[Home]
Willkommen im Globalen Dorf /
12 Das Dorf als Campus


Home
Neues
TestSeite
DorfTratsch

Suchen
Teilnehmer
Projekte

GartenPlan
DorfWiki
Bildung+Begegnung
DorfErneuerung
Dörfer
NeueArbeit
VideoBridge
VillageInnovationTalk


AlleOrdner
AlleSeiten
Hilfe

Einstellungen

SeiteÄndern







Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Outline / Materialsammlung   
Text   
Lernen in Gemeinschaft   
Campus   
Martin Hollinetz   
Musik   
interessante Links   
˧

Outline / Materialsammlung    

Einleitung: WennDasDorfFehlt (Schön vertont und verjazzt) ˧

Der Raum als dritter Pädagoge: Loris Malaguzzi, einer der Begründer der frühkindlichen Reggio-Pädagogik, prägte den Begriff vom "Raum als dritten Pädagogen". https://www.reggiobildung.at/paedagogik/ ˧

Wie müsste ein Dorf beschaffen sein, damit es eine pädagogische Funktion erfüllen kann (Florence Holzner) ˧

Schulcampus Vorchdorf, Moosburg (Mit Interviews) ˧

  • Martin Hollinetz ? ˧
  • Roland Gruber ? ˧
Dorfplatz St. Andrä Wördern ˧
  • Barbara Resl ˧
Unter Bildungsaspekt, nicht nur DorfUni ˧

Material Campus Osttirol ˧

Elisabeth Ziegler 5:01 - 7:49 Campus Osttirol war für mich der versuch, alles was an Wissenschaft in der Region passiert sichtbar zu machen. Es gibt seit JAhren wissenschaftliche Einzelprojekte: "Uni im Dorf" Außervillgraten, Uni Wien in Matrei Soziologietage, in Kals Sprachwissenschaftliches Symposium, Archäologische oder medizinische Forschung sichtbar machen. ˧

Text    

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, hier ist wieder einmal Franz Nahrada aus Bad Radkersburg mit der Sendung "Willkommen im Globalen Dorf". Heute haben wir die 12. Folge, und irgendwie bedeutet das dass wir schon ein ganzes Jahr uns mit der Frage beschäftigen, warum die massive Wiedererfindung des Dorfs und der Dörflichkeit einen Ausweg aus den mannigfaltigen Krisen unserer Zivilisation leisten kann. ˧

Eins ist klar:Wenn ich von der Wiederfindung des Dorfes spreche, dann heißt das, dass es nicht um ein einfaches zurück zu früheren Lebensformen geht, sondern um die Verbindung all dessen, was die städtisch dominierte Epoche an wirklichen Fortschritten gebracht hat, mit einer neuen dörflichen Lebensweise. ˧

Die Amalgamierung zu einem neuen, spannenden Lebensraum mit so vielen Aspekten, dass wir ihn auch in 100 Folgen noch nicht ausloten können.... Der Name "Globales Dorf" steht für die zu lösende Aufgabe, Stadt und Land wieder zusammenzuführen und eine hochwertige Lebensumgebung auch und besonders außerhalb der Metropolen zu gestalten, in einer Welt, die entschieden wechselseitige Kooperation und Unterstützung selbständiger Gemeinschaften an die Stelle der mörderischen Konkurrenz und des wirtschaftlichen Konkurrenzdrucks, an die Stelle des Kampfes um Macht und Einflusssphären stellt. Wir können das, wir können unsere Welt umgestalten, und überall die Potentiale für lokalen Überfluss entfesseln. Aber es bedarf einer klaren Vorstellung, einer Umgestaltung im Geiste, einer großen Forschungsarbeit, um das Mosaik der Möglichkeiten intelligent zusammenzusetzen... ˧

Da spielen viele Perspektiven mit, Architektur und Technik, Ökologie und Biowissenschaften, neues Kreislaufwirtschaften, Soziologie und Psychologie, Menschenbilder, echte Machtübergänge auf dezentrale Strukturen, politische und kulturelle Selbstbestimmung, bei gleichzeitiger nie dagewesener Aktivierung von Kommunikation und Bildung - das und vieles mehr muss zusammenspielen. In aller Bescheidenheit glaube ich aber, dass dieser komplexe Vorschlag die meiste Kraft hat, Mensch und Natur wieder ins Gleichgewicht zu bringen, mehr Kraft jedenfalls als der immer noch amoklaufende Zug der MAssenverstädterung, die wir bewusst stoppen müssen. ˧

