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Willkommen im Globalen Dorf /
39 Wie Wollen Wir Zusammen Leben


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<Sendung_38 .......Sendung_40> ˧

Abstract: "Die heutige Sendung macht dort weiter, wo die letzte aufgehört hat. Gerade in einer Zeit, wo sich herkömmliche soziale Arrangements und Strukturen als immer brüchiger erweisen, seien es der Staat, der Markt oder die Familie, wächst das Bedürfnis nach neuen Formen der Gemeinschaft, um die Herausforderungen des Lebens zu bewältigen. Nicht einfach "Tür an Tür", sondern wirklich im beständigen Dialog und bewussten Zusammenwirken in gemeinschaftlich gestalteten Räumen. So groß dieses Bedürfnis ist, so mannigfaltig sind nicht nur die Formen seiner Realisierung, sondern auch die Hindernisse und Herausforderungen für Gemeinschaftsbildung. Wir bleiben beim Beispiel des gemeinschaftlichen Wohnens im Alter, das im Moment einen großen Aufschwung erlebt - und auch dem Macher dieser Sendung ein besonderes Anliegen ist - und schauen uns einige Projekte genauer an. Wir fragen aber auch, was speziell dieser Mosaikstein für die Entwicklung "Globaler Dörfer" insgesamt bedeuten kann." ˧

Sendungstext    

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Sendungstext   
Intro   
Gemeinschaft   
Schritte zur Gemeinschaftsbildung   
Gemeinschaft ist ein ständiger Evolutionsprozess   
Gemeinsam etwas tun!   
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Intro    

Guten Tag, hier ist wieder einmal Franz Nahrada aus Bad Radkersburg, wo ich nach längerer Zeit in Wien wieder eingelangt bin, und ich begrüße Dich, begrüße Sie - zur 39. Sendung der Reihe "Willkommen im Globalen Dorf". ˧

Grundsätzlich geht es in dieser Sendereihe um die mögliche und notwendige Umgestaltung unserer Welt in Richtung Dezentralisierung, Autonomie und Selbstverantwortung - die sich auch räumlich in vielfacher Hinsicht ausdrückt, nicht zuletzt als Wiederinwertsetzung des ländlichen Raumes als Lebensraum. Aber es geht dabei nicht einfach um ein Zurück in die Dörfer, sondern um eine tiefgreifende Transformation, die nicht zuletzt durch verschiedene - einander verstärkende - technologische Entwicklungen möglich geworden ist. Das stand im Fokus vieler früherer Sendungen. ˧

Ich habe in den letzten Sendungen begonnen, einen sozialen und politischen Themenstrang aufzunehmen, auch um ganz klar herauszuarbeiten, dass trotz aller unfassbaren Fortschritte die Technologie per se nicht sagt wohin wir gehen müssen. ich habe auch deutlich gemacht dass uns die derzeitige Entwicklungsrichtung der Technologie, vorangetrieben durch Konzerne und Staaten, sogar in einem ungeheuren und noch nie dagewesenem Ausmaß bedroht. Die aktuellen und sich abzeichnenden Eingriffe der Technologie in unser Leben sind mannigfaltig und wer hier glaubt wir würden dadurch klüger, gesünder, handlungsfähiger, zufriedener oder gar lebendiger, der irrt. Mit atemberaubender Geschwindigkeit entwickeln sich neue Mechanismen der Zensur, der Meinungs- und Verhaltenskontrolle, der Ausgrenzung, der Enteignung unserer Gesundheit und mehr. - Wie es eine Posterin auf Facebook drastisch aber treffend ausdrückte: "Eine Unzahl an seichten Artikeln und Reportagen soll erforschen warum die Menschen so „wissenschafts-skeptisch“ sind. Dass diese Skepsis nicht DER Wissenschaft gilt, sondern den Politikern und Konzernlobbyisten, interessiert niemanden im öffentlich anerkannten Raum, in dem du unsichtbar bist. Die mächtigen Herren und Frauen dieser Welt versuchen das Letze noch nicht vermarktete Stück Hoffnung oder Freiheit in deinem Körper oder Geist zu besetzen und einen Absatzmarkt für irgendein unnötiges Produkt daraus zu machen, wenn geht mit Kauf-Pflicht." ˧

(grausliches Geräusch) ˧

Wie gesagt, das alles habe ich in Sendung 36 und 37 behandelt, weil es mir auf die Differenzierung sehr ankam und viele Menschen überhaupt nicht verstehen warum ich so überzeugt vom digitalen Gottesgeschenk reden konnte und immer noch rede. Vielleicht wird das klar wenn wir uns den derzeitigen Hype um Chat GPT, die revolutionäre künstliche Intelligenz von Open AI anschauen. Immer wieder verspüren wir für einen kurzen Moment was wirklich ab unfassbarer Unterstützung unserer Fähigkeiten und Kreativität möglich ist, bevor die Einhegung und Domestikation durch die Bewirtschafter sowie der Missbrauch der Technologie durch die Kleingläubigen wieder losgeht. Damit, speziell mit den Potentialen der künstlichen Intelligenz, wird sich eine spätere Sendung beschäftigen. ˧

