nur Konsumenten von Kultur und Wissen sind. Sie können auch der Produktionsort von hervorragenden, außergewöhnlichen und authentischen Inhalten sein. Zumindest die Wissenschaft hat dieses einzigartige Experiment wahrgenommen: eine Diplomarbeit und eine Dissertation von Studierenden der BOKU (Verena Peer und Florian Heiler) beschäftigten sich mit dem Haus KB5. Das Institut für Systemwissenschaften, Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung der KFU Graz ermöglichte ein selbstorganisiertes Praktikum von Studenten der Umweltsystemwissenschaften in Kirchbach, in dem sie sich mit dem Konzept der Lernenden Region und der Idee des globalen Dorfes als Chance für die Weiterentwicklung dörflicher Gemeinschaften auseinandersetzten, insbesondere der Rolle von Netzwerken als Nährboden für Gemeindeentwicklung. ˧

Mindestens vier EU Projekte haben die Erfahrungen aus Kirchbach unter Gleichgesinnten verbreitet. Und für meine Arbeit entstanden zahllose Anregungen. So haben wir uns eine Zeitlang ernsthaft überlegt, ob nicht ein neues Berufsbild, das sogenannte Regionale Informations- und Innovationscoaching aus diesem Setting entstehen könnte. Wir begannen die Arbeit an einer transdiziplinären Mustersprache der Videokommunikation. ˧

Im Jänner 2010 veranstaltete mein Verein Labor GIVE im Hotel Karolinenhof einen einwöchigen Workshop zum Thema der Videokommunikation unter dem Titel "Streaming Sharing Learning" mit 16 TeilnehmeInnen aus 11 Ländern. Wir kreierten mit Hilfe des Miniu Sodas Netzwerks von Andrius Kulikauskas eine eigene Datenbank von interessanten Geschichten über den Einsatz des Mediums unter dem Titel "My Video Story" [7]. Ich begann systematisch den Ausdruck "Videobrücke" in Anlehnung an Joseph Goldins "Spacebridge" zu verwenden, auch und speziell um das Vorhaben vom üblichen Begriff Videokonferenz abzugrenzen. ˧

Schön langsam begannen sich auch die Grundmuster herauszukristallisieren die später auch zur Grundlage der DorfUni wurden. Ein wichtiges Grundmuster ist es, die Videokommunikation immer als Anreger und Auslöser lokaler Kommunikation zu betrachten sowie als Ermöglichung einer Brücke zwischen lokalen Gemeinschaften. Wir haben dieses Format schon in Kirchbach entwickelt und viele haben es uns nachgemacht.Zentral ist die Dreiteiligkeit der Veranstaltung, sprich dem anfänglichen Impulsvortrag mit Verständnisfragen folgt eine Phase der Refokussierung, in der die Videoübertragung sogar bewusst ausgeblendet oder abgeschaltet wird. Stattdessen sollten sich die Zuhörenden in der lokalen Runde fragen: was bedeutet das für uns? Was können mit diesem Wissen anfangen? Was brauchen wir dafür?. Sie sollten zu einer Priorisierung kommen und dann wieder in die online Verbindung einsteigen und dort eine Zusammenfassung ihrer Resultate, Fragen und Anregungen präsentieren. ˧

Der Weg zur Multipolarität    

So sehr mich die Erfolge in Kirchbach freuten, so sehr reifte in mir die Überzeugung, dass es keine Videobrücke gibt, wo kein zweiter Pfeiler ist, wo nicht ein anderes Ufer ist, wo nicht sozusagen ein physischer Ort, eine physische Umgebung ist, wo auch glaubhaft sich irgendetwas entwickelt, an dem man Anteil nehmen kann, etwas was wirklich relevant und dauerhaft ist. Es mag schön sein sich von Dutzenden Universitäten die besten Vorlesungen reinzuholen, aber darin erschöpft sich das Potential der Videokommunikation noch lange nicht. Es ist natürlich für sich schon eine Sensation, wenn wir sagen: Paah, wir haben echt die Universität im Dorf nein nicht eine sondern viele, aber nicht nur das, wir können uns Vorträge von Nobelpreisträger, von irgendwelchen Festivals, wir können uns total gute Geschichten hereinholen . Es ist sicher richtig und ein Teilerfolg, wenn man einmal sagt, wir brechen das Bildungsmonopol der Stadt und wir haben theoretisch die Möglichkeit, all das an Bildung auch zu uns hereinzubringen, was sonst nur in den Städten zugänglich ist. Das ist sicher ein erster wichtiger Schritt. Aber für mich war dieser Schritt nur der Einstieg in die Reflektion der Rolle des Wissens für die Praxis überhaupt. Können wir selbst Teil einer Praxis werden, die den ländlichen Raum nachhaltig verändert? ˧

