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Uwe Christian Plachetka /
Einsatzgebiet Sozialwissenschaftin Risikoforschung


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Beiträge der Geschichtswissenschaft und Kulturanthropologie zur Risikoforschung auf der Basis absolvierter Projekte

Grundsätzlich seien zwei Prämissen für die folgenden auch subjektiven Überlegungen vorausgeschickt, welche die Risikoforschung von der Mainstream-Forschung unterscheiden:

  • (a)Risikoforschung darf nicht politisch korrekt sein, sonst wäre sie überflüssig oder würde die erwarteten Ergebnisse nicht liefern können.
  • (b) Es ist aktenkundig, dass die österreichische Geistes- Kultur- und Sozialwissenschaft seit Jahren in der Krise ist, sodass mir bei dem Ansatz „Risikoforschung“ die Kontakte zu anderen Staaten äußerst wichtig sind, um eine unvoreingenommene Qualitätskontrolle zu haben.
Diese beiden Punkte sind im Grunde nicht für ausführliche, schriftliche Erörterungen geeignet.

Erfahrungen mit Projekten des Risikoforschungsinstitutes

Ich beziehe mich nun auf die Erfahrungen mit den Projekten, an denen ich mitgearbeitet hatte:

  1. Oil Reduced Agriculture (ORA)
  2. SERF-EURATOM Foresight (socio-economic research on thermonuclear fusion)
  3. Rinée (Risiken und Einsatzbedingungen erneuerbarer Energiesysteme).
Zum Thema (1) ORA: Dieses Projekt war eine Fallstudie zum Thema, wie Nahrungsmittelsysteme auf den Klimawandel reagieren. Normaler Weise sollte dies mit Hilfe von Wachstums- und Klimamodellen gemacht werden, aber gelernte Historiker trauen Computermodellen nicht, da diese Hypothesen liefern und es ist in der Geschichtswissenschaft verboten, von postulierten allgemeinen Gesetzmäßigkeiten auf historische Prozesse zu schließen, die stattfinden hätten müssen. Das geht in den Naturwissenschaften unter dem Régime normativer Prinzipien, z.B. in der Physik, aber nicht in sozioökonomischen Prozessen. Geschichtsforschung heißt hier: Hat der postulierte Prozess stattgefunden oder nicht und falls nicht, was hat stattdessen warum stattgefunden. Das ist eine Fragestellung á là Sherlock Holmes. Die Fallstudie betraf die Mittelalterliche klimatische Anomalie in den zentralen Anden und deren Auswirkungen. Wir haben daher in den publizierten Ergebnissen folgendes festgestellt:

  1. Die Archive der Gesellschaft über die Geschichte der historischen Klimaveränderungen müssen über die Resilienz des Nahrungsmittelsystems der Gesellschaft, welche die entsprechenden Quellen hinterließen diskontiert werden.
  2. Vavilovzentren, das sind die open-source Genreserven für die Zukunft unserer Nahrung, sind konzeptionell (a) als Agrikulturareale ursprünglicher Kulturpflanzenevolution mit (b) dort angesiedelten sozioökologischen Systemen (SES), welche die Kulturpflanzenentwicklung vorantreiben, zu formulieren, nicht mehr rein als phytogeographsiche Zonen. Salopp ausgedrückt sind dies Vavilovkulturen.
Dazu kommt noch, dass die von V. Gordon Childe postulierten „neolithischen Wissenschaften“ tatsächlich existiert haben dürften, d.h. die neolithische Revolition war wahrscheinlich ein (proto-)-wissenschaftlicher Prozess. Damit erhält das traditionelle Wissen von Völkern in Vavilovkulturen eine völlig neue Bedeutung. Diese Puzzleteile müssen zusammen gesetzt werden und neue Teile gesucht werden, damit verstanden wird, wie ein Vavilovzentrum funktioniert und möglicher Weise rasch zu vertretbaren Kosten wiederherstellbar wäre. Das Risiko des Verlustes von Genreserven ist durch die Irish Potatoe Famine bekannt, das Risiko des Verlustes von Open-Source-Genreserven betrifft die Nahrungsmittelsouveränität einer Gesellschaft. Hier gibt es allerdings noch ein zweites Risiko: Seit dem „postmodernen Paradigmenwechsel“ wurde das Falsifikationskriterium aus den GKS verabschiedet, mit dem Ergebnis eines enormen Anstieges an Shannon-Enthropie in ihren Diskursen (Shannon-Enthropie ist Enthropie in der Information, das bedeutet, Unsicherheit darüber,was eigentlich gemeint ist), sodass Umberto Eco's Roman „Der Name der Rose“ eine boshafte Kritik an der Postmoderne bzw. Geisteswissenschaft ist: Kaum, dass empirisch geforscht wird, geht der Zitatenstammbaum der Lehrmeinungen in Flammen auf (die Klosterbibliothek brennt ab). Für die GKS ist es anscheinend unanständig, sich mit dem Boden der Tatsachen abzugeben. Auf der anderen Seite gibt es bei komplexen Systemen bzw. content-based data, die nicht in mathematische Formeln transformierbar sind, mit dem Verständnishorizont der Naturwissenschaft erhebliche Probleme. In Peru ist der Brückenschlag allerdings möglich, weil Peru eine Vavilovkultur hat und daher diese Insuffizienzen (shortcomings) praktisch vor der Haustüre der Wissenschafter beobachtbar sind. Daher wurde die Idee der „Agrikulturanthropologie“ lanciert. Eines der größten Risikofaktoren dabei ist der „publication bias“, da die Grundlagen und Ergebnisse dessen fast ausschließlich in Peru auf spanisch publiziert werden, das Format internationaler Journal-publications ist vermutlich zu eng, um diese komplexen Sachverhalte zu transportieren.

Conclusio ad 1

Die in Peru entwickelte „applied history / applied archaeology“, etwa den Wiederaufbau der andinen Hochfelder (der „camellones“) erfordert jene Brücke zwischen Geschichtswissenschaft und Naturwissenschaft, die Jared Diamond zu schlagen versuchte, nur die Brückenkonstruktion von John Earls und seiner Schule ist da weit tragfähiger.

2 Das SERF – EURATOM Foresight Projekt

Dieses Projekt wurde praktisch in einem vollständig devastierten Zustand der Nicht-Abwickelung übernommen. Jedenfalls war ein Chaoshaufen an Downloads von Berichten der Weltbank, World Energy Outlook usw. vorhanden, also dem Zustand entsprechend, in dem Archivbestände vorliegen, nämlich nie in der Form, die für die praktische Erstellung einer Darstellung nötig wäre. Der sogenannte „Vater der Geschichte“, Herodot nannte das, was er betrieb, „historia apodexis“ - Darlegung der Erkundung – eine geniale Minimaldefinition der praktischen Arbeit von Historikern. Eine Methode, aus diesem Chaos foresights zu erstellen, gab es nicht, es gab im Grunde absolut nichts und die Zeit drängte. Aus diesem Grunde wurden die vorhandenen Szenarien mittels des Weltsystemansatzes dahingehend auf ihre anthropologische Plausibilität überprüft, ob es vergleichbare Zustände in den Weltsystemen der Globalgeschichte bereits gegeben hatte, da diese Weltsysteme für ihre Akteure gleichsam die Welt waren. Dieser vergleichende Ansatz hatte den Zweck, jene Faktoren zu identifizieren, die sich nicht modellieren lassen, weil sie menschlich-allzu menschlich sind, also die anthropologischen Dimensionen dessen. Dazu zählten in allererster Linie die „Letalfaktoren“, die Jared Diamond in seinem Best-Seller Collapse analysiert hatte, im Hintergrund lief allerdings das Projekt ORA weiter, mit dem Gastlektorat von Prof. Muñoz und mir allerdings damals schon auf der BOKU, da ein Crewwechsel vorgenommen wurde. Um die Angelegenheit besser zu verstehen, muss an dem Diamond'schen Konzept des Kollaps kritisiert werden, dass es praktisch das Ergebnis einer Schnittebene durch die Omega-Alpha Phase des Anpassungszyklus im Phasenraum, von dem die Resilience-Alliance ausgeht, darstellt. Allerdings hatte der Programmleiter des SERF-Programms, Giancarlo Tosato unter Berufung auf Diamond gemeint, alle Foresight-Modelle sollten auf diese Letalfaktoren Rücksicht nehmen. Sie taten dies in aller Regel nicht. Es war vorgeschrieben, zuerst die Foresights zu machen und erst dann den Fusionsreaktor gedanklich hinein zu stellen. Die Identifikation dieser möglichen Letalfaktoren (Punkt Omega – game over) bzw. Faktoren des Neubeginns (Punkt Omega – Vector Alpha) konnte daher nur dadurch erfolgen, dass die derzeit globalisierte Welt als Weltsystem begriffen wurde und dies wurde mit anderen Weltsystemen verglichen. Als Grundlage dazu diente vor allem das online zur Verfügung stehende Journal of World System Research (JWSR). Als Referenz-Weltsysteme dienten die folgenden Systeme en detaille:

  1. Rom – insbesondere dessen Untergang
  2. China- insbesondere dessen Dynastiewechsel
  3. Das Inkareich – insbesondere den durch ORA dokumentierten Übergang vom Punkt Omega nach Vektor Alpha während der mittelalterlichen Klimaanomalie, also vom Zusammenbruch des Wari und Tiwanaku zur Entwicklung des Inkareiches praktisch aus einer sozioökologischen Katastrophe
Sekundär kamen noch einige Analysen aus dem Vorderen Orient dazu, die im JWSR publiziert waren. Der Zugang zu (1) Rom war gegeben, da in meinem Studium Alte Geschichte noch Pflicht war, außerdem ist Joseph Tainters Theorie von der Überschreitung der ökologischen Tragfähigkeit durch ständigen Ressourcen- und Energiebedarfes der Weltsytseme durch das Gesetz der rückläufigen Erträge (law of diminishing returns) der damals propagierten biogenen Wende entgegen gekommen. Das Thema (2) China war gleichsam die Antithese zu Rom, da das chinesische Reich egal unter welcher Dynastie nie untergegangen war. Die (3) Andenzivilisation war für die Beantwortung der Frage von Bedeutung, was die Alternative zum Kollaps war, nämlich die gewollte Dezentralisierung von komplexen Gesellschaften und ein re-run der „neolithischen Wissenschaft“ um den Vektor Alpha zu schaffen. Dieser Fragenkomplex ist allerdings noch nicht gänzlich erforscht. Das Thema Resilienz drängte sich hier auf, sodass dann in Peru die Untersuchung über die Korrelation zwischen den Einschlagsgebieten des meteorologischen Phänomens El Niño Southern Oscillaton (ENSO) und der geographischen Beteiligung „mächtiger“ Vavilovzentren veröffentlicht wurde, das sind Vavilovzentren mit einer inter-spezifischen Diversität an autochthon entwickelten Kulturpflanzen, definiert durch die Anzahl von autochthon entwickelten Kulturpflanzen jenseits von ca. 15. Dies ist allerdings eine Plausibilitätsannahme, da es keinen Schwellenwert gibt, der sagt, wenn die intraspezifische Kulturpflanzendiversität einer Region einen Wert v pro Flächeneinheit übersteigt, ist die entsprechende Gegend ein Vavilovzentrum. Es hat sich dabei herausgestellt, dass die etablierten Zukunftsszenarien tatsächlich die anthropologischen Dimensionen vernachlässigt hatten. Dies betrifft beispielsweise das Great Transition Scenario der Global Scenario Group des Stockholm Institutes in Boston, das ziemlich genau jene Transition beschreibt, welche die Andenzivilisation unseren Recherche- Ergebnissen zufolge durchgemacht hatte, allerdings bestanden Zweifel, ob dies durch rein internetbasierte virtual communities auch praktisch durchführbar ist: Die derzeitigen „Facebook“-Revolutionäre in der arabischen Welt haben sehr reale Kämpfe mit sehr materialistisch und martialisch vorgehenden Gegnern auszufechten – der Chatroom alleine wird es nicht bringen. Daraus folgte die Frage nach den Akteuren und ihren vorgefundenen historischen Umständen. Das zweite Problem sind Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede. Deshalb erachte ich das nun in Vorbereitung befindliche Experiment, QueilaRosa und ihre afrobrasilianische Kulturbrücke nach Österreich mit einer transatlantischen Videobrücke nach Brasilien zu verbinden, als wesentlich, da damit die Frage nach der Vermittlung interkultureller Empathie über Videobrücken, das sind öffentliche Videokonferenzen jenseits des Formates steifer Krawattenträger, die technischen Jargon im Konferenzsaal von sich geben, gelingen kann oder könnte. Dies könnte als experimentelle Kulturanthropologie bezeichnet werden.
(Vorläufige) Schlussfolgerungen aus (2) dem SERF Projekt

