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Willkommen im Globalen Dorf /
20-Die Geburt einer weltweiten Bewegung


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Hier ist Franz Nahrada aus Bad Radkersburg. ˧

Ich begrüße alle HörerInnen und Hörer dieser Sendung zu einem kleinen Jubiläum: mit der heutigen Sendung, Erstausstrahlung am 31. Mai 2021, haben wir die runde Zahl von 20 Sendungen erreicht. Ich freue mich über die vielen positiven Reaktionen und möchte weiterhin in dieser Sendung einen Mix aus grundsätzlichen Überlegungen und alltäglichen Beobachtungen zusammenstellen, wenn man so will ein Pottpouri aus Fantasie und Fakten, der um eine attraktive Zukunftsvision in einer Zeit zunehmender globaler Unsicherheiten und höchst widersprüchlicher Botschaften und Fakten kreist. Die Globalen Dörfer, wie ich sie in der letzten, 19. Folge als Zukunftsvision besonders anschaulich geschildert habe, sind eine reale Möglichkeit, die aus dem Zusammenwirken vieler einzelner Tendenzen entsteht. Heute streck ich also nach der letzten zukunftsvisionären Sendung meine Adressen in die Gegenwart aus. ˧

Eine Widmung

Eine dieser Tendenzen möchte ich heute eingangs besonders erwähnen und ausführen, weil mich zu Pfingsten eine traurige Nachricht erreicht hat: Der Philosoph und Begründer der Neuen Arbeit, Frithjof Bergmann, ist mit 91 Jahren am Pfingsmontag verstorben. Er ist trotz einiger Differenzen in den letzten 16 Jahren Freund und Wegbegleiter geblieben. Frithjof war eine durch und durch inspirierende und kämpferische Persönlichkeit, und zugleich jemand der nicht der Welt ein neues Prinzip entgegensetzen wollte, sondern aus den Widersprüchen der Gegenwart gestalterische Linien in eine neue Zukunft ziehen wollte. ˧

Frithjofs Thema als Philosoph - er legte übrigens Wert auf die Feststellung dass er auch anderes gewesen war, zum Beispiel Hafenarbeiter oder Boxer, Toilettenputzer und Tellerwäscher - war die menschliche Freiheit. Er sah in der Gegenwart ein groteskes Missverhältnis eines leeren, ziellosen und inhaltslosen Freiheitsbegriffes und zugleich einer gewohnheitsmäßigen Unterwerfung unter das Regime scheinbar sachlichen Notwendigkeiten. Eine Gesellschaft freier Menschen, die sich bewusst für eine bestimmte Art des Lebens entscheiden und mit aller Leidenschaft diese Entscheidung manifestieren, konnte er weder im Westen noch im damals noch bestehenden Ostblock finden. Zugleich sah er die Chance, inmitten der Überflüssigmachung der menschlichen Arbeitskraft durch das automatisierte Industriesystem Keimzellen der Wiedererlangung echter Freiheit entstehen zu lassen. Als die Firma General Motors in der Automobilstadt Flint in Michigan ein großes Werk schließen wollte, organisierte Bergmann mit gewerkschaftlichen und politischen Aktivisten im Jahre 1984 für rund 5000 Beschäftigte das erste "Center for New Work", in dem unter dem Stichwort der "Neuen Arbeit" Konzepte einer nicht mehr fremdbestimmten Arbeit entwickelt werden sollten. Es war ein Deal, der statt einem Absturz in präkäre Arbeitslosigkeit eine Art geschütztes Umlernen in einem halbjährigen Sabbatical vorsah. Aber nicht für einen anderen Verwendungszweck im perspektivisch und langfristig überall kontrahierenden Arbeitsmarkt und auch nicht als pseudofreier Unternehmer der eigenen Arbeitskraft. Das Umlernen sollte im wahrsten Sinn des Wortes dazu führen, dass sich Menschen nicht mehr verbiegen und nicht mehr verbeugen müssen. ˧

Er sah zwei Säulen, auf denen sich aus dem prognostizierten Anschwellen der präkarisierten Arbeitslosenheere reale Befreiung generieren ließe: die eine Säule war die Dekonditionierung aus den ideologischen Fesseln der Fremdbestimmung. Jahrhundertelang habe das industrielle System uns innere Kraft und Selbstachtung quasi aberzogen, weswegen Abstumpfung und Gleichgültigkeit und die "Armut der Begierde" quasi zu Erkenneungsmerkmalen der Lohnarbeiterpersönlichkeit geworden seien. ˧

