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Das Paradigma Der Pflanze


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<- Willkommen im Globalen Dorf/Von der Videobridge zur DorfUni ˧

-> Willkommen im Globalen Dorf ˧


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Zusammenfassung: ˧

Diese Episode ist ein weiterer Schritt in die Richtung
einer konkreten Bestimmung der Mensch - Natur - Beziehung.
In Sendung 25 und 26 gab es schon wichtige Vorüberlegungen, an die wir nun anknüpfen. ˧

In dieser Sendung führe ich ein Gespräch mit Knut Wimberger, einem visionären Pädagogen,
der vielfältige Hintergründe von Organisationsentwicklung und Management
bis hin zu einem tiefen Eintauchen in Kultur und Philosophie Chinas hat.
Wir glauben beide an die Notwendigkeit von Strukturen, die ein nachhaltiges
Leben und Lernen in einem globalen kooperativen Ökosystem fördern.
Knut erklärt seinen Hintergrund, einschließlich seiner Zeit in China
während der COVID-19-Krise, die ihm die Grenzen des Systems und die Bedeutung
von individueller Verantwortlichkeit vor Augen führte
- und ihn dazu brachte nach Österreich zu remigrieren.
Er spricht auch über seine Arbeit im Bildungswesen
und seine Vision für das ARK-Projekt,
das darauf abzielt, nicht nur die schulische Praxis,
sondern insgesamt Organisationen zu verändern
und eine bewusste Evolution der gesamten Menschheit zu fördern. ˧

Ich gebe dieser Sendung ganz bewusst einen Rahmen mit Stefano Mancusos umfassender Bilanz
der sich verändernden Wahrnehmung der Pflanzenwelt,
denn auch Knut hat sich entschieden in den Bäumen und Wäldern
und in der Intelligenz der Pflanzen
eine, wenn nicht die Schlüsselkraft zur Veränderung unseres Bewusstseins zu sehen. ˧

/Ideensammlung /Interview Knut Wimberger ˧

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Intro   
Das Paradigma der Pflanze (13 Minuten)   
Pflanzen sind intelligent   
Pflanzen sollten uns ein Vorbild sein   
Interview Knut Wimberger (42 Minuten)   
Persönliche Erfahrung mit Bio- und Ökoregion, Rückkehr nach Österreich   
Der geistige Weg zu ARK   
Die Plattform ARK, das Konzept der Bio- und Ökoregionen und Bildung als Schlüssel   
Global und Lokal   
Mensch und Natur   
Die Bedeutung der Bäume   
Selbstorganisierende Bildung   
Die Bedeutung der Ökoregionen   
Bildung als Bewegung, als Kreisen, als Begegnung   
Wie geht es weiter? Neue Bildung -> Neue Arbeit -> Neue Welt   
Outro   


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Intro    

Willkommen zur 52. Sendung unserer Reihe "Willkommen im Globalen Dorf" sagt Euch Franz Nahrada aus Bad Radkersburg. Nach insgesamt 4 Tauchgängen in der Vergangenheit des Projektes Globale Dörfer und vielen Hinweisen auf die verborgenen Schätze in meinem Archiv seit Jänner, jeweils mit einem aktuellen Anlass und jeweils auch mit einer interssanten Persönlichkeit verbunden, gehts heute zur Abwechslung wieder einmal in die Gegenwart - und zwar mit einem Interview und thematischer Einleitung. Ich glaube es ist erst das zweite Mal in dieser Sendung nach Daniel Christian Wahl, dass ich einen derart kraftvollen Visionär den Raum gebe seine Ideen zu entfalten. Natürlich, wir hatten schon viele wunderbare Menschen hier in der Sendung - aber nur höchst selten trifft man jemanden, der eine Brücke zu schlagen imstande ist von den Veränderungen im Kleinen zur Umgestaltung unserer ganzen Welt. So ein "Jemand" ist Knut Wimberger, den es nach mindestens 15 Jahren in China wieder nach Österreich gezogen hat, und dessen Bildungsplattform ARK ich erst vor wenigen Wochen entdeckt habe. Ich kann ohne Übertreibung sagen, dass Knut in so vielen Punkten mit meiner Vision der Globalen Dörfer übereinstimmt und ich mit seinen Thesen zu einer neuen Pädagogik, dass er wahrscheinlich der mir grosso modo geistig verwandeste Mensch ist, dem ich bisher begenet bin. ˧

Aber natürlich geht es hier schon um einen besonderen Themenstrang, in den Knut als Biologielehrer tief eingedrungen ist und eine enorme Expertise aufgebaut hat, aus der heraus er zu ähnlichen Schlüssen kommt wie ich als Soziologe. Es macht ja wie ich meine keinen Sinn wenn wir bloß Abziehbilder voneinander sind, sondern mehr denn je kommt es - gerade in unserer Bewegung - darauf an, dass wir alle uns für Lebensthemen und höchst individuelle Kombinationen entscheiden. Und Knut rollt unsere Situation eben tatsächlich von unserer Beziehung zu den Bäumen auf. Deswegen trägt die heutige Sendung den Titel "das Paradigma der Pflanze" und führt den Gedankenstrang weiter, den ich vor zwei Jahren mit Simone Back-Prochnow begonnen hatte. Diese Episode ist daher ein weiterer Schritt in die Richtung einer konkreten Bestimmung der Mensch - Natur - Beziehung. In Sendung 25 und 26 ("Wir müssen alle wieder Bauern werden" und "Die Vierte Natur") gab es schon wichtige Vorüberlegungen, an die wir nun anknüpfen und sie weiterführen können. Der Vorschlag von Knut ist - wie wir hören werden - keineswegs sein alleinigen Werk, auch er schöpft aus einer Vielzahl von Quellen, die er kreativ miteinander verbunden hat. ˧

Der Schlüssel zum Verständnis unserer Zukunft auf diesem Planeten ist seiner Ansicht nach das Begreifen der Anatomie des planetaren Ökosystems. Und nach Ansicht vieler Menschen, auf deren Vorarbeit er sich stützt, kann man dieses Ökosystem als in sich gegliedertes Mosaik von Regionen mit verschiedenen Böden udn Klimata sehen, in deren Zentrum jeweils bestimmte Baumarten stehen. Je mehr ich über diesen Gedanken nachdenke, umso faszinierender wird er für mich. Natürlich ist dieser Fokus auch bei mir nichts ganz Neues. In Sendung 36 mit dem Titel "Ein Zukunftsmärchen" habe ich postuliert: "die optimale Form des gesellschaftlichen Lebens auf diesem Planeten ist in der Analogie zu Bäumen zu denken, im Sinne von lokalen Räumen der gemeinschaftlichen Subsistenz auf höchstem denkbaren Niveau." ˧

Das Paradigma der Pflanze (13 Minuten)    

Den Sendungstitel "das Paradigma der Pflanze" könnte man so paraphrasieren: "warum wir als Menschheit viel mehr von den Pflanzen zu lernen haben als von den Tieren." ˧

Die Welt um uns herum ist voller Pflanzen und Grün. 99,7% der Biomasse auf der Erde wird von Pflanzen dargestellt. Menschen und Tieren bleiben nur 0,3 Prozent. Pflanzen sind vor den Tieren entstanden. Und während die Pflanzen ohne den Menschen leben können, ist das Gegenteil unmöglich. Haben wir die Pflanzen in ihrem evolutionären Erfolg wirklich verstanden? ˧

Auf der Suche nach markanten und unterstützenden Ideen für die Einleitung dieser Sendung bin ich über neben Büchern wie "das geheime Leben der Bäume" von Peter Wohlleben und ähnlichem auch über die Bücher von Stefano Mancuso und Alessandra Viola gestolpert. Die Trilogie aus den Büchern "Die Intelligenz der Pflanzen", 2014, "Pflanzenrevolution: Wie die Pflanzen unsere Zukunft erfinden",2018 und "Die Welt der Pflanzen: ... und wie sie Geschichte machen",2023 hat mich besonders fasziniert, weil genau dieser Aspekt, was die Menschheit von den Pflanzen lernen kann, große Teile der Argumentation besonders im zweiten und dritten Buch einnimmt. ˧

Pflanzen sind intelligent    

Der Gang der Argumentation im ersten Buch ist sehr klar und einfach. [1] Zunächst strafen die Autoren die traditionelle Auffassung Lügen, dass die Pflanzen Lebewesen niederer Ordnung seien, knapp oberhalb der unbelebten Welt. Doch seit kurzem erkennt und erklärt die Forschung, was schon Philosophen wie Platon und Demokrit, Pioniere wie Linné und Darwin und moderne Wissenschafter wie der Physiker Gustav Theodor Fechner oder der Inder Jagadish Chandra Bose vermuteten: dass Pflanzen trotz ihrer (scheinbaren) Unbeweglichkeit über stupende Fähigkeiten verfügen, ja über Intelligenz. Fähigkeiten, die bisher eher dem Tierreich zugeschrieben wurden - wie Wahrnehmen, Lernen, Abwägen, Entscheiden, Problemlösen, Kommunizieren und Interagieren mit der Umwelt - sind, wie sich herausstellt auch bei Pflanzen vorhanden, allerdings in einer von der tierischen Intelligenz durchaus unterschiedenen Form. Pflanzen sind aktive, flexible Lebewesen und keineswegs auf die Synthese von Biomasse zu reduzieren. In der Wissenschaft hat dieses Buch eine kontroverse Diskussion über die Definition von Intelligenz bei Organismen ohne Nervensystem ausgelöst. ˧