In vier Folgen dieser Sendung (es wurden dann sechs, FN Jan 2021) geht es um das Thema Wissen und Bildung, und ich habe das letzte Mal einleitend zu zeigen versucht, dass die mikro-urbane Verdichtung und Vernetzung, die die Grundlage für die Lebensfähigkeit und Attraktivität ländlicher Räume der Zukunft bildet, aufbauend auf immensen Fortschritten der Technologie aber auch der Einsicht wie Mensch und Natur optimal koexisitieren, dass die Realisation dieser Möglichkeit vor allem die Frage der Neuorganisation der Bildung zu der Überlebensfrage ländlicher Räume macht. Heute möchte ich gerne die Perspektive wechseln und erklären, warum umgekehrt das Dorf oder die Dörflichkeit ihrerseits die bildungsfreundlichste Umgebung ist, der optimale Raum für menschliche Entfaltung. ˧

Unlängst fand ich im Internet eine starke und leidenschaftliche Anklage einer Mutter, in deren Kern der folgende Gedanke steht: "Obwohl der Ausdruck „Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen“ zum gerne zitierten Klischee geworden ist, spricht fast niemand über die Auswirkungen unserer dorf - losen Realität!" ˧

Ich habe diesen Brief von Beth Berry übersetzt, weil die Motive dieses Briefes wie kaum etwas anderes das Anliegen dieser Sendereihe unterstützen. ˧

einarbeiten http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?WennDasDorfFehlt ˧

ich habe meine Kollegin Kornelia Senzenberger aus Vöcklabruck gebeten, diese siebenminütige Passage vorzulesen. Der Brief beginnt mit der Feststellung dass gerade Mütter die Ungerechtigkeit und Unerträglichkeit einer dorflosen Realität am meisten zu spüren bekommen: ˧

Obwohl diese Ungerechtigkeit alle betrifft - Männer, Frauen und Kinder gleichermaßen -, fühlen Mütter die Bürde nicht nur mehr als die meisten anderen - sondern wir fühlen uns auch unverhältnismäßig dafür verantwortlich, ihre allgegenwärtigen und zutiefst schädlichen Symptome zu lindern. ˧

Die Ungerechtigkeit ist folgende: ˧

Es braucht ein Dorf, aber es gibt keine Dörfer mehr !! ˧

Mit Dorf meine ich nicht einfach "eine Gruppe von Häusern und zugehörigen Gebäuden, größer als ein Weiler und kleiner als eine Stadt in einer ländlichen Gegend". Ich beziehe mich auf die Lebensweise relativ kleiner, relativ geschlossener Gemeinschaften mit mehreren Generationen. Gemeinschaften, in denen sich die Menschen gut kennen, die Freuden, Belastungen und Sorgen des Alltags teilen, sich in Zeiten der Not gegenseitig pflegen, sich um das Wohlergehen der ständig umherstreifenden Kinder und zunehmend abhängigen älteren Menschen kümmern. Wo sich die Menschen sich sogar genährt und belohnt fühlen durch den klaren und wesentlichern Beitrag zu der Gruppe, die sie sicher hält. ˧

Ich spreche bei all dem von der allernatürlichsten Umgebung, in der Kinder aufwachsen können und sollten. ˧

Ich spreche von einer Lebensweise, für die wir biologisch gebaut sind, aber die wir in den industrialisierten Ländern kaum mehr finden. ˧

Ich spreche vom wichtigsten unerfüllten Bedürfnis, das die schmerzlich empfundene Frustration fast jeder dorflosen Mutter hervortreibt. ˧

In Abwesenheit des Dorfes sind wir benachteiligt wie nie zuvor. Wir haben vielleicht mehr Freiheiten als unsere Vormütter, aber unsere Last bleibt unverhältnismäßig schwer. ˧