Dagegen sollte die erste Säule der neuen Arbeit eingesetzt werden, ein intensiver Prozess der Identifikation der Kräfte die uns am Entwickeln und Gestalten eines Eigenwillens hindern. Die berühmte und immer wiederkehrende Redewendung von dem "was wir wirklich wirklich wollen" ist diese Aufforderung, nicht bei oberflächlichen Indentifikationen mit scheinbar stimmigen Traumbildern stehen zu bleiben, sondern quasi durch das Labyrinth von Fehlern, von Versuch und Irrtum zu gehen und sich so langsam und schrittweise dem anzunähern, mit dem man sich voll identifizieren, das man aus sich hervorbringt und das doch auch Geltung und Gebrauchswert hat - und von dem man daher daher auch Kraft und Lebendigkeit beziehen kann. Arbeit als jener Prozess, in dem wir tatsächliche Welt gestalten und verändern, wird dabei von der "milden Krankheit" zum "erstem Lebensbedürfnis". Und wer seinen Antrieb gefunden hat und tatsächlich lebt, der kann eigentlich nicht wirklich arm sein. Doch Frithjof hat sich dennoch gewehrt, unter die Positivdenker eingereiht zu werden. Er hat gefordert, dass gerade aus dieser inneren Kraft heraus die mittlerweile unerträglich gewordenen Umstände der gesellschaftlichen Realität herauszufordern und zu ändern sind. ˧

Der scheinbar unvermeidlichen "Schlachtspaltung" zwischen arm und reich, der Tennung von "Wüsten-" und "Oasenmenschen", die parallel zur Klimakrise, zum Ressourcenfraß und zum Verfall der die Gesellschaft tragenden Kultur wie ein Tsunami anschwillt, wollte Frithjof mit einer zweiten Säule begegnen. Die im Übermaß vorhandenen technologischen Innovationen sollten auch denen zur Verfügung stehen, die vom Reichtum der Warenwelt ausgeschlossen sind. Statt sich an den Müllhalden und Sozialeinrichtungen der Wohlfahrt anzustellen, sollten gerade die Armen und Ausgegrenzten ihren Stolz und ihren Ehrgeiz, ihre Kraft und ihre Fähigkeiten in innovativen Projekte der handwerklichen - aber in der Perspektive auch durchaus hochtechnologisch automatisierten Selbstversorgung - gewinnen. Die Unerträglichkeit, dass die produktiven Kräfte der Gesellschaft lediglich denen zur Verfügung stehen, die damit ihr Kapital vermnehren, die wollte er nicht akzeptieren. Er wollte Zentren der neuehn Arbeit schaffen, in denen sich die Energie von Menschen bündelt und multipliziert, freiwillig und lediglich von Bedürfnissen bestimmt. ˧

Gerade die Gedoppeltheit seines Ansatzes in eine subjektive und eine objektive Seite hat zu unzähligen verschiedenen Interpretationen und Praktiken Anlass gegeben. Dazu trägt auch bei, dass er sich nicht als Theoretiker oder Handwerkler alternativer Beschäftigung sah, als Unterhaltgeber und Unterhalter einer industriellen Reservearmee. Dazu war er vielzu sehr von der krisenhaften Verfasstheit der ganzen Moderne überzeugt, wollte Allianzen schmieden und Kräfte sammeln um einen Gegenentwurf Gestalt annehmen zu lassen. Er blickte also auch auf die Seite der Mächtigen, um die Verantwortlichen anzusprechen. Frithjof Bergmann zielte auf das Ganze, er vergaß nie, von einer neuen Kultur zu reden, und sah auch die zunehmenden Ansätze in hypermodernen Firmen wie Google, die Beschäftigten sogar zur Verfolgung eigener Projekte in der Arbeitszeit zu ermutigen, einen Mosaikstein in einem langfristigen globalen Kulturwandel. ˧

In den letzten Jahren musste er aber erleben, wie der Begriff "New Work" zwar immer populärer wurde, aber in einer domestizierten Form zur Spielwiese von Personalern, Recruitern, Betriebsberatern, Managern und Imageverkäufern verkam. Und wie die Vision einer besseren, ­stärker an den Wünschen und Vorstellungen des Individuums ausgerichteten Arbeitswelt zum "sexy mit Minirock gestylten" Verkaufsargument einer digitalen Ökonomie wurde, die in Wahrheit volle Identifikation und Einsatz der eigenen Mitarbeiter in einem immer schneller und intensiver ablaufenden Arbeitsalltag unter Einsatz auch aller bislang privaten Ressourcen meinte. So sprüche wie "Liebe was Du tust" und "Habe Spaß an der Arbeit" sei es gerade nicht, was er hätte sagen wollen, sagte er noch jedem der es hören wollte vom Krankenbett aus, sondern: finde heraus, was überhaupt das Deine ist. ˧

