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zum 1.Teil * PatternMining * WeitereQuellen ˧

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Teil 2: Wandel gestalten   
Kapitel 1: Muster des Beginnens   
Sich artikulieren lernen   
Perspektiven wechseln und verschieben   
Eine Konstruktive Provokation setzen   
Kapitel 2 Muster des Gestaltens   
Musikauswahl   
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Teil 2: Wandel gestalten    

Willkommen zur 28. Sendung der Sendereihe "Willkommen im Globalen Dorf" vom Januar 2022. Hier ist Franz Nahrada aus Bad Radkersburg, und die heutige Sendung knüpft an an die relativ düstere Diagnose oder das Dilemma, das ich in Sendung 27 aufgezeigt habe.

Die eine Seite des Dilemmas möchte ich mit dem Spruch des deutschen Marketingprofessors Clemens Renker paraphrasieren; Die Zeit wäre günstig, Dörfer und ländliche Räume allgemein "als Basislager und Bollwerke in der globalisierten Welt neu zu gestalten". "Die Digitalisierung ermöglicht es uns, Menschen und Wertschöpfungsprozesse global und lokal vollkommen neu zu vernetzen, zu koordinieren und zu steuern. Das Expertenwissen und die Fähigkeiten der Dorfbürger können wir mit dem Weltwissen über die Cloud von jedem Ort aus vernetzen."
Also wieder einer, der möglicherweise auch der weitergehenden These zustimmen würde: Dörfer oder besser Dorfnetzwerke können wieder organisch werden, komplex und lebendig. Die Beziehung zur Natur kann mehr denn je wieder auf Dauerhaftigkeit und Symbiose aufgebaut werden, gerade durch unsere fortgeschrittene Technologie und unser Wissen über Kreisläufe.
Diese Kräfte breiten sich aber gerade nicht von selbst oder naturwüchsig aus, und es gibt heute keine von außen treibende Instanz mehr wie etwa den klassischen Nationalstaat, der zumindest in Westeuropa homogene Infrastrukturen und universelle Dienstleistungen installiert hat, d. Treiber dieser Entwicklung müsen vielmehr die inneren Kräfte sein, sprich die Menschen die in ländlichen Räumen verwurzelt sind, aber auch die, die auf der Suche nach neuer Lebensqualität zuziehen. Dabei kommt es mehr denn je auf die gemeinschaftliche Initiative, das gemeinschaftliche Gestalten an. Die neue Dorfgemeinschaft muss einerseits aus den Stärken der alten schöpfen, aus der existentiellen Verbundenheit und Verbindlichkeit, die in so vielen Bereichen das Überleben gesichert hat, zugleich aber müsste sie sich einfügen in ein weiter denn je reichendes Beziehungsgeflecht, aus dem gesteigerte Leistungsfähigkeit, Attraktivität und Vitalität resultiert. Die letztliche Verantwortung liegt also bei lernenden und weltoffenen lokalen Gemeinschaften, die durch die Fülle der neuen technischen und sozialen Erfindungen aufgeweckt und ermutigt werden, zu einem gemeinsamen integrativen Zukunftsbild finden und zielbewusst sich alle notwendigen Ressourcen verschaffen.
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Ja, und hier hat die letzte Sendung eingehakt und hat die andere Seite des Dilemmas beleuchtet und eine schonungslose Bilanz gezogen. Es ist nicht ausgemacht ob dieser Prozess in Gang kommt, gelingt. Die personelle und räumliche Beschränktheit kann auch entmutigen, zur Blockade werden. ˧

Gerade als ich die Sendung fertiggestellt habe, bin ich über einen Vortrag der 2020 verstorbenen legendären Gruppentherapeutin Barbara Sher gestoßen, der hieß "Isolation is a Dream Killer", Isolation tötet Träume. In diesem Vortrag beschreibt sie eindrucksvoll, wie unfassbar hilfreich es ist, anderen Menschen nicht nur die eigenen Träume zu enthüllen, sondern auch die eigene Unzulänglichkeit und das Angewiesensein auf Lösungen die man aus eigenem Vermögen nicht einmal mehr erhoffen kann. Also "sag Deinen Traum und warum Du ihn schon abgeschrieben hast, was er also unmöglich ist". Immer wieder kommen dann unerwartete hilfreiche Energien von anderen Menschen, denen es ganz leicht fällt und sogar Freude macht, mit ihren Beziehungen, mit ihrem Können, mit ihren Ressourcen zu helfen. ˧

Vielleicht ist das im Umkehrschluss die allgemeinste Formel für die sechs und mehr dunklen Muster die wir das letzte Mal behandelt haben: in dem Moment wo sich Menschen voneinander abkapseln, einander nicht wirklich wahrnehmen, in Konflikten und Machtkämpfen gefangen sind, nur beschränktes Vertrauen in ihre Gemeinschaft haben, sich aus Konfliktscheu auch nicht zu offenbaren trauen, eher besprochen werden als miteinander sprechen und meinen, einem vorgefassten Stereotypen Image genügen zu müssen - da geht nichts weiter. ˧

Umgekehrt habe ich es oft genug wahrgenommen: wenn die richtigen Wege gewählt werden, die richtigen Tore durchschritten, dann gibt es auch so etwas wie "helle Muster", die uns auch aus scheinbar unausweichlich verengten Situationen wieder herausführen und uns die Kraft der Gemeinschaft zugänglich machen. Und ich wollte mich auch nicht in der deprimierenden Realität der dunklem Muster baden, sondern zuallererst diese Realitäten zur Kenntnis nehmen, um sie zu verstehen und zu überwinden. Wir müssen verstehen lernen, dass die dunklen Muster ja durchaus nicht nur ihre Geschichte haben sondern auch ihren Sinn. Das Misstrauen, die negativen Einstellungen im Dorf gegen das Außen - um ein Muster als Beispiel zu nehmen - sind ja nicht vom Himmel gefallen. Die jahrhundertelange Instrumentalisierung und Ausbeutung der Dörfer durch die städtischen Machtzentren hat ja mit dem Feudalsystem kein Ende gefunden, das Geldsystem hat vielmehr Abhängigkeit und Leistungsdruck vielfach noch verschärft. Wenn sich Städter dann zu guter letzt einkaufen, wen wundert es dass das Gefühl vorherrscht dass hier Mächtige sich die Rosinen herauspicken, mehr nehmen, als sie zu geben bereit sind. Mehr zerstören und umwälzen, als sie sich sozial integrieren und "Wertschätzung für das Bestehende" haben. Wenn sie die Lust verlieren, sind sie weg, ohne ihre sozialen Schulden zu begleichen - so oder so ähnlich mag das Gefühl sein. ˧