Seit jeher (und bis vor kurzem) haben Mütter die Lasten des Lebens zusammen getragen. Wir schrubbten unsere Kleidung in den Bächen, während wir über plätschernde Kleinkinder lachten und um den jüngsten Verlust von Liebe oder Leben trauerten. Wir haben gewebt, genäht, gepflückt, aufgeräumt oder repariert, während wir Geschichten ausgetauscht und uns um unsere alternden Großmütter gekümmert haben. Wir pflegten die Wunden der anderen (sowohl physisch als auch emotional), konnten uns in schwierigen Zeiten aufeinander verlassen und suchten Rat bei den weisen, erfahrenen und geschätzten Ältesten unserer Gemeinde. ˧

Das Dorfleben förderte von Natur aus ein Gefühl von Sicherheit, Zugehörigkeit, Sinn, Akzeptanz und Wichtigkeit. Diese wesentlichen Elemente des Gedeihens waren einfach natürlich vorhanden, eingebaut in unser Leben. ˧

Und jetzt? Jetzt sind wir gezwungen, all das für uns selbst zu schaffen innerhalb einer Gesellschaft, die sich physisch und energetisch um eine Reihe ganz neuer Prioritäten herum umstrukturiert hat. Das Modell heißt "Der Profit steht über den Menschen", und das gefährdet das Wohlbefinden von fast allem, was wir Mütter schützen sollen und wollen. ˧

Und obwohl ich von Natur aus optimistisch und hoffnungsvoll bin, hat mich dieses Dilemma im Laufe der Jahre viele Male entmutigt. Wie kann eine ganze Nation von Müttern eine so massive Geschichte verdrängen, wie schaffen sie das, während sie individuell und kollektiv derart geschwächt werden, weil genau das fehlt, was sie so dringend brauchen? ˧

In Abwesenheit des Dorfes lastet ein enormer Druck auf uns Eltern, wenn wir versuchen, das auszugleichen, was ganze Gemeinden früher ganz selbstverständlich zur Verfügung gestellt haben. ˧

Die natürliche Lebensweise unserer Kinder ist beeinträchtigt, da die meisten Stadtteile und Gemeinden keine Rudel herumstreunender Kinder mehr enthalten und tolerieren, mit denen Kinder ihrer Neugier nachgehen und diese immer wieder hervorbringen und fördern können. ˧

Wir rennen (und fahren) wie verrückt herum und versuchen, die Interaktions-, Stimulations- und Lernmöglichkeiten auszugleichen, die einst zu Fuß erreichbar waren. ˧

Wir fühlen uns weniger sicher und ängstlicher ohne die bekannten Grenzen, Erwartungen und die Unterstützung einer bekannten Gruppe von Menschen, mit denen wir wachsen können. ˧

Unsere Prioritäten werden verzerrt und unklar, wenn wir versuchen, viele widersprüchliche Bedürfnisse gleichzeitig zu erfüllen. ˧

Wir fühlen uns entmachtet von den vielen Verantwortlichkeiten und dem Druck, mit denen wir uns so sehr bemühen, Schritt zu halten. ˧

Wir geben Geld aus, das wir nicht haben, für Dinge die wir nicht brauchen, um die innere Leere zu füllen, die wir schmerzhaft spüren. ˧

Wir verlassen uns stark auf soziale Medien, um ein Gefühl der Verbundenheit zu entwickeln, was oft dazu führt, dass wir uns noch isolierter und fehl am Platz fühlen. ˧

Wir fühlen uns einsam und unsichtbar, auch wenn wir von Menschen umgeben sind. ˧

Unsere Partnerschaften sind stark durch die Bedürfnisse belastet, die früher auf die Gemeinden verteilt waren, und unsere Erwartungen an die Angehörigen steigen auf ein unrealistisches Niveau. ˧

Wir fühlen uns häufig verurteilt und missverstanden. ˧

Wir fühlen uns für fast alles schuldig: Wir wollen oder haben keine Zeit, die primären Spielkameraden unserer Kinder zu sein, arbeiten nicht genug, arbeiten zu viel, lassen sie viel zu lang vor dem Bildschirm, um mit unseren Millionen wahrgenommenen Verantwortlichkeiten Schritt zu halten usw. ˧

