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Interview mit Bürgermeister von Güssing Herrn Peter Wadasz und Leiter des Europäischen Zentrum für erneuerbare Energien (EEE) DI Manfred Hofwagner
( 19.12.2008, Güssing)

W: Also in Burgenland ist der erste Anstoß, der erste Impuls von ehemaligem Landesrat Paul Widstall ausgegangen, der in Untergroßstätten Ende der 80er Jahre das erste Fernwärmewerk errichten ließ. Später dann hier in der Region selber war 1991 die Fernwärme Glassing, das waren damals ca. für 26 Häuser Anschlüsse, und das war der Beginn, das war für diese Region eine Art Pilotanlage.

In welchem Jahr war es ca.?

W: Das war 1991 hier. Ich bin 1992 Bürgermeister geworden und wir haben nach 48 Jahren am Eisernen Vorhang große Probleme gehabt. Wenige Arbeitsplätze, eine hohe Abwanderung. Abwanderung vor allem durch junge Leute, die weggegangen sind von hier und unser damaliger Stadttechniker, war der Ingenieur Koch. Und mit ihm haben wir in langen Diskussionen die Möglichkeiten auch der alternativen Energie besprochen. Und er hat mich dann überzeugt davon, dass es klug wäre auf jene Ressourcen zu setzen die wir in der Region haben, und das ist zu einem der Wald mit etwa 43 %. Es ist dann einige Zeit vergangen und der wesentliche Punkt für uns war 1995 der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union. Denn damit haben wir Geldmittel aus Brüssel ausgelöst. Und dieses Geld musste in Österreich von der Bundesregierung in Wien und von der Landesregierung in Burgenland kofinanziert werden. Das heißt, wir haben doppelt profitiert weil wir aus Brüssel als Ziel 1-Gebiet doch schöne Förderungen erhalten haben und gleichzeitig mussten Bund und Land kofinanzieren damit diese Mittel ausgelöst werden konnten. Das war der Startschuss für uns und wir haben nach langen Verhandlungen mit dem burgenländlichen Waldverband haben wir ein 10-Jahre Kontrakt geschlossen, der uns auf 10 Jahre das Holz garantiert hat. Für die Fernwärme Güssing. Und im Gemeinderat haben wir dann den Beschluss gefasst, dass wir alle öffentlichen Gebäude anschließen.

Wie war die Situation vor dieser Entscheidung, waren da Forschungsbetriebe anwesend?

W: Es waren sehr wenige Betriebe da vor allem die Leute haben in den 70er, 80er vor allem mit Ölheizungen geheizt weil das Öl damals relativ billig war. Auch ich habe mit der Öl geheizt. Und dann kam dieser Umstieg, weil wir gesagt haben, es geht sehr viel Geld aus der Region weg an die Öl-Länder. Und wir wollen dass der Großteil des Geldes hier in der Region bleibt. Und mit dem Bau des Fernwärmewerkes hier in Güssing begann die Energiewende. Das heißt, es haben alle öffentlichen Gebäude nach und nach an diese Fernwärme angeschlossen. Und heute nehmen wir, produzieren wir fast 99 % des Bedarfes für Haushalte, für Industrie aus erneuerbarer Energie. Diese Region war durch den Eisernen Vorhang abgeschnitten. Ich bin persönlich sehr viel in dieser Gegend rumgefahren weil ich ein Lieferant gewesen bin und ich kenne es dass da (in Güssing) die Entwicklungsmöglichkeiten fast keine vorhanden gewesen sind.

Und die Frage die ich mir stelle ist, war eine Initiative da zu forschen oder war es nur ein Standartheizwerk das sie da errichtet haben?