Der erste Weg durch die dörfliche Enge hindurch besteht also darin, die Landbevölkerung nicht an denselben Maßstäben zu messen wie die unverbindlichen und stets weltoffenen Städter. Verbindungen und Verbindlichkeiten haben hier einen ganz anderen Stellenwert, und sie absorbieren viel Aufmerksamkeit. Rituale und gemeinsame Bräuche und Traditionen signalisieren Zugehörigkeit und Verlässlichkeit. In der Tat kommt es ja immer wieder auf gegenseitige Hilfestellung an, wo spezialisierte Institutionen und Dienstleistungen in weit geringerem Ausmaß verfügbar sind als in den Städten. Und auch nicht die Wahlmöglichkeiten und Jobmöglichkeiten, die Städter haben. Also über allem was ich nun wie ein Mosaik an Lösungsmöglichkeiten ausgegraben habe, und die Grundlage von allem, muss Respekt und Empathie sein. ˧

Kapitel 1: Muster des Beginnens    

Sich artikulieren lernen    

Das Allerwichtigste bei der Veränderung der Umstände in der Gemeinschaft ist es: nicht alleine zu bleiben. Es scheint wie eine Henne Ei Situation: Die wichtigste Voraussetzung nicht alleine zu bleiben, ist die Fähigkeit, öffentlich Kritik an Zuständen zu üben und eine Alternative zu artikulieren. Nur dann findet sich eine Unterstützung durch Menschen, die sich angesprochen fühlen. Aber die Artikulation von Kritik löst unter Umständen auch Reaktionen aus, kann den Kritiker in der Gemeinschaft isolieren. Die Kunst besteht darin, genau dies zu vermeiden. Man spricht, um Menschen zu gewinnen. ˧

In den "Mustern für den Wandel" hat Rob Hopkins, der Begründer der Transition Bewegung, dieses Dilemma charakterisiert, weswegen ich jetzt einiges daraus zitiere: ˧

"Menschen, die sich leidenschaftlich für Themen einsetzen, die eine Veränderung bei anderen erfordern sind sich manchmal nicht bewusst, wie sie ihre Botschaft vermitteln. Sie können fanatisch, naiv, uninformiert, selbstgefällig, verurteilend,herablassend oder beleidigend wirken. Ganz wenige schaffen sogar, gleich als das alles rüberzukommen. Aber solche Kommunikation ist selbstzerstörerisch" ˧

"Die Lösung besteht darin, immer offen zu sein für konstruktive Kritik und Feedback. Sie besteht darin, ein spaltendes 'Ihr' und 'Wir' zu vermeiden. Es besteht darin, sich verständlich auszudrücken und gegenkulturelle Symboliken und Sprachgebräuche zu vermeiden. Es besteht darin, höflich zu bleiben, Mitgefühl und Respekt zu zeigen und Eskalation und Streit tunlichst zu vermeiden " ˧

"Wir fürchten uns in der Öffentlichkeit zu sprechen. Manche wollen lieber sterben als zu vielen Leuten reden. Wir fürchten Demütigung, Spott und den mythischen Klugscheißer, der 5 Monate lang an der Killerfrage gefeilt hat die wir nicht beantworten können. Obwohl es ihn nicht gibt. Wir müssen lernen dass das Reden eine Kunst ist wie jede andere: erlenbar und mit Regeln." ˧

"Erstens müssen wir unser Publikum kennen. Wir halten keine Standardreden. Wir müssen wissen vor wem wir sprechen und wie unsere Zuhörer ticken. Was könnte sie ansprechen und begeistern, und was wird sie garantiert abschrecken? Was ist der beste Einstieg?" ˧

"Zweitens gehts um unser Erscheinungsbild, was wir über uns vermitteln. Es ist keine gute Idee einen Vortrag vor einer Gruppe von Kleingärtnern im Anzug zu halten, und eine Präsentation vor dem Gemeinderat in T-Shirt und Shorts" ˧

"Drittens müssen wir wissen was wir sagen wollen, eine Struktur haben. Einen Anfang, eine Zeitdauer, einen Hauptteil, einen Schluss. Aber immer muss dabei der Bezug zum Publikum im Mittelpunkt stehen. Augenkontakt und sparsame Gesten sind wichtig. Die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen ist kurz. Wenn nötig muss der Ton, das Tempo, das Medium gewechselt werden. Schwarzmalerei und Abstraktionen müssen vermieden werden. Was die Menschen anspricht und was bei ihnen hängen bleibt, sind die die Emotion dessen, worüber Sie sprechen. Ihre eigene Geschichte - warum Sie und ihre Mitstreiter für etwas begeistert sind - kann oft das beste Argument sein." ˧

"Was ein Aktivist des Wandels versuchen muss ist mit Humor, Mitgefühl und Freundlichkeit eine neue soziale Norm zu schaffen, in der die notwendigen Veränderungen als das Logischste und das befriedigendste Sache, die man in diesen Zeiten tun kann. Es ist notwendig, den wechselseitigen Vorteil und die positiven Möglichkeiten konkret darzustellen." ˧

"Reden lernen ist wie Reiten lernen oder Fahrradfahren. Die Fertigkeiten kann man trainieren, die Leidenschaft muss vorhanden sein." ˧

Soweit Rob Hopkins, der unseren Reigen der hellen, problemlösenden Muster eröffnet. Ich setze fort indem ich auch unsere vier Interviepartner vom letzten Mal wieder vor den Vorhang bitte, und möchte den Anfang mit Karlo Hujber machen. Das zweite Muster des Beginnens hat er sehr eindrucksvoll beschrieben, ich nenne es ˧