Heute setze ich aber das was in den letzten Sendungen angerissen wurde fort. Das Generalthema für heute ist Gemeinschaft. Gerade in einer Zeit, wo sich herkömmliche soziale Arrangements und Strukturen als immer brüchiger erweisen, seien es der Staat, der Markt oder die Familie, wo die Systemgrenzen immer greifbarer werden und schmerzlich erfahren werden müssen, genau in dieser Zeit wächst das Bedürfnis nach neuen Formen der Gemeinschaft, um die Herausforderungen des Lebens effektiv zu bewältigen. Wobei es auch um die Neuerfindung von Lebensformen geht die eigentlich an den Ursprüngen der menschlichen Gesellschaft gestanden sind und bis vor kurzem noch das Leben bestimmt haben, erst in allerjüngster Zeit auf die Kernfamilie reduziert wurden. Das Dorf ist ja nicht von ungefähr im Titel unserer Sendereihe. Das Lokale hat auch und gerade in der global vernetzten Welt eine zunehmende Bedeutung, weil nur hier wirklich wirksame Veränderungen möglich sind, speziell in unserer Zeit der Transformation. Es genügt nicht mehr "Tür an Tür" zu leben und sich auf die ordnende Kraft der staatlichen Regeln zu verlassen - denn wir fühlen, dass wir dann zunehmend verlassen sind, aus Gründen die ich in den letzten Folgen darzustellen begonnen habe. Also geht es darum umzulernen, im beständigen Dialog und bewussten Zusammenwirken unsere Lebensräume gemeinschaftlich zu gestalten, durchaus im Wissen und auf der Grundlage dass durch einen unüblich klugen Einsatz der neuen Technologien die Möglichkeiten dieser lokalen Lebensräume sich regelrecht verhundertfachen, eben zu globalen Dörfern werden. ˧

So groß dieses Bedürfnis nach gemeinschaftlicher Gestaltung ist, so mannigfaltig sind nicht nur die Formen seiner Realisierung, sondern auch die Hindernisse und Herausforderungen für Gemeinschaftsbildung. Wir wollen heute speziell diesen Mosaikstein für die Entwicklung "Globaler Dörfer" genauer betrachten. Und nicht ganz auf die Rolle der Alten vergessen, die wir das letzte Mal charakterisiert haben. ˧

Gemeinschaft    

Als Einleitung ins Thema möchte ich auch heute ein paar persönliche Erfahrungen einbringen. Ich bin ja in einem Gasthaus und Hotel mit Angestellten und Gästen aufgewachsen und hab eigentlich schon in meiner Schulzeit davon geträumt, in einem Zehnfamilienhaus zu wohnen. Das kam mir einfach praktisch vor, gerade weil Familie so eine arbeitsteilige Sache ist, die Anforderungen des Lebens aber so mannigfaltig sind, dass eine Kleinfamilie in der heutigen Zeit hoffnungslos überfordert ist. So kam es dass ich mir ausmalte wie es wohl wäre wenn unser Haushalt aus etwa 20 erwachsenen Personen bestehen würde, irgendwo in schöner Hanglage im Salzburgischen, wo wir so oft Urlaub machten, und wenn in dieser großen Lebensgemeinschaft jede und jeder eine Spezialität hätte. Natürlich sollte ein Arzt oder eine Ärztin dabei sein, genauso wie ein Automechaniker, jemand der gut kochen kann, jemand der gut Geschichten erzählen und mit Kindern umgehen kann, und so weiter und so fort. Dieser Traum eines ganzen Hauses im klassischen Sinn, aber auf einer gleichberechtigten Basis und einer Art familiärer wahlverwandtschaftlicher Bindung, hat mich nie ganz losgelassen. In meiner Studentenzeit war ich Dauergast in mehreren Wohngemeinschaften, fand es sehr praktisch dass immer jemand zum Reden da war, obwohl ich schon mitbekam dass das Leben dort nicht ganz konfliktfrei war und die Menschen nicht immer kompatibel und doch eher zusammengewürfelt. Als ich dann aber sah wie immer mehr dieser Menschen sich auf den Aufbau von Kleinfamilien konzentrierten, wie das Gemeinschaftsleben sozusagen ein vorübergehendes biographisches Abenteuer war, das für die meisten ein Ablaufdatum hatte, löste das wohl die erste depressive Phase meines Lebens aus. Wenig später, im Jahr 1987 begann ich in die USA zu reisen und entdeckte dass dort eine lebendige Gemeinschaftskultur existierte. Vor allem war es viel leichter an Informationen zu kommen. Wer hätte gedacht, dass es ein telephonbuchdickes Verzeichnis der "Intentional Communities" in den USA gab, mit gefühlten hunderten oder tausenden Einträgen, wo jede Ausrichtung jeder Gemeinschaft in kultureller, finanzieller, spiritueller, kulinarischer Hinsicht akribisch tabellarisch verzeichnet war. Bis hin zu Fragen wie Monogamie oder freie Liebe. Also die lange Suche und endlosen Täuschungen und Enttäuschungen wären zumindest auf diesen Ebenen gemildert. Als ich nach Europa zurückkehrte fühlte ich mich in die Steinzeit zurückversetzt. Als ich eine Vertreterin einer sehr dauerhaften Gemeinschaft - von Longo Mai im Süden von Unterkärnten - auf der Wiener Donauinsel darauf ansprach, wo sie die Schafe ihrer Gemeinschaft hütete, schaute sie mich entgeistert an und sagte: "Wozu brauchst Du denn sowas? Such Dir ein paar Leut und mach Deine eigenen Erfahrungen." Dieser Satz war für mich wohl ähnlich frustrierend wie der Klavierlehrer, der mir in der ersten Stunde die Lust am Spielen austrieb, weil zunächst die Finger kleine Hämmer sein müssen. Und angesichts des gerade zu dieser Zeit stattfindenden Endes der Mühl-Kommune war diese Blindheit gegenüber systematisierten Erfahrungen besonders absurd. ˧