Vom Standpunkt der Kulturwissenschaft ist das größte Risiko bei szenarienbasierter Foresights die Formatierung der empirischen Datenbasis gemäß von Vorstellungen der Verhaltensweisen von Menschen, die allzu sehr idealisiert sind (hier fällt mir immer der Film Demolition man ein, oberflächlich ein hirnloser Actionfilm, auf einer zweiten Handlungsebene eine geniale Utopiekritik, die genau das anspricht: Wer nicht keusch und doof ist, landet im Kanal, also im Untergrund, was zu einem enormen Repressionsapparat führt, der wiederum Korruption ermöglicht, an der das ganze System zerbricht). Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass neben der Theologie ausgerechnet die Volkswirtschaftslehre eine Dogmengeschichte kennt, sonst keine Wissenschaft, obwohl Volkswirtschaftslehre zur Grundausbildung der Leute gehört, die beispielsweise unser Geld hüten (sollten). Dass die Dogmen eines Adam Smith anderen Menschen erst mit Blut, Schweiß und Tränen eingebläut wurde, ist unlängst erst durch die Geschichte des El Niño in Britisch-Indien des 19. Jahrhunderts aufgedeckt worden: Man setzte die Lehren der Marktwirtschaft in einer Vavilovkultur durch, ruinierte deren Resilienz und dann schlug ENSO zu: Die Resilienz war zerstört, das Ergebnis: Leichenberge. Diese „dunkle Seite der Globalisierung“ wird manchmal polemisch, etwa von Jean Ziegler mit seiner Theorie des „verwundeten kulturellen Gedächtnis“ der ehemaligen Kolonialvölker thematisiert. Es ist etwa vom Standpunkt der Ethnopsychoanalyse plausibel, dass dies im kollektiven Bewusstsein fort wirkt und daher bei internationalen Konferenzen Schwierigkeiten macht oder diese überhaupt zur Ergebnislosigkeit verdammt.

Rinée, das Energieskalierungsprojekt

Noch klassifiziert.

Schlussfolgerungen aus (3) dem Projekt Rinée

Die naheliegende Schlußfolgerung zuerst: Was punkto energieautarker Systeme zu kostspielig für Entwicklungs-und Schwellenländer ist, ist auch zu kostspielig für wirtschaftlich schwache Regionen in Österreich mit dem einzigen Unterschied, dass die grundsätzlich zu hohen Kosten in Österreich gut versteckt werden (Förderungsabhängigkeit usw).

Die dementsprechenden Kostenkalkulationen dürfen allerdings nicht zum face-value berechnet werden, sondern beziehen sich auf die Möglichkeiten der Region, einen Return of Investment aufgrund dieser Investitionen zu erwirtschaften.

Die entwicklungssoziologische Grundlagenforschung, die in Peru gemacht wird, ist dazu da, Fehlinvestitionen und unpassende Lösungen, die aufgrund mangelnder Anpassung an lokal vorhandene Möglichkeiten dann diese Kosten aufwerfen, von vorne herein zu vermeiden und daher lokal viable Strategien zu erarbeiten.