Perspektiven wechseln und verschieben    

(irgendwo 21) Ja, und das haben wir jetzt schon oft erlebt, dass aus einer Konfliktsituation ein sehr spannender und auch ein dynamischer Prozess werden kann. Ich glaube aber wirklich, dass das also in sehr, sehr vielen Fällen diese Moderation von außen braucht – und zwar noch gar nicht, die Mediation, so wie manche meinen - die rufen ja dann auch bei uns an und sagen: „Wir brauchen eine Mediation!“ und wir kommen dann hin und sehen, das braucht ja noch nicht eine Mediation, das braucht eine Moderation. Das braucht einfach so auch eine Vorgehensweise, wo einmal alle zu Wort kommen. Und alle zu Wort kommen, damit meine ich nicht mit Diskussionsrunden, die dann oft über die Zeit gehen und dann werden die Leut oft ein bisserl unmutig, sondern wir arbeiten da sehr stark methodisch an dem. Das heißt, die Leut stehen auch auf, auf die Leute gewichten etwas und das passiert nicht nur mit den Klebepunkten, ja. … Das heißt auch, dass wir dann beispielsweise Untergruppen machen, wo´s nicht anders geht dann aufgrund der Methode, als dass man sie mischt. ˧

(22:22) Und das sind alleine schon, das löst einmal manchmal schon was. Weil gerade, wenn etwas auch - sage ich - gewissermaßen konfliktträchtig ist, dann machen`s wir oder passiert`s oft so in den Gemeinden - wie man es auch im Fernsehen oft sieht - die einen sitzen auf DER Seit`n, die anderen auf DER. Dann hat man das auch von der Struktur her selber eigentlich schon befördert, dass die einen auf die anderen losgehen. Es ist schon ganz anders, wenn der oder die, mit dem was auszureden ist, einmal direkt neben mir sitzt links und rechts. Ja, es klingt jetzt so einfach, ja, aber selbst das haben wir oft auch schon im Gemeinderat dann manchmal gemacht und gesagt: „Machen wir jetzt einmal und stehen wir einmal alle auf - und bevor wir anfangen, … setzen wir uns wieder hin. Wir können uns hinsetzen, wo wir wollen, nur aber der linke und der rechte Nachbar, den wir jetzt haben, neben dem dürfen wir nicht sitzen.“ ˧

(23:29) Weil selbst dort manchmal schon über 5 Jahre, 10 Jahre, 15 Jahre - 3 Perioden - das ist schon manifestiert, und das ist schon so, wie wenn ich aus der Haltung heraus dort sitze ich und dort muss ich mich verteidigen oder einbringen und das sind schon ganz andere Formen, man ist auch nicht auf dieser Schmalseite, dass das automatisch ist, dass in solchen Prozessen immer der Bürgermeister und der Vizebürgermeister, und vielleicht die Amtsleiterin oder Amtsleiter zum Protokollieren sitzt, das mischen wir jetzt einmal. Das ist so ein ganz ein einfaches Beispiel, ja. ˧

(24:09) Weil ich denke mir, das muss einfach auch ein Stück gespürt werden, dass jetzt was Anderes beginnt, ja. Und, ja, ich sag` wirklich, dass diese methodische Vorgangsweise also sehr viel an sich hat und ein Moderator oder eine Moderatorin hat schon einen gewissen Bonus, würde ich sagen. Also in so einer Moderation darf ich auch - ich sag´s einmal so in unserem Dialekt: „I deaf a bled frogn.” Ich darf auch Fragen stellen, die - wo ich weiß, wie es ist - aber durch die Fragestellung kommt`s jetzt wieder ans Licht … und dann wird nicht - so wie bisher - immer gleich Pro und Kontra gesprochen, sondern dann kann man durch weitere Fragestellungen noch einfach ein Stück in die Tiefe gehen und stückweise auch herausarbeiten, aus welchen Blickwinkeln sieht die EINE Person das, auch welchen Blickwinkeln sieht die ANDERE Person das. Und das sind halt jetzt einfach so Beispiele aus der Praxis. Da tu ich mir aber jetzt auch ein bissl schwer, weil selbst da sag ich: „Das kann ich nicht nur erzählen, das muss ich auch zeigen können, Bilder zeigen können - die hätten wir - weil, wir gerade einen sehr intensiven Prozess jetzt gehabt haben und so Bilder zeigen können, wie das läuft. Und dann sieht man, dass das eine so eine - auch atmosphärisch - ja, eine starke (Methode), also wirklich auch locker ist und trotzdem sehr lebendig, ja." ˧

Also manchmal kann Hilfe von außen sehr nützlich sein, aber wie das Beispiel zeigt, kann diese Hilfe oft in nichts anderem bestehen als damit die Kommunikation im Inneren zu stimulieren. Wer diese Sendereihe aufmerksam verfolgt hat weiß dass ich schon einmal ein Beispiel in diesem Sinn gebracht habe. Der Bibliotheksleiter von Fischamend, Adalbert Melichar, der ja immer wieder davon berichtet hat dass nach seinem Lerncafe ein Besucher zu ihm sagte: „Herr Professor, ich verstehe es nicht, immer, wenn wir da drüben beim Gemeinderat im Rathaus sitzen, dann streiten wir uns und bei Ihnen vertragen wir uns." ˧

Der Humangeograph Andreas Koch hatte ähnliches zu berichten: ˧

"44:57 Also solche Ideen im Kleinen; wir haben in der Steiermark, an der Uni Leoben, haben Kolleginnen auch so ein Café etabliert, weniger als ein Lerncafé, sondern mehr ein Café, auch hier wieder, um Stereotype abzubauen. Weil aus deren Sicht war ein gravierendes Problem in Leoben der wachsende Rassismus gegenüber ausländischen Studierenden und es gibt nun mal nicht viele Montanuniversitäten im europäischen Raum und es ist eben attraktiv für Studierende von überall her und ihr Versuch war es eben hier - seien sie berechtigt oder nicht - ihre Ängste und Sorgen abzubauen, sei es jetzt Wohnraumkonkurrenz, sei es jetzt die Frage, die nehmen uns ja dann eh nur die Arbeitsplätze weg. Warum bilden wir sie hier aus, damit sie dann unsere Arbeitsplätze wegnehmen und solche Bilder und Vorstellungen die in den Köpfen geisterten. ˧ ˧