Grundsätzlich ist die Evolutionsgeschichte im pflanzlichen Bereich völlig anders verlaufen als im tierischen. Während Mensch und Tier spezifische Organe besitzen und daher als Lebewesen - bis auf ein paar spezifische Formen wie Würmer - unteilbar sind, sind die Körperfunktionen von Pflanzen im ganzen Organismus verteilt. Der Grund ist simpel: Pflanzen sind sesshafte Organismen, können nicht flüchten und würden ihren tierischen Fressfeinden komplett erliegen, wenn sie nicht die wunderbare Fähigkeit der Regeneratioin auch bei schwersten Schädigungen besäßen. Wer bei dieser Resilienz an das Design der Internets denkt, das ebenfalls auf Regenerationsfähigkeit durch Umkonfiguration der Verbindungen im Netzwerk von jedem lokalen Knoten aufbaut, liegt durchaus richtig. ˧

Die Intelligenz der Pflanzen zeigt sich schon in ihrer elementarsten Fähigkeit, der Photosynthese. Die hohe Effizienz und Zuverlässigkeit der Photosynthese kann nur durch durch Anwendung der Gesetze der Quantenmechanik auf molekularer Ebene vollständig nachvollzogen werden. Sie ist somit ein Paradebeispiel für einen quantenmechanischen Prozess in der Natur. Koordinierte Übertragungen von Quantenzuständen zwischen verschiedenen Pigment-Protein-Komplexen spielen eine Rolle beim "Einfangen" der Photonen und ermöglichen eine erstaunliche Geschwindigkeit und Effizienz schon der ersten Prozesse der Photosynthese, die mit klassisch - physikalischen Theorien nicht zu erklären ist. Dieser Prozess wurde erst in den letzten 10 Jahren schrittweise aufgeklärt, ist enorm komplex und manche Forscher greifen immer noch gerne auf die wahrscheinlich nicht zielführende Analogie mit einem Quantencomputer zurück.Jedenfalls steht schon am Anfang dessen, was jeder Volksschüler mit dem Satz "Fleisch ist Gras" eingetrichtert bekommt, dass nämlich alle Biomasse sich diesem Prozess verdankt - wobei zusätzlich auch noch der lebenswichtige Sauerstoff entsteht - eine Art Kommunikation zwischen Nanopartikeln und eine durchaus aktive Rolle der Pflanzen. ˧

Doch ist das eben nur der Anfang. Die Autoren zeigen, dass auf einer höheren Ebene die Pflanzen nicht nur über Äquivalente zu allen menschlichen und tierischen Sinnen verfügen, dass sie "sehen", "hören", "schmecken", "riechen" und "fühlen" können, sondern dass sie darüber hinaus an die fünfzehn weitere Sinne haben. So können sie zum Beispiel Schwerkraft, elektromagnetische Felder und Feuchigkeit wahrnehmen und berechnen und auch das Konzentrationsgefälle zahlreicher chemischer Soffe analysieren. ˧

Ähnlich wie Tiere können Pflanzen eben auch "ihresgleichen" identifizieren und sozial, sprich zur Erhaltung der Art, agieren. Sie können auch Freund und Feind identifizieren, egal ob es sich um Nachbarpflanzen, Insekten oder größere Tiere handelt. Auch hier spielt sich die Interaktion grundsätzlich anders ab als bei Tieren, nämlich über die erwähnten chemischen Sinne. Und vielleicht - jetzt mache ich einen kleinen Exkurs - auch über andere, die bei uns Menschen verschüttet sind. Bekannt und berühmt ist das durchaus reproduzierbare Polygraphen Experiment das der CIA-Lügendedektorenexperte Cleve Backster 1966 erstmals durchführte. Ich habe eine sehr schöne Stelle über den Backster-Effekt und die Folgen gefunden, aus der ich nur einige einleitende Absätze zitiere. ˧

'"Aus einer Laune heraus schloss er eines Tages seine Zimmerpflanze, eine Dracaena, einen Drachenbaum an einen Lügendetektor an. Die Pflanze brauchte Wasser und Backster verband die Elektroden seines Lügendetektors mit den Blättern des Drachenbaumes, um vielleicht eine Reaktion nach dem Gießen feststellen zu können. ˧

Nach seinen Vorstellungen und Erfahrungen müsste die Pflanze durch das in ihr verteilte Wasser dann leitfähiger werden, wenn sie gegossen würde. An einen Stromkreis angeschlossen, müsste der Widerstand, den die Pflanze dem Strom entgegenbringt, geringer werden. Dies wäre am Galvanometer durch eine aufsteigende Kurve zu sehen. Backster goss seine Dracaena und – es gab keine Kurve nach oben, sondern eine Abwärtslinie. Die Leitfähigkeit nahm ab – eine physikalische Unmöglichkeit. ˧

Diese Kurve, welche der Schreiber aufzeichnete, ähnelte derjenigen, die eine kurzzeitige starke Erregung bei einem Menschen hervorbrachte. Backster war in höchstem Maße erstaunt. Sollte die Pflanze irgendetwas „gefühlt” haben? Seine Neugierde war geweckt. ˧

Dank seiner langjährigen Erfahrung mit Verhören wusste er, dass der plötzlichen Angst eines Menschen eine sofortige, bestimmte, steil ansteigende Kurve des Diagrammschreibers folgte. ˧

Womit konnte er nun diese Pflanze wohl ängstigen? Er dachte: „Ich muss ein Streichholz holen und die Pflanze anbrennen.” Backster hatte sich in diesem Moment weder in Bewegung gesetzt, noch hatte er auch nur einen Finger gekrümmt, um zur Tat zu schreiten. Er dachte es nur. Und in diesem Moment geschah das Unfassbare: Der Schreiber des Polygraphen zeichnete eine lange Kurve nach oben auf: Der Drachenbaum hatte furchtbare Angst!"' ˧

weiter hier: https://www.selbstheilung-online.com/weiteres-wissen/geist/licht-als-grundlage-des-lebens/biophotonen-biologie-des-lichts/stromfluss-in-pflanzen-der-backster-effekt/ ˧

Ich lasse das mal so stehen, wer diese hochspannewde Geschichte weiterverfolgen will braucht nur Backster-Effekt (Backster mit cks zu googeln. Da sieht man auch, dass Backster lange als Narr verfemt wurde, seine Stellung verlor und an den rand des Ruins kam, weil er eben der gültigen Denkweise widersprochen hatte. Doch immer mehr verdichten sich die Ansätze, dass seine Entdeckung eine große wissenschaftliche Revolution ausgelöst hat, wenngleich es ein Elementarbedürfnis unserer Spezies zu sein scheint, die Konsequenzen aus diesen Einsichten nicht wahrzunehmen. Auch wenn eine eigene Forschergemeinschaft mittlerweile sich nur mit den Beziehungen von Pflanze und Musik beschäftigt, über die wir eine eigne Sendung machen könnten. ˧

zurück zu Macuso und Viola: sie schreiben, dass es sogar so etwas wie einen "Charakter" von Pflanzen gibt, "es gibt (nicht anders als in der Tierwelt) opportunistische und großzügige, grundehrliche und verschlagene Pflanzenarten." "Bäume leben so ähnlich wie wir. Sie essen und wachsen, kämpfen mit der Armut, sind betrübt und leiden. Sie können stehlen, sich aber auch gegenseitig helfen, Freundschaften schließen und ihr Leben für die Nachkommen opfern." (Seite 152) ˧

Es haben sich über Jahrmillionen Muster verfestigt die zeigen dass Pflanzen mehr tun als einfach "vor sich hinzuvegetieren". Linné und Darwin haben ihre Vermutungen über die geheimen Fähigkeiten der Pflanzen vor allem durch das Studium derjenigen Arten gewonnen, die Tiere anlocken und fressen, nicht nur Insekten sondern auch kleine Säugetiere. Pflanzen entwickeln auch eine Schwarmintelligenz, ähnlich den Ameisen, Vögeln oder Fischen. Manche Wälder verfügen durch die Symbiose von Bäumen an den feinsten Wurzelverästungen mit unterirdischem Pilzgeflecht über ein Kommunikationsnetzwerk, das Myko-rhiza oder oft auch scherzhaft "Wood Wide Web" genannt wird. Die Forscher streiten sich noch, ob tatsächlich wie behauptet durch dieses Netzwerk gezielt junge und schwache Bäume von robusten Erwachsenen ernährt werden, oder auch sonstige Signale weitergegeben werden. Das sei extrem schwer zu untersuchen und von anderen möglichen Wechselwirkungen via Luft und Wasser abzugrenzen. ˧

