Triesterviertel / Projektideen / Aktive Projekte / Menschen Erzählen / Franz Weigl |
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Gespräch am 30.3.1993 in dessen Wohnung im "George-Washington- Hof" (W: Weigl, E: Endl)
W: Ich bin ein geborener Margaretner. Meine Mutter ist an den Folgen einer Geburt frühzeitig gestorben. Da war ich nicht einmal 9 Jahre und bin kurz in ein Waisenhaus gekommen. Mein Vater hat bei einem der vornehmsten Friseure in Wien gearbeitet und war dort sehr beliebt. Er stand plötzlich da mit drei Kindern. Er musste ja um 6 in der Früh schon aus dem Haus gehen Wir Kinder haben uns vis a vis vom Haus einen Fußballplatz gebaut. Die Hälfte von unserem Haus waren Tschechen. Ich hab daher dazumals sehr viel tschechisch verstanden. Es war eine gute Zeit, als Kind. Wir haben weiß Gott nicht viel gehabt, aber Hunger haben wir nicht leiden müssen. Tagtäglich ist ein großer Brotlaib vom Hammer geholt worden und der ist am Abend weg g´wesen. Und wenn kein Geld mehr da war, hat´s halt nichts mehr gegeben, erst am nächsten Tag in der Früh…. In der Zwischenzeit wurde der Diplomat von Rom nach Paris versetzt und auch mein Vater ging mit seiner Frau mit. Das war vom Herbst 1912 bis Anfang des Krieges 1914. E: Von ihrem Vater haben sie ja in der Zeit nicht viel gehabt. W: Nein, aber er hat uns Geld geschickt. Das hat für 10 Personen reichen müssen, weil die anderen waren alle arbeitslos. Nur nicht die Tante Milly beim Heller. Wir Kinder sind nur zum Heller hingerannt zum Riechen. Wir haben die Schokolade gerochen. Gesehen haben wir keine, gekostet haben wir auch keine. Die Tante Milly hat erzählt, dass sie dort auch welche essen kann. Die Bezahlung war nicht besonders groß, aber es war eine Arbeit. Man hat ja jede Arbeit angenommen. Arbeitslosenunterstützung oder so was hat es ja damals alles nicht gegeben. Soziale Einrichtungen waren gleich Null, also hat man jede Arbeit, die man bekommen konnte, auch angenommen. Hauptsache, man hat was verdient. Schuhe hat man nicht anziehen dürfen, nur, wenn man in die Schule gegangen ist. Praktisch haben zehn Leute davon gelebt, was mein Vater aus Paris geschickt hat…. Ich bin in die Alxingerschule g´angen, habe einen sehr guten Lehrer gehabt. Ich war in der Schule immer gut, sehr gut, das war ich schon von der ersten Klasse an. Ich hab den später sehr berühmten Lehrer Katzinger gehabt. Nach dem ist ein eigener Hof benannt im 5.Bezirk. Kurz und gut, aus diesem Viertel sind wir weggekommen. Von dort sind wir dann in die Buchengasse Ecke - ich glaub, das ist die Herzgasse, ich weiß es nicht mehr…..Dann kam für uns Kinder wieder eine traurige Zeit, weil der Vater hat sich wieder scheiden lassen. Es ist ein Kind zur Welt gekommen und bald wieder gestorben und dann waren nur mehr Streitereien und es kam zur Scheidung.
W: Es gab eine große Rivalität zwischen uns Buben. Wir haben die „Müller-Buben“ geheißen nach dem Metallbetrieb, wo wir zeitweilig sogar ein Geld verdient haben. Und zwar dadurch, weil die haben keine eigene Wasserleitung gehabt und daneben war ein Hydrant draußen auf der Gassen. Und weiter oben war ein Reservoir, da hat man müssen hinaufgehen. Und da haben wir Buben eine Kette gebildet wie bei der Feuerwehr und haben das Wasser oben in das Reservoir geleert. Die Folge davon war, dass wir ein bisserl Geld gehabt haben, mit dem wir uns einen Fußball haben kaufen können.
E: Aber beim Umzug sind sie ja auch in das Revier der Weber-Buam kommen.
E: Wo habe sie in dieser Zeit gelebt? Ich habe dann im 3.Bezirk eine Bettstelle gehabt, weil ich habe da schon gearbeitet. 1918 bin ich mit 16 Jahren in die Bank eingetreten. In die heutige Länderbank am Hof. Mein erstes Monatsgehalt waren damals 56 Kronen, in Silber ausbezahlt. Dafür hat man Protektion gebraucht, aber was für eine. Ich bin zu zwei Ärzten geschickt und untersucht worden. Dann bin ich mit meinem Vater zur Hausinspektion gekommen. Und dann hat die Hausinspektion zu meinem Vater g´sagt: „Kommen sie mit ihrem Sohn ein Jahr später. Er hat angehende Plattfüße. Kaufen sie ihm Einlagen.“ Am nächsten Tag in der Früh war mein Vater wieder bei dem Diplomaten. Er war net am Mund g´fallen und hat ihm g´sagt: „Ihre ganze Protektion nutzt herzlich wenig. In einem Jahr soll ich mit meinem Buam wiederkommen. Wie stellt sich der des vor?“ Um 10 Uhr ist sein Auto bei uns vorgefahren und ich bin zur Bank g´führt worden. Man hat mich eingekleidet…..Der Hausinspektor hat mich seither nicht leiden können. Für den war ich ein rotes Tuch.