46:05 Also es ist ein anderer Aspekt von Bildung, der davon lebt, dass man Dinge zurechtrückt, zuerst einmal auch sichtbar macht, diskutiert, durchaus auch streitet, aber am Ende dann doch auch für sich mitnehmen kann: ich habe da etwas gelernt, ich bin zumindest einmal in der Lage, meine eigenen Positionen zu überdenken, die ohne dieses Café wesentlich schwieriger gewesen wären. " ˧

Das Muster der Perspektivenverschiebung durch veränderte Settings und Räume kann also enorm hilfreich sein. Es kann auch die Form einer Lernreise annehmen, einer Klausur, einer Wanderung,einer Bergbesteigung, einer Exerzitie, einer Wallfahrt- ˧

Die klassische Formulierung dazu stammt vom MIT Professor William Isaac, der sich als Dialogforscher und Mentor in der Nachfolge von David Bohm mit der "Kunst, gemeinsam zu denken" beschäftigt hat. Er spricht immer wieder von der Bedeutung eines sogenannten „Containers“, also einer vertrauensstiftenden, abschirmenden und zugleich stimulierenden Umgebung, die den Dialogprozess ermöglicht und fördert. ˧

Der informelle Charakter eines solchen Raumes ermöglicht es auch "über das Gespräch zu sprechen" und nicht nur die zugrundeliegenden Konflikte anzuschauen, sondern spielerisch mit neuen Ideen zur Lösung der Konflikte umzugehen. Um die Blockaden durch eine neue Kultur des Gespräches zu brechen, bedarf es zuallererst einer veränderten Atmosphäre. "Ein Container ist ein Feld des Austausches, in dem die Möglichkeit sowohl die Antwort als auch die Frage ist, nicht Gewinnen oder Verlieren, nicht einmal das berühmte Win - Win. Neue Möglichkeiten treten zu Tage, wenn die Fragen wichtiger genommen werden als jede einzelne Antwort. Und am Allerwichtigsten: wir müssen uns miteinander immer als größer sehen als alle die Brösel und Schwierigkeiten die am Weg auftauchen. Das ist im Kern die Kunst der Leadership, des Führens, auch immer wieder einen solchen Cpntainer erschaffen zu können, in dem die Option des Zuhörens und nicht einfach des Vortragens des eigenen Gesichtspunktes zum Fokus wird". ˧

Soweit Isaac. In dieser wunderschönen Erklärung erschließt sich auch der Sinn der österreichischen Redewendung "durchs Reden kumman d'Leit zsamm". Es würde den Rahmen der heutigen Sendung sprengen, aber es gehört unbedingt in einer zukünftigen Sendung behandelt, wie perfekt diese Kunst des Container Bauens von alten Kulturen die der unseren weit überlegen sind entwickelt wurde. Das beste das mir auf diesem Gebiet begegnet ist ist wohl das indianische Medizinrad, wo ständiger Perspektivenwechsel, Zuhören und Zusammenfügen mit acht Perspektiven zu einem Container ganzheitlicher Entscheidungsfindung verwoben sind, der unsere sogenannte abendländische Demokratie mit ihren groben und die Trennung und den Streit fördernden Geschäftsordnungen weit in den Schatten stellen. Dem möchte ich unbedingt eine künftige Sendung widmen. ˧

Doch heute sind wir ja dabei, uns im Reich der Möglichkeiten umzuschauen, und daher möchte ich noch ein drittes Grundmuster des Beginnens behandeln. Ich nenne es ˧

Eine Konstruktive Provokation setzen    

Manchmal ist es nämlich gar nicht so einfach, die Perspektiven zu wechseln oder gar so einen konstruktiven Diskursraum zu eröffnen. Was ist, wenn es diesen Raum gar nicht gibt, wenn Mensch draußen steht? Oder wenn Mensch sich zwar hat einbinden lassen in bestehende soziale Aktivitäten, diese aber so ritualhaft selbstbezüglich ablaufen wie ein Getriebe oder Uhrwerk, so besorgt um Zusammenspiel und Qualität, sodass all das in ihnen gebundene soziale Kapital letztlich nicht ansprechbar oder mobilisierbar erscheint? Oft geprägt durch Hierarchien, in denen man sich bewähren muss durch regelmäßiges und pünktliches Mitmachen und Anpassung. In denen vor lauter Funktionieren und Perfektion kein kreativer Freiraum mehr zu existieren scheint? Wenn die freiwillige Feuerwehr neben akribischem Arbeiten an technischer Aufrüstung und Einsatzbereitschaft und der zum Ausgleich für ihre aufreibenden Aufgaben danach kompensierenden Kameradschaftspflege am Biertisch eher wenig kreativen Freiraum bietet, der Chor oder die Musikkapelle ein dicht gestaltetes Freundschaftsgefüge von Damen und Herren mit Herz für die Verschönerung des Gesellschaftslebens in all seinen Wechselfällen ist, die Sportvereine neben all ihren Funktionen für körperliche Ertüchtigung eben auch alle Hände voll zu tun haben Kämpfe um in der imaginären Rangordnung der Gemeinden nicht zurückzufallen? Wenn zu allem Überfluss die allgemeine Beteiligung am Dorfleben nachgelassen hat und immer weniger noch Verantwortung übernehmen und das System erhalten müssen, was wiederum den Dialog schwächt? ˧

Und wenn das alles einem außenstehenden Beobachter angesichts der ungelösten Probleme und Herausforderungen unserer Zeit trotz aller Funktionalität für das Bestehende wie verschwendete Zeit erscheint, wenn Kirchenjahr und Vereinjahr verrinnen wie der Sand in der Sanduhr, ohne dass der Blick über den Tellerrand in diesem vorgegebenen und geschützten Rahmen vorgesehen ist und Neues wenig Platz hat - was tun, um diese viele wunderbare Energie mit den Möglichkeiten und Notwendigkeiten des Wandels zu konfrontieren? ˧