Wir haben in diesem Abschnitt unseres Lebens viel zu wenig Zeit und Energie, noch jene "Stammesgemeinschaften" aufzubauen, von denen wir in unserer Jugend gekostet haben, zum Beispiel während des Studiums, als mein Stamm von Idealisten und Träumern zu Fuß erreichbar war und wir uns noch nicht den "erwachsenen" sozialen Regeln angeschlossen hatten, die uns sagten, was am wichtigsten war; oder auf Retreat mit anderen Frauen, als jede von uns daran erinnert wurde, wie ähnlich unsere Kämpfe waren und wie verzweifelt wir alle nach beständiger Unterstützung, alltäglicher Interaktion, Heilung und Leichtigkeit und Lebendigkeit suchen; oder bei Festivals im Freien, wenn das Dorf nachgebaut wird, wenn auch nur für ein Campingwochenende, und sich alle auf eine gemeinsame Art, einen kooperativen Rhythmus und einen leichteren Seinszustand einlassen; oder während der Zeit, die ich mit Maya-Müttern im verarmten, ländlichen Mexiko verbracht habe. Dort habe ich aus erster Hand gesehen, welche Segnungen durch die Anwesenheit eines Stammes möglich, wie benachteiligt er auch sein mag. Meine Seele wurde in diesen Zeiträumen tief genährt. ˧

Sie und ich werden wahrscheinlich nicht erleben, wie es ist, Kinder in einem tatsächlichen Dorf zu erziehen, aber das ist in Ordnung. Darum geht es in dieser Generation nicht. Bei dieser Generation geht es darum, aufzuwachen, wer wir wirklich sind und was wir wirklich wollen, und die Segel der Gesellschaft entsprechend wieder zurückzusetzen. ˧

Machen Sie sich eines klar: Die Tatsache, dass Sie Probleme haben, spiegelt nicht Ihre Unzulänglichkeiten wider, sondern die unnatürlichen kulturellen Umstände, in denen Sie leben. Doch wohin wir gehen, sieht nicht so aus, wie das wo wir herkommen. Um die Art von Zukunft zu schaffen, die wir wollen, müssen wir uns diese Zukunft wirklich vorstellen und glauben, dass ein neuer Weg möglich ist. Werde spezifisch und denke groß. Was willst du? ˧

Soweit Beth Berry. ˧

Lernen in Gemeinschaft    

An diesem Punkt möchte ich jemanden vorstellen, der die Dorflosigkeit gerade nicht akzeptiert: Eine Pionierin der Bildung, die diesen anderen, unsichtbaren, verdrängten und vergessenen Aspekt wieder zum Blühen bringt. Die zeigt, wie wir gerade durch die Resonanz mit unserer Umgebung belebt werden, für die das Leben keine abstrakte, dem Einzelnen innewohnende Qualität ist. Vorhang hoch für Florence Holzner: ˧

Flornce Holzner mp3 ˧

Motivational Music von Scott Holmes, aus der unerschöfliche Fundgrube des Free music Archive. Sie hören die September Sendung "Willkommen im Globalen Dorf" auf Radio Agora, und heute geht es um das Dorf als Bildungsraum. ˧

Campus    

Die heutige Sendung trägt den Titel "Das Dorf als Campus". Die Vorstellung, Begrifflichkeit oder auch schlicht das Mem Campus drückt auf der einen Seite sehr schön aus aus, dass es für Lernen einen ganzen Lebensraum braucht. Der Ausdruck Campus ist seit den 1960er Jahren in der deutschen Sprache populär geworden, und während er ursprünglich die räumliche Gestaltung vor allem traditioneller amerikanischer Universitäten meine, also die Stadt des Wissens auf einem freien Feld oder auch auf einem Hügel außerhalb der Stadt, die Zusammenfassung nicht nur der Lern- und Forschungseinrichtungen, sondern auch der studentischen Wohnheime, Freizeiteinrichtungen und sonstigen Infrastrukturen, oft eingebettet in Parklandschaften, durchzogen mit luxuriösen Bibliotheken und Auditorien die den Namen reicher Spender tragen..., so hat sich der Begriff Campus mittlerweile auch bei uns durchgesetzt als der Inbegriff einer Zone für Lernen und auch Arbeiten, die von heterogenen Einrichtungen durchsetzt ist. So gibt es mittlerweile den Schulcampus, den Firmencampus und so weiter. Auf der anderen Seite haftet diesem Begriff auch etwas Steriles an, ein Moment von Künstlichkeit, Abgrenzung und Isolation, das natürlich gerade im Licht des bisher Gehörten grell zutage tritt. Der Campus in den USA war seit jeher der Ort der Privilegierten, Reichen oder Stipendiaten, und er konstituierte und konstituiert einen von der urbanen Alltagswelt mehr oder weniger hermetisch abgeschotteten Raum, mit eigenen Codes, Netzwerken und Kulturen. ˧