W: Das erste Heizwerk war ein Standartheizwerk, ein normales Heizwerk das Holz verbrennt, Wasser erhitzt und es in die Häuser leitet. Also das war noch nichts Neues, nichts Innovatives dabei. Das kommt erst 2 Jahre später als wir den Doktor Hofbauer von der TU Wien kennengelernt haben der uns von seinem neuen, und ich sage, höchst interessantem, innovativem, kleinem Projekt auf der TU Wien erzählt hat. Und das war eben dass wonach wir gesucht haben, weil wir neben Wärme auch Strom produzieren wollten, irgendwann. Und daher hat seine Technologie, diese Wirbelschicht-Dampf-Vergassung, im Kleinen auf der TU Wien tadellos funktioniert und auch er wollte, dass man so eine Anlage, eine Pilotanlage baut, bei der man diese neue Technologie erproben kann. Und das ist dann nach langen und zähen Verhandlungen auch gelungen und das war der Durchbruch, eigentlich, möcht ich fast sagen in der Forschung hier in Güssing, dass hier ein Kraftwerk entstanden ist, dass Strom und Wärme aus Holz produziert hat. Und erst im Laufe der Zeit ist man aufgrund weiterer Forschungen draufgekommen dass man hier nicht nur Strom produzieren kann, mit diesem Holzgas, sondern auch synthetisches Erdgas und Benzin und Diesel, also auch Kraftstoffe. Aber damit diese Entwicklung möglich gewesen ist, mussten sich da einige Forscher niederlassen.

W: Geforscht wurde an der TU Wien.

HW: Der Verdienst war von Herrn Professor Hofbauer. Sicher, die haben die Forschung gemacht. Natürlich hat man versucht es auch umzusetzen, wie der Herr Bürgermeister schon gesagt hat. Das war durchaus eine sehr aussichtreiche Technologie, sehr innovativ und Güssing war von Standort her ausgesprochen gut geeignet auch durch das Ziel-1-Förderungsgebiet natürlich.

Können Sie mir die Jahreszahlen dazu sagen?

W: 2000 ist dieses Projekt in Betrieb gegangen, wie gesagt, es war ein Pilotprojekt, es war ein Probebetrieb, es hat einige Jahre gedauert bis wir Volllast fahren konnten weil halt technische Gebrechen da waren, und weil diese Art von Anlage noch nirgendwo auf der Welt steht. Es gibt keine Erfahrungen. Es ist ein einzigartiges Pilotprojekt. Und deswegen hat man, wie wir sagen Kinderkrankheiten, im Laufe der Zeit ausbessern und ausmerzen müssen. Aber das war der Durchbruch da, denn damit zum ersten Mal Forschung und Entwicklung in Güssing selber gemacht worden ist. Und wenn auch jetzt noch in Containern Kraftstoffe produziert werden, in kleinen Mengen aber eine Anlage steht schon… und das war einfach, das war dieser Durchbruch. Heute steht eine Anlage für synthetisches Erdgas die im Frühjahr wahrscheinlich in Produktion gehen wird. Das heißt wir erzeugen jetzt inzwischen aus diesem Holzgas Wäre, Strom, und synthetisches Erdgas sowie kleine Mengen von Benzin und Diesel nach der guten alten Fischer-Tropisch-Methode, die schon zwischen den Weltkriegen einmal erfunden worden ist.

Wie ist es eigentlich schließlich dazu gekommen. Ist der Ingenieur Hofbauer zu Ihnen gekommen, nach dem Motto, das ist eine nette Technologie, wollen sie es ausprobieren?

W: Den Herrn Doktor Hofbauer haben wir über einen Freund kennengelernt, und zwar war es ein ehemaliger Kaminbauer, Kachelofen und so, der hat ihm gekannt und das war der Punkt wo wir uns getroffen haben weil unser Freund hier gemeint hat er kennt diesen Professor und dieser hat eine interessante Sache an der Hand und dann haben wir uns in Güssing getroffen und sind in Gespräch gekommen. Und das war der Beginn dieser, äußerst fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen der TU Wien und Güssing. Heute sind wir soweit dass wir sagen können, vielleicht in 5 bis 10 Jahren werden wir in der Lage sein größere Mengen an Kraftstoff, sprich Benzin und Diesel zu erzeugen und synthetisches Erdgas. Wärme und Strom sind wir jetzt schon unabhängig. Wir erzeugen mehr Strom als die 4000 Einwohner von Güssing verbrauchen und bei der Wärme sind wir etwa bei 89, 99 %. In den nächsten Jahren werden wir einige Hundert Tonnen synthetisches Erdgas erzeugen und in weiterer Folge ab 2010 uns verstärkt der Kraftstoffentwicklung widmen. Damit kann man, das haben wir bewiesen, dass eine Region sehr wohl einen hohen Energieanteil aus eigenen Rohstoffen gewinnen kann, die jedes Jahr nachwachsen. Das kann der Wald sein, das kann über die Biogasanlagen die Landwirtschaft sein, und das wird in Zukunft, so hoffe ich auch, wenn unser Ökostromgesetz besser wird auch die Sonnenenergie sein. Das heißt, diese Region hat den Wald, die Landwirtschaft und die Sonne als Energiequellen.