Linné war auch der erste der die Hypothese vom Schlaf der Pflanzen in die Welt gesetzt hat - eine essentielle Funktion die offensichtlich Teil der Reorganisation eines neuronalen Netzwerkes mit "Erkenntnischarakter" ist. Darwin widmete viel Aufmerksamkeit den mannigfachen Bewegungsmöglichkeiten die Pflanzen trotz oder auch gerade wegen ihrer stationären Natur entwickelt haben. Und René Desfontaines konnte mit seinen durch Lamck berühmt gemachten Mimosenversuchen in Paris nachweisen, dass Pflanzen Gedächtnis haben, sich an etwas gewöhnen können. Erst heute, mit den Mitteln der Molekularbiologie können wir das Pflanzengedächtnis in der Epigenetik verankern. ˧

Pflanzen sollten uns ein Vorbild sein    

Während es also im ersten Buch darum ging, die menschliche Wahrnehmung der Pflanzen zu korrigieren, ging das Folgebuch "Pflanzenrevolution: Wie die Pflanzen unsere Zukunft erfinden" eben genau jenen Schritt weiter: wie können die Pflanzen auf fast allen Ebenen unseres Daseins unsere Art, die Welt zu gestalten verändern? Selbst wenn wir all die eindrucksvollen Arten und Weisen Revue passieren lassen, wie wir von den Pflanzen profitieren, von der Luft die wir atmen über das Fleisch das wir essen, die Heilpflanzen die wir brauchen, das Holz mit dem wir bauen bis hin zu den fossilen Brennstoffen, die ein bis zwei Jahrhunderte lang unsere Welt so richtig in Bewegung gebracht haben: ist nicht alleine die Vorstellung wir könnten unsere Welt wirklich so reorganisieren, dass wir als Spezies im Verbund mit den Pflanzen wirklich dauerhaft auf diesem Planeten überleben können, anstatt an unserer Selbist diese Vorstellung nicht mindestens so beeindruckend? ˧

Stefano Mancuso, übrigens Professor an der Universität Florenz, schreibt: "Die Pflanzenwelt hat schon vor undenklichen Zeiten optimale Lösungen für die Probleme entwickelt, mit denen wir heute zu tun haben, ob es um Materialien, autonome Energieversorgung, Resilienz oder Anpassungsstrategien geht. Eigentlich müssten wir jetzt nur noch wissen, wie und wo wir am besten suchen.
Pflanzen und Tiere haben sich in einem Prozess, der vor etwa einer Milliarde Jahre begann und vor 400 Millionen Jahren endete, evolutionär in die entgegengesetzte Richtung entwickelt. Auf der Suche nach Nahrung bewegten sich die Tiere fort; die Pflanzen aber blieben am Ort, erzeugten mithilfe der Sonne die notwendige Energie und passten sich an das ortsgebundene Leben an, etwa daran, dass sie leichte Beute waren. Keine einfache Aufgabe. Können Sie sich vorstellen, wie schwer es ist, in einer feindlichen Umgebung zu überleben, wenn man sich nicht vom Fleck rühren kann? Wie es wäre, eine von Insekten, pflanzenfressenden Tieren und anderen Feinden umlauerte Pflanze zu sein und nicht fliehen zu können? Sie hätten dann nur eine Überlebenschance: Ihr Körper müsste unzerstörbar sein und folglich völlig anders aufgebaut als jener der Tiere. Sie müssten eben eine Pflanze sein." Wir haben viele diese Unterschiede schon gestreift, vor allem auch die dezentrale Intelligenz der Pflanzen. Hier beginnt Mancuso auch seine Lehren zu ziehen: Er vergleicht die Zerstörung der zentralistischen Azteken- und Inkastaaten durch die Conquistadoren im Gegensatz zur dezentralen Resilienz der Apachen. ˧

Pflanzen haben in Jahrmillionen vollkommen andere Überlebensstrategien entwickelt als wir: Wo der Mensch auf zentralisierte, hierarchische Lösungen setzt, handeln Pflanzen flexibel, dezentral und als Gemeinschaft. Die Wissenschaft der Bionik findet bei den Pflanzen enorm viele Lösungen, die wir für die Rettung unseres Planeten brauchen. ˧

Ein besonders schöner Aspekt ist, wie die Pflanzenwelt gelernt hat die Tiere zu benutzen. Fortbewegung ist das einzige fehlende Teil der Pflanzenwelt, dafür setzen sie schlau die Tiere ein. Wenn Samen im Magen eines Tieres landen, können sie 20km oder 30km wandern. Wenn Früchte von Vögeln gefressen werden, überwinden die Samen alle Hindernisse, Gebirge, Flüsse. Insekten wie Bienen tragen die genetischen Informationen von Pflanze zu Pflanze und sorgen so für die Mutabilität. Pflanzen haben gelernt, Ameisen mit Durtstoffen zu dirigieren. Parallelen zu Drohnen und Mikrorobotik, die Transporte übernehmen und unsere Pflanzen hegen und Pflegen werden, in kleinen, diversen Permakulturbiotopen liegen auf der Hand. ˧

Pflanzen sind wahre Künstler des "doing more with less". Riesenseerosen der Gattung Victoria, deren schwimmende Blätter bis zu 50 Kg tragen können, inspirieren mit ihren Streben die ersten freiragenden Hallenkonstruktionen von Joseph Paxton. auf der Weltausstellung 1851 in London. Antoni Gaudi nahm bei seiner Sagrada Familia vielfach Anleihen bei der Statik der Pflanzen. Pflanzenstängel und Äste sind hohl und haben eine leichte Schalung, was ihnen Tragfähigkeit bei geringem Materialeinsatz gibt. Gaudís Säulen haben ebenfalls schalenartige Hohlkörperformen. In der Natur übernehmen verzweigende Strukturen wie bei Bäumen große Lasten und leiten sie in den Boden ab. Bei der Sagrada Familia gibt es ein solides Netz von Säulen, Bögen und Rippen. Bei Pflanzen verstärken sich tragende Elemente genau dort, wo sie Kräfte aufnehmen müssen. Und das ist eben nicht immer die vertikale. Ähnlich sind Gaudís Formen mit dickeren Wänden an lastaufnehmenden Stellen verstärkt. Aber geht nicht nur um Statik, sondern auch um die "Biophilia". Wir Menschen haben einen unsichtbaren Sinn für Lebendigkeit, wie ich in der Sendung über Christopher Alexander gezeigt habe: Die subtile Kommunikation mit Pflanzen belebt uns, was Gaudi wusste und in der Dynamik der Fassade, den Materialien und der Formsprache ausdrückte. Heute ist vieles davon in die Baubiologie und Baubotanik eingeflossen. ˧

Ich möchte hier die Einleitung einmal abbrechen, der Blick ist in eine bestimmte Richtung gelenkt, auf der die folgenden Dialoge vielleicht noch ein Stück besser verstehbar sind. Ich habe in vergangenen Sendungen wie der über den SolarPunk (Sendung 44) einige der möglichen Entwicklungslinien skizziert. Und wer weiß, vielleicht werden Knut und ich nach diesem folgenden noch weitere und dann eher visionäre Gespräche führen. ˧

Interview Knut Wimberger (42 Minuten)    

Bild:KnutWimberger ˧

FN: Hallo Knut, wir haben uns vor kurzem kennengelernt und wir haben unsere Ideen ausgetauscht. Du hast auch ein bisschen dir meine Ideen zu den globalen Dörfern angeschaut und offensichtlich findest du sie nicht ganz unplausibel. Wie schaut das aus bei dir? Wie kommst du in ähnliche Gedankenrichtungen? Wie ist dein Zugang und wie ist dein Ansatz, aus welchen Elementen, aus welchen Einflüssen usw. heraus zu verstehen? ˧

KW: Danke für die Einladung, Franz, unser Projekt ein bisschen näher vorzustellen. Ich habe eine sehr große Schnittmenge gesehen. Das Erste ist natürlich, dass man immer auf den Titel schaut. DORF Dein Projekt, das globale Dorf, überschneidet sich im Endeffekt 100% mit dem, was wir versuchen umzusetzen. Kleine Strukturen, die aber trotzdem diesen Konflikt auflösen, dass wir in einem globalen Ökosystem gemeinsam wirtschaften, handeln und lernen müssen. Ich würde sagen, dass dieser Startpunkt aufgrund meiner langen Zeit im Ausland entstanden ist. Unser Projekt, die Green Steps Ark, versucht eine Strategie zu entwickeln, das auch wirklich umzusetzen. Und Umsetzung passiert auf verschiedenen Ebenen. Umsetzung ist natürlich auch, wenn wir uns unterhalten und einen Podcast für andere machen, um Konzepte näher zu bringen. Aber ich habe mich immer gefragt als Organisationsentwickler, welcher Strukturen bedarf es, dass wir uns wirklich verändern können von der derzeitigen Organisation der Menschheit in eine, die wirklich nachhaltig funktioniert. Wenn man in die Welt rausschaut, dann weiß man natürlich, dass überall Krisen sind. Wir versuchen zwei konkrete Krisen, die Bildungskrise und die Umweltkrise, anzusprechen. ˧