Gerade in dieser Ambivalenz, gerade in dieser Unbestimmtheit und doch Radikalität liegt die bleibende Kraft und Unruhe, die Frithjof Bergmanns Thesen auslösen. Ob nomadische Telearbeiter, Coworking Spaces, Maker Spaces, neues Handwerk, oder eben digitale Dörfer - in vielen Facetten der Wiedereroberung von Handlungsspielräumen und Gestaltungsmöglichkeiten durch vernetzte Gemeinschaften leben Frithjofs Gedanken fort. - Einer seiner Lieblingssätze in den letzten Jahren, auch wenn wir miteinander sprachen, war der Satz "Wir müssen alle wieder Bauern werden". Die Utopie der Menschen, die sich gemeinsam mit allem selbst versorgen, was sie brauchen um ein erfüllendes Leben zu führen, war ihm also nicht nur nicht fremd, sondern hat ihn bis zum Ende stark bewegt. Er bat mich im März 2018 um meinen Input, wie denn so ein neues Bauerntum aussehen könnte. Er arbeite dran und wäre auf meine Ausführungen gespannt. Damals schrieb ich ihm zurück: ˧

Hallo Frithjof, ˧

ja in der Tat habe ich gedanklich ein neues Bauerntum entwickelt. Eines, das es so noch nie gab. ˧

Wir haben Kräuterbauern, Wellness- und Heilbauern, Solarenergie- und Treibstoffbauern, Wellnessbauern, Bodenbelebungs- und Humusbauern mit Wurmställen, Pflanzenkunststoff-, Pflanzenfaser- und Werkstoffbauern, aquaponische Fisch-und Gemüsebauern, Recycle/Upcyclebauern, Pflanzenmusikbauern, All Inclusive Wohnbauern, Wohnwaldbauern, Erdziegelbauern, Insektenbauern, Mikrobenbauern, Wasserretentionslandschaftsbauern, Genpoolbauern, Selbstbaufeldpflegebauern. und viele Bauern mehr. Unsere Kreislaufwirtschaften viele neue Naturbeziehungen möglich machen ˧

Nicht zu reden von den neuen Gewerken: der fahrende Müller, der Blechwalzer, der fahrende Replikator - Ersatzteilmacher, die Elektromobilitäts- und Drohnenzentrale, der Materialbroker, der regionale Informationsfinder, der Kreislaufbeauftragte. etc.pp. ˧

Wir müssen auch aufräumen mit der Vorstellung, dass alle diese Menschen quasi einen eigenen Hof besitzen müssen. Vielleicht wohnen sie wie Städter in mehrstöckigen Häusern, um mehr Komfort und weniger Mühe zu haben. Aber sie umgeben sich mit genügend Freiraum, in dem sie diese spannenden Tätigkeiten auch tatsächlich ausführen können. Eben in den globalen Dörfern - Die Erde wird wieder bunt und spannend werden. Der Mensch hat sich nicht in den Ameisenhügeln und Arbeiterschließfächern verkrochen, er gestaltet den ganzen Planeten und ist unmittelbar vor Ort. Er hat einerseits in den Städten gelernt, die Arbeit mit anderen zu teilen, aber er ist abdererseits klug genug geworden, sich nicht in lähmende oder beschränkende Abhängigkeiten zu begeben, sondern seine Unabhängigkeit jederzeit zu wahren. ˧

Und ich zeigte ihm mein Zukunftsbild, zu dem mich auch andere wie Christoph Spehr und Hans Widmer inspiriert haben, und wandte es auf seine Theorie an: Die Neue Arbeit mit ihrer Maxime des wirklich wirklich Wollens hat dazu geführt, dass die Menschen in freier Kooperation leben und arbeiten. Die digitalen Technologien haben sie ortsunabhängig gemacht und ihre Wahlmöglichkeiten vervielfältigt. Und weil sie zu nichts mehr gezwungen werden können und dies auch nicht wollen,, wird jeder Ort um die Menschen die ihn beleben sollen werben müssen. Nicht nur mit materiellen Annehmlichkeiten und natürlichen Schönheiten, sondern auch und vor allem mit den Angeboten einer besonderen Kultur und Lebensgestaltung. Nomadismus und Sesshaftigkeit werden in einer lebensförderlichen Weise zueinander gefunden haben. Vieleicht ist dieses Bild einer Welt, in der ich viele Dörfer besuchen muss, um das zu finden, das mit mir in Resonanz ist, auch eine gute Illustration für die Suche nach dem, was ich wirklich wirklich will. Mein Wille braucht einen gesellschaftlichen und natürlichen Resonanzboden, um zu realer Freiheit zu werden." ˧

dies war es in etwa was ich ihm vor 3 Jahren schrieb. und heute möcht ich nur noch hinzufügen: Habs gut Frithjof - und ich weiß, dass Dir der Satz "Ruhe in Frieden" nicht behagt, wo immer Du auch sein magst... ˧