Wissen Sie wie viele Forschungsbetriebe schon da sind? Sind Sie gebündelt unter einem Dachverband?

W: Wir haben hier, neben dem Kraftwerk eine synthetische Erdgasanlage und daneben haben wir ein Forschungszentrum das irgendwann im Frühjahr in Betrieb gehen soll wo bis zu 20 Forscher an diesem Gas weiterforschen. Wahrscheinlich auch an der Optimierung von Rohleitungen, also das System an sich verbessern sollen. Aber dieses Forschungsinstitut, es nennt sich Bioenergy 2020, das ist jedes Forschungsinstitut wo die Geldmittel bis Ende 2013 vom Bund garantiert sind. Bis dahin können diese Forscher arbeiten mit Geld das aus diesem Bundesprojekt kommt.

Sind da schon Anziehungseffekte für andere Betriebe, also andere Entwicklungen von Forschungsbetrieben die auch in diesem Bereich hier forschen oder nicht?

W: Wir haben Kontakte zu anderen, anderen Universitäten, Institutionen weil wir europaweit eigentlich kooperieren wollen. Und es gibt in Deutschland das sogenannte Koren-Verfahren das in Großtechnologie genau das machen will was wir auch machen. Und es gibt schon Anlagen wie in Güssing im benachbarten Oberwart und noch vor wenigen Wochen war eine französische Delegation hier, die gemeint hat, sie möchte in La Rochet bei Lyon ebenfalls ein wesentlich größeres Kraftwerk als hie in Güssing produzieren, aber mit dieser Technologie.

30 km von hier liegt Pinkafeld. Und auch in Pinkafeld ist ein Forschungszentrum im Zusammenhang mit der Fachhochschule Pinkafeld. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Güssing und Pinkafeld?

W: Na selbstverständlich. Wir kooperieren mit allen, wir sind auf dem Solarsektor jetzt mit Son-partei verbunden also in Ungarn.

Aha, also es geht auch über die Landesgrenzen hinaus?

W: Na, selbstverständlich. Wir kooperieren mit jedem, also mit allen, die auf diesem Gebiet forschen. Weil einer der großen Vorteile der EU ist, dass es grenzüberschreitenden Technologietransfer und Know-how Transfer gibt. Wir haben keine Geheimnisse. Was wir wissen, kann jeder andere auch erfahren. Wenn er Anlagen nachbauen will, muss er allerdings mit der Firma Repotech sich in Verbindung setzen die das Know-how haben und die dann entweder selber bauen oder in Lizenzverfahren, dass muss dann ausverhandelt werden, aber grundsätzlich sind unsere Grenzen offen.

Sind Sie der Vertreter der Firma Repotech, kann es sein?

HW: Nein, ich bin der Vertreter des europäischen Zentrum für erneuerbare Energie, wir sind Dienstleister hier, wir machen Energiekonzepte, beziehungsweise schlagen dann auch vor diverse Arten von Anlagen für Betriebe, Gemeinden und andere Körperschaften. Ist das eine stadteigene Organisation?

HW: Nein, wir sind quasi die Operative des Vereins Europäisches Zentrum für erneuerbare Energien, der wurde gegründet auch in den neunzigen Jahren bereits, 1996, um auch dieses Model Güssing einerseits auszubauen und über die Grenzen hinaus auch bekannt zu machen, und im wesentlichen sind dann die Aufgaben so gewachsen dass man gesagt hat, man macht jetzt eine GmbH die im Besitz des Vereins ist und Operative des Vereins darstellt, um auch Dienstleistungen in der Energie-Optimierung, in der Umstellung auf erneuerbaren Energien , natürlich auch im Verbinden von neuen Technologien gegenüber alten Lösungen, Substitutionsmethoden auch als Dienstleistung anbieten zu können. Sie haben Herrn Ingenieur Hofbauer kennegelernt und in der Stadtverwaltung einen Prozess eingeleitet der von Geldmitteln her ziemlich aufwendig war und das Stadtbudget von Güssing bei weitem übersprungen hat.

