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Mag.a Heidi Schrodt

Geboren 1950; AHS-Lehrerin für Englisch und Deutsch, arbeitet in der Lehreraus- und –fortbildung. 1992 bis 2010 Direktorin am Gymnasium Rahlgasse in Wien 6. Mitarbeit in großen Schulentwicklungs- und Schulversuchsprojekten, zahlreichen Pubikationen zu bildungspolitischen Fragen. Trägerin mehrerer Preise, darunter der Wiener Frauenpreis 2005, Mitarbeit am Projekt Wien.Welt.Offen (2013/14)

"SEHR GUT oder NICHT GENÜGEND? Schule und Migration in Österreich"
(Verlag Molden, 2014)

Aus „Fazit“ (Seiten 195-200)
(Hervorhebungen FE)

Die Politik ist dringend gefordert, nötige Schritte zu unternehmen, um endlich unsere Schule den geänderten Voraussetzungen anzupassen. Einige davon seien hier – ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit – angeführt.

  • Alle (!) PädagogInnen, im Kindergarten wie in der Schule, müssen auf dem Gebiet der Mehrsprachigkeit ausgebildet, aber auch fortgebildet werden.
  • Die Erkenntnisse der Wissenschaft zum Zweitspracherwerb sind in alle schulpolitischen Maßnahmen einzubeziehen.
  • Wie in allen vergleichbaren Staaten muss die Ausbildung der ElementarpädagogInnen auf tertiärem Niveau erfolgen.
  • Kindergärten, die als Bildungsinstitutionen zu betrachten sind, sind flächendeckend in ganz Österreich anzubieten, ganztägig und kostenlos.
  • Die Schnittstellen im System (mit Beginn der Schulpflicht, fortgesetzt mit 10 und mit 15 Jahren) sind zu entschärfen und fließend zu gestalten.
  • Die Trennung mit zehn Jahren gehört ersatzlos gestrichen. Eine gemeinsame Schule – mit großer innerer Differenzierungsmöglichkeit und Fördermöglichkeiten an beiden Enden des Begabungsspektrums – umfasst alle Kinder und Jugendlichen von 6 bis 15.
  • Alle Schulen sind, wie international üblich, sukzessive auf Ganztagsschulen umzustellen. Das würde auch, aber nicht nur, Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien zugute kommen.
  • Wie wir aus der OECD-Studie TALIS wissen, stehen wir im internationalen Vergleich an letzter Stelle, was Unterrichtspersonal an Schulen betrifft. Hier sind dringend und großzügig Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um das große Defizit an SchulpsychologInnen, SprachförderlehrerInnen, SchulsozialarbeiterInnen, FreizeitpädagogInnen, um nur einige zu nennen, auszugleichen.
  • Neu hinzukommende SchülerInnen müssen das Recht auf eine gleichwertige Schulbildung wie autochtone Kinder erhalten, durch entsprechende Zusatzförderungen wie Intensivunterricht in der Bildungssprache Deutsch oder das Recht auf kostenlosen Schulbesuch bis 18.
  • Der ganze Unterricht muss neu gedacht und gestaltet werden, und das muss in die Aus- und Fortbildung einfließen. LehrerInnen wie auch KindergartenpädagogInnen müssen Lernstandsdiagnosen erstellen können sowie individuelle Förderpläne entwickeln, die kontinuierlich dem jeweiligen Lernfortschritt angepasst werden. Der individuelle Lernfortschritt muss ins Zentrum gerückt werden, nicht eine punktuelle Überprüfung.
All das kann nur in einer Schule stattfinden, die dezentral organisiert ist und über ein hohes Ausmaß an Autonomie verfügt. Die Schulen erhalten Globalbudgets; wie die Ressourcen eingesetzt werden, entscheidet sich an den Standorten, in Absprache mit den lokalen Bildungsdirektionen, die nicht mit den Bundesländern identisch sind.