(Musik) ˧

Ketsa, Work, Album Refraction ˧

Nihilore, Factictiy Album A Human Work ˧

Aufbrüche

Ich glaube, dieser Abschied von Frithjof Bergmann war eine ganz gute Einleitung für die folgenden kurzen Streiflichter aus dem, was ich in den vergangenenen Monaten so erlebt habe, und mit denen ich das was ich das letzte Mal über mögliche Gestaltungsweisen globaler Dörfer ausgeführt habe auf das hier und heute beziehen kann. ˧

Ich fühle mich gerade wie der Zeuge eines Aufbruchs, der synchron an vielen Orten gleichzeitig geschieht. Die Bewegung hat viele Namen, viele Gesichter, viele Facetten. Sie vergeudet ihre Energien nicht in politischem Kampf und intellektueller Kritik, wie immer notwendig die auch sein mögen, sondern sie stellt die neue Welt praktisch her, wo immer es schon möglich ist. Sie baut, entwirft, experimentiert, erfindet, verbessert: eine Welt der regenerativen Dörfer, in der Mensch und Natur wieder zusammenfinden, und in der das menschliche Wissen und Können auf höchstem Niveau gefordert ist, um jene Eleganz und Leichtigkeit im Zusammenspiel der Teile zu reproduzieren, die das Netzwerk des Lebens in Milliarden Jahren entwickelt hat. ˧

Zwei Ereignisse unter vielen anderen waren es insbesondere, in denen sich ein wahres Kaleidoskop menschlicher Kreativität entfaltete. Zum einen die "Rural Design Days" Mitte März, veranstaltet von der Initiative "Silicon Vilstal" in Bayern, zum anderen die Konferenz re:build Anfang Mai, in der ein internationales Netzwerk von jungen Designern und Aktivisten das Thema regenerative Dörfer auf die Tagesordnung setzte. Obwohl ich mich seit Jahren mit dem Thema beschäftigt habe, war ich doch sehr überrascht von der Kraft und Vielfalt der Ansätze. ˧

Das betrifft nicht nur den Ansatz von Rem Kohlhaas mit seiner kürzlich beendeten Ausstellung „Countryside, The Future” die von Chefkurator Troy Therrien bei den Design Days vorgestellt wurde, das zeigt sich auch beim Projekt der Burning Man Community auf der 18 Quadratkilometer großen Fly Ranch in Nevada, das vielleicht eines der bedeutenden Projekte der re:build war. Wie können sich Mensch und Natur wieder nachhaltig verbinden, das war die Aufgabe mit der die Land Art Generator Initiative an die 200 Vorschläge von Design Teams einsammelte. 52 Einreichungen wurden in eine Shortlist aufgenommen, zum Beispiel das Projekt Nexus, das für eine Demonstration einer selbsttragenden Dorfhülle den innovativen Baustoff Ferrock verwendet, der Abfallprodukte aus der Stahlproduktion mit Kieselerde aus gemahlenem Glas vermengt - was unter Aufnahme von atmosphärischen CO² zu einem Baumaterial führt, das sowohl stärker als auch elastischer als Zement ist. Oder das Projekt Seed, das Solarenergie, Geothermie, passive Kühlung, Kompostierung, Gewächshäuser, Aquaponik, Biofilter und Grauwasserrecycling kombiniert. Wer nach der Land Art Generator Initiative LAGI und Fly Ranch googelt findet eine schier unglaubliche Vielfalt an baulichen Entwürfen, die mehr sind als künslerische Skulpturen, die uns eine Ahnung geben wie auch insbesondere unter Zuhilfenahme lokaler Materialien und Synergieeffekten eine regenerative Gestaltung unserer Lebensräume möglich ist. ˧

Bei den Rural Design Day hat mich wiederum besonders ein Beitrag aus dem englischen Lake District beeindruckt. Die Organisation Grizedale Arts mit ihrem Direktor Adam Sutherland in Coniston - aufbauend auf den legendären Arbeiten des englischen Schriftstellers, Kunsthistorikers und Sozialphilosophen John Ruskin - verfolgt seit dem Jahr 2000 die Idee, eine neue Art von Kunstinstitution aufzubauen, eine, die jenseits der etablierten Strukturen der zeitgenössischen Kunstwelt arbeitet - flexibel, unbürokratisch und immer auf der Suche nach Gelegenheiten, bei denen sie sich mit gleichgesinnten Organisationen und Menschen auf der ganzen Welt vernetzen kann, unabhängig davon, ob es sich um Künstler und Kunstorganisationen handelt oder nicht. Im Mittelpunkt ihres Ethos steht das Streben nach einer wertvollen Funktion für die Kunst, die sie durch Auftragsvergabe, Kuratieren,gemeinschaftliche Produktion und Bildung erkunden. Ein uraltes kleines Kloster mit 5 Hektar artenreicher Wiese und Gärten ist nur einer der Stützpunkte. Alte Gasthäuser und Handwerksbetriebe werden liebevoll renoviert und mit neuem Leben erfüllt. Gastkünstler, Schriftsteller, Akademiker, Kuratoren, Studenten, Architekten, Designer und Kunsthandwerker aus der ganzen Welt sind geladen, mit den Standorten und den benachbarten Gemeinden zusammenarbeiten und Veranstaltungen und Aktivitäten durchführen, die ein Aufeiandertreffen zwischen Kunst, Gemeinschaft, politischem oder wirtschaftlichem Denken und Handeln darstellen und zu kreativen Lösungen führen. ˧