Vielleicht willst Su noch etwas zu meinem Werdegang erfahren? ˧

Ich bin im Jahr 2000, eigentlich noch während dem Studium in Wien, nach China gegangen als Zivildiener. Ich habe dort insgesamt fast 20 Jahre verbracht. Zum Beginn der Corona-Krise, nach dem ersten Lockdown in China, bin ich zurückgekommen. Obwohl ich dort eigentlich sehr geerdet und schon zu Hause war ... also Familie dort, das Klassische, was man halt so macht, wenn man ungefähr 40 ist. Ich habe zwei Kinder. Aber der Lockdown in China hat mich dann einfach so stark getroffen, dass ich mir gedacht habe, wir können eigentlich nicht mehr weiter in China bleiben. Wir sollten an einen Ort gehen, wo man als Individuum noch etwas verändern kann. Also wo das System das auch zulässt. ˧

Der erste Lockdown hat in China sehr stark den Polizeistaat betont. Man hat einfach mit allen Maßnahmen der Regierung gemerkt, dass die auch diese Krise versucht haben auszunutzen, um die Zügel enger zu zurren. Und es war dann irgendwie einfach fühlbar, dass man als Mensch innerhalb dieses Systems nicht mehr viel bewegen kann. Es ist einfach alles kontrolliert. ˧

Und dazu ist natürlich auch noch gekommen, dass ich mich eigentlich sehr zu Hause gefühlt habe. Ich bin auch Sinologe, chinesisch studiert, spreche chinesisch und fühle mich dort in dieser Kultur eigentlich sehr, sehr wohl. Aber nachdem ich Ausländer bin, und das sieht man in China auf den ersten Blick, dass ich nicht chinesisch bin und die Regierung das dann relativ schnell drehen konnte und gesagt hat, dass der Virus aus dem Ausland kommt, hat die Allgemeinbevölkerung alle nicht chinesisch Aussehenden als Virusträger wahrgenommen und damit war man dann automatisch fast aussätzig. Und es hat mich schon sehr tief getroffen, wie innerhalb von wenigen Monaten so eine Geschichte dann auch geglaubt wird von der Bevölkerung. ˧

Also diese Blindheit und Gut- oder Schlechtglaublichkeit der Allgemeinbevölkerung, das hat mich damals auch sehr stark getroffen. Und ich habe dann im Frühsommer 2020 entschieden, dass ich mit den Kindern einmal vorausgehe und wir sind in der Nähe von Wien wieder aufgeschlagen in Österreich nach sehr langer Abwesenheit. Aber ich habe das Projekt mitgenommen, umzusetzen in diesem doch eher freizügigeren Umfeld Europas. ˧

Persönlich, ich habe in der Jus und Psychologie ursprünglich begonnen zu studieren in Wien, bin in Linz geboren, eigentlich nichts Ungewöhnliches. Aber ich habe sehr früh irgendwie auch gefühlt, dass das Aufwachsen da in Linz irgendwie einartig war. Also vielleicht auch ein konkreter Anlass, das zu erklären, weil das führt zu einem der großen Themen. ˧

Persönliche Erfahrung mit Bio- und Ökoregion, Rückkehr nach Österreich    

In Österreich macht man Witze vor allem über Müllviertler und über die Burgenländer. Und ich habe das nie verstanden, warum. Man nimmt das halt so wahr. Aber wie ich zurückgekommen bin dann aus China, war das für mich wieder sehr, sehr klar nachzuvollziehen, weil ich einfach Österreich jetzt auch mit einem anderen Blick sehe. Und nördlich von der Donau, das Müll- und das Waldviertel gehört einer ganz anderen Region an, als der Großteil des Restösterreichs. ˧

Und dasselbe trifft auch auf das Burgenland zu. Diese Andersartigkeit, die hat mich immer schon bewegt und vielleicht auch deswegen ins Ausland getrieben, um das in einem größeren Bild zu sehen. ˧

Und ich bin nach dem Jus - Studium im Jahr 2005 dann wieder nach China gegangen zum ersten Nationalparkprojekt. Der erste Nationalpark Chinas wurde in der Provinz Yunnan gegründet. Und da habe ich eine Zeit lang eben wissenschaftlich mitgearbeitet im Rahmen des Nationalparkmanagementsrechts. Und innerhalb dieser Zeit haben sich dann viele Fragen beantwortet, weil Yunnan ist eine Provinz, die ist ungefähr so groß wie Spanien. ˧

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Hat auch ungefähr 40 Millionen Einwohner. Und ich habe da insgesamt drei Jahre verbracht. Und diese Provinz hat die höchste Biodiversität innerhalb Chinas. Nicht nur ethnisch, es gibt 26 ethnische Minderheiten von insgesamt 52 in China. Sondern auch von der Natur, von der Artenvielfalt her. Weil die Höhenlage ist von fast 0 Meter tropisch bis 6700 Meter Ausläufer. Beziehungsweise wirklich die Spitzen des Himalaya-Massivs. [[https://de.wikivoyage.org/wiki/Yunnan mehr]]. Und die Erfahrung dort, die hat mich sehr stark geprägt, weil den Zivildienst hatte ich in einer Monokultur in Nordchina in der manchurischen Tiefebene verbracht. ˧

Und diese Kontraste in diesem Riesenland haben natürlich ein ganz anderes Weltbild geschaffen. Ja, ich glaube, dass das ein guter Abriss ist zum Werdegang. ˧

Derzeit arbeite ich als Pädagoge, als Lehrer an einer St. Pöltener Mittelschule. ˧

FN: Also was ist so quasi diese Vision von ARK? Was sind die einzelnen Elemente? Vielleicht kannst du es auseinanderklären und den Zugang erleichtern. ˧

Der geistige Weg zu ARK    

KW: Ja, also das ganze Projekt zu erklären in wenigen Worten ist natürlich nicht so einfach. Aber das ist ja auch genau das Thema, das mich schon seit längerem auch beschäftigt. ˧

Wie kann man eine derartig komplexe Transformation, die wir als Menschheit durchmachen müssen, wie kann man das erklären? Wie kann man überhaupt einen Weg dorthin ersinnen? ˧

Ich habe eben einige Jahre auch als Organisationsentwickler gearbeitet. Zuerst mit großen Unternehmen im For-Profit-Bereich, wo es eben darum geht, Unternehmen umzugestalten, Change-Management zu betreiben und habe mich dann immer mehr in den Non-Profit-Bereich entwickelt und unter anderem im Rahmen dessen auch mit Frederic Laloux auseinandergesetzt. Das ist ein belgischer Organisationsentwickler, der sich in Reinventing Organisations sehr stark die Gedanken macht, wie kann man denn Organisationen neu ausrichten, evolutionär sinnvoll ausrichten. ˧

Und er lässt auch in diesem Buch anklingen, dass wir als Menschheit ja im Endeffekt eine Organisation sind. Wir könnten uns ja wirklich wie eine Bienenkolonie betrachten, die auf dem Planeten Erde lebt. Und wir sind ja derzeit strukturell so aufgesetzt, dass wir im ständigen Wettbewerb stehen. Und der Wettbewerb erzeugt natürlich massiven Verbrauch von Ressourcen, erzeugt Müll, Verschwendung ... ˧

FN: ....und Zerstörung. Man muss ja sagen, der Wettbewerb ist ja gerade dabei, außer Kontrolle zu geraten, wenn man so will, in eine kriegerische Vernichtungsschlacht historischen Ausmaßes oder apokalyptischen Ausmaßes zu schlittern.... ˧

KW: Ja, also ich weiß nicht, welcher Ökonom das gesagt hat, aber der Krieg ist absoluter Konsum. Also wir konsumieren immer, aber der Krieg führt halt dann zur Komplettzerstörung und zum kompletten Konsum, zum Verzehren der Welt, natürlich auch der Menschen, aller Ressourcen und ist natürlich das Unnachhaltigste überhaupt. ˧

Und beeinflusst hat mich da sicherlich auch das Gedankengut von Jiddu Krishnamurti, weil wir sind letztendlich in einer Bewusstseinskrise, wo wir uns alle nicht als Feinde oder als Wettbewerber wahrnehmen, sondern als Mitstreiter - oder als Freunde - um ein besseres Leben mit viel weniger auf dieser Welt zu erlangen. ˧