W: Wär auch aus Mitteln von Güssing nicht möglich gewesen, aber der wichtige Punkt, dass erzähle ich allen, ist einfach die Kooperation mit der Forschung. Forschung auf diesem Gebiet ist ungemein wichtig und ohne diesen Anstoß, ohne diese Initiative auf der TU Wien mit diesem Pilotprojekt, aus dem dann das Biomassenkraftwerk Güssing entstanden ist wäre diese Entwicklung nicht möglich gewesen. Und ohne Geld von Seiten der EU, von Bund, von Land aber auch von Seiten der Forschung wäre das auch nicht möglich gewesen. Das heißt, die Kooperation mit Forschung ist ein ganz wesentlicher Punkt. Viele Forscher wollen angewandte Forschung haben, nicht nur für das Archiv forschen sondern ihre Ideen auch umsetzen, in der Praxis. Jede Forschung hat versteckte Risiken, es könnte auch schief gehen.

W: Selbstverständlich, dafür gibt es in diesem Land Risikokapital von der sogenannten Forschungs-Förderungsgesellschaft. Diese Forschungs-Förderungsgesellschaft sieht sich die Projekte an und entscheidet dann in welche Projekte sie Geld investiert. Auch natürlich mit dem Risiko dass dieses Projekt scheitert oder nicht zum Durchbruch kommt. Und das sind die Dinge, die man in einem Land braucht, es bedarf der investiven Forschung, weil Investitionen in die Forschung, wenn auch 2 von 5 Projekten erfolgreich sind, schon Erfolge seitigen. Ohne Forschung wäre Güssing nicht entstanden. Und auch ohne die Mittel die von Forschungs-Förderungsfond gekommen sind, wäre Güssing auch nicht möglich gewesen. Ich muss hier Geld investieren, vom Staat, über die EU, Slowakei ist ein EU-Mitglied, kann auf dem Gebiet sicher einiges an Geld von Brüssel holen, allerdings auch mit Ko-finanzierungen der eigenen Bundesregierung und vielleicht Regionalregierung. Es war ein reiner Zufall dass sie den Ingenieur Hofbauer getroffen haben, es war kein Industriezentrum, keine Forschungsinitiative in der Region, sie war nur an der TU in Wien.

W: Von dort ist die Initiative ausgegangen und als sich dann rausgestellt hat, und da wurde am Anfang nur in Containern geforscht, da standen 2 Container, in dem einen Container wurde am synthetischen Erdgas herumexperimentiert, in anderem nach der Fischer-Tropf-Methode an Benzin und Diesel, und als sich gezeigt hat dass es jetzt vielversprechend ist und das das Zukunft hat, hat man natürlich versucht auch ein Forschungsinstitut hierher zu bringen, weil hier die Produktion des Gases erfolgt und über eine Leitung gleich in Forschungszentrum gelangt wo dann weiter an diesem Produktgas geforscht wird.

Haben Sie das Projekt in der Gemeinde besprochen und haben damals alle einstimmig dafür gestimmt?

W: Ach du lieber Himmel, das waren monatelange sehr heiße Diskussionen den die Stadtgemeinde Güssing musste für einen Teil der Kredite ja Haftungen übernehmen. Das heißt wenn das Projekt mit der Fernwärme gescheitert wäre, dann hätte Güssing, die Stadt bei der Bank zahlen müssen und nichts davon gehabt. Genau das habe ich gemeint.

W: Da muss man mit den Forschern reden, da muss man mit den Finanzfachleuten reden, man muss die Sicherheit des Rohstoffes haben, auf länger, mittel- oder langfristig, und dann muss man an die Sache glauben und muss die Initiative setzen in der Stadt, eben damit dass wir gesagt haben, alle öffentlichen Gebäude, Kindergarten, Schulen, Rathaus werden angeschlossen. Und das hat sich als gut erwiesen. Am Anfang hat es auch Schwierigkeiten gegeben weil Firmen bei der EU Klage erhoben haben, weil sich beim Bau, bei Ausschreibung nicht drangekommen sind. Das hat das Projekt zwar verzögert, und uns unnötige Kosten bereitet, weil dann sofort die Fördermittel gestoppt worden sind, aber im Endeffekt ist diese Klage verworfen worden und das Projekt ist weitergegangen. Das heißt, man hat immer Schwierigkeiten, aber man muss es sich von den Technikern und von den Finanzfachleuten erklären lassen, und dass muss auf den Tisch. Und wenn die Finanztabellen stimmen und die Prognose, man geht immer davon aus, wird sich das schnell entwickeln, wird sich das langsam entwickeln, wenn die Prognosen einigermaßen zutreffen, und die Stadt das ihrige dazutut dann wird das Projekt erfolgreich. Die Stadt bedeutet auch die Bevölkerung. Ich habe auf ihrer Homepage gelesen, dass sie es besonders hervorheben, dass auch die Bevölkerung hinter dem Projekt steht.