Deswegen begann ich den Versuch, einen zweiten Pfeiler aufzubauen zunächst in der Hochsteiermark, in Wildalpen. Es war auch irgendwie der Versuch, den Kirchbachern zu sagen: Wenn ihr ein Globales Dorf sein wollt, dann seit ihr eigentlich ein Grätzl einer globalen virtuellen Stadt. Ihr seid ein Teil einer großen übergreifenden lernenden Gemeinschaft und das ist eigentlich die Zukunft nicht nur der Dörfer, sondern der Welt. Einer Welt von Globalen Dörfern. Es gibt ja gefühlt unendlich viele Orte auf der Welt mit ähnlichen Problemen, und die entwickeln sich immer ungleichzeitig. Also können immer die einen von den anderen lernen und umgekehrt. Deswegen inszenierte ich meine Außenstelle der Tage der Utopie 2007 auf der abgeschiedenen Winterhöh im vielleicht höchstgelegenen Büro der Wiener Wasserwerke, deren Breitbandanbindung eine gute Bild- und Tonqualität ermöglichte. Es war ein Experiment bei dem es mir auch sehr drauf ankam in der praktischen Situation die Frage zu stellen: was löst das bei Euch Wildalpnern aus? Natürlich waren die Antworten zunächst einmal ganz auf die Großstadt bezogen. Einer sagte ich musste immer 190 Kilometer nach Wien zum Elektrikerkurs fahren und 190 Kilometer zurück, wieviel zehntausend Kilometer hätt ich mir ersparen können? Eine Mutter sagte ich kann nie nach Wien obwohl es ein tolles Kinderprogramm der Wiener Staatsoper gäbe...mit Kinderopern, Konzerten und Ballettaufführungen. Vielleicht sogar so ein wenig zum Üben. Aber meine Kinder müssen leider zeitig ins Bett und ich muss in der Früh arbeiten, also aus der Traum.... ˧

Also einerseits war für mich die Kreativität der Wildalpener beim Ausmalen dieser Möglichkeiten schon sehr spannend. Andererseits stellte ich mir die Frage: wieso sehr Ihr nicht dass unglaublich viele tolle Angebote mittlerweile auch aus Dörfern kommen? ˧

Und deshalb fokusierte ich mich nach unserem Wiener Workshop auf den Beziehungsaufbau. Die Suche nach den Talenten und Fähigkeiten in den Dörfern, und das sich darüber kennen lernen und austauschen. Die lokalen Akteure kommen in den Mittelpunkt mit dem was sie tun - oder wie es Franz Steinwender mal ausdrückte, "Dörfer lehren Dörfer". ˧

Dieses Beziehung herstellen und Talente und Fertigkeiten suchen ist das was Uwe Plachetka immer so scherzhaft die "Professores de la Praktica" genannt hat, dieses Verbinden von gutem Wissen mit guten Resultaten sprich gelungenen Umsetzung im Leben, und nicht nur mit einem brillianten Vortrag und spannenden Ideen. Dieser Gedanke stand Pate beim sehr ehrgeiziegen Projekt der Village Innovation Talks. Das war so quasi die Idee, wir müssen jetzt beginnen, dass wir uns über das akademische System, oder jenseits des akademischen System in eine Welt bewegen, in der es einen sehr viel engeren Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis gibt, weil wir wissensintensive lokale Experiemente für eine Veränderung, für einen Wandel, überall brauchen und kreieren können. Und dass genau dies die primäre Quelle ist, um das grundlegende fundamentale Problem zu lösen: Wie ist denn nicht nur das Überleben, sondern auch und vor allem das gute Leben für alle im ländlichen Raum möglich? ˧