Und es ist halt im Rahmen dieser Organisationsentwicklungstätigkeit dann immer mehr diese Frage aufgetaucht - und manche Menschen haben diese Fragen, manche nicht -, wie könnte eine Entwicklung dorthin aussehen. Und ich bin dann auf ein interessantes Buch gestoßen von einem französischen Jesuiten, der auch viele Jahre in China verbracht hat, allerdings 100 Jahre vor mir, der Pierre Teilhard de Chardin und er hat ein Buch geschrieben, in einer Übersetzung von einem Schweizer Philosophen, dem Peter Gotthard Bieri, das heißt Sinn und Ziel der Evolution. ˧

Und ich war damals eigentlich in einer ziemlichen Krise, weil ich selbst in einem Unternehmen auch gearbeitet habe, als Geschäftsführer für Hochtechnologie im Bereich Robotik und ich wusste - das wurde mir nicht gesagt eigentlich von meiner Geschäftsleitung im Headquarter in Österreich, aber ich habe es in China dann herausgefunden - dass eben ein großer Anteil unserer Robotersysteme eigentlich für Kriegsmaschinerie eingesetzt wurde. Also ich habe dann bei uns gefunden, von Kunden die Panzerschweißpläne, das wurde alles tituliert als 'Yellow Goods', als Kranwerkzeuge. ˧

Ich habe herausgefunden, dass wir schnelle Fregatten aus Aluminium produzieren und alles mögliche. Und ich bin dann in eine tiefe Krise geschlittert, weil ich mir gedacht habe, ich verdiene das Geld für meine Familie, das ist ein interessanter Job, aber was mache ich hier eigentlich? ˧

Und dieses Buch hat mir dann irgendwie auch wieder eine Hoffnung gegeben, weil es ein großes Konzept gezeigt hat aus einer christlichen Denkweise heraus, das muss ich auch anfügen, das ist eigentlich nicht mehr meine Welt, aber es hat einfach aufgezeigt, dass aus der Wissenschaft heraus betrachtet, unsere derzeitige evolutionäre Veränderung auf der Stufe der Kultur stattfinden muss. ˧

Also Teilhad de Chardin ist der Erste, der sozusagen Big History praktiziert und wirklich formuliert hat. Das ist ja heute ein wirklich großes Feld der Pädagogik und der Lehre. Und er hat gesagt, wir haben am Anfang die Physik, wo sich die Partikel verschmelzen, dann kommt die Chemie, dann kommt die Biologie, der Menschen hat die Biologie quasi um das Homo sapiens hervorgebracht. Und dieser Homo sapiens ist jetzt seit 70, vielleicht 200.000 Jahren am Planeten und jetzt findet Evolution nicht mehr auf der biologischen Ebene statt, sondern auf der Ebene der Kultur. ˧

Und diese Verschmelzung von Naturwissenschaft und Kulturwissenschaft innerhalb einer Evolutionstheorie, das hat mich also auch sehr, sehr geprägt und ich habe mir dann einfach die Frage gestellt, wie können wir auf dieser kulturellen Ebene und vor allem auch wo - Hebel ansetzen, um uns als Menschheit hin zu einer Menschheitsfamilie zu transformieren. ˧

Und nachdem ich diese Erfahrung hatte bereits in der Organisationsentwicklung, war für mich auch schlagartig klar, wir brauchen andere Organisationsstrukturen. Wenn wir weiterhin in den bestehenden Organisationsstrukturen agieren, dann werden wir uns nicht weiterentwickeln können. ˧

Ja und aus diesem Projekt ist dann diese Plattform entstanden. Also ich habe einerseits mich relativ schnell dann auch der Umweltbildung zugewandt, weil in China mit dieser großen Verstädterung sieht man sehr schnell, dass einfach Städte die Menschen von der Natur entfremden. Ich habe mich mit einem spanischen Meeresbiologen dann auch in einem Verein zusammengeschlossen, das ist eben Green Steps, der Joan, der spanische Meeresbiologe, ist nach wie vor in Shanghai. Und der Dritte im Bundes damals war ein sehr junger tschechischer Computerwissenschaftler, den ich auch kennengelernt habe auf meiner Suche nach Mitstreitern, weil mir auch klar war, dass wir eine technische Lösung brauchen, um eine neue Organisationsstruktur aufzusetzen. ˧

Und das Ganze war auch, also muss ich offen gestehen, blind und naiv, im Sinne einfach eine Lösung zu probieren. Weil irgendwann nochmal der Punkt gekommen ist, wenn ich das jetzt nicht mache, wer macht es dann? Gibt sowas schon da draußen und ich habe nichts ähnliches gefunden. Und der Lukas Hellebrand, der ist mit mir dann auch aus China ausgewandert und ist jetzt auch in St. Pölten, der ist quasi der technische Kopf hinter dieser Plattform. Ich bin eher der Pädagoge und das ökologische Konzept wird zur Zeit verantwortet von einer italienischen Biologin, der Gloria Covatini. Wir drei sind da jetzt im Bund als Hauptakteure, um diese Plattform weiterzuentwickeln. ˧

Die Plattform ARK, das Konzept der Bio- und Ökoregionen und Bildung als Schlüssel    

FN: Vielleicht kannst du ein bisschen jetzt auch diese schon existierenden Elemente von dieser Green Steps Arc Plattform (darstellen). Also auf der einen Seite, so wie ich das verstanden habe, das Konzept der Bio- und vor allem Ökoregionen. Und auf der anderen Seite die konkreten Projekte auf der ganz kleinen Ebene, die also bei dir so quasi vom einzelnen Menschen, von der Schule, von der Gemeinde, von der Mikroregion ausgehen. Vielleicht kannst du dazu ein paar Worte sagen. ˧

KW: Okay, ja gerne. Also auf der globalen Ebene, also auf der Suche nach Konzepten, die a. wissenschaftlich fundiert sind und b. auch anwendbar sind, bin ich relativ schnell auf den sogenannten Overview Effect gestoßen. ˧

Das ist ein Konzept aus der Psychologie. Man hat über 500 Astronauten interviewt, ein Projekt an der Pennsylvania State University und hat festgestellt, dass die einen sogenannten Cognitive Shift durchgangen sind. ˧

Also wenn man aus dem Outer Space die Erde betrachtet, dann verliert man eben diese Kleinheit des Denkens. ˧

Man blickt auf die Erde und wird sich dessen bewusst, dass das ein fragiles Ökosystem ist, das wir gemeinsam beschützen müssen. Und man verliert dann eigentlich diesen Zugang, "ich bin Chinese, Deutscher oder wie auch immer>", sondern ich muss es beschützen, das ist unsere Heimat. ˧

Und wir haben uns dann einfach gefragt, naja gut, die 500 haben diesen Cognitive Shift hinter sich gebracht, wie kann man das mit den restlichen 8 Milliarden machen? Also ins Weltall schießen geht nicht, aber Bildung könnte ein Hebel sein. ˧

Bildung ist auch eine Transformation und insofern haben wir dann einerseits dieses Konzept von Bio- und Ökoregionen in die Plattform integriert. Und zwar, warum? Weil das ist so ähnlich wie mit dem Dezimalsystem. Wenn man das nach der Montessori-Methode lernt, hat man zuerst nur einen kleinen Würfel, dann eine 10er-Stange, eine 100er-Platte und einen 1000er-Würfel. Man erlernt quasi das Dezimalsystem haptisch in kleinen Schritten, am kleinsten zum großen. Und dasselbe haben wir versucht jetzt hier anzuwenden, zu sagen, okay, ich brauche irgendwo einen Human Scale Entry Point, den wir wirklich wahrnehmen können mit unseren seit 70.000 Jahren zumindest nicht mehr veränderten Wahrnehmungsmethoden. Also sehr archaische Wahrnehmungsmethoden. ˧

Global und Lokal    

Aber ich muss trotzdem schrittweise zu dieser Einsicht gelangen können, dass das ein großes Ökosystem ist. Also wie kann ich lokal und global miteinander verschmelzen? Das ist eben der Overview-Effekt, der durch Bio-Regionen ausgedrückt wird und wir haben das in der Plattform integriert, indem wir von einer amerikanischen NGO, One Earth heißt die, die ganze Datenstruktur übernommen haben. Also das wurde bei uns quasi eingespielt und es ist jetzt jeder, der auf der ARC sich registriert und der seine Location Services freigibt, automatisch Teil dieses globalen Systems und wird verortet innerhalb einer Bio-Region. ˧

Also das ist jetzt der eine Zugang, der global ist und wir haben das jetzt schon mehrfach ausprobiert, wenn man auf die Plattform geht und dort neu einsteigt und sich dann verortet, dann entsteht schon so ein Gefühl, wenn man dann in die Öko-Region eingeht, okay, da ist jetzt so ein Missing-Path-Piece und man verortet sich in diesem globalen System. Genauso wie du das eingangs erwähnt hast, dass man sich in einer globalen Struktur vereinigen muss, die Frage ist eben, wie kommt man dorthin? Diese Öko- bzw. Bio-Regionen geben eben so eine Struktur. ˧