W: Heute. Damals waren sehr viele skeptisch, es war neu. Es gab ganz massive Stimmen dagegen die gesagt haben, das funktioniert nie, die Gemeinde wird bis über dem Kopf verschuldet sein. Das Projekt wird, wie wir sagen, den Bach hinunter gehen. Es wird nichts draus werden. Es gab genug kritische Stimmen, aber wir haben auch in Bürgerversammlungen den Bürgern gezeigt dass es sehr wohl funktionieren kann. Und das wichtige war, es hat schon von Anfang an private Häuser gegeben, die angeschlossen haben. Und die Mundpropaganda war sehr wichtig. Das die Leute gesagt haben, das ist genauso bequem und das ist auch nicht teuer. Wichtig, nicht teuer. So ist es langsam aber sicher gewachsen und heute würde in Güssing niemand sagen, schließt die Fernwärme. Wie lange hat es gedauert? Ca. ein Zeithorizont.

W: Das hat einige Jahre gedauert. Das wären jetzt gewesen sein ungefähr 3, 4 Jahre bis wir die größten Skeptiker überzeugen konnten und vor allem auch Bundesgebäude wie Gymnasium und Landeskrankenhaus an diese Fernwärme angeschlossen haben. Landeskrankenhaus ist im Besitz des Landes Burgenland. Haben Sie da keine Kooperation mit dem Land als Stadtgemeinde.

W: Stadtgemeinde hat kein Krankenhaus. Es gibt nur Landeskrankenhäuser in Burgenland und private, eins in Eisenstadt, der barmherzigen Brüder. Wir haben das Land überzeugt.

Also gab es da keine Hilfe vom Land Burgenland?

W: Wir mussten das Land überzeugen. Wir mussten auch den Bund überzeugen, dass auch die Kaserne Güssing dort anschließt. Hat auch eine ganze Weile gedauert. Das heißt der Beginn war nicht leicht.

Wie haben Sie diese Zeit erlebt wo noch diese Skepsis da war.

HW: Ich bin erst später dazugestoßen, im Jahr 2000, 2001… Dazugestoßen meinen Sie dazugewandert? Waren Sie vorher in Güssing angesiedelt?

HW: Nein, ich war vorher nicht in Güssing angesiedelt, ist eine ganz andere Geschichte, eine Kooperation mit der Landwirtschaftlichen Fachschule damals. Und ich bin dann so über diese Umwege ins Europäische Zentrum für erneuerbare Energien dazugekommen. Dass heißt ich bin gerade in die Phase der großen Aufbruchstimmung gekommen wo man da gesehen hat es funktioniert, es war damals auch die Kraftwerkseröffnung, man hat gesehen es funktioniert und vor allem ist auch sehr großes Interesse auch da, aus weltweit eigentlich. Es ist sehr schön wenn man in so eine Phase gerade reinkommt, man kann sich sehr viel mitnehmen vor allem für die Zukunft. Vor allem wie wir es auch jetzt machen, das europäische Zentrum ist eine Schaltstelle. Eine Schaltstelle für Kooperationen auch. Wir sind nicht nur Dienstleister, sondern es ist auch eine Koordinationsstelle für verschiedene Projekte, verschiedene Interessenten, wir haben einen richtigen Öko-Energie-Tourismus hier in Güssing, wo wirklich die Leute von ganz Europa kommen, auch von Übersee um hier sich die Anlagen auch anzusehen und zu sehen wie ist es das entstanden, wie ist es gewachsen. Und was können wir aus dieser Region Güssing für andere Regionen mitnehmen.

Ist es möglich das andere Gemeinden dieses Model umsetzen? In Güssing waren doch noch bestimmte Vorraussetzungen, es waren EU-Fördergelder vorhanden wie auch Waldfläche. Liegt es an diesen Ressourcen?

W: Die Frage der anderen Regionen ist immer eine Frage der Ressourcen. In Güssing haben wir, weil wir Wald, Landwirtschaft und Sonne haben, diese drei. Im nördlichen Burgenland ist die Windkraft sehr verbreitet. Es gibt Regionen in Europa wo die Geothermie sehr verbreitet ist.