Glücklicherweise begann ich aber wahrzunehmen, dass auch in Europa nicht nur dauerhafte Gemeinschaftsprojekte existierten und sich vermehrten, sondern dass diese sich auch zu vernetzen begannen. Austrotopia hieß der Zusammenschluss für den österreichischen Bereich, gemeinsam mit drei andern Leuten initiiert von meinem Freund Martin Kirchner nach seinem Besuch im Ökodorf Findhorn, und die regelmäßigen Zusammenkünfte waren auch bald als Rahmen des Lernens und des Erfahrungsaustausches bekannt. Der eindeutige Höhepunkt war, als die wohl bestvernetzte Frau der amerikanischen Gemeinschaftsbewegung, Diana Leafe Christian, langjährige Herausgeberin des Community Magazine, Buchautorin und gefragte Sprecherin in hunderten Events, beim Treffen 2011 im CoHousing Lebensraum in Gänserndorf ihren legendären Vortrag hielt, in dem sie Jahrzehnte der Erfahrung aus Gemeinschaften kondensierte. Neben den wichtigen Lehren, dass Gemeinschaft aufzubauen ein sehr komplexes Projekt ist, das neben allen angenehmen Seiten des gemeinsamen Tuns auch ein hohes Maß an bewusstem Management und beständiger Kommunikation erfordert, ist mir vor allem eines in Erinnerung geblieben: dass es ein großer Irrtum ist zu glauben dass sich Menschen einfach auf eine Gemeinschaftskultur über einen demokratischen Prozess einigen könnten. Sie betonte nachdrücklich, dass es umgekehrt in allen erfolgreichen Fällen anfänglich eine Vision gegeben hätte, die von einer Kernperson oder einem Kernteam in die Welt gebracht wurden, in der das Ziel, die Werte, der Lebensstil umrissen wurden - und dann erst hätten sich die Gleichgesinnten gefunden, die diese Vision mit Leben erfüllen würden. Ich denke dieser Klärungsprozess hat langfristig dazu beigetragen, dass auch in Österreich jene Dimension von Gemeinschaftsprojekten erreicht werden konnte, die wir immer im nahen und fernen Ausland bewunderten. ˧

Freilich sind diese Projekte immer noch Exoten in einer Welt, in der trotz oder wegen aller realen Vergesellschaftung die Menschen sich in den scheinbaren Schutz einer Privatsphäre begeben (müssen). Im vollkommen durchstaatlichten System der modernen Gesellschaft haben sie verlernt, ihre Angelegenheiten in die eigene Hand zu nehmen. Obwohl sie über immer mehr Zeit und Wissen verfügen, Kompetenzen und Informationen sich anhäufen, verhalten sie sich zu der sie umgebenden Welt, in der sie doch mehr denn je steuernde Tätigkeiten mit ausüben könnten, wie zu etwas was ihnen äußerlich ist, für das sie nicht wirklich zuständig sind. Wer ist es dann? "Die Politik", "der Staat", "die Gesetzgeber", "die Hausverwaltung", "das Management" - eben all jene Instanzen die von der strukturellen Unfähigkeit der Menschen zur gemeinschaftlichen Selbstbestimmung leben. Daneben gibt es freilich auch die Sphäre in der Mensch ganz bei sich sein kann, reisen und speisen nach Gusto, und tragischerweise pflegen die meisten Menschen den Irrtum dass es da ganz und gar auf einen ankäme. Während also im Bereich des Politischen und Wirtschaftlichen Fremdbestimmung in Kauf genommen wird, erscheint die Privatsphäre als Raum der unbedingten Freiheit und Erfüllung. Vor allem wenn da noch ein "Schatzi" ist, die oder der das private Glück als "Partner" zu garantieren hat - nach dem Motto "Du und Ich gegen die Welt" und "nur die Liebe zählt". Bei so viel Überforderung kann die Enttäuschung nicht ausbleiben. Die Statistik gibt eine trockene Auskunft: "Sechs der zehn von der Polizei als Mord klassifizierten Tötungsdelikte 2021 in Wien sind auf Gewalt in der Privatsphäre zurückzuführen" - neben 5000 bis 6000 Fällen auffälliger häuslicher Gewalt und einer viel höheren Dunkelziffer.[1]. Natürlich kann man argumentieren dass auch hier jeder seines Glückes Schmied ist und dass auch Gemeinschaften gewaltsam funktionieren oder beser eben nicht funktionieren könnten. Die schon erwähnte Mühl-Kommune ist ja da ein warnendes Beispiel gewesen. Ich kann da dennoch nur auf meinen Jugendtraum und meine Erfahrungen verweisen: man kann von einzelnen Menschen nicht mehr verlangen als sie sind. In einer Gemeinschaft ist dieser Anspruch an die Nächsten weniger universell als in Ehe oder Zweierbeziehung, die Addition ergibt aber wahrscheinlich eine schöne Summe. Und eine Gemeinschaft kann viel mehr bewältigen als es eine Familie kann. ˧

Es bedurfte der bahnbrechenden Arbeit einer zu recht mit dem Nobelpreis für Ökonomie gekrönten Politologin, um daran zu erinnern dass schon die Grundeinteilung der Welt in "öffentlich" und "privat" ein Denkfehler ist. Dass dazwischen die eigentlich interessante Sphäre liegt, die unser Rechtssystem und unser Alltagsdenken ausklammert als hätte es einen blinden Fleck. Elinor Ostrom hat sich intensiv mit verschiedenen Formen des Umgangs von Menschen mit ökologischen Systemen wie Fischerei, Bewässerung, Wald- und Weidewirtschaft beschäftigt und bewiesen, dass die Organisation als Gemeingüter beziehungsweise Allmenden in vielen Fällen sowohl staatlicher Kontrolle als auch Privatisierungen überlegen ist, wenn Gemeinschaft wirklich aktiv institutionalisiert wird, konsensuale Regelsysteme erarbeitet und sich sowohl gegen Privatwillkür als auch staatliche Übergriffe schützen kann. Die Allmende oder Commons ist die ideale Organisationsform partizipativer Ressourcen, vom Swimming Pool bis zum freien Wissen. Die Pflege partizipativer Ressourcen - oder das Commoning [2], wie es in gedanklicher Nachfolge zu Ostrom von David Bollier und Silke Helfrich genannt wurde - schließt die Pflege der Gemeinschaft mit ein, aber auch die Entwicklung der Fähigkeit der Individuen zur Selbstorganisation auf gleicher Augenhöhe. ˧