An diesem Punkt hat die konstruktive Provokation oder paradoxe Intervention ihren Platz. Ich zitiere hier aus dem Interviw mit der Stadtpsychologin Cornelia Ehmayer. Ich sprach mit ihr über Anfänge der die Transition Bewegung in Totnes 2006, als eine selbsternante Avantgarde sich daran machte, in der Gemeinde das kaum Vorstellbare zu relisieren: auf eigene Faust unabhängig zu werden von jenem Rohstoff, der die westliche Welt süchtig, reich und bequem gemacht hat - vom Erdöl. Und das zunächst ohne Beschlüsse des Stadtrats. Die Gruppe begann ihre Radikalkur in homöopathische Dosen. Sie pflanzen Nussbäume auf öffentliche Plätze. Stellten Blumentöpfe auf die Gehsteige, auch vor die Polizeistation. Warben mit einem Umzug mit einem Janis Joplin Song für Komposttoiletten: "Oh Lord, wont you buy me a composting loo?". Drucken Totnes Pounds als lokale Währung. Finden immer wieder neue Gelegenheiten etwas nachhaltig sichtbar anders zu machen als üblich. Und dabei bleiben sie immer sanft, harmlos und freundlich. Denn eines wissen sie: ˧

"FN (12:05) Man muss genau die Mitte erwischen zwischen einem positiven und einem kritischen Impuls, sodass die Menschen sich nicht abgestoßen, beleidigt, ärgerlich fühlen, sondern quasi in irgendeiner Form einmal konsterniert sind und zum Nachdenken beginnen. ˧

CER (12:29) Aber das ist genau der Punkt, das sehe ich auch so. Und da sage ich oft, da haben es die Künstler leicht, weil die können eine Intervention machen, alle abschrecken, alle rennen davon und sie ist trotzdem gelungen und (12:39) wenn du aber einen Veränderungsprozess anstoßen willst und du machst irgendeine Intervention im öffentlichen Raum und die Leut` schütteln nur den Kopf und rennen davon, dann … (12:50) Du musst die Leute öffnen! Und die Kunst ist - das ist das, was du angesprochen hast - dass man mit einer Intervention so weit irritiert, dass sie offen sind, aber nicht so weit irritiert, dass sie vollkommen zu machen und nichts mehr wissen wollen. … (13:03) In dieser Methode steckt das ein bisschen drinnen, weil man natürlich dann auch mit Künstlern zusammenarbeiten kann und Interventionen machen, aber das Vertrauen gewinnen ist schon ein großes Thema, ja, dass man das Vertrauen gewinnt (13:19) und weil du jetzt gesagt hast, du möchtest denen Mut machen… ˧

(13:22) Ich habe jetzt vor kurzem einen Workshop in München abgehalten und hab` vorgeschlagen - mein Workshop heißt: „Ich stecke fest.“ Genau dieses Thema! Was ist, wenn man nicht weiterkommt und da wurde ich das auch gefragt… (13:36) Also es ist so, dass man als Initiativen viel machen kann und dass man viel anstoßen kann und das soll man auch tun. … Ich denke, das ist zu begrüßen, aber ich glaube es ist schon auch wichtig zu sagen, wenn ich eine nachhaltige Veränderung will, … dann muss ich andocken an den politischen Strukturen! Sagen wir es einmal so, ja. (14:00) … Das sind die Theorien der Organisationsveränderung: … Wenn du die Leitung nicht erwischt und nicht mitnimmst, dann wird es nicht funktionieren, wie wohl auch Prozesse scheitern, … wenn zum Beispiel 2 Personen … also wenn`s um Veränderung geht: 1 Person ist dafür, eine ist dagegen, hast auch schon ein Scheiter-Potential. (14:24) Also dieses Commitment mit der Politik, das braucht man, auch wenn das jetzt schwierig ist und nicht immer so super klingt. (14:32) Aber oft gibt`s eh irgendjemanden, der politisch aktiv ist und der auch die Veränderung gern mag und dann freut der oder die sich, dass die von außen … eine Lobby haben - wir haben das früher auch gemacht - ja da ist eine Lobby, die unterstützt mich von außen. (14:48) Aber vollkommen an der Politik vorbei ist es eine Revolution und diese sind eigentlich auch selten nachhaltig. …" ˧

Soweit Cornelia Ehmayer. Mittlerweile ist die Transition Bewegung in England - die sich genau so aufstellt und versteht - aber so weit, dass ihre vielen tausend kleinen Intiativen und konstruktiven Provokationen in der Politik angekommen sind. Ein wichtiger Schritt der schon sehr bald erreicht werden soll ist ja die offizielle Selbsterklärung der Gemeinde zur "Transition Town", Zum Ort des Wandels. Aber mittlerweile hat diese Entwicklung eine ganz andere Stufenleiter erreicht und Gemeindeverwaltungen beginnen mit der zivilgesellschaftlichen Initiative mitzuziehen. Auf der Website "Municipalities in Transition" erfährt man, wie sich überall - paradoxerweise beginnend in italienischen Gemeinden - ein systemisches Miteinander von Bottom Up mit Top Down Initiativen zu entwickeln beginnt. ˧

Aber zurück zu unseren konstruktiven Provokationen. Ich habe selbst eine sehr erfolgreiche erlebt im Rahmen unserer Lernpartnerschaft zu ländlicher Entwicklung und Bildung ERDE. Skinningrove ist ein altes verschlafenes Dorf an der englischen Ostküste mit einer geschlossenen Eisenmine. Im Jahr 1880 erhielt dieses Dorf am Meer einen eindrucksvollen Landungssteg, der über viele Jahrzehnte die Verbindung ins nahegelegene Teesside darstellte und nicht nur Erz sondern auch Menschen an die Stadt anband. Aus Furcht vor einer Invasion wurde im zweiten Weltkrieg dieser massive Steg teilweise gesprengt. Ein Multimedial begabter Forscher mit Verbindungen ins Dorf begann, die Geschichte der Zukunft dieses Landungsstegs in Second Life Videos zu erzählen, mit allerlei fantastischen Elementen angereichert. Schließlich wurden seine Filmvorführungen im Dorf zum Kult und das trug nicht unwesentlich dazu bei, dass das Wahrzeichen mit großem Aufwand restauriert wurde und heute auch wieder offen steht. So eröffnete die Phantasie eines Einzelnen ein gemeinsames Projekt das einem Dorf Identität und Gesicht gab. ˧