Das ist der globale (nicht wie im Audio: lokale) Zugang und der lokale Zugang ist einfach immer auch die Bewusstheit gewesen, wenn ich als Umweltpädagoge arbeite, dass wir Natur konkret erfahren müssen. Das geht nicht anders. Man kann nicht nur abstrakt von der Natur denken, man muss sie lokal und konkret erfahren. Da hat mich auch ein anderer Autor sehr stark inspiriert und zwar ist es der Gary Snyder, das ist ein amerikanischer Poet, der hat The Practice of the Wild geschrieben und das ist eigentlich eine Essay-Sammlung. ˧

Aber in diesem Buch spricht er einerseits auch sehr stark von Bio-Regionen, aber er macht das mehr menschlich zugänglich, 'unwissenschaftlich'. Er sagt einfach, der Mensch wurde immer, bis auf die letzten 200 Jahre vielleicht, an einer Feuerstelle geboren und ist an einer Feuerstelle gestorben. Das ist vielleicht heute unser Backherd in der Küche, aber in diesem Sinne war es früher die Feuerstelle, um die herum sich eine Gruppe von Menschen versammelt hat, um zu essen, um zu feiern, um zu leben. ˧

Und von dieser Feuerstelle ausgehend haben wir in den Kreisen die Welt für uns erschlossen. Und sein Zugang ist eben der, dass Menschen aus solchen ursprünglichen Gesellschaften Territorien sich erschlossen haben, die ungefähr 100 Quadratkilometer groß waren. Das waren die Jäger, die in einem Tag, manchmal auch mehrere Tage, diese Territorien durchstreift sind auf der Jagd. Das waren die größten Ausdehnungsräume, in denen wir gelebt haben. Aber diese Ökosysteme, die hat man ganz intrinsisch, ganz intim verstanden. Man hat gewusst, was kann man essen, was nicht. ˧

Man hat auch gewusst, wie weit man zum Beispiel Flüsse befischen kann. Und dieses Konzept, das habe ich übernommen und versuche es jetzt auch in die Pädagogik wieder zurückzubringen, indem wir Place-Based Education betreiben. Das ist jetzt auch wieder nichts Neues, sondern eine Wiederverwertung einer sehr alten Art und Weise, wie man lernen kann, sehr lokal. Wird sehr stark betrieben im Nordosten der USA. Dort maßgeblich auch von einem amerikanischen Pädagogen, dem David Sobel, der dazu wirklich auch tolle Bücher geschrieben hat. ˧

Also seit 20 Jahren läuft es unter Place-Based Education, dass ich ausgehend von der Schule - wiederum in solchen Kreisen - wie einer Feuerstelle mit den Kindern die Natur, den unmittelbaren Lebensraum erforsche. Interessanterweise gibt es jetzt dann ein Zusammenführen mit dem anderen Gedankenstrang, weil es sind nämlich unsere nationalen Lehrpläne, die uns sehr stark entfremden von dieser Natur. Wenn ich sehr abstrakte Lehrbuchinhalte oder aus anderen Medien diese Inhalte konsumiere, dann werden die Kinder wirklich quasi auf Programm von der Umgebung entfremdet. ˧

Wir lernen in unseren Schulen nichts mehr von den unmittelbaren Lebensräumen. Und ich sehe es jetzt als Lehrer: das, was in der unmittelbaren Nachbarschaft passiert, das wird fast programmatisch ignoriert. Und deswegen ist eben das lokale Ziel, dass sich verschiedenste beherzte Pädagogen, formelle, aber auch informelle, weil jeder kann Lehrer sein, und da ist dieses afrikanische Sprichwort für uns auch maßgeblich, dass es zur Erziehung eines Kindes eben ein ganzes Dorf bedarf, dass die sich zusammenschließen in einem dezentralen Netzwerk und gemeinsam sich wieder anfreunden, sich wieder verbinden mit der unmittelbaren Natur. ˧

Aber nicht mehr nur eben wie das früher der Fall war mit der unmittelbaren Natur, sondern eingebettet in dieses globale Konzept der Öko- und Bioregionen, dass quasi eine Bioregion verbindet mit der nächsten, statt dass wir durch politische Grenzen getrennt werden. ˧

Mensch und Natur    

FN: Kulturlandschaft, das ist für uns ein ganz wichtiges Wort. Das heißt, im Grunde genommen hat der Mensch durch seine Auseinandersetzung mit der Natur, und wenn sie auch nur 200.000 Jahre gedauert hat, und speziell auch als er begonnen hat, sie intensiver zu sehen, also nicht mehr nur Jäger zu sein, sondern auch tatsächlich Kultivator zu sein, hat eine unglaubliche Beschleunigung von Evolution, einen Eingriff auch in den Gang der natürlichen Evolution selbst hervorgebracht. ˧

Das ist vielleicht auch noch so wichtig zu sehen: Natur ist nichts, was außerhalb von uns liegt, sondern wir sind selbst Teil der Natur und sind in einem Interaktionsverhältnis mit Natur. ˧

KW: Ja, absolut. Also, ich bin da vollkommen bei dir. Auch der Gary Snyder schreibt das sehr, sehr schön drüber, dass natürlich der Begriff, was ist künstlich, was es natürlich eben künstlich ist, weil genauso wie New York, Shanghai, Wien natürlich auch Teil der Natur ist, bezeichnen wir es trotzdem als Nicht-Natur, oder wir sehen es nicht so. ˧

Für uns ist Natur generell irgendwie etwas Grünes, das Unberührte. Aber so ist es natürlich nicht. Alles, was es besteht, ist in diesem Sinne, wenn man es aus dieser Perspektive betrachtet, Natur. ˧

Auf der anderen Seite haben wir natürlich die ursprüngliche Natur, so wie sie früher war, in den vor allem letzten 200 Jahren ganz massiv verändert. Und deswegen wird ja auch gesagt, dass wir uns derzeit im Anthropozän befinden, im erdgeschichtlichen Zeitalter des Menschen. ˧

Ja, ich meine, das ist ein längeres Thema, wo man sich drüber unterhalten kann. Letztendlich, glaube ich, muss es darauf hinauslaufen, dass wir in einem Gleichgewicht sind mit der Natur. Und mir ist jetzt bei dieser Zwischenfrage sofort ein Bild aus der Psychologie gekommen. Im Westen hat es eine sehr starke Trennung zwischen Mensch und Natur gegeben. Das dürfte, das schreiben zumindest manche Psychologen, mit unserer griechisch-römischen Tradition, Kulturtradition zu tun haben, wo man das 'Ding an sich' betrachtet hat und dadurch sehr abstrakt Schlüsse ziehen konnte. Während es ja so ist, dass in Asien, gerade extrem auch in Japan, zum Beispiel in der shintoistischen Denkweise, diese Trennung nie stattgefunden hat. ˧

Also das ist eine viel holistischere Weltanschauung als die bei uns. Und insofern, meine lange Zeit in Asien hat mich da sehr stark beeinflusst, dass wir natürlich Teil der Natur sind und es irgendwann zum Verschmelzen von Selbst und Natur im Großen kommen muss. Also auch im Taoismus ist es natürlich sehr, sehr stark so, dass das Tao das große Ganze ist und man seinen individuellen Weg in diesem Tao findet. Ja, das ist natürlich sehr philosophisch, aber es ist ein wichtiger Zugang, sich zu fragen, bin ich selbst Teil der Natur oder ein entrückter Teil, der diese zerstört, hierzu wieder arbeitet. Also wenn man Harmonie finden will, dann ist es sicherlich sehr, sehr wichtig, seinen Platz innerhalb der Natur zu finden. ˧

FN: Ich sage jetzt einmal, das Gegenmodell zu dieser Place-Based Education ist eben diese Vorstellung der Homogenisierung, der Standardisierung des Weltmarktes, der großen Konzerne, die alles Lebensnotwendige in riesigen Mengen produzieren, die Menschen versorgen in Supermärkten und sozusagen ihre kulturellen Skills eher auf die Distinktionsmerkmale der Waren richten, als auf die natürlichen Eigenschaften oder die Genese von Dingen. Es ist natürlich auch so, dass dieses Konzept schlicht und einfach seine Grundlagen hat in unserer Wirtschaftsweise, die Wachstum befördert, die Wachstum erzwingt, die den Wettbewerb oder die Konkurrenz erzwingt. Ich habe einfach eine Wirtschaftsweise, in der ich mich durchsetzen muss oder die Konkurrenz frisst mich. Das sind also alles die Dinge, mit denen wir heute zu kämpfen haben. Ich denke mir, wir betreten hier eben das Feld von einer grundsätzlichen Auseinandersetzung von zwei Paradigmen. Du und ich gehören quasi zu einer der beiden Seiten und wollen aber einen Traum entwickeln, der jetzt nicht auf Verzicht oder auf das Nicht-Angreifen von Natur beruht, wie die herkömmliche Ökologie. Das habe ich in einer früheren Sendung ausgeführt, dass die Ökologie, die den Menschen den Eingriff in die Natur verbieten will, dass die gerade unpraktisch ist und jene fördert, die dann die Natur exklusiv benutzen als dieses Ausbeutungsmittel. ˧