Der Wiener Neurologe Wolfgang Lalouschek - er ist in dieser Sendung schon vorgekommen - hat die Spannung zwischen dem Begriff "Campus" und dem Begriff "Dorf" deutlich gemacht, als er mit der Wortschöpfung "Village Campus" für eine Utopie des zukünftigen Lebens in Globalen Dörfern eben dieses Element des "wirklichen Lebens" hereinreklamierte, sozusagen als Vision eines permanent lernenden Lebens für alle. In diesem etwas utopischen Sinn möchte ich das Wort Campus hier gebrauchen, als ein Sprachdenkmal für die Aufhebung der Grenze zwischen Lernen und Leben. ˧

Warum diese Aufhebung so wichtig ist, hat Herbert Marshall McLuhan vorausgeahnt. [1] Von ihm stammt die Beobachtung, dass Lernen eine zunehmend produktivere Aktivität ist als Arbeiten. Er hat einen Zustand antizipiert, in dem wir in der Lage sind, unser Dasein über eine Fülle von Automaten hervorbringen zu lassen. Dies bedeutet aber gerade nicht, dass wir uns passiv bedienen lassen sollen, sondern dass wir die Chance haben, über die Kenntnis aller Arbeitsvorgänge uns immer neue Möglichkeiten der Kombination, der Verfeinerung und Effektivierung zu erschließen, letztlich auch der klugen Koordination und sogar Wiedereinschränkung dieser Kräfte, auf dass es uns nicht so gehe wie Goethes Zauberlehrling, der die Kräfte nicht mehr loswird die er rief. ˧

Während also auf der einen Seite durch Automation ständig die Notwendigkeit der Mühe und Plackerei wegfällt, steigt auf der anderen Seite der Bedarf an intellektueller Kreationsfähigkeit, die sich nicht einfach im Begriff des Programmierens erschöpft. Wir sind gezwungen die Prozesse und Folgen der Technik abschätzen zu können, durch Versuch und Irrtum zu lernen und uns gemeinsam mit unserem Techniksystem weiterzuentwickeln. ˧

Die leider noch immer fortbestehende industrielle Produktions- und Denkweise, die sich gegen ihr logisches Ende durch eine geradezu neofeudale Machtergreifung und Machtentfaltung zur Wehr gesetzt und alle Fortschritte der Technik zur Bewirtschaftung ihrer Kunden verwendet, weiß aber genau diesen zusammenhang zu ignorieren oder auch bewusst und gezielt zu verhindern. Sie degradiert uns zu Konsumenten zunehmend virtueller Waren, anstatt uns in die Lage zu versetzen, wirklich Schöpfer unserer eigenen Lebenswelten zu werden. Das industrielle Bildungssystem ist demgemäß eines der Hyperspezialisierung, eines der Teilung in Funktionäre und Funktionalisierte, das uns zu Rädchen gewaltiger Geldvermehrungsmaschinen macht, die mit einem ständig gesteigerten Außstoß von inkompatiblen und rivalisierenden Produkten die Welt in einen gewaltigen Schrottplatz verwandeln, der die Bedingungen eines guten Lebens zunehmend erstickt und verunmöglicht, auch wenn uns die Bilder der Werbung immerzu das Gegenteil vorgaukeln. ˧