Kapitel 2 Muster des Gestaltens    

Es ist in dieser Sendung sicher nicht der Raum, eine Mustersprache der Gestaltung von Dörfern auszubreiten, aber mit meinen wenigen Andeutunge wollte ich darauf hinweisen, dass dabei den sozialen Mustern eine große und wesentliche Bedeutung zukommt und dass eine solche integrierte Mustersprache geschrieben werden sollte. Habe ich die erste Gruppe von Mustern primär aus der Sicht der Außenseiter und Veränderungswilligen eingeführt, möchte ich in einem zweiten Blick ein paar Schlaglichter darauf werfen, was Gemeinden selbst tun können, um das Klima weltoffen, kooperativ und innovationsfreudig zu halten - oder auch um mehr Menschen zu mehr Aufmerksamkeit und Engagement in der Gemeinde zu ermutigen. ˧

Dazu möchte ich Gerlind Weber zu Wort kommen lassen, deren spannende Geschichte als Enkelin des Turbinenerfinders Viktor Kaplan prägend damit zu tun hatte, dass sich dieser seinen Traum vom Landleben mit einem Landsitz samt Landwirtschaft nahe dem Salzkammergut erfüllte. "Wir sind immer zugleich städtisch als auch ländlich in unserer Lebensführung gewesen" sagt sie, und dieser multilokale Blick hat sie nicht nur beim wissenschaftlichen Arbeiten am Forschungsgegenstand "ländliche Räume" unterstützt, sondern er prägt auch ihre Sicht auf Lösungsmuster auf die hier besprochene Problematik: ˧

"GW (00:11) Also grundsätzlich ist es heute, glaube ich, nicht mehr vertretbar, wenn man versucht, junge Leute abzuhalten, an einen anderen Ort, einen anderen Lebensort aufzusuchen, um ihr weiteres Leben zu gestalten. Es geht darum, dass man das respektiert, man kann niemand eben heute davon abhalten, eben in der Herkunftsgemeinde zu bleiben, wenn er oder sie die Absicht haben, hier zu gehen. Das ist heute nicht mehr vertretbar, hier zu bleiben. (00:46) Auf der anderen Seite hat der Bürgermeister, den wir einmal im Rahmen eines Projektes in der Steiermark interviewt haben, hat er g`sagt: „Kleinkinder und Hausbau sind wie Klebstoff.“ Und das ist schon richtig, aber zum Beispiel, der Wegziehende ist immer jünger, als der Häuselbauer. Den interessiert der Baugrund, den er angeblich billiger bekommt von der Gemeinde, wenn er dableibt, ja, den interessiert er nicht. Es interessiert ihn einfach, auch wegzukommen und woanders eine Lebenserfahrung zu machen, die er glaubt, an seinem Heimatort eben nicht machen zu können." ˧ ˧

(01:24) Und daher ist es heute eher die Aufforderung zu sagen: „Wir akzeptieren, dass du gerne gehen möchtest, auf der einen Seite und auf der anderen Seite haben wir aber ein großes Interesse, dass du mit uns Kontakt hältst und auch wir werden dir Kontaktpersonen zur Verfügung stellen.“
(01:43) Das ist entweder ein Gemeinderatsmitglied, das so quasi der Außenminister oder die Außenministerin ist, die sich um diese Weggegangenen (handelt) kümmert. Oder in Wien gibt`s zum Beispiel - und das kann man überall in den zentralen Orten machen, wo eben gerade die Studierenden z.B. hinziehen, oder aber auch andere, die ihre Ausbildung dann in einer Großstadt machen, dass man so dieses Dorfkonsulat einrichtet, ja.
(02:09) Also einen Begegnungsort, wo dann die auch immer wieder Gäste einladen aus der Herkunftsregion, die dort eben über den Arbeitsmarkt, über die Chancen, über die Wahrnehmungen, die jetzt da passiert sind in Hinblick auf die regionale Entwicklung machen kann. (02:28) Und dann ist es wichtig, eben auch diese einzelnen Schritte, die man in der Ferne tut, sozusagen, mit Wohlwollen auch zu beantworten, um eben zu signalisieren: „Wir sind stolz auf dich, wir schätzen deine Qualitäten und wir wären sehr froh, wenn du zurückkommst. Und wir würden dich in dieser Form auch unterstützen.“
(...) ˧

(02:49) Und das sind jetzt z. B. diese Gemeinschaftsbüros, etwas ganz Wichtiges, wo z. B. aufgelassene Poststellen von der Gemeinde angemietet werden, dort umgebaut werden zu Kojen, wo z. B. bestimmte Büros mit mehreren geteilt werden, sodass eben einer, der startet neu beruflich, nicht grad vorneweg gleich in Schulden stürzen muss, um einen adäquaten Arbeitsraum und Arbeitsumgebung zu schaffen und wo auch gemeinschaftlich eine bestimmte Basisinfrastruktur geschaffen wird. Das gilt genauso für Werkhallen und das gilt genauso für irgendwelche künstlerischen Gemeinschaften, etc. (03:27) ˧

(04:17) Es ist heute ein Wettbewerb zwischen großen Gemeinden - sprich Großstädten und Kleingemeinden - um die besten Köpfe in unserem Land und diesen Wettbewerb kann man sich und darf man sich nicht entziehen, das heißt, dass sich auch die Kleingemeinden zusammenschließen und sagen: „Wir kämpfen jetzt auch um die besten Köpfe gemeinsam, in dem wir dies und jenes, an start Möglichkeiten zum Beispiel potentiellen Rückkehrern eben schafft und sie vor allem auch direkt anspricht, aber wenn ich nicht einmal weiß, wo die gelandet sind und was sie jetzt für Qualifikationen haben und mich nicht dafür interessiere, kann ich die auch nicht ansprechen."
˧

Das Dorf hört also nicht an seinen Grenzen auf. Die Zugehörigkeit an die beständige Anwesenheit und Bewährung zu binden ist vielleicht nicht das beste Zukunftsrezept. Dazu auch eine spannende Bemerkung von Karlo Hujber: ˧