W: 1912 hat mein Vater nochmals geheiratet. Das war Anlass, dass wir vom 5.Bezirk weggezogen sind in die Fernkorng. 83. Dort war der billigste Zins. Diese zweite Mutter war dazumal 19, mein Vater war 36… Die Eltern sind als Angestellte mit einem Friseur-Kunden, der auch Diplomat war, zuerst nach Rom gezogen. In der Fernkorngasse haben wir mit den Eltern der zweiten Frau unseres Vaters zu zehnt auf Zimmer-Kuchl- Kabinett gewohnt. Oben war eine kleine Metallfabrik…dann war die große Fabrik, der Heller, wo auch eine Tante mit 16 hingegangen ist…und ein großer Werkstättenhof mit vielen Betrieben, die haben „Die Römer“(?) geheißen, warum weiß ich nicht. Kabinett gewohnt. Das Leben war nicht schlecht, wir hatten keine Not mehr g´habt… Mit dem Vater war es unmöglich, dass wir in der Wohnung bleiben konnten. Mit zehn Personen haben schon welche auf Matratzen am Fußboden geschlafen. Da hat der Vater 1914 auf der Quellenstr.130 eine Wohnung gemietet. Das war für damalige Begriffe ein modernes Haus. Da hat man den Mist nicht hinunter tragen müssen. Da gab es eigene Behälter. Das war aber anscheinend doch zu teuer und wir sind ein paar Mal umgezogen, wie es dazumals eben war, immer wo der Zins etwas billiger war. Mit dem Handwagerl und die Kinder helfen mit. Damals war der 10.Bezirk dort, wo die Behm z´haus san. Man hat nicht nur billig wohnen können, es war auch viel Industrie da. Es gab manche merkwürdige Erscheinungen, aber es war so.
W: Ich habe einen Onkel gehabt, der war gleich alt wie ich, der Fritz. Wir haben Koks holen müssen. Da haben wir zu den Kohlenrutschen hinunter müssen. Da sind die angesiedelt gewesen und da hat man´s um einen Kreuzer billiger g´habt wie bei den Kohlenhändlern.
E: Was mich interessiert wären ihre Jahre hier im Bubenalter. Welche Gebäude haben sie damals gekannt, wie die Hellerfabrik, die Kuvertfabrik oder die Klavierfabrik Lauberger-Gloss. Woran können sie sich aus diesem Gebiet noch erinnern? W: Sie müssen sich auch Folgendes vorstellen: Da sind ununterbrochen die Ziegelwägen g´fahr´n. Die Triesterstraße war ja noch gepflastert und da haben wir Buben mit einer Klampfen die (Huf)Stollen, die hängengeblieben sind, in einem Sackerl gesammelt. Mit dem sind wir zu einem Eisenhändler gegangen und der hat uns ein paar Kreuzer gegeben. Der hat dann wieder einen Spitz draus g´macht und der neue Stollen war wieder fertig. Wenn wir eine neue Fußballblasen gebraucht haben oder sonst was, dann haben wir das kaufen können.
E: Können sie sich noch erinnern an das Gasthaus Ecke Quellenstraße-Knöllgasse, das „Schlemmereck“? Dort ist ja das Hauptwohnhaus der Familie Weber gewesen. Können sie mit der Familie Weber etwas verbinden, mit dem Großfuhrwerker?
E: Mich interessiert vor allem ihre persönliche Beziehung zu diesem Teil von Favoriten.
Wie der Krieg 1914 ausgebrochen ist, ist unser Vater zurück gekommen. In der Trostkaserne war ein Regiment und die sind zur Südbahn hin ausmarschiert. Mein Vater hat mir Geld gegeben und ich hab müssen Zigaretten verteilen. Da war ich zwölf Jahre. Wir haben oft von zuhause Leintücher mitgenommen und da haben uns die Soldaten aus den Fenstern Brot oder Zwieback herunter g´worfen. Die haben ihre Kästen leer gemacht und das war für unsere Familien natürlich sehr wichtig. Dafür haben wir von den Soldaten kleine Brieferln an ihre Geliebten getragen, dass sie jetzt abmarschieren. Postillion d´amour. Und die haben uns dafür beschenkt. In unserem Haus waren ja lauter arme Leute und die Großmutter war froh, weil sie tagelang kein Brot hat kaufen brauchen.
W: Wir mussten ganz zeitig um vier in der Früh bei den Kronen (?)-Werken anstellen, damit wir ein bisschen Mehl bekommen, weil der Krieg kommt. Da haben wir schon in der Quellenstraße gewohnt. Wir Kinder haben an Zelte Oliven ang´näht. Das ist sehr schwach bezahlt worden, aber es ist bezahlt worden. Wenn wir soundso viele Oliven ang´näht haben, hat uns die Stiefmutter versprochen, kriegen wir zum Nachtmahl auf das Stück Brot, wenn sie uns ein bisserl Margarine drauf g´strichen hat, kauft´s uns dazu….
Ich hab da im Jahr 1930 hier im Washington-Hof das erste Radiogeschäft aufgemacht. Selbständig habe ich mich gemacht im Jahr 1928. | |||||||||||||||