Die Bedeutung der Bäume    

FN: Aber wenn ich jetzt zum Schlussteil unseres Interviews komme, möchte ich noch ein, zwei Fragen klären. Die Bedeutung der Bäume. Wir hatten ja auch gesprochen über die Charakterisierung der Bioregionen. Und da ist etwas Interessantes, dass die eigentlich ganz klar, wie man in der Anatomie so ein bisschen die Wirbelsäule der Wirbeltier usw. sagt, unser Planet Gaia ist ein Bäumetier. Also die Bäume sind offensichtlich für die Bestimmung fast aller Bioregionen entscheidend. Kannst du das für ein paar Worte sagen? ˧

KW: Ja, gerne. Wiederum, ich bin an sich kein Naturwissenschaftler, habe ganz was anderes gelernt. Aber wenn man sich der Naturwissenschaft zuwendet, gerade als so ein systemischer Organisationsentwickler, dann setzt man sich automatisch dann auch mit so Kategorien auseinander, wie die, die von Carl Linnaeus geschaffen wurden. Man hat eine Taxonomie und es ist dann eigentlich unweigerlich zu erkennen, dass Bäume sehr zentrale Lebensformen sind. Also da kommt man nicht daran vorbei. Für Landökosysteme sind sie die zentralsten Lebensformen, sogenannte Schlüsselarten. Und der Mensch ist natürlich auch eine Schlüsselart, weil wir gerade jetzt im Anthropozän die ganze Welt umbaggern. ˧

Aber wenn die Bäume weg sind, sind wir auch weg. Also wir sind, obwohl wir eine Schlüsselart sind, trotzdem abhängig von den Bäumen. Sind die Bäume weg, sind wir weg. So ist es auf den Punkt gebracht. ˧

Das zweite Thema ist, pädagogisch gesehen, kann ich versuchen, Biologie und Systemverständnis Kindern beizubringen oder Erwachsenen auch beizubringen, aber ich werde dann trotzdem daran scheitern, dass nicht jeder Biologe sein kann und diese unglaubliche Komplexität der Natur verstehen kann. Und wir haben uns dann gefragt, naja, gibt es eben einen ganz einfachen Zugang? Und es ist dann automatisch eben auch mit den Bäumen aufgetreten. ˧

Die Bäume - in so gemäßigten Klimazonen wie der unseren gibt es ungefähr 30 bis 60 Baumarten und die definieren unsere Klimazonen beziehungsweise unsere Öko- und Bioregion. Und die kann sich eigentlich jeder merken, wenn er, sage ich einmal, so ab dem sechsten Lebensjahr regelmäßig rausgeht. Und das ist jetzt eben auch unser Ziel, auf einer lokalen Ebene mal zunächst, dass wir es erreichen, dass Kinder zwei Tage in der Woche draußen verbringen und die Eindrücke, die sie draußen sammeln, in ihren lokalen Ökosystemen, dass sie die dann im Unterricht drinnen verarbeiten. ˧

Das kann man vielseitig tun, aber letztendlich sind die Bäume irgendwie so eine Grundstruktur der Bildung. Und dahin muss unsere Transformation gehen, dass wir dieses Grundkonzept intus haben. Wir lernen ja auch andere Sachen, die müssen einfach eingetrichtert werden, das 1x1, ja, und dividieren und keine Ahnung. Und genauso sollte es eben eine Grundstruktur sein, zu wissen, welche Bäume da draußen wachsen. ˧

Selbstorganisierende Bildung    

FN: Lass mich da gleich einhaken, weil nämlich die, so ähnlich wie in der Mathematik, die zunächst einmal mit ganzen Zahlen beginnt und dann, was weiß ich, negative Zahlen, nicht nur Addition, Subtraktion, sondern auch Multiplikation, Potenzierung und so weiter, Folgenreihen und so weiter, weil sich dann das Wissen ja verfeinert von dieser Elementarform. ˧

Das ist wie ein Zyklus, man kommt immer wieder zurück zu den Bäumen, aber mit jeder Schulstufe wird das Wissen komplexer. Du hast ja mir zum Beispiel mal gesagt, wie viele Symbionten, wie viele Partner im Biotop hat denn so ein durchschnittlicher Baum - was weiß ich, eine Eiche? Da hast du ja dann gesagt, wenn man sich das genau anschaut, dann sieht man ja, dass sich hier so gut wie alle Wege kreuzen. Vielleicht kannst du das ganz kurz ein bisschen plastisch beschreiben. ˧

KW: Ja, also ich möchte nochmal zurückkommen einfach auf das Dezimalsystem, das jetzt ganz zentral ist, das alle Kinder lernen müssen, dass man weiß, 1, 10, 100, 1000, 10.000 und so weiter. Nehmen wir jetzt einfach an, dass der gesamte Planet die Milliarde ist und das ist schwer zu begreifen, weil sich der Mensch normalerweise größer als fünfstellige Ziffern nicht merkt, dann brauchen wir eben einen einfachen Start und dieser einfache Start, was wir angreifen können, plastisch hast du gesagt, wir können Bäume in unserer Umgebung angreifen, wir können die unterschiedlichen Rindenarten berühren, wir können die unterschiedlichen Blattformen feststellen und beschreiben, da gibt es dafür Vokabular und wenn ich diese 1er Stelle, das sind die Bäume, wenn ich die beherrsche, dann kann ich von dort aus gehen und sagen, ich gehe zur 10er, zur 100er und zur 1000er Stelle. Und die Bäume definieren eben auf einer ganz lokalen Art und Weise diese Öko- und Bioregionen. ˧

Die Bedeutung der Ökoregionen    

Und wenn ich, und das ist ganz speziell für uns Österreich auch gedacht, wir haben jetzt vier unterschiedliche wissenschaftlich definierte Ökoregionen in Österreich, wenn ich ins Burgenland fahre, wir haben vorher über die Burgenländerwitze gesprochen, oder ins Mühl- und Waldviertel nördlich von der Donau, dann bin ich in einer anderen Ökoregion und ich weiß dann, als St. Pöltner, der hier gelernt hat, welche Baumarten es hier gibt, dass wir dort woanders sind. Weil es kommen dort andere Baumarten vor. Und dadurch erschließt sich mir Landschaften und Territorien im Sinne, wie Gary Snyder das auch beschrieben hat, wie das früher der Fall war. ˧

Weil wenn früher ein Jäger in eine andere Ökoregion eingetaucht ist, dann war er auf Foreign Territory. Dann wusste er, dass er sich dort nicht mehr so gut auskennt, weil das eben nicht seine Heimat-Bioregion war. Plastisch betrachtet bedeutet das einfach, dass wir die Kinder in jungen Jahren so viel möglich rausführen müssen. Und das gerade dann in der Pubertät, wo ich jetzt auch unterrichte, diese Altersgruppe 12, 14, 15, wo der Bewegungstrang dann immer größer wird, dass sich die Jugend immer größere Territorien erschließen muss. ˧

Man muss sie wirklich rauslassen. Und das ist genau das, was ihnen heutzutage fehlt und warum wir so viele Probleme haben in der Schule. Es ist nicht der einzige Grund, aber es ist ein wichtiger Grund. ˧

FN: Eine kleine Bemerkung, es soll sogar einem absoluten Genie auf diesem Gebiet wie dem berühmten Sepp Holzer passiert sein, als er von Lungau ins Burgenland übersiedelt ist, sind einige Dinge daneben gegangen anfänglich. Also das ist wirklich auch eine schöne Illustration. ˧

KW: DAs wusste ich nicht. Sepp Holzer ist ins Burgenland gegangen? ˧

FN: Ja, er ist jetzt auch in der Gegend von Oberhenndorf und es waren tatsächlich eben Dinge, die er dort geglaubt hat, mit dem Bagger relativ locker hinzukriegen, die dann eigentlich zu etwas unerwarteten Konsequenzen geführt haben, landschaftlich gesehen. Und er hat selbst in seinen vorgeschrittenen Jahren, also sein Sohn hat jetzt den Krammeterhof übernommen, hat nochmal quasi Lehrgeld bezahlen müssen für diese Übersiedlung. Aber ich glaube, er hat es mittlerweile auch ganz gut gesehen. Und er hat dann auch sozusagen ganz bewusst auch begonnen, mit anderen Bio-Regionen und Öko-Regionen zu arbeiten, weltweit zu arbeiten und natürlich auch da immer wieder neu dazugelernt. Okay, das ist nur so eine Anekdote. ˧