KH (26:55) Ja, das ist ein wichtiger Punkt, ja. Also in unseren Prozessen erleben wir, dass, … dass manche ganz eifrig dabei sind, wenn man Sachen neu denkt und dass es gar nicht so wenige sind von diesen Umdenkern, würde ich sagen, von diesen Neudenkern, die nachher dann, wenn`s darum geht, dass man anpackt, die dann gar nicht mehr da sind. Also es ist nicht so, dass jene, die auch am Anfang fleissig kommen, dass denen auch der ganze Erfolg zuzuschreiben ist. Und es gibt auch das Umgekehrte - und ich verstehe das im ländlichen Raum sehr gut-. es gibt das, welche, die einmal kommen, die zwei Mal kommen, sie gar nicht leicht zu bitten, sich einzubringen, wenn`s über die Sprache und wenn man`s dann aber braucht, weil was umzusetzen ist und ich sage: „Jetzt bräuchte ich deinen Traktor.“ Und wir hätten da jetzt Bäume zu pflanzen oder - das kennen wir eh von anderen Sachen auch - wenn im Advent dann die Standl aufgstellt werden, ich stehe da oft daneben und ich bewundere die Leute, die in 2 Stunden die Hütten da aufbauen und das ganze hält wieder, ja. (28:38) Was will ich damit sagen? Ich will damit sagen, dass die Umdenker oft nicht die „Umhandler“ sind und … ˧ ˧

FN (28:45) Umdenker und Umsetzer habe ich mir aufgeschrieben. (Lachen). ˧ ˧

KH (28:48) Die Umsetzer, ja, ja, die also dann, die das dann auch wirklich tun, ja, und wenn man jetzt aber sagt: „Ja, man möchte aber diese, die sich nicht so outen, die möchten wir auch dabeihaben.“ ˧

(nach 31:22:) aber eines würde ich schon auch sagen, … es hat sich insgesamt verändert, es lassen sich welche durchaus gewinnen einmal irgendwo mitzutun, aber wenn ich das vergleiche vor 20 Jahren, vor 15 Jahren, da hat man noch einen - wie soll ich sagen - da hat man über einen längeren Zeitraum miteinander was erarbeiten können. Jetzt erleben wir, dass viele 1 oder 2 Mal kommen - nicht unzufrieden sind, mit dem, was sie dort erleben, aber mehr Zeit geben sie sich nicht, weil noch wichtiger ist, dass sie 3 Mal in der Woche mit dem Radl 40 km fahren oder sie sind beruflich sehr eineschränkt. Also diese Frage: „Habe ich die Zeit dazu? Und nehme ich mir die Zeit?“ Da hat sich schon sehr viel geändert, also da müssen wir auch von der Euphorie, was Bürgerbeteiligung betrifft, auch ein bisschen abspecken. " ˧

Es ist also noch viel soziales Kapital vorhanden, aber es zu mobilisieren bedarf dann schon auch des Bewusstseins, dass das Dorf mehr ist als das Getriebe das heute noch notdürftig funktioniert. Es muss braucht einen Traum der uns wieder existentiell packt. Und dafür ist diese Sendereihe da: zu zeigen, dass das Dorf ein viel komplexerer Mikrokosmos werden kann als wir es uns heute noch vorstellen können. In Wahrheit erschaffen wir unsere Welt gemeinsam. Und die Potentiale dieser gemeinsamen Schöpfung sind viel größer als wir ahnen. Und noch wichtiger als alle systemrelevanten und systemerhaltenden Bemühungen, je vielleicht das systemrelevanteste überhaupt ist jener Kreative Freiraum, in dem wir einander in der Mitte des Dorfes ständig neu entdecken können, ein Ort der uns anzieht und der uns nicht zwangsverpflichtet. Der uns existentiell hilft, unsere Lebensperspektive mit unserer lokalen Umwelt wieder zusammenzudenken und der uns dabei unterstützt: durch Nähe und Austausch. Es ist nicht mehr Betriebsansiedlung, es ist Betriebsverwebung die ansteht: ein Spiel mit neuen Synergien, mit spannenden Kombinationen, Kreislaufschlüssen und Gemeinschaftswerken, der aus dem Dorf wieder einen attraktiven und lebendigen Organismus macht, der ständig beflügelt wird durch das gemeinsame Nachdenken und Erfinden der Dörfer dieser Welt. Manchmal lehrt uns erst die Not, das in seiner vollen Tragweite zu erkennen:
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13:20 AK Es gibt ein schönes Beispiel, wenn ich das grad hier ergänzen darf, das ich in Nordschweden kennengelernt habe, nämlich als Beispiel für einen versuch, diese Pluralität und Diversität konkret werden zu lassen, das ist ein Ort in der Nähe von Jokkmokk in Nordschweden, das ist ja bekannt für seinen Wintermarkt, und dieser Ort hat im Zuge des Ausbaues der Wasserkraft in den fünfziger und sechziger Jahren enormen Bevölkerungszuwachs erfahren. Also von einem Ort mit ursprünglich 800 Einwohnern auf über 2000, vielleicht 2500, und das war in dieser Errichtungsphase der Wasserkraftwerke. Jetzt rennen die Kraftwerke, die brauchen wenig Personal, jetzt gabs wieder eine enorme Schrumpfung seit den siebziger Jahren, und heute ist dieser Ort, Vuollerim, wieder bei siebenhundert bis achthundert Einwohnern angelangt. So und jetzt ist die Frage: Wie gehe ich mit diesem Wandel, also quasi einer notwendigen Restrukturierung, um? Eines der Probleme war, dass die Provinzregierung die dörfliche Schule geschlossen hat, das war vor etwa 20 Jahren, und da haben sich die Bürger zusammengetan und haben gesagt damit finden wir uns nicht ab, wir gründen eine Privatschule, haben das dann auch gemacht, und in Schweden hat man das Glück dass der schwedische Staat eben auch Privatschulen fast so gut unterstützt wie öffentliche Schulen. Diese Unterstützung gab es dann auch, öffentliche Unterstützung budgetärer Art, das örtliche Wasserkraftwerks-Unternehmen hat ihnen ein Gebäude überlassen, und dann haben sie begonnen eine Schule aufzuziehen. Das war ein ganz wichtiger Identifikationsort, die Schule, "wir haben das selber geschafft", und da hat sich so eine Art Genossenschaftsprinzip etabliert, weil man hat jetzt als ein Verein Lehrer und Lehrerinnen selber einstellen können. Man hat die Schülerinnen und Schüler eingebunden im Erhalt des Schulgebäudes, dass sie sich selber drum kümmern dass es ordentlich ausschaut, dass es gereinigt wird, dass die Küche nach Benutzung wieder gesäubert wird und und und. ˧ ˧