Die jüngste Bekräftigung des Gemeinschaftsgedankens ist eine kühne Vision von Balaji Srinivasan, die es in den USA zum vieldiskutierten Bestseller gebracht hat; auch wenn er sein Buch "Der Netzwerkstaat" nennt, so fordert er gerade die Idee des Nationalstaats heraus, der es nicht mehr schafft, mit der Vielzahl von gegensätzlichen Interessen fertig zu werden. ˧

Das ist bemerkenswert, den diesseits des Atlantiks macht gerade ein Autor wie Wolfgang Streeck Furore, der mit großer Vehemenz FÜR den Nationalstaat als die Form plädiert, in der gemeinwirtschaftliche und sozioökonomische Wirtschaftsformen am besten entwickelt werden können. ˧

Beide sind sich zwar einig dass die schon in den letzten Sendungen erwähnten Defizite der nationalstaatlichen Entwicklung überhand genommen haben, etwa dass demokratische Beteiligung zunehmend Fassade ist, und zudem das Interesse der Staatsbürger von tatsächlichen politisch-ökonomischen Entscheidungen komplett abgekoppelt wird, dass die Zunahme der Staatsverschuldung die Zunahme der Abhängigkeit vom Finanzsektor bedeutet, was mit den beklagenswerten quasi-imperialen geopolitischen Entwicklungen der EU und der Einbindung in die Weltmachtstrategie der USA einhergeht, und so weiter. Aber gleichzeitig ziehen sie komplett unterschiedliche Konsequenzen aus diesem sekulären Staatsversagen. ˧

Srinivasan entwickelt eine Vision, die der Idee Globaler Dörfer in einigen Zügen sehr verwandt ist. Er stellt fest, dass uns die moderne Netzwerktechnologie die Möglichkeit in die Hand gibt, hochgradig zweckorientierte Online-Gemeinschaften zu schaffen. Diese sind nicht bloß Orte des Austausches von Meinungen und Artefakten, sondern sie erlangen zunehmend die Fähigkeit zu kollektivem Handeln. Sie entwickeln inhaltliche Konzepte des Zusammenlebens, die sie dazu bringen, mittels Crowdfunding Territorien auf der ganzen Welt zu erwerben, in denen diese Konzepte zur materiellen und gelebten Realität werden. Srinivasan meint dass es mit den neuen Technologien von Blockchain und Kryptowährungen gelingen könnte, dass diese Territorien oder lokalen menschlichen Netzwerke ihre eigenen Formen von Mitteln des Austausches schaffen und so zunehmend wirtschaftliche Stärke erlangen, die sie in politische Stärke umsetzen können. Sodass schließlich diese Netzwerke möglicherweise ein gewisses Maß an Anerkennung durch die bestehenden Staaten zu erreichen imstande sind, was sie im Lauf der Zeit befähigt, die Staaten zunehmend als Grundlage gesellschaftlicher Reproduktion herauszufordern und ihre eigene Quasi - Staatlichkeit letztlich die Epoche der Flächenstaaten ablöst - so wie die Flächenstaaten die auf verzweigten Loyalitätsbeziehungen beruhenden feudalen Imperien abgelöst haben. ˧

Alleine dass solche Thesen heutzutage schon ernsthaft diskutiert werden können, auch wenn sie im gegenwärtigen Roll - Back und der arroganten kriegsschwangeren Hybris der Machtblöcke seltsam jenseitig klingen, zeigt wie sehr der neue intentionale Gemeinschaftsgedanke schon an Kraft gewonnen hat. ich kann nur empfehlen sich mit beiden Autoren, Streeck und Sinivasan zu beschäftigen und vielleicht sogar zu fragen ob sich hier nicht eine überraschende Synthese finden lässt. ˧

Schritte zur Gemeinschaftsbildung    

Von dieser allgemeinen und makrohistorischen Ebene möchte ich aber nun zurück zur mikrohistorischen: denn die Gemeinschaftsbildung ist kein wie immer gearteter Automatismus, und eine gleichgerichtetheit von Interessen garantiert noch lange nicht das Funktionieren eines gemeinsamen Vorhabens. daher wieder zurück zu Diana Leafe Christian, deren Schritte zur Bildung von gemeinschaftlichen Lebensprojekten ich hier nochmal ein wenig detaillierter referieren möchte auf der Grundlage eines Papiers von Barbara Strauch, die sich insbesondere mit Soziokratie als Methode des Managements von Gemeinschaften beschäftigt. [3] Sie hat mir heute auch dankenswerterweise ihre Stimme geliehen.... ˧

Erinnern wir uns kurz an Balaji Srinivasan, dann hat er ja als Kernpunkt der neuen Gemeinschaftsbildung zu recht den Erwerb von Land genannt. Leider ist zu unserer Zeit auf unserem Planeten alles Land irgendjemandes Eigentum, es bedarf also irgendeiner Form von Kauf, um wirklich über Land zu verfügen. Damit sind wir aber auch - zumindest nach außen - in der Geldlogik, die wir uns an einem Beispiel genauer anschauen wollen. Barbara bemerkt: "Ein Bauer respektiert dich nur, wenn du selbst Landbesitzer bist. Solange du keinen Kaufvertrag hast, bist du “der Knecht” oder maximal “Mieter”. Aus dieser Rolle kommst du schwer wieder heraus." Wenn es also um wirkliche Gemeinschaftsbildung geht, ist die Bildung von echtem Gemeinschaftseigentum zentral. Freilich ist das Geld zunächst in privaten Händen. Daraus resultieren mögliche Gefahren: "Neue Landbesitzer, die soeben erst ein Land gekauft haben, neigen dazu, eine Sonderrolle zu behalten. Wenn jemand privat einen Hof (ein Land) kauft, ist er hierarchisch ÜBER den anderen. Es erzeugt eine systemische Übermacht, die auch dann noch zu spüren ist, wenn man später die Besitzverhältnisse ändern will." Dazu eine persönliche Bemerkung von mir, Franz Nahrada: Ich habe selbst so eine Entwicklung miterlebt, wo so ein Grundbuchguru zunächst eine Gemeinschaft in seinem Haus zusammengerufen und dann wieder ziemlich brüsk rausgeworfen hat - er ist in dieser Sendereihe sogar schon einmal vorgekommen. sapienti sat, sagt der Lateiner, den Wissenden genügt der Hinweis. ˧