Was mich bei diesem Projekt besonders beeindruckt hat war die Bereitschaft, kreative Projekt im Ausland anzugehen und Traditionen, und Qualitäten mit kreativen Ideen zu unterstützen. Zum Beispiel das japanische Dorf Kiwanisato, wo im Jahr 2017 der 87-jährige örtliche Bauer Okomoto-san einen "10-Jahres-Traum" konzipiert hatte. Das Ziel seines Projekts war es, jüngere Menschen für die landwirtschaftliche Lebensweise in seinem kleinen Dorf mit einer schnell alternden Bevölkerung zu begeistern. Mr. Okomoto wusste, dass seine Lebensweise für den Großteil der heutigen Bevölkerung Japans nicht attraktiv war. Als Ergebnis dieser Forschungsprojekte wurde die gemeinsame Idee eines ganzen Dorfes als Schule entwickelt, eines, das Fähigkeiten (soziale und handwerkliche) mit anderen Dörfern in verschiedenen Teilen der Welt austauschen könnte- als Teil einer weltweiten Initiative aus, die (im Moment) "Die Konföderation der Dörfer" heißt und für die derzeit Unterstützer und Partner sammeln. Unser Ziel ist es, von den Ansätzen der anderen in Bezug auf ähnliche Themen, Wohnen, Bevölkerung und Infrastruktur zu lernen. Das Projekt soll ein fortlaufender Gastgeber für eine Reihe von "Schulen" in den Bereichen Architektur, Handwerk, Hosting, Kollektivität und Neuerfindung werden, die jeweils von verschiedenen Gruppen aus der ganzen Welt geleitet werden. Gerade Japan ist, in den Worten von Adam Sutherland, quasi ein tropischer Regenwalt an kulturellen, handwerklichen und kulinarischen Traditionen. Mehr über dieses Projekt findet Ihr auf der Website dreamofkiwanosato.org/. ˧

Über re:build habe ich eine Fülle ähnlicher kulturkreativer Projekte kennengelernt, und möchte nur ein besonders schönes hervorheben, nämlich das PURE Projekt von Ryan Fix in Bali. PURE (früher Pure House) wurde 2012 in Brooklyn gegründet und war ein Vorläufer der Coliving-Bewegung. Coliving hat sich parallel zu Coworking entwickelt, und weist auch viele strukturelle Ähnlichkeiten auf. Wie beim Coworking will man der Isolation des alleine - Arbeitens entfliehen, tauscht man sich mit Gleichgesinnten aus, profitiert vom gegenseitigen Know-how, neuen Ideen und dem Netzwerk der Mitmenschen und Bewohner. Mit dem Unterschied, dass das alles nicht nur in einer Arbeitsumgebung, sondern in einer gemeinsamen Wohnumgebung geschieht. ˧

Das wunderschöne Feriendorf in Bali ist also genauso wie Adam Sutherlands Reich im Lake district das Labor für eine internationale Community: Im Jahr 2016 gründete PURE Co-Liv als Branchenverband für den aufstrebenden Co-Living-Sektor. Heute haben sie über 500 Mitglieder, die meisten davon sind selber Betreiber von Co-Living spaces. Da diese Nischenbewegung zu einem der attraktivsten Sektoren für Immobilieninvestitionen heranwächst, gibt es einen dringenden Bedarf an Vordenkerschaft bei der Gestaltung von Gemeinschaft. Dies führte die Gemeinschaft nach Bali, wo sie Trainingsprogramme entwickeln und veranstalten, die sich auf authentische Beziehungen, die Entwicklung von Führungskräften, die Moderation von Gemeinschaften, den Aufbau von Kulturen und die Kunst des Gastgebers konzentrieren. Als lebendes Laboratorium konzipiert, werden Hypothesen getestet, aus Fehlern gelernt und innovative Designlösungen entwickelt. ˧