Es haftet also der Einsicht, dass wir Lernen und Leben zusammenbringen müssen, etwas Revolutionäres, Systemtranszendierendes an. Das Neue, das hier auch gegen den Widerstand der etablierten Strukturen von Wirtschaft und Politik geboren werden will, trägt auch die Züge von selbstverständlichen Lebensprinzipien, von bewährten Mustern, die wir zunehmend bewusster in unser Denken aufnehmen. Die tastenden Versuche der Reformpädagogik um die Jahrhundertwende, die es in vielen Ländern gab, sie waren oft schon so weit entwickelt, dass es uns heute staunen macht, was alles in Vergessenheit geraten konnte. Die Antwort auf viele Zukunftsfragen liegt mehr als wir es glauben wollen in vergessenen und verdrängten Mustern der Vergangenheit. ˧

Zum Beispiel das Wort Schule. ich möchte hier ein Zitat von Carl Bossard bringen, einem Schweizer Pädagogen und Bildungsberater: ˧

"Die Schule hat einen wunderschönen Namen. Er stammt aus dem Altgriechischen. Aristoteles‘ geschliffener Begriff müsste Programm sein: scholé, was so viel wie Musse heisst. Die Schule, die scholé, wäre jener Ort, an dem sie noch möglich sein müsste, eine gewisse Musse. Ein Ort, an dem man füreinander Zeit hat und einander zuhört, zueinander findet und sich aneinander reibt, miteinander lernt und gemeinsam zu Neuem unterwegs ist. Das ist der tiefe Sinn von Schule. Bildung basiert auf scholé. Lernen kann man nicht beschleunigen. Lernen kennt keine Autobahnen, keine Schnellstrassen und keine abgekürzten Routen oder gar Überholspuren. Da gelten Feldwege und da gehören Bergpfade dazu. Manchmal auch Unterholz und Dickicht. Und natürlich Umwege. Darum braucht Lernen Zeit. Eben: scholé!" [2] ˧

Dennoch oder gerade deswegen widerspricht es diesem Begriff der Schule, sich von der Umwelt zu isolieren. Christian Kühn, unter anderm Studiendekan der Architekturfakultät der Technischen Universität Wien, hat ein Konzeptpapier für die Architekturtage 2021 geschrieben, in dem ich viele wunderbare Gedanken dazu gefunden habe. ˧

"Bildungsbauten dürfen heute keine Belehrungs‐ und Aufbewahrungsorte mehr sein. Sie sind Orte einer neuen Lernkultur, an deren Gestaltung höchste Ansprüche gestellt werden... Sie dienen nicht nur der Instruktion, sondern auch der Selbstaneignung von Welt. Hier werden soziales Miteinander, Hilfsbereitschaft und die Entwicklung von Gemeinsinn erlebt und erlernt. Diese Bildungsbauten und ihre Außenräume sind Orte der Begegnung, in denen Kinder und Jugendliche miteinander wachsen, Gemeinsinn entwickeln, Kreativität entfalten und Demokratie leben können. Zudem gewinnen auch informelle Bildungsräume mehr und mehr an Bedeutung. Bildungseinrichtungen vernetzen sich zu Bildungslandschaften, die sich im Idealfall zu Netzwerken kultureller Infrastruktur verbinden und den öffentlichen Raum bereichern." ˧

Ich halte bei der Lektüre inne. Das Wort von den informellen Bildungsräumen lässt aufhorchen. Es scheint ein sehr interessantes Tor zum Dorf zu sein, ein Muster das die Schule mit ihrer Umgebung verbindet. Hat Lernen auch etwas mit in Bewegung sein, Erforschen, Ergründen zu tun? ˧

Nochmals Christian Kühn: "Im Interesse der motorischen, aber auch der kognitiven Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sind Bildungseinrichtungen in ihren Innen- und Freiräumen als anregende Bewegungsareale zu gestalten. Dem Außenraum im Speziellen kommt eine besondere Rolle als Ort der Regeneration, der Naturnähe sowie des sozialen Lernens zu. Auf eine kurze Formel gebracht verstehen sich Bildungseinrichtungen heute als „Raum für Teams“: ein in sich gut gegliedertes räumliches Gefüge, in dem die einzelnen Akteure in verschiedenen Konstellationen zusammenarbeiten, verbunden mit Zonen des Rückzugs zur individuellen Konzentration oder Entspannung." ˧