KW: Ja, trifft. Ich habe auch Permakultur einen Kurs gemacht und habe da damals auch den Sepp Holzer kennengelernt, der ein Bekannter von meinem Lehrer war. Es war allerdings ein amerikanischer, der Wayne Wiseman. Und das natürlich richtig, ja. Und wir verschränken in unserem Bildungskonzept eben auch Permakultur und Place-Based Education, weil das gute Konzepte sind. In der Permakultur sagt man ja auch, es gibt eine Zone 0, 1, 2, 3, 4. Zone 0 ist das Haus, 1 ist der Kräutergarten, der unmittelbare Garten und je höher die Zahl, umso weiter ist es weg vom Haus, in dem man wohnt. Und das hängt mit der Intensivität der Pflege an, von den Pflanzen, die man dort quasi betreut oder zieht. ˧

Bildung als Bewegung, als Kreisen, als Begegnung    

Und so ähnlich ist es bei uns in der Pädagogik. Da geht es auch darum, dass man eine Zone 0, 1, 2, 3, 4, 5 hat, die aber dann eben altersentsprechend erfahren werden soll. Also das ist unser lokaler Ansatz, der eben aber auch dezentral überall angewendet werden kann. Und Zone 5, wenn man so will, ist der Planet insgesamt. Das ist das, was wir uns vielleicht ansehen können, wenn wir dann in unserer Blüte stehen als Menschen. Wir beide sind ja eher schon wieder am Weg zurück, in die kleineren Regionen, zur Feuerstelle, wo man sich nicht mehr so viel bewegen will. ˧

Aber die Jugend geht dann immer weiter raus. Und wenn man sich die Realität unserer Bildungssysteme ansieht, dann wird gerade in der Pubertät werden die Kinder ja voll gemüllt mit Lernstoff, aber können sich nicht mehr bewegen. Das heißt, es wird ja nicht wirklich der natürliche Bewegungsraum entzogen. Und das führt zu vielen Problemen und letztlich auch zu einer Naturentfremdung. ˧

FN: Ja, also es sind da viele Dinge, die mir auch dazu einfallen. Das eine ist, dass tatsächlich es total wesentlich ist, dass man globale Erfahrungen sammelt, rumreist. Ich bringe oft bei mir das Beispiel der Amish, die ihre Jungen spätestens mit 18 rausschmeißen, damit sie auch über das Lokale hinaus die Welt erfahren. Es müsste aber viel früher sein. In Damanhur zum Beispiel machen sie mit den Kindern Weltreisen. Das heißt, die machen wirkliche Lernreisen und sagen, man kann nie früh genug erfahren, wie diffizil und differenziert die Welt ist und umso mehr begreift man dann auch die Besonderheit der eigenen Region. Das sind so ein bisschen Streiflichter aus dieser Frage der Pädagogik. ˧

Und das Zweite, was mir einfällt, du hast gesagt, diese immer wiederkehrende, oder ich habe das auch vorhin gesagt, dieses Wiederaufsuchen, aber auf einer differenzierteren, diffizileren Betrachtungsstufe. Das war ja eigentlich auch das Geheimnis der ganzen Makarenko und Schetinin-Pädagogik, wo man dann sogar die Schüler selbst zu Lehrern gemacht hat. Das heißt, sie haben einfach durch diesen iterativen Prozess auch die Fähigkeit bekommen, die Jungen zu unterrichten und gleichzeitig aber auch selbst immer wieder neu zu lernen über die komplexeren Zusammenhänge, die dann auch im Kleinen noch mehr wirken. Das ist dieses Konzept, das dazu geführt hat, dass die Schetininschüler dann eben sehr bald auf die Universität kamen, weil sie einfach einen wesentlich größeren Lernfortschritt erzielt haben. ˧

Wie geht es weiter? Neue Bildung -> Neue Arbeit -> Neue Welt    

FN: Wir sind jetzt eigentlich schon wirklich am zeitlichen Limit, aber mich würde jetzt sozusagen als Abschluss interessieren, was sind deine kühnsten Träume? Wir haben da beide eigentlich dieses Gefühl, die Welt, wie sie ist, sie ist eigentlich überhaupt nicht vernünftig eingerichtet. Was müsste passieren, damit sich die Dinge grundsätzlich ändern und wohin sollte es gehen? ˧

KW: Ich meine, jetzt gleich eher mal pragmatisch gedacht, bin ich jetzt an einem Punkt, ich betreibe das Projekt jetzt doch schon seit der Konzeptionsphase fast acht Jahre, dass ich mir jetzt einfach wünsche, dass wir in so eine Organisationsstruktur selbst finden, wo wir mit anderen gemeinsam die Plattform betreiben. ˧

Ich glaube, sie ist jetzt reif genug, wo eben eine Art Supervisory Board gemeinschaftlich, vielleicht genossenschaftlich organisiert, über die Entweckung bzw. Weiterentwicklung entscheidet. Es können unterschiedlichste Organisationen sein, die sich mit Pädagogik beschäftigen, weil einfach der Fokus derzeit die Pädagogik ist. ˧

Wir haben allerdings im White Paper von Anfang an reingeschrieben, dass es eine Phase 3 gibt und die Phase 3 beschäftigt sich eben mit Economy, wie können wir uns ökonomisch neu aufsetzen und da gibt es einen sehr zentralen Ansatz von einem anderen brillanten Denker, dem Austroamerikaner Peter Drucker, der geschrieben hat, dass die wichtigste Veränderung innerhalb der Menschheit die Organisation der Arbeit ist. ˧

'So wie wir Arbeit definieren, so entwickeln wir uns und wir müssen da einfach insgesamt weg von einem Profitorientierten Erwerbsarbeit hin zu einer sinnorientierten Arbeit, die nicht mehr eine Erwerbsarbeit ist. Insofern ist die ARC auch so ausgelegt, dass wir sowohl Ökosystemleistungen über die Plattform, über die App berechnen können von Bäumen, dass aber auch das, was der Mensch macht, um diese Ökosysteme und andere Menschen zu erhalten und zu unterrichten, dass das quasi mitgeloggt wird. Und der kühnste Traum wäre dann natürlich, dass wir wirklich eine andere Art von Arbeitsfeld uns transformieren können, die letztendlich zum Sinn hat, dass wir dieses gemeinsame Ökosystem Erde in einer dezentralen Struktur erhalten, pflegen und besser machen. ˧

Und da muss Bildung eben ein ganz zentraler Teil sein, weil wir müssen immer die nächste Generation einfach ausbilden, dass das auch möglich ist. Und das können nur viele, viele Millionen von Menschen machen. Es braucht eben ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen und nicht nur eine kleine, formell ausgebildete Lehrerschaft. ˧

FN: Es braucht einen ganzen Planeten, um ein Dorf sozusagen zu seinen höchsten Möglichkeiten zu bringen. ˧

KW: Ja, wenn du es so willst, kann man es auf jeden Fall so sehen. Wir haben den Menschen immer oder sehr oft als Parasiten auf diesem Planeten charakterisieren. Ich habe das auch sehr lange gesehen. Aber wenn wir uns vorstellen als Vision, dass wir alle in die richtige Richtung handeln, dass wir richtig uns gegenseitig bilden, dass wir die richtigen Werte haben, dann glaube ich, können wir auch mit 10 Milliarden Menschen hier auf einem Paradies leben. Und das könnte alles wunderschön sein mit einem viel geringeren Ressourcenverbrauch. Und ich hoffe, dass diese Struktur, die wir auf der ARC aufgesetzt haben, zumindest jetzt einmal einen Rahmen bieten kann. ˧

Ich bin aber auch sehr realistisch. Ich weiß, dass wir da erst am Anfang stehen. Aber zumindest das Konzept und die Organisationsstruktur passt meines Erachtens. Und ich hoffe, dass da mehr und mehr Leute auch das erkennen, direkt oder indirekt, und auf diesen Zug aufspringen, weil viel Zeit bleibt uns, glaube ich, nicht mehr. ˧

Outro    

FN: Das war die zweiundfünfzigste Sendung aus der Reihe "Willkommen im Globalen Dorf" von Franz Nahrada mit Knut Wimberger als Gast, zuerst erschienen am 27.5.2024 auf Radio Agora, dem freien Radio im Süden. Informationen über Knuts Projekte findet Ihr auf ark.greensteps.me, die vollständigen Skripts zu den Radiosendungen findet Ihr auf www.dorfwiki.org. Über Kommentare auf der Sendungsseite auf cba.media freu ich mich sehr. Mit den Parolen "Make Villages Not War", "Fuck all Empires" und der Hoffnung dass unsere Welt am grassierenden Wahnsinn der Kriegstreiber nicht zugrunde geht verabschiede ich mich bis zur nächsten Sendung am 24. Juni. Stay tuned. ˧

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Musikauswahl ˧

AlexGrohl? Stay a While Pixabay License (entspricht cc nc https://pixabay.com/de/music/unternehmen-stay-a-while-background-ambient-199187/ ˧

AlexCristoforetti? Looking Forward Pixabay License (entspricht cc nc https://pixabay.com/de/music/unternehmen-looking-forward-131923/ ˧

und natürlich Blue Dot Sessions Sunday Lights ˧





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