Nomaden und Touristen

Es ist also durchaus so wie ich vorhin bei Frithjof angedeutet habe: Eine wichtige Quelle der Entstehung globaler Dörfer ist das kulturkreative Millieu, das zusammen mit den digitalen Nomaden sich heute schon in nie gekannter Mobilität und Flexibilität nach Orten der Manifestation gemeinsamer Werte, Ideale und Vorstellungen umsieht. ˧

Einer der mich besonders beeindruckt hat mit seinem re:build Vortrag war Jorin Eichhorn, Co-Founder von Economadia ( https://economadia.org) und Experte für Coworking und Coliving in ländlichen Gebieten. Seit 2016 geht er der Frage nach, wie man die Ortsunabhängigkeit, das Leben in der Natur und einen nachhaltigen Lebensansatz miteinander vereinen kann. Er schreibt - und mein Freund Michael Hierner, der mich grad jetzt hier in Radkersburg besucht, leiht ihm die Stimme: ˧

"Wenn du dir aussuchen könntest, wo, wie und mit wem du leben möchtest, was wäre deine Antwort darauf? Würdest du gesünder essen und mehr Sport treiben? Vielleicht irgendwo wärmer leben oder am Meer dich niederlassen? ˧

Ich habe da eine Vision. Die Vision des Dorfes des 21. Jahrhunderts, wo man als Ortsunabhängige/r auf Gleichgesinnte mit spannenden Projekten und Ideen trifft und man seine eigenen Ideen verfolgen kann. Und das Ganze in schöner Natur zu genießen und dabei sogar noch nachhaltig für sich selbst und die Umwelt leben. In einer Zeit, in der Remote Jobs und Home Office so langsam auch im deutschen Raum salonfähig werden, ist das keine Illusion mehr. Ich selbst möchte nicht völlig abgeschnitten von der Gesellschaft leben. Auch dauerhaft im Campingbus leben,wäre nicht wirklich mein Ding. Aber eben auch nicht mehr unbedingt dem bisher alternativlosen Stadtleben ausgesetzt sein, mit all seinen Nachteilen wie den hohen Mieten, der Verkehrsbelastung, einem nicht selten verschandelten Stadtbild. ˧

Aber: Auf spannende und interessante Leute mag ich wiederum auf keinen Fall verzichten. Wie also bekommt man sowas unter einen Hut? Es gibt sie inzwischen schon: erfolgreiche und etablierte Coworking und Coliving Projekte – und zwar auf dem Land. Und nein, nicht nur auf irgendeiner thailändischen Insel in der Südsee. Ich spreche von Europa, von einer italienischen Kleinstadt oder einem spanischen Dorf. ˧

Auch in Deutschland gibt es erste Pionierprojekte mit Tiny Houses und Gemeinschaftsflächen, Coworking Space Projekte in Orten, von denen man noch nie etwas gehört hat, wenn man nicht zufällig im gleichen Landkreis lebt. Und das ist nicht für Aussteiger, sondern für Stadtmenschen, denen die Stadt einfach zu voll und zu eng geworden ist. Und das Gute daran ist: Man muss sich nicht bis ans Lebensende verpflichten, sondern kann zwei bis drei verschiedene Homebases über das Jahr verteilt haben. Nochmal: Man kann sich seinen ganz eigenen Lifestyle aufbauen wenn ein gewisser oder auch kompletter Grad an Ortsunabhängigkeit gegeben ist. ˧

Im Herbst 2017 habe ich zusammen mit meiner damaligen Freundin in Portugal ein kurzes Pilotprojekt gemacht. Quasi als Test, ob Andere auch solchen Fantasien folgen würden. Wir hatten die Möglichkeit, uns eine kleine Farm außerhalb von Porto im Norden Portugals anzumieten, wo eben genau das möglich war. Platz und schnelles Internet zum vernünftigen Arbeiten, gleichzeitig die wunderschöne Natur direkt vor der Türschwelle. Diese "Economadia Coworking Farm" wurde ein voller Erfolg, die entsprechenden Gäste ließen sich da nicht lange bitten. Ich bin überzeugt davon, dass diese Art von Landleben eine Zukunft hat. Ich bin aber auch überzeugt davon, dass man das nicht alleine schafft. Zusammen macht es sowieso mehr Spaß. Deswegen habe ich angefangen, im Rahmen von Economadia sogenannte Workations anzubieten. Workations ist eine Wortzusammensetzung aus „Work“ und „Vacation“ und meint im Prinzip ein Retreat oder Camp für Online Arbeitende. Denn diese sitzen oft stunden- und wochenlang alleine am Computer und basteln irgendetwas vor sich hin.So berechtigt und auch wichtig diese Zeit natürlich ist, ich persönlich halte es für essentiell wichtig, aus diesem Tunnel in regelmäßigen Abständen rauszukommen, sich mit anderen Leuten auszutauschen und neue Impulse und Inspirationen zu bekommen." ˧