OK, weiter sagt Barbara: "Darum sollte man immer zuerst einen Verein gründen, und dann erst ein Grundstück als Verein kaufen. Denn die einzige Chance dass das Zusammenleben gleichwertig wird, ist gemeinsam zu starten. Ein Vermögenspool ( http://www.vermoegenspool.at/ ) als Werkzeug ermöglicht, dass einige mehr und andere weniger Geld einbringen beim Kauf. So mancher hat dann 2 Hüte auf und gehört sowohl zu den ErmöglicherInnen (Einzahler im Vermögenspool) als auch zu den BewohnerInnen. Das Geld und das Zusammenleben sind aber dann entkoppelt." Das heißt, es können in dieser Variante auch Außenstehende Geld einbringen, der Vermögenspool rechnet mit ständigen Zuflüssen und Abflüssen. Attraktiv wird das dadurch, dass die Gemeinschaft die Auszahlbarkeit einer Einlage garantiert. Sie wird also mehr Betriebskapital aufnehmen als notwendig, um diese Auszahlungen notfalls auch leisten zu können. Und sie wird den Wert der Einlagen garantieren, um beständig auch Geldanlagen anzuziehen. Damit geht einher, dass - nicht ganz unähnlich einer wirtschaftlichen Gesellschaft wie AG oder GesmbH - als letzte Sicherheit und Deckung das von der Gemeinschaft aufgebaute sachliche Vermögen fungiert. Dieses sollte zwar niemals angegriffen werden müssen, aber immer wieder angeschaut. Der Vermögenspool bietet so den Bewohnern die Chance, sich im Fall der Fälle bei Bedarf ohne Opfer einer Seite wieder trennen zu können: der Gegenwert der Einlagen plus vielleicht sogar einem keinen zusätzlichen Schmerzensgeld fürs Ausziehenmüssen. Individuelles Eigentum, das man vererben kann oder verkaufen, gibt es in einer solchen Gemeinschaft aus gutem Grund eher nocht. Die Gemeinschaft der BewohnerInnen bestimmt schließlich, wer als Neuzugang aufgenommen werden kann. Und im Extremfall, mit einem vielleicht noch höheren Quorum, gibt es wie gesagt auch die Möglichkeit, sich von Menschen zu trennen, ohne sie - zumindest materiell - zu schädigen. ˧

Man sieht: das Bewältigen der Fragen gemeinschaftlichen Lebens ist nicht trivial. Wir erinnern uns dass es auf die Vision ankommt, oder wie die Soziokratie sagt, den "Purpose". Dieser kann nicht in einer demokratischen oder soziokratischen Weise gestiftet werden, er muss schon vorher entstanden sein. In Barbaras wunderbaren Worten: ˧

"Während man zu max 3-5 Personen einen Verein gründet und ein Grundstück sucht, erarbeitet man parallel den gemeinsamen Sinn und Zweck, so detailliert wie möglich! Wenn man sich nicht leicht einigen kann, trennt man sich am besten rasch wieder. Die größte Verführung beim Start gemeinschaftlicher Projekte ist die Sympathie! Nur weil mir jemand sympathisch ist, heißt das noch lange nicht, dass er/sie meine Werte teilt. Trennt euch, wenn ihr bei Visions/Mission/Ziel/Angebot nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommt. Es ist besser zwei Projekte zu gründen, als mit jemand festzuhängen, der in meinen vegetarischen Pfannen Schnitzel brät. Intentionale Gemeinschaften kennen ihre spezifische Intention sehr gut... Es tut gut die Werte zu bewegen, die man in der Gemeinschaft (er-)leben möchte und nur mit jenen Menschen zusammen zu leben, die diese Werte teilen. Viele Gemeinschaftsräume mit anderen zu teilen, birgt Herausforderungen wie in einer Ehe. Schau gut, mit wem du dich hier verheiratest! Gleichgesinnte zu suchen, mit denen man die eigenen Werte, Ziele und Visionen teilt ist nicht nur erlaubt, sondern klug, und verringert die Wahrscheinlichkeit späterer Konflikte." ˧

Wobei es sehr wichtig ist, all die Punkte auf die es ankommt durch eine Satzung oder ein Statut auch explizit zu machen - denn schließlich soll ja die Gemeinschaft Gleichgesinnte anziehen. Oft ergibt sich im Lauf des Wachstums einer Gemeinschaft die Chance, Subkulturen zu schaffen, es ist eine sehr positive Chance, wie man an erfolgreichen Gemeinschaften wie Damanhur, Siebenlinden oder eben auch Tamera sieht. Trotz des geteilten Zweckes zeigen sich im Lauf der Zeit Differenzierungen, eine Vielfalt von Lebensstilen, die als Zellen oder Nuclei einer Gemeinschaft ein gewisses Eigenleben führen können - ganz so wie sich ein einzelliger Organismus zu einem mehrzelligen Organismus mit spezifischen Organen weiterentwickeln kann. Diese Nuclei - zumeist zwischen 20 und 40 Personen - führen mitunter zu sehr unterschiedlichen Gestaltungen von Häusern und Wohnräumen. In Damanhur gibt es eine sehr berühmte und geradezu ikonische Gruppe, die Arboricoli, die in Baumhäusern lebt und sich mit Mensch-Pflanze Kommunikation beschäftigt und durch die mit Hilfe von Elektronik generierte Pflanzenmusik bekannt geworden ist. Christopher Alexander hat diesen Effekt auf das Insgesamt des Lebensraumes als "Mosaik der Subkulturen" bezeichnet. Gemeinschaften können also wirklich ein Gegenmittel gegen Langeweile und Eintönigkeit sein, gerade wenn "Gemeinschaften in der Gemeinschaft" sich wechselseitig ergänzen und stärken. ˧