Muss auch die Bevölkerung davon überzeugt sein?

W: Sie müssen wissen, welche Rohstoffe hat meine Region und zwar langfristig abgesichert. Und diese Rohstoffe, diese Erhebung ist eine der Hausaufgaben, die jede Stadt, jede Region für sich machen muss. Er muss langfristig die Ressourcen sichern damit das System nicht zusammenbricht. Aber wenn sich jemand hinsetzt, und wir helfen auch dabei, bei der Erhebung der Ressourcen, bei der landwirtschaftlichen Fläche, wo kann Gras oder Klee oder wo können Energiepflanzen angebaut werden, wie viel Wald ist vorhanden. Es gibt nicht die eine Ressource, sondern es ist ein Mix aus verschiedenen Ressourcen. Und das ist das vorauf wir setzen und vorauf auch andere Regionen setzen. Aus Mix aus Wind, von Geothermie, von Landwirtschat, von Sonne. In großen Städten wir es bald so sein, dass die ganzen Müllberge als große Energiehaufen, dass man in den Großstädten wo jeden Tag tausende Tonnen Müll entstehen sich über diese Energiefrage Gedanken machen wird. Und in vielen Großstädten in Europa ist es auch schon so, dass wenigstens Wärme- und Stromproduktion aus dem Abfall kommt. Das heißt die Zusammenstellung der Ressourcen die in einer Region vorhanden sind, dass ist die Hausaufgabe, die jede Region, jede Stadt für sich selber lösen muss und beantworten muss. Ich stelle mir den Entscheidungsprozess im Gemeinderat seht schwierig vor. Auch wenn Sie als Bürgermeister von diesem Projekt überzeugt sind heißt es noch lange nicht, dass es auch andere Abgeordneten und andere Bevölkerungsschichten sind. Oder hat es nur zufällig geklappt.

W: Information, Information, Information. Das Gespräch mit den Bürgern suchen, das Gespräch mit den Waldbesitzern suchen, das Gespräch mit den Landwirten suchen und mit der Forschung. Und sich umsehen, was es auf dem Gebiet der Forschung schon gibt. Niemand braucht das Rad neu zu erfinden. Das Rad gibt es schon. Wir haben Technologien die man nicht neu erfinden muss, die gibt es hier, man kann sie haben. Und deshalb sage ich immer, die Technologie ist da, die Frage ist der Ressourcenmix, den eine Region hat und da muss ich mit den Leuten reden. Da muss ich mit den Waldbesitzern, in vielen Staaten Europas hat noch der Staat riesige Wälder, haben die Länder riesige Wälder, haben die Gemeinden Wälder, zum Beispiel. Da muss ich sagen, wie viel Rohstoff kommt aus dem Wald, wie viel kann ich aus der Landwirtschaft, wie viel kann ich aus der Windenergie beisteuern, wie viel kann ich vielleicht über die Geothermie beisteuern, und diese Fragen müssen die Verantwortlichen zuerst beantworten. Denn dass ist die Grundvorraussetzung dafür dass ich eine Anlage bauen kann. Ich brauche den Rohstoff verlässlich auf lange Zeit.

Ich komme von Wirtschaftsuniversität Wien und sie haben absichtlich oder unbeabsichtigt den Geldmittelabfluß aus der Region gestoppt was großes Problem darstellt nicht nur für Region sondern auch für Staatsgebilde. Man versucht die Wertschöpfung in der eigene Region zu erhalten. War diese Überlegung auch bei dieser Entscheidung da oder hat es sich so im Laufe so entwickelt?

W: Diese Überlegung war da. Das Geld hier den Ressourcenproduzenten, sprich den Waldbauern, den Landwirten zu überlassen, weil das was früher an Wertschöpfung aus der Region weggegangen ist bleibt jetzt hier. Und wie Sie sehen schafft es neue Arbeitsplätze. Neue Arbeitsplätze bringt Einkommen, Einkommen stärkt die innere, die lokale Wirtschaft. Das ist ein Kreislauf wo es im Grunde genommen nur Gewinner gibt.

Frage an beide Teilnehmer. Wie sehen Sie Güssing in 10 Jahren. Wohin wird es sich entwickeln?