Er weist darauf hin, dass moderne Bildungsbauten nicht nur schulinterne Aufgaben übernehmen, sondern auch "als sozialer Raum und Treffpunkt innerhalb des Stadtteils oder der ländlichen Umgebung genutzt" werden; die Schule stellt Raum für Begegnung diverser Gruppen aus Stadtteil und Dorf zur Verfügung, wir hatten diesen Gedanken schon in unserer vierten Sendung mit Judith Zöchmeister. Umgekehrt ist die enge Verflechtung mit städtischer oder ländlicher Umgebung eben auch eine pädagogische Funktion. Kühn weißt auf eine sehr wegweisenden Ansatz in der Pädagogik hin, dem es sich nachzugehen lohnt: "Loris Malaguzzi, einer der Begründer der frühkindlichen Reggio‐Pädagogik, vertrat bereits in den 70er Jahren die These, dass der Mitschüler der erste, der Lehrer der zweite und der Raum der dritte Pädagoge sei." ˧

Diese wunderschön griffige These erweckt meine Neugierde, und ich werde auf den Webseiten der Reggio Pädagogik auch wirklich fündig. "Die Reggio-Pädagogik ist ein moderner Bildungsansatz, der in der Stadt Reggio Emilia, situiert in der norditalienischen Region Emilia Romagna, nach dem 2. Weltkrieg entstanden und entwickelt worden ist." [3] ˧

"Im Mittelpunkt der Reggio-Pädagogik steht das wahrnehmende, forschende und lernende Kind. Das Kind ist kreativer Gestalter, Regisseure und Konstrukteur seiner Entwicklung, Könnens und Wissens. Der Erwachsene lässt sich auf den Rhythmus des kindlichen Forschergeistes ein und wird selbst zum Forscher." ˧

"Jedem Kind wird ausreichend Freiheit in der Wahrnehmung der Welt eingeräumt, um eigenständig und selbsttätig zu (s)einer Erkenntnis zu gelangen. Das Kind besitzt die Fähigkeit und ist kompetent, Wissen zu konstruieren und in Co-Konstruktion mit anderen zu vervielfältigen." ˧

"In der Reggio-Pädagogik versteht die Bevölkerung der Kommune Reggio Emilia frühkindliche Bildung als Chance für die Gegenwart und Zukunft jedes Einzelnen und der ganzen Stadt. Kinder werden als jüngste Gesellschaftsmitglieder und vollwertige Bürger angesehen und ernstgenommen!" ˧

"Das Kind verleiht seinen Eindrücken von der Welt einen Ausdruck in „hundert Sprachen“. Der kreative Ausdruck jeden Kindes zeigt uns, was es bewegt – er ist Nachricht an uns und die „Stimme“ des Kindes.... Die Reggio-Pädagogik will die 100 Sprachen entfalten, schützen und nachhaltig sichern! Mit dem Vorhandensein eines Ateliers in allen kommunalen Einrichtungen und der Wertigkeit der Atelierarbeit wird künstlerischen Aktivitäten ein hohes Maß an Wertschätzung entgegengebracht. Das Atelier als Ort künstlerischen Schaffens ist Zeichen für die Bedeutsamkeit der bereits im Kindesalter stattfindenden kreativen Prozesse." ˧

"Durch eine sinn-anregende Lernumgebung und Raumgestaltung, durch Materialien, die zum Experimentieren auffordern und die Atelierarbeit wird die Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeit gestärkt. Jegliche menschliche Sinne sollen stimuliert werden, damit Lernen nachhaltig ist. Klarheit, Ordnung und Ästhetik sind Orientierungspunkte für Raumgestaltung und –ausstattung." ˧

"Die Reggio-Pädagogik spricht nicht von vorbereiteter Umgebung als fertiges Lernarrangement, sondern meint im Sinne ihres Bildungsverständnisses, dass Ressourcen bereitgestellt werden, die den aktuellen Themen und Interessen entgegenkommen und auffordern, sich diesen mit noch mehr Intensität hinzuwenden, um einen längeren, nachhaltigeren Prozess auszulösen." ˧