All das will freilich bedacht sein, bevor die Gemeinschaft wächst. Es müssen Formen der Entscheidungsfindung gefunden werden, die den Konsens und nicht den Konflikt befördern. Es muss eine lückenlose Dokumentation des Entwicklungsprozesses geführt werden. Das Procedere für Eintritt und Austritt muss festgelegt werden. Freiwilligkeit und/oder Bezahlung der notwendigen Arbeiten müssen geregelt werden, auch die Anforderungen an die Mitglieder, die Grade der Verbindlichkeit. Und schließlich:"Man muss wissen wen man aufnimmt und warum. Und ja, es muss sich rechnen. Finanziell muss es sich ausgehen". ˧

Dann erst kann wirklich nach außen gegangen werden. Nochmal Barbara: " In der Soziokratie sagen wir, das Ziel muss über der Tür stehen, jeder muss es verstehen können, damit er sich orientieren kann ob er da richtig ist". Aber das ganze ist nicht nur eine intellektuelle Angelegenheit. Menschen müssen auch mit all ihren Ups and Downs in der Gemeinschaft beheimatet sein, denn auch mit einer noch so guten Organisation kann nicht verhindert werden, das das rein menschliche Anecken und Nicht-Verstehen im Alltag Platz greift. Es braucht einen hohen Grad an Herzensbildung, beständige und ehrliche Kommunikation und ein paar sehr nützliche Rituale, damit Wertschätzung und Zuhören die Luft wieder rein machen in der Überhitzung. Ebenso braucht es eine gute Wahrnehmung, wenn die Verbindlichkeit nachlässt und einzelne oder die Gruppe als Ganzes sich auseinanderzuleben droht und die Kälte sich ausbreitet. Das gemeinsame Leben soll befriedigen, Spaß machen und nicht als Zwangsveranstaltung erlebt werden. ˧

Gemeinschaft ist ein ständiger Evolutionsprozess    

(42:27) Ich hab eben von Kälte gesprochen, die genauso wie Überhitzung eine Gemeinschaft heimsuchen kann. Manche nehmen diese Kälte eher war als andere, und die Feinabstimmung ist eher schwierig. Es kann sein dass nach einer heißen Anlaufphase, wenn sich die Menschen eingerichtet haben, die Bedürfnisse divergieren. Nicht einmal die scheinbar bewusstesten Gemeinschaftsprojekte sind vor diesem Wechselbad der Gefühle gefeit. Es ist wohl wiederum wie bei der Ehe, die Liebe muss ständig erneuert und gepflegt werden. Ich zitiere eine längere Passage aus einem berührenden Artikel von Achim Ecker von der Gemeinschaft ZEGG in Bad Belzig südwestlich von Berlin. ZEGG bedeutet "Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung" und der Artikel trägt den provokativen Titel "Lieben ist eine politische Aufgabe". Ich denke dass das eine sehr schöne Illustration der fast unvermeidlichen längerfristigen Fallstricke ist, der Wandlungsprozesse in Gemeinschaften mit denen zu rechnen und umzugehen ist. [4] ˧

"Wir begannen, uns als Seminarzentrum zu etablieren. Unsere Gäste kamen nicht mehr in eine Gemeinschaft, sondern in ein Seminarhaus. Sie erwarteten einen geordneten, sauberen Betrieb mit mehr Komfort und beispielsweise keine gemischtgeschlechtlichen Bäder. Die Ansprüche an die Küche stiegen. All dies bedeutete mehr Arbeit, mehr Ausgaben und mehr Aufwand. Dafür mussten wir mehr Geld einnehmen, also mehr Gäste haben. In der Folge arbeiteten wir mehr und verwendeten weniger Zeit für das Gemeinschaftsleben und die Klärung von Konflikten. Gleichzeitig entstand ein erhöhter Geldbedarf der Einzelnen zum Beispiel für Urlaub und Ausbildungen. Eigentlich logisch, denn mehr Geldbedarf schafft mehr Notwendigkeit zu arbeiten und mehr Alltag, von dem man sich dann auch wieder erholen muss. Diesen Wunsch gab es in den Anfangsjahren nicht oder nur sehr wenig. Alles, was ich damals spannend, anziehend und interessant fand, fand innerhalb der Gemeinschaft statt. So war ein Leben mit wenig Geld erfüllend. .. Auch heute noch leben wir von dem sozialen Guthaben, das wir schufen, als wir noch intensiv Gemeinschaft lebten. Kontinuierlich nahmen die »soziale Dichte« und auch die Ausrichtung des »geistigen Raumes« ab. Wir leben sozusagen von den Zinsen und brauchen das »Kapital« auf" ... Wir schlitterten schleichend in eine Privatisierung und Rückverbürgerlichung hinein. Heute sind die Häuser und ihr Umfeld »privat«. Mein Lebensraum hat sich verkleinert und meine Möglichkeiten ebenfalls. Dafür sind wir professioneller geworden. Wir fingen an, Arbeit nicht mehr als einen Beitrag zu einer gelebten Vision zu sehen, sondern als etwas, was man mehr oder weniger mag und tut, weil man Geld verdienen muss oder weil man dafür anerkannt wird. Man wollte sich immer mehr individuell »absichern«. Wir vertrauen dem gemeinsamen Getragen-Sein nicht mehr. Wir wollten in der Freizeit lieber mit wenigen Menschen allein sein, wollten ein volleres Bankkonto, Krankengeld und Rentenversicherung...Wir schlitterten in eine Krise – trotz unseres Wissens über Kommunikation, Projektion und Schuldverschiebung..." ˧

und weiter: ˧

"Gerade lässt Corona nach – und schon haben wir wegen östlicher und westlicher Machtfantasien einen neuen Krieg in Europa. Es wird keine Normalität mehr geben. Vielleicht ist das gut, denn sie beruhte auf Ausbeutung und sozialer Ungleichheit. Es kostet Überwindung und Kraft, einen neuen Weg zu gehen jenseits des Gewohnten. Aber das Überleben der Menschheit fordert von uns, dass wir diesen Weg finden und gehen." ˧