Ich hatte im Mai 2008 an der Gründungskonferenz der Global Telecenter Alliance in Ungarn teilgenommen und dort neben dem legendären Gründer der Community Informatic Research Group Michael Gurstein auch Klaus Stoll von der Global Knowledge Partnership Foundation kennengelernt. Der Titel der Konferenz war "Grassroots Networking" und ich begann mich, ermutigt von viel Zuspruch, in diesem Sinn national und international auf die Suche nach "Globalen Dörfern" zu begeben. Am 16. Dezember 2011 fand dann das lange geplante Event statt, bei dem wir eigentlich nur eine kurze Auftaktrunde für eine ganze Reihe von Veranstaltungen machen wollten. Ich hatte mir 3 Dörfer in Österreich und 3 Dörfer in Deutschland ausgesucht in denen ich jeweils außergewöhnliche Projekte aufgespürt hatte - natürlich war da auch Kirchbach mit dem KB5 wieder dabei als Referenzbeispiel einer neuen selbstorganisierten Dorfmitte mit Bildungsschwerpunkt; Sankt Martin im Waldviertler Lainsitztal, das eine beispielgebende Glasfasterlandschaft mit seinen Nachbardörfern Groß - Schönau und Bad Großpertholz geschaffen hatte; Siegendorf im Burgenland mit seiner Dream Academia, einem unvergleichlichen Förderprojekt von Harald Katzenschläger und Freunden für junge Menschen mit Visionen; Bittelbronn in Baden-Würtemberg, ein 580 Einwohner- Dorf mit einer spektakulären Bioenergiegenossenschaft; Odernheim am Glan in Rheinland - Pfalz mit seiner beispielhaften kulturellen Vernetzung aller Vereine durch einen engagierten Treffpunktmacher; Witzenhausen in Hessen mit einem äußerst coolen Dorfkino in Steampunk - Ästhetik. Leider ist es aufgrund des Ausbleibens einer zugesagten Förderung bei diesem ehrgeizigen Anlauf geblieben; dennoch hat schon das Konzept, sechs eindeutig smarte Villages miteinander ins Gespräch zu bringen, wobei verschiedene Stärken einander inspirieren sollten, sicher auch heute noch Aktualität und Berechtigung. ˧

DorfUni    

Mir war klar dass hier früher oder später ein Muster ländlicher Kooperation entstehen würde, das über alle Bezirks- und Landesgrenzen und auch über Staatsgrenzen hinweg die Bildung von thematischen Netzwerken und Innovationspartnerschaften immens befördern würde. Ich bin mir klar dass viele Versuche in dieser Richtung unternommen wurden, und dass eine Geschichte der Myriaden von Projekten erst geschrieben werden muss, die sich ähnlich wie wir der zunehmenden Bedeutung der Lokalisierung von Bildung für die ländliche Entwicklung gewidmet haben. Diese Geschichte ist auch weitgehend eine Geschichte von Aufbrüchen und folgenden Zusammenbrüchen, entweder weil die Förderrichtlinien eben nur eine Anschubfinanzierung für zwei bis drei Jahre vorsahen, was eher temporäre Beschäftigungstherapie als nachhaltige Innovation beförderte; oder weil eben die Projekte von Anfang an auch ohne Rücksicht auf Fördertöpfe von engagierten Menschen gestartet wurden, die dann irgendwann ausbrannten. ˧