An einer anderen Stelle schreibt er, und es klingt wie eine Paraphrase auf Frithjof Bergmann: "Früher habe ich Menschen dafür verurteilt, wenn sie in scheinbarer Sicherheit verharrten, vor allem, wenn sie mit etwas weitermachten, das sie hassten. In diesem Zusammenhang klingt Freiheit wie eine sehr süße Lösung, vielleicht sogar wie die einzige. Nach meiner persönlichen Erfahrung und durch viele Gespräche mit Menschen, die bereits den erhabenen Status der Ortsunabhängigkeit erreicht haben, glaube ich jedoch, dass dieses Streben nach Freiheit irgendwie unvollständig ist. Es ist eher eine Flucht, ein Weglaufen vor etwas in einen leeren Raum. Wie das Reisen ohne ein bestimmtes Ziel. Während dies nicht unbedingt schlecht ist und sich in der Tat zu wunderbaren Dingen entwickeln kann, möchte ich hier den "Faktor Sinn" vorschlagen. Das größere Ziel, das Sie anstreben, das Etwas, auf das Sie zulaufen. Zum Beispiel, dass man mit einer Mission auf Reisen geht. Als Ortsunabhängiger haben Sie eine spezielle Möglichkeit, zu etwas Größerem beizutragen als nur sich selbst und vielleicht Ihr glänzendes Instagram-Profil. Es gibt einen Sinn für Ihre Bestrebungen und Ambitionen. Es fühlt sich richtig an." ˧

Und so hat Jorin begonnen, sich mit den positiven Wechselwirkungen zwischen digitalen Nomaden und der sesshaften Landbevölkerung zu beschäftigen, nicht nur in Coliving Spaces selbst, sondern in ganzen Dörfern und ihrer Kultur. Gerade die Verbindung, die wechselseitige Bereicherung ist nicht nur auf Menschen mit demselben Lebenstil beschränkt. Die authentische Begegnung mit Kulturen und Menschen, mit der Qualität der lokalen Traditionen und Produkte, führt letztlich zu einer fruchtbaren Symbiose. Dieser gegenüber offen zu sein, auch für Möglichkeiten der eigenen Lebensgestaltung, unterscheidet letztlich diese Szene mit ihren eigenen Plattformen wie Floasis, Oasa.co, Pandorahub oder No Footprint Nomads von den üblichen Plattformen wie Booking. ˧

Es ist eben ein Unterschied ums ganze, für einen sehr begrenzten Zeitraum aus dem Hamsterrad ausbrechen zu dürfen und dann ein Maximum an Kompensation und Erholung und Spaß zu fordern, wie es die traditionelle Tourismusindustrie mit ihren zerstörerischen und verschwenderischen Einrichtungen jahrzehntelang betrieben und gefördert hat, oder sich tatsächlich Land und Leuten anzunähern, auch genügend Zeit und Gelassenheit dafür aufzubringen. ˧

Und doch scheint die kulturelle Veränderung auch den Tourismus nicht unbeeinflusst zu lassen. Eine der vielen kleinen tektonischen Bewegungen ist der Aufruf "Best Tourism Villages" der UNWTO (United Nations World Tourism Organization): "Mit der Vision, den Tourismus zu einer positiven Kraft für den Wandel, die ländliche Entwicklung und das Wohlergehen der Gemeinschaft zu machen, zielt "Best Tourism Villages by UNWTO" darauf ab, den Beitrag des Sektors zum Abbau regionaler Ungleichheiten und zum Kampf gegen die Landflucht zu maximieren. Außerdem soll die Rolle des Tourismus bei der Wertschätzung und dem Schutz ländlicher Dörfer zusammen mit den dazugehörigen Landschaften, Wissenssystemen, biologischer und kultureller Vielfalt, lokalen Werten und Aktivitäten, einschließlich der Gastronomie, des Handwerks und unternehmerischer Aktivität, gefördert werden." Diese völlig neuartige Initiative findet heuer erstmals statt und der Aufruf zur Bewerbung läuft noch bis 31. Juli. Neben einer Verleihung einer Auszeichnung wird es auch ein Unterstützungsprogramm für die Verbesserung noch fehlender Bereiche geben und auch ein Netzwerk von Dörfern, Experten und anderen Partnern. Wenn wir zurückdenken auf das Jahr 2014, als die UN noch offiziell die Entvölkerung des ländlichen Raumes als Zukunftsperspektive propagierte, so hat sich offensichtlich in kurzer Zeit sehr viel getan. Ich komme am Ende der Sendung nochmal drauf zu sprechen. ˧