W: Güssing wird in 10 Jahren, meiner Meinung nach, 2/3 bis 3/4 seiner gesamten Energie selber produzieren können. Als die ganze Region, der ganze Bezirk. Wir wollen, sind jetzt schon dabei, das Model auf dem Bezirk auszuweitern, und auf das ganze Land. Mit verschiedenen Ressourcen. Wie gesagt wenn Sie nach Norden Fahren, die ganze Parndorfer Platte ist überseht mit Windrädern. Das müssen Sie von Bratislava aus alles sehen. Bei Nacht diese schöne rote Lichter. … Da gibt es mit Umweltschützern die Diskussion über die Schönheit eines Windrades im Vergleich mit einer 380-KV Leitung, aber diese Diskussionen muss man führen. Sie müssen zuhause feststellen welche Region hat welche Ressourcen. Nachhaltig, langfristig müssen die abgesichert werden. Und dann kann ich entscheiden welchen Energiemix versuche in meinem Ort, in meiner Region.

Werden jetzt in Güssing neue Arbeitsplätze in diesem Bereich entstehen? Wird hier ein riesengroßes Technologiezentrum mit TU Wien entstehen? Und wird diese Zentrum ausstrahlen?

W: Das Technologiezentrum hier ist ein Beispiel dafür. Wir haben in 10 Jahren ungefähr 1100 neue Arbeitsplätze geschaffen, in einer Stadt die 4000 Einwohner hat.

Habe Sie auch Forschung zu sich angezogen?

W: Die Forschung kam mit der TU Wien herein. Und jetzt werden hier Vorort in diesem Forschungsinstitut bis zu 20 Forscher arbeiten. Hier in Güssing. Aber die Initialzündung war die TU Wien, war Prof. Hofbauer.

Und wie sehen Sie es? Wo sehen Sie Güssing in 10 Jahren?

HW: Auf jeden Fall, dass sich, ich sage jetzt, die Methode Güssing durchsetzen wird. Wir haben begonnen, im Jahr 2004 das erste Energiekonzept für eine burgenländische Gemeinde geschrieben, das war damals die Gemeinde Parndorf soweit ich mich erinnere, wo wir mal systematisch erfasst haben wie ist der Energiebedarf innerhalb der Gemeinde strukturiert, wo liegt der Energiebedarf überhaupt bei Wärme, Strom, Treibstoffe, bei den Haushalten, im öffentlichen Bereich also Gemeinde und so weiter, und im Bereich der Wirtschaft. Wie strukturiert sich dieser Bedarf nach Energieträgern und wie sind die einzelnen Anteile darunter. Dadurch können wir einerseits durch empirische Arbeit, durch Erhebungsarbeit, anderseits durch statistische Analyse und Hochrechnung den Energiebedarf einer Gemeinde oder einer ganzen Region wie wir bis jetzt für den Bezirk Güssing gemacht haben oder für einige andere Gemeinde-Cluster, das sage ich jetzt, in anderen Bundesländern, hier wird der Energiebedarf erhoben, danach werden Einsparpotenziale ausgelottel natürlich auch quantifiziert, größenordnungsmäßig berechnet, die Geldbeträge die da drinnen stecken, welche möglichen Investitionen da sind. Und da knöpfe beim Herrn Bürgermeister an, dann habe ich meine Ressourcen und dann kann ich sagen, ich kann zu diesen Grad meinen Strombedarf selbst decken, meinen Wärmebedarf selbst decken, meinen Treibstoffbedarf selbst decken oder ich habe sogar einen Ressourcenüberschuss und bilanziere in dem Fall jetzt CO2-mäßig negativ…

Diese Analyse ist ziemlich teuer. Wer finanziert sie? Die Ideen sind da aber es fehlt immer der Ansporn zur Finanzierung.

HW: Es gibt Förderprogramme der Bundesländer in Österreich, wo solche Energiekonzepte, weil auch Gebietskörperschaften daran interessiert sind ihren Energiebedarf so klein wie möglich zu halten und so gut wie möglich aus eigenen Ressourcen zu decken. Das hat der Herr Bürgermeister schon sehr gut unterstrichen. Es gibt inzwischen, wir haben damals angefangen, inzwischen ist die Konkurrenz etwas größer geworden, einige haben uns kopiert, einige gehen ganz andere Wege…

Zum Beispiel?

HW: Ich möchte da jetzt keine Konkurrenten nennen. Ich wollte nur fragen welche anderen Regionen in diesem Bereich tätig sind.