Eine Geschichte muss ich hier auf jeden Fall noch loswerden, auch ohne Namen zu nennen, weil bei so vielen Erinnerungen plötzlich auch wieder Wut in meinem Bauch zu verspüren ist. Es war zu dieser Zeit, als ich mich an eine sehr professionelle Organisation der Regionalentwicklung wandte und ihnen das Portfolio unserer tastenden Versuche und Experimente vorstellte. Die Antwort hat mich verblüfft, verwirrt und erzürnt, ich habe das schon verdrängt aber jetzt auch wieder klar vor Augen. Wir können bei Eurem Projekt nicht mitmachen, hieß es, weil die Aussichten auf Erfolg sehr gering seien. Auf meine nachfrage wieso das so sei, hieß es: "Ihr könnt nicht eine Innovation einreichen und sie zugleich schon beginnen. Da werden alle Reviewer sagen aha das gibt es also eh schon, die brauchen also keine Förderung mehr. Am besten Ihr haltet das Konzept geheim und tut nichts, bis das Projekt genehmigt ist und ihr ein sicheres Budget habt." Ich fand diese Denkweise so irrsinnig, dass mir eine zeitlang die Lust echt vergangen ist. Aber es sind halt immer wieder Menschen gekommen die mir Mut und Hoffnung gemacht haben, in dem Fall war es die Idee der Gründung einer zivilgesellschaftlichen Kommunikationsagentur durch Fritz Hinterberger, die mich bewogen hat das Konzept wieder aus der Schublade zu holen, öffentlich bei den lebenswerten Gemeinden zu präsentieren und als DorfUni auch mit einem neuen Namen zu versehen. Es war die Zeit eines neuen Aufbruchs, markiert durch die Gründung von Plattformen wie Steiermark Gemeinsam Jetzt oder die Wiederbelebung der Initiative Zivilgesellschaft, der össterreichischen Transition Bewegung, des Solidarökonomiekongresses und vieles mehr. Es fanden sich plötzlich auch wieder engagierte Menschen wie zuerst mal David Steinwender und Brigitte Kratzwald, danach viele andere die ich hier gerne nennen würde, aber aus Zeitgründen und Gründen der Vollständigkeit nicht kann, die mit mir einen neuen Anlauf wagten. Als wir schließlich am 7. 3. 2020 im Rahmen des Elevate Festivals im Grazer Forum Stadtpark mit einem Doppelvortrag von Helga Kromp Kolb und Leo Kudlicka durchstarteten ,waren wir wundersamerweise wieder sechs aktive Standorte wie 9 Jahre zuvor, aber eben andere. Und unsere Filmprofis aus Kirchbach waren selbstverständlich dabei. Dann kam wenige Tage danach die Pandemie mit ihren Lockdowns und begrub zwar unser Konzept, aber noch lange nicht unseren Enthusiasmus. Im Lauf der nächsten 2 Jahre produzierten wir größere und kleinere Veranstaltungen, je nach Rechnungsweise zwischen 30 und 50, bis uns nach dem wirklich spektakulären Greenskills Symposium 2022 klar wurde, wie ausgebrannt wir waren. Zwei Versuche der Einreichung minimaler Förderungen waren gescheitert, und ich hab den Eindruck es war wieder aus demselben Grund. Wie es mir ging hab ich in dieser Sendung schon beschrieben. ˧

Also hat es zwei Jahre gedauert, bis ich wieder so weit war einen Anlauf zu nehmen. Der Versuch beginnt klein, bescheiden und sehr bodenständig. Und inmitten jener Dorfgemeinschaft, die wie keine andere für die DorfUni gebuddelt hat, nämlich 200 Meter Glasfaserleitung im Jahr 2020 eingegraben, um die Übertragung ins Gewächshaus der Gärtnerei Mikl möglich zu machen. Also bleibt mir nur noch übrig zu sagen: Save the date und seid dabei, wenn wir mit dem Thema Flachs am 24.5. um 14h neue Netzwerke weben. Ein Stream über YouTube? wird eine breite Teilnahme ermöglichen. Noch ein weiterer termin sei angekündigt: am 15. 5. um 18 Uhr laden wir gemeinsam mit anderen Bildungskanälen zu einem Gedankenaustausch über ein Netzwerk offener Lernorte ein. siehe dorfuni.at ˧

ich verabschiede mich für heute; in der nächsten Sendung wirds mit ziemlicher Sicherheit einen taufrischen Bericht über die beiden Veranstaltungen geben. Und wahrscheinlich ein weiteres, fünftes Eintauchen in eines der vielen weiteren Segmente der Erinnerungen an die Arbeit für Globale Dörfer... ˧


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Ergänzende Lektüren: ˧


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[1] Space Bridges: The U. S.-Soviet Space Bridge Resource Center, Helene Keyssar, in:PS: Political Science and Politics, Vol. 27, No. 2 (Jun., 1994), pp. 247-253 (7 pages) online unter: https://doi.org/10.2307/420280

[2] https://www.context.org/iclib/ic15/goldin/

[3] https://web.archive.org/web/20041027192322/http://www.piazzetelematiche.it/proposal.html

[4] https://it.wikipedia.org/wiki/Piazza_telematica

[5] https://www.ffg.at/sites/default/files/allgemeine_downloads/thematische programme/programmdokumente/15452eisingerpraesentation_einbindendanw.pdf

[6] https://archiv.kb5.net/sprache-kb5/programm.html

[7] http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?VideoBridge/MyVideoStory