  • Schulen in schwierigen Lagen oder mit besonderen Herausforderungen erhalten mehr Ressourcen; die Zuteilung erfolgt nach dem Sozialindex.
  • Selbstverständlich soll es ein Lehramtsstudium für Türkisch geben, und selbstverständlich soll es ein Maturafach Türkisch geben.
Alle Maßnahmen – und es handelt sich wie gesagt um eine unvollständige Liste – lassen sich aber nur mittelfristig verwirklichen, manches nur längerfristig, denn eine Annäherung in der ideologisch schwer belasteten Frage der gemeinsamen Schule ist nicht in Sicht.
Nun haben wir aber jetzt Kinder in unseren Schulen, für die wir jetzt Lösungen finden müssen.

Einige Maßnahmen, die auch kurzfristig umgesetzt werden könnten, wären:

  • Einheitliche Bedingungen für Kindergärten sind in ganz Österreich zu schaffen; ein Bundesrahmengesetz wäre ein erster wichtiger Schritt. Es sollte anerkannt werden, dass der Kindergarten in erster Linie eine Bildungseinrichtung und erst in zweiter Linie eine Betreuungseinrichtung ist. Kindergärten als Teil des Bildungssystems sollten in die Kompetenz des Bundesministeriums übergeführt werden.
  • Kleinere Gruppen in den Kindergärten sind einzurichten.
  • Das Recht auf den Besuch ganztägiger Schulen sollte es auch dann geben, wenn nicht beide Eltern berufstätig sind. Das würde gerade Kinder mit anderen Erstsprachen aus bildungsfernen Elternhäusern zugutekommen.
  • Wir brauchen ein Recht auf kostenlose Bildung bis 18/19. Davon würden nicht nur sogenannte QuereinsteigerInnen profitieren, die erst spät in unser Schulsystem eintreten, sondern alle, die die Schule frühzeitig abgebrochen haben oder ohne Schulabschluss geblieben sind.
  • Sprachförderlehrkräfte auf allen Ebenen der vorschulischen und schulischen Bildung gibt es viel zu wenig. Das Kontingent ist massiv aufzustocken.
  • Wir brauchen ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr für alle.
  • Speziell die Nahtstelle vom Kindergarten in die Volksschule könnte gleitend gestaltet werden, indem man Diagnosebögen weitergeben kann (ist jetzt nicht vorgesehen).
  • Ein Paradigmenwechsel in der Zusammenarbeit würde heißen: die Eltern nicht „in die Pflicht zu nehmen“, sondern sie ins Boot zu holen und ihnen auf gleicher Augenhöhe zu begegnen. Eltern sind ab sofort nicht mehr „ZuarbeiterInnen“ der Schule.
  • Die Richtlinien für die Schulbücher sind neu zu formulieren – Diversität und Mehrsprachigkeit sind als Kriterien für die Genehmigung aufzunehmen.
  • Neu hinzugekommene SchülerInnen müssen mehr Zeit haben als zwei Jahre, um benotet zu werden. Zwei Jahre sind zu kurz. Eine Gesetzesänderung ist vorzunehmen.
  • Für Kinder, die erst kurz vor oder während der Volksschulzeit Deutsch gelernt haben, darf die Deutschnote kein Kriterium für die Eignung für die AHS sein. Der Erwerb der Bildungssprache Deutsch dauert 5 bis 8 Jahre. Wenn schon die Schnittstelle mit zehn bleibt, müsste man die Kompetenzen der Erstsprache dieser Kinder als Eignungskriterium für die AHS heranziehen.
  • Modellregionen mit Schulzentren, die schulautonom und mit Globalbudgets ausgestattet arbeiten, könnten sofort eingerichtet werden.
  • Schulen mit besonders großen Herausforderungen erhalten mehr Mittel.
Es gibt also Maßnahmen, die kurzfristig umgesetzt werden könnten, und das sollte man auch in Angriff nehmen. Die massiven Defekte im System lassen sich dadurch nicht beheben, das muss jedem klar sein. Langfristig werden wir nicht umhin kommen, auch hierzulande Bildungvon Grund auf neu zu denken. Von 0 bis 19.
Warum gibt es keine Vision von Bildung? Wann wurde zuletzt über eine Legislaturperiode hinaus gedacht? Wir brauchen diese Vision, wir brauchen Strategien zu ihrer Umsetzung. Wir können es uns nicht leisten, länger zu warten.