OK, jetzt hab ich im Sendungsscript schon fast 28 000 Zeichen und nähere mich der zeitlichen Grenze - dabei hab ich noch nicht mal gescheit angefangen zu erzählen. Weder von James Ehrlichs Regen Villages, noch von den vielen Dörfern in Bali, Thailand, Madeira und Festland - Portugal die sich ganz bewusst mit digitalen Nomaden entwickeln. Noch von den vielen Lern- und Bildungsdürfern wie Springhouse in Virginia. Noch von der neuen Kultur des Solarpunk, séiner jungen Bewegung die Technologie und Integration in die Natur in vielen Formen zusammenbringen will. Noch von der "most connected community in the world", Olds in Alberta - Kanada mit ihren vielen positiven Entwicklungen. Auch nicht von den vielen Festivalveranstaltern die sich vom Burning Man haben inspirieren lassen wie zum beispiel borderland oder waking life.. und von den vielen innovativen Ideen, auf dem Wasser oder im Wald zu leben und doch miteinander verbunden zu sein. Mir fällt auf dass ich vielleicht sehr lange brauchen werde um das alles noch zu erforschen und zu verarbeiten, und es vielleicht gar nicht mehr schaffen werde. Aber der allgemeine Eindruck bleibt: Die Bewegung für die Globalen Dörfer existiert schon, unter vielen Namen, mit vielen Zugängen. Und diese Sendung ist dazu da, immer wieder Elemente davon unter die Lupe zu nehmen... ˧

Schlagzeilen, gesammelte

(Musik)Julie Maxwell mit Odyssey ˧

Und so schließe ich heute mit ein paar vermischten Schlagzeilen, die sich so in unserer facebook Gruppe "Global Villages Network" angesammelt haben. ˧

Laut Bloomberg.com vom 21. Mai sind zwischen 80.000 und 100.000 Italiener sind seit Beginn von COVID-19 in abgelegene ländliche Dörfer gezogen . Jetzt schaffen die Regionalregierungen Anreize für sie, zu bleiben. ˧

https://www.bloomberg.com/news/articles/2021-05-21/how-covid-repopulated-rural-italian-villages ˧

Laut einer Publikation der irländischen Regierung, verbreitet vom World Economic Forum, werden im ganzen Land 400 ländliche Telearbeitszentren errichtet https://www.facebook.com/worldeconomicforum/posts/10157862115176479 ˧

Und vor wenigen Wochen ist der World Social Report 2021 der Vereinten Nationen erschienen. Ich zitiere: ˧

"Ländliche Entwicklung ist eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Es ist auch eine Aufgabe, die aus dem Leitprinzip der Agenda folgt - niemanden zurückzulassen. Deshalb muss die ländliche Entwicklung jetzt neu gedacht werden. Statt eines Nebenschauplatzes oder eines Anhängsels der städtischen Entwicklung sollte die ländliche Entwicklung in den Mittelpunkt gerückt werden. Der Lebensstandard der Landbevölkerung kann durch einen Prozess, der oft als "In-Situ-Urbanisierung" bezeichnet wird, auf das Niveau der Stadtbevölkerung angehoben werden, was auch dazu beitragen kann, viele ungerechtfertigte Folgen einer ungezügelten Land-Stadt-Migration zu vermeiden. In Zukunft könnte der In-situ-Urbanisierung als Modell für die ländliche Entwicklung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden." ˧

https://www.un.org/development/desa/dspd/wp-content/uploads/sites/22/2021/05/OVERVIEW_WSR2021.pdf ˧

In der Tat könnte die seltsame Wortgruppe "In Situ Urbanisierung" als eine etwas hölzerne Umschreibung der Idee der Globalen Dörfer geommen werden. Wir werden sehen. ˧

Damit bin ich für heute am Ende, aber ich muss sagen, es war mehr denn je ein Bild eines starken und vielfältigen Anfangs. Wir hören uns wieder am 28. Juni bei der 21. Sendung "Willkommen im Globalen Dorf". ˧

Jason Shaw > Audionautix: Acoustic > SERENITY ˧

Musikauswahl

https://freemusicarchive.org/music/Nihilore Artist Nihilore Album A Human Work Facticity Attribution 3.0 Unported (CC BY 3.0) ˧

Julie Maxwell Odyssey Attribution-NoDerivatives? 4.0 International (CC BY-ND 4.0) ˧

https://freemusicarchive.org/music/Jason_Shaw/Audionautix_Acoustic/SERENITY Jason Shaw > Audionautix: Acoustic > SERENITY ˧

https://freemusicarchive.org/music/Ketsa/Refraction/work_stems_Master Artist Ketsa Album Refraction Track work Attribution-NonCommercial?-NoDerivatives? 4.0 International (CC BY-NC-ND 4.0) ˧