(Musik) ˧

Martin Hollinetz    

"Martin Hollinetz 1" ˧

Persönliche Vorstellung. Sozial- und Berufspädagoige, EDV Techniker, Abstecher in die Regionalentwicklung. Neue Arbeitsmodelle, Bildungsmodelle, Bildungsansätze.. u.a. 2010 Netzwerk der offenen technologoielabore. Wirkungsbericht in Arbeit. Netzwerk das mit 2 Standorten gestartet ist. Jetzt schon über 25 Standorte. Gemeinsam sinnstiftend wirksam sein ˧

Ja, wenn man jemanden nach Menschen in Österreich sucht, die eine erfolgreiche und sinnvolle Bildungsinnovation im ländlichen Raum losgetreten haben, dann kommt man an Martin Hollinetz nicht vorbei. Deswegen widme ich ihm den Rest der heutigen Sendung und deswegen habe ich ihm viele Fragen zu den OTELOs, ihrer Geschichte und ihrer Wirkung gestellt. Martin beherrscht wie kaum jemand anderer den Spagat zwischen institutioneller Verankerung auf der einen Seite, das heißt er arbeitet prinzipiell auf die explizite und substantielle Unterstützung den Gemeindverwaltungen als Bedingung nachhaltiger lokaler Projekte hin, und Selbstorganisation auf der anderen Seite, das heißt er versteht es den Kommunalpolitikern klar zu machen, dass junge Menschen ihre eigenen Wege suchen müssen - und dass dies eben auch ein wirksames Mittel gegen die abrupte Landflucht ist, mit der so viele ländliche Gemeinden kämpfen. ˧

Martin Hollinetz 2 ˧

offener Entwicklungsraum in Gemeinden - Offene Technologie Labore ... Technologiebegriff viel offener als klassisch handwerkstechnisch. Offen die Haltung+Kunstfertigkeit+Labor Gmunden und VB - Vorchdorf... ˧

Aber das OTELO sollte nicht die letzte Innovation sein, die Martin mit in Gang brachte. Anfang 2014 gründete sich die OTELO Genossenschaft, die ein neues revolutionäres Modell für unternehmerische Menschen darstellt. OTELO eGen ist eine Erwerbsgenossenschaft, das heißt dass die Mitglieder sowohl Arbeitnehmer Innen und Firmeneigentümer Innen sind. Sie genießen damit einen wesentlich höheren Grad an sozialer Sicherheit als Selbständige und haben auf der anderen Seite mehr Freiheit, ihr Ding zu machen als normale Angestellte. Damit ist es auch möglich, Projekten im OTELO eine Perspektive zu geben und sie über das pure Hobby hinauszuheben. ˧

""Martin Hollinetz 3" ˧

Musik    

  • Motivational (03:01) ˧
  • Beyond Dreams (01:57) ˧
    • Corporate & Motivational Music 2 by Scott Holmes is licensed under a Attribution-NonCommercial? License. ˧
http://freemusicarchive.org/music/Blue_Dot_Sessions/Onesuch_Village/Sunday_Lights Sunday Lights by Blue Dot Sessions Sunday Lights by Blue Dot Sessions is licensed under a Attribution-Non Commercial License. ˧

interessante Links    

https://www.abendblatt.de/wirtschaft/article226513819/Die-Ottos-stiften-einen-Bildungscampus.html so muss Sponsorentum heute! ˧

https://www.youtube.com/watch?v=rFje83mGM1c&feature=youtu.be Markhof - Colearning Film ˧

https://colearning.at/ ˧

https://otelo.egen.at/die-genossenschaft/ ˧

https://www.reggiobildung.at/paedagogik/ ˧

https://newwork-newculture.dev/campus/ August 15, 2020/von Christiane Sternberg ˧

https://www.schule-im-aufbruch.at/ Margret Rasfeld ˧





[1] https://wwwu.uni-klu.ac.at/hstockha/alt/mythos/studenten/text_14.pdf

[2] https://bildung-wissen.eu/fachbeitraege/bildung-braucht-schole.html

[3] https://www.reggiobildung.at/paedagogik/