15:37 Dieser Gedanke und diese Idee hat sich dann fortgepflanzt und vervielfältigt in viele andere Bereiche. Es gibt also heute in diesem Ort ein genossenschaftlich geführtes Hotel, das einigen Bürgerinnen und Bürgern gehört und die sich eben gemeinschaftlich für den Erhalt dieses Hotels einsetzen - was Renovierung und so weiter betrifft, aber eben auch was die Erträge betrifft. Und es hat mittlerweile dieser Ort auch ein Geschäft, das auch genossenschaftlich geführt wird, wo im Keller so ein dutzend Webstühle stehen, und sich Menschen - zumeist sind es die Frauen - einmal pro Woche dort treffen und handwerkliche Dinge herstellen, am Webstuhl und anderen Werkplätzen, zusammenkommen und sich dabei auch austauschen. Und ebenerdig gibt es das Geschäft, das ein breites Angebot hat, so dieses "Shop in Shop" Prinzip implementiert hat, und bis dato laufen all diese Unternehmungen wirklich sehr erfolgreich. ˧ ˧

16:50 (Aud) bzw. 18:13 (mp3) Es ist ihnen auch gelungen, mit dieser Idee bei einer Crowdfunding Organisation sich bekannt zu machen, und sie haben jetzt schon zweimal einen internationalen Summit durchgeführt, und Leute aus USA, China, und so weiter dort gehabt um zu zeigen was rennt bei uns gut, wo haben wir auch unsere Probleme. ˧ ˧

17:10 Fazit: es tut sich da was auf lokaler Ebene, was sich vielleicht in anderen Dörfern nicht unbedingt so einfach und problemlos umsetzen lässt wie es hier gelungen ist." ˧

Herzlichen Dank an Andreas Koch für dieses zugebenermaßen traumhafte Beispiel. Klar: so eine Tabula rasa Situation, so viele übriggebliebene Ressourcen, so viel offensichtlichen Handlungsdruck gibt es nicht überall. Aber vielleicht lässt sich diese Dynamik doch studieren, vielleicht lassen sich ein paar helle Muster extrahieren, die auch anderswo anwendbar sind. Zum Beispiel die Rolle von genossenschaftlichen Unternehmungen, oder auch die der "Shop in Shop" Verschachtelung von Versorgung und Produktion, die Kraft der Nähe, und vor allem auch die Fähigkeit der Zivilgesellschaft, Schulbildung und Bildung überhaupt zu organisieren. Mich erinnert das ganze sehr an die Thematik der Lebendigkeitszentren, die wir auch in der DorfUni sehr hoch aufhängen: Orte in Gemeinden, die man auch als "neue Dorfmitten" bezeichnen könnte, in denen Aktivitäten sich nicht totlaufen oder einschlafen, sondern andere Aktivitäten anziehen, fördern, unterstützen. Wo ganz elementar erfahrbar ist, dass Nähe und Zusammenarbeit die produktivsten Kräfte sind, über die wir verfügen. Wo eine Aktivität die andere ausbalanciert, ergänzt, erweitert. Wo ständig Neues dazustoßen kann, eingeladen wird, Platz hat. Es ist also einerseits ein Ort (oder auch mehrere, benachbarte), sprich ein (oder mehrere) Gebäude, eine physische Hülle - zugleich aber andererseits auch ein Prozess, ein Verfahren, eine Mentalität, eine Kultur, um die es hier geht. Ausgangspunkt kann ein Bildungszentrum sein, oder ein Coworking Space, ein Feuerwehrhaus oder ein Dorfladen: stets geht es darum, über die Einseitigkeit hinauszugehen, Aktivitäten sinnvoll zu verflechten und in einen gemeinsamen Fluss zu bringen. ˧

Das Grundmotiv ist: viele Dinge müssen gleichzeitig passieren, damit unser Dorf lebt. Je mehr wir das im Geist gegenseitiger Wahrnehmung und Wertschätzung tun, umso mehr häufen sich die Entdeckungen, bei wievielen Kleinigkeiten wir einander weiterhelfen, ermutigen und beflügeln können. ˧

In diesem Sinn schließe ich unsere heutige Sendung. Ein guter Freund aus Radkersburg hat durchaus kritisch gemeint: du packst ja fünf Sendungen in eine Sendung. Ich glaub dass das heut schon ein wenig der Fall war, aber vielleicht ist das auch eine Provokation, sich mit dem Thema näher auseinanderzusetzen. Der Termin für das greenskills Symposium am 19. März rückt näher, und wir werden in den kommenden Wochen viel dafür tun, dass diese wunderbare Veranstaltung über die gemeinsame Gestaltung zukunftsfähiger Lebensräume von der Boku in Wien in verschiedenste Gemeinden gestreamt werden kann. Wir rufen dazu auf, Bildungsteams und Pop Up DorfUnis? vor Ort zu bilden und wollen dem viel Aufmerksamkeit widmen. Bitte schreibt mir unter f.nahrada@reflex.at wenn Ihr euch da einklinken wollt. ˧

Zu gute Letzt nochmal Dank an Helmut Leitner, mit dem ich die Sendung im Vorfeld diskutiert habe, an die InterviewpartnerInnen und auch nochmal an Corinna aus dem Waldviertel fürs Transkribieren der Interviews. Wir hören uns wieder in einem Monat, wie immer zuerst auf agora, und wenn alles so läuft wie geplant gibts ein Feature über ein erwachendes Dorf. Bis dann! ˧


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Musikauswahl    

  • The Burden Of Empathy by Kai Engel ˧
https://freemusicarchive.org/music/Kai_Engel/Paradigm_Lost/05_-_The_Burden_Of_Empathy ˧

Blue Dot Sessions ˧

Sunday Lights ˧

Liptis ˧