"Ich möchte in einer Gemeinschaft leben, die ihr Zusammenleben wieder ins Zentrum stellt. Dass wir an uns arbeiten, transparenter miteinander werden, uns herausfordern, uns gegenseitig zumuten, was wir aneinander lieben und was uns trennt. Dass wir wieder von- und miteinander lernen. Dass wir uns wieder als Gemeinschaft erleben, verbindende Dinge miteinander erfahren und so Themen in unsere Festivals einbringen können, die aus einem gelebten Experiment hervorgehen." ˧

Soweit Achim Ecker in der Tattva Viveka - natürlich ist das Teil einer Debatte und vielleicht auch ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen, und es finden sich auch Gegenstimmen die die Evolution der Gemeinschaft für eine gute Sache halten. So schreibt etwa Barbara Stützel in der Zeitschrift "Sein": "Im ZEGG haben sich inzwischen vielfältige Formen und Wege gebildet und verfeinert. Ich sehe in der Gemeinschaft lebendig wachsende und sich stetig verändernde Gruppen, Angebote, Untergruppen, Treffen, gegenseitige Unterstützung, Gespräche. Und dies selbstverantwortlicher und häufiger als früher." [5] ˧

Man sieht: die Intensität von Gemeinschaft ist selbst ein Gegenstand der Kontroverse. Wir dürfen froh sein, dass so unglaublich viele und differenzierte Erfahrungen geteilt werden, anstatt sie wir früher üblich unter den Tisch zu kehren, weil man ja mit der Offenbarung der eigenen Schwächen der konformistischen Umwelt Futter und Munition gibt. Mittlerweile gibt es auch in Europa Resource Books wie Eurotopia [6], einen Führer in gedruckter Form, der seit 1997 regelmäßig überarbeitet wird. Dort finden sich alleine zum Stichwort "Alter" über 300 Einträge. Im Internet gefällt mir vor allem die Sammlung "Bring Together" [7] aus Leipzig mit einer ähnlich großen Zahl an spezifischen Wohnprojekten. Das sind aber nur 2 von vielen Plattformen, und sie zeigen vor allem eines: dass das Bedürfnis nach Leben in Gemeinschaft im Wachsen ist wie nie zuvor. ˧

Gemeinsam etwas tun!    

Und so kehren wir zum Schluss dieser Sendung noch einmal zu den Älteren zurück. Es ist wieder nicht die Zeit gewesen, die bunte Vielfalt ihrer Kreationen also der Gemeinschaftsprojekte die es schon gibt angemessen darzustellen. Ich habe dazu vor Jahren eine Facebook - Gruppe gegründet, die "Gemeinsam Wohnen im Alter" heißt und mittlerweile auf über 3100 Mitglieder angewachsen ist. Mit jedem Tag kann ich dort mehr von diesen Geschichten lesen und auch die Fülle von Alternativen, die sich bieten. Gerade schreibt eine Benutzerin "Wie ist das, wenn man Haus und Garten verlässt, in eine andere Gegend zieht um in einer Seniorenresidenz zu leben z.B? Wenn man es z.B bereut, Heimweh hat und es kein Zurück mehr gibt? Soll man es tun wenn man noch fit ist oder besser wenn es nicht mehr anders geht? Habe noch keine Antworten für mich gefunden." - und sie erhält eine Unmenge von Vorschlägen und Vernetzungsangeboten. Und vor allem Bekundungen von Menschen die sich genau dieselbe Frage stellen. ˧

Es braucht also vermutlich noch eine Sendung, um sich noch einmal den Handlungsmöglichkeiten der älteren Generation zuzuwenden. Für heute wollte ich die Sendung aber ausklingen lassen mit der Perspektive, dass es bei gemeinschaftlichem Wohnen eben niemals um das Wohnen alleine gehen kann. Vielmehr geht es darum, eben auch etwas miteinander zu tun. Darum beschließe ich diese Sendung mit ein paar Beispielen, wie sich ältere Menschen gemeinschaftlich engagieren, und nicht immer wohnen sie zusammen. [8] ˧