HW: Österreichweit. Das ist ein Förderprogramm das eigentlich österreichweit, von jedem Bundesland ein Bisschen anders verfolgt wird, und wo es öffentliches Geld gibt auch für die Gemeinden also Landesförderungen aber auch vom Bund teilweise. Wo solche Konzepte, solche umfassenden Entwicklungspläne sage ich jetzt mal. Energie sollte immer ein wesentlicher Teil auch der Raumplanung sein, so essentiell wie Flächewidmungsplan oder Bebauungsplan, wenn wir jetzt im Detail sind. Daran gibt es höchstes Interesse, ist ja ganz klar.

W: Die Frage die jeder seiner Regierung stellen muss, was ist eine gewisse Verringerung der Importabhängigkeit wert, was ist uns die Erfassung der eigenen Ressourcen wert, die wir Jahr für Jahr nutzen können, weil wir sie nur so nutzen, dass kein Schaden entsteht. Und diese Importabhängigkeit zu reduzieren und irgendwann auf dem einen oder anderen Gebiet sogar Energieüberschüsse zu produzieren, das müsste eigentlich für jede Regierung Priorität haben. Weil die Unsicherheit von Öl- und Gaslieferungen in den kommenden Jahren, auch wenn es jetzt einen Einbruch gibt, mit Sicherheit weniger wird. Die Sicherheit wird nachlassen in dem Maß in dem China, in dem Indien verstärkt nach Rohstoffen suchen. Und wenn Sie sich an den Streit Russland Ukraine gibt, wo man dann einfach sagt, OK wir drehen die Gaslieferungen zurück, da wissen Sie was passieren kann. Denn auch die russische Föderation sage ich jetzt mal ist politisch nicht so stabil, dass man hier für alle Zeiten garantieren kann. Aber ich frage Sie warum sollte ich aus Sibirien Erdgas nach ‚Güssing bringen um hier Wohnungen und Häuser zu heizen wenn hier Tonnen von erneuerbaren Energie verrotten.

Gab es Erdgasleitungen in Güssing?

W: Nein, Gott sei dank nicht. In anderen Regionen ist es schwieriger weil dort Erdgasleitungen vor Jahren gebaut wurden und man sich jetzt schwer tut praktisch ein Parallelenergieversorgungsunternehmen hinzustellen, neben dem Erdgas. Güssing war Gott sei dank nie Erdgasverseucht und daher haben wir uns auf dem Gebiet leichter getan. Aber trotzdem die Frage an jede Regionalregierung, an jede Bundesregierung ist, was ist hier eine gewisse Energieunabhängigkeit eigentlich wert. Und da gibt es niemanden in Europa, der sagt, uns ist das nichts wert, wir haben gute Verträge mit den Russen oder mit den Saudis oder anderen. Also von dort her gesehen, glaube ich, ist es eine Priorität von ganz oben dass man versucht so viel Energie wie nur möglich zuhause aus eigenen nachwachsenden Ressourcen zu gewinnen.

Eine letzte Kontrollfrage. Glauben Sie dass diese Entwicklung, die sich gegenseitig beeinflusst, die Forschungsbetrieben beeinflussen die Stadtentwicklung und auch die politische Entscheidung in den Gemeinden beeinflussen diese Ansiedlungen dieser Betriebe, glauben Sie der Ansporn kam von der politischen oder von der Forschungsseite?

W: Der Ansporn zur Fernwärme Güssing das war die Basis, ist sicher aus der Gemeinde gekommen. Aber alles weitere hat sich dann in der Kooperation mit der TU Wien entwickelt. Ich sage immer und überall, die Forschung mit einbeziehen. Forschung ist wahnsinnig wichtig. Wir in Österreich geben immer noch zu wenig für Forschung aus. Und da muss auch Risikokapital dabei sein, Kapital wo der Staat sagt, ich riskiere es auch wenn es schiefgeht. Das ist weltweit, überall das Gleiche. Auch in anderen Ländern funktioniert nicht jedes Projekt auf Anhieb, sofort. Sondern manches geht eben nicht, da ist das Geld dann weg. Aber ohne Forschung treten wir auf der Stelle, ohne Forschung gibt es keinen Fortschritt. Vielen Dank für das Interview. Es war sehr ausführlich und hat mir sehr weitergeholfen.

Dankeschön