  • Da ist etwa dieses ikonische Projekt Vollpension Wien [9]. 2012 erdacht von zwei Sozialunternehmern in Wien, hat es mittlerweile vier Standorte. Die bei der Vienna Design Week prämierte Idee: Viele Omas und Opas mit Backkünsten aus der Einsamkeit holen und ihnen gleichzeitig die Möglichkeit geben, durch eine befriedigende Tätigkeit einen kleinen Zuverdienst zu ihrer oft kargen Pension zu haben. Einen Ort des Miteinander-Essens, -Lachens und Feine-Zeit-Verbringens zu schaffen, mit authentischen Genüssen die Geld nicht bezahlen kann, mit gemütlichen Fauteuils, Schlagermusik gemischt mit dem Sound des Küchenmixers, und immer neuen süßen Überraschungen aus dem Backofen. Wäre das nicht die Krönung einer Senioren WG auch in einer ländlichen Kleinstadt, so etwas zu schaffen? ˧
  • Da sind immer mehr mediale Initiativen. Etwa das Angebot von Gutenachtgeschichte.at über Zoom. Hier kann Oma live um 19h Kindern eine Gutenachtgeschichte vorlesen. Sogar interaktiv ginge das. eine moderne Variante von "das Traummännlein kommt". [10]. Wäre doch eine spannende Idee, so etwas auch aus einer Gemeinschaft heraus anzubieten. ˧
  • Oder gleich veritable Podcasts oder sogar Radioprojekte. Eine geniale idee aus den Caritas Pflegehäusern ist der wöchentliche Podcast Faltenrock.FM - Motto: Alter gehört gehört. Ungeschminkt. Unverstellt. Und mit Humor. Wie hat man früher eigentlich verhütet? Hat man im Alter noch Träume? Und nimmt die Angst vor dem Tod mit zunehmenden Alter ab oder verhält es sich genau umgekehrt? Bei Faltenrock FM, dem Podcast aus Caritas Pflegewohnhäusern, beantworten BewohnerInnen solche und viele ähnliche Fragen. Jeden Mittwoch gibt´s eine neue Episode [11] ˧
  • Und wie gesagt: es gibt auch veritable Radiosender von Senioren. Pionier war ein Projekt in Southhampton namens Angel Radio. Ein Journalist und Medienwissenschafter namens Ulrich Burow gründete Radio Ginseng [12] im brandenburgischen Grünheide. Ganz verschiedene Menschen leben hier ihr Wissen und Können aus, von Gartenthemen bis zur Musikgeschichte. Doch das Programm ist nicht nur als Enklave der Alten gedacht. Speziell der Dialog zwischen den Generationen soll gefördert werden. Der Fundus an Lebenserfahrung, der sich angesammelt hat, soll weitergegeben und erhalten werden. Übrigens vergleichen sich die Radiomacher selbst mit einer Senioren-WG. Gesendet wird erst mal nur im Internet, täglich von 10 bis 18 Uhr. Ziel ist natürlich die eigene UKW-Frequenz. ˧
  • Das Magazin "Eigenleben" https://eigenleben.jetzt/ der Marli Bossert Stiftung https://marli-bossert-stiftung.de/ widmet sich in ähnlicher Weise den Talenten und Herzensthemen der "jungen Leute von gestern" und ermöglicht kreativ Tätigen eine eigene Online-Präsenz – eine Redaktion aus seniorigen Medienprofis hilft, die eigenen Themen zu veröffentlichen (Texte, Bilder, Video, Audio). ˧
  • Einige Jahre war in Wien eine offline Aktivität namens "Wissensbörse" im Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum aktiv. Einer Website einer solchen Einrichtung in Berlin entnehme ich den Hinweis: "Die Wissensbörsen haben in Schweden ihren Ursprung. Es handelt sich dabei um informelle Kleingruppen von drei bis 15 Personen, die sich zum Lernen und Austauschen treffen. Hier können die Teilnehmer und Teilnehmerinnen ihr Können und Wissen nachbarschaftlich teilen und selber Neues von Anderen dazulernen. In Schweden gibt es unzählige Wissensbörsen, die inzwischen staatlich anerkannt und eine dezentrale Alternative zu Volkshochschulkursen sind." https://weddingweiser.de/wissensborse-im-brunnenviertel-von-nachbarn-lernen/ ˧
  • Wechseln wir das Feld und blicken zu den "Aktiven Senioren WGs": "Hier werden Bauernhöfe saniert und verwaltet. Die dazugehörigen Gebäude werden zu Wohnzwecken für alle erworben und zu Senioren WG s barrierefrei umgebaut und saniert. Angedacht sind immer Gebäudegrößen von 4 bis 10 Wohnungen (ab 60 qm) mit einem entsprechenden Grundstück. Die einzelnen Wohnungen können dann vorrangig von Mitgliedern zu fairen Preisen (weit unter den Ortsüblichen Mieten ) gemietet oder gekauft werden. Haustiere sind erlaubt und auch erwünscht, und wenn sich weitere Aktivitäten entwickeln ist das gerne gesehen." https://www.aktive-senioren-wgs.de/ ˧
Ja ich könnte jetzt noch endlos weitererzählen, aber wie gesagt, es handelt sich eigentlich erst um die Anfänge einer kreativen Alterskultur. Nachbarschaftshilfe, Zeithilfswerke, Mobility Scouts, ˧


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Musikauswahl ˧

https://freemusicarchive.org/music/Lobo_Loco/Salad_Mixed/Hey_Come_Together_ID_1235/ ˧

verwendet nach Intro BY NC ND ˧


Together we are stronger
(nur Auszug) https://freemusicarchive.org/music/Komiku/Poupis_incredible_adventures_/Komiku_-_Poupis_incredible_adventures__-_59_Together_we_are_stronger/
Public Domain ˧

Together Stronger
Kurze Vignette https://freemusicarchive.org/music/Lobo_Loco/Mr_Tachyon/Together_Stronger_ID_1209/
NC BY ND ˧

https://freemusicarchive.org/music/Josh_Woodward/Ashes/JoshWoodward-Ashes-NoVox-08-TogetherOnOurOwn/ ˧

Outro ˧

https://freemusicarchive.org/music/Scott_Holmes/cinematic-background-music/together-we-stand/ cc: by - nc ˧





[1] https://www.vienna.at/polizei-statistik-sechs-toetungsdelikte-in-wien-2022-geschahen-im-privatbereich/7256155

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Commoning

[3] https://www.alvital-allesleben.at/wp-content/uploads/2021/01/Handout-für-das-Webinar-ALVITAL_14.01.2020.pdf

[4] https://integrale-gemeinschaftsbildung.de/images/files/Achim_Ecker-Lieben_ist_eine_politische_Aufgabe.pdf

[5] https://www.sein.de/brandenburg/zegg-eine-gemeinschaft-auf-dem-weg/

[6] https://eurotopia.de/blog/

[7] https://www.bring-together.de/de

[8] Unter den vielen Portalen wo man solche Beispiele findet gibt esauch dieses: https://www.gesundheit.gv.at/leben/altern/aelter-werden/soziales-engagement.html - "Funktionierende Nachbarschaftsnetzwerke wirken sich förderlich auf die (psychosoziale) Gesundheit aus und erleichtern das Leben, da Menschen in derartigen Netzwerken persönliche Zuwendung und Hilfe im Alltag (z.B. Informationen, Unterstützung in praktischen Dingen) erfahren"

[9] https://www.vollpension.wien/

[10] https://www.gutenachtgeschichte.at

[11] https://www.caritas-pflege.at/wien/infos-aktuelles/faltenrock-fm

[12] https://radioginseng.de