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Manuela Wade: „Mikrokosmos Stadtviertel – Lokale Partizipation und Raumpolitik“    
2015, transcript Verlag, Bielefeld

Buchbeschreibung des Verlages:

Zunehmende Disparitäten innerhalb von Städten, Privatisierung staatlicher Bereiche, steigende Wohnkosten – Prozesse wie diese manifestieren sich in einzelnen Stadtvierteln und schaffen Bedingungen für Initiativen der Bevölkerung. Gleichzeitig verändern sich Orte in ihren Bedeutungen durch das Handeln der Menschen auf der einen und durch staatliche Strategien auf der anderen Seite. Manuela Wade geht diesen Prozessen nach und zeigt, wie die Bewohner_innen von drei ausgewählten Stadtvierteln in unterschiedlichen Teilen der Welt damit umgehen, welche Rolle Wohnen in diesem Kontext spielt und warum dies zu einer Repolitisierung der Stadt führen kann.

FritzEndl: Auszüge, soweit sie auch für „Unser Triesterviertel“ (Wien 10) von Bedeutung sind.
(Hervorhebungen FE)

am 1.7.2015

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Manuela Wade: „Mikrokosmos Stadtviertel – Lokale Partizipation und Raumpolitik“   
Einleitung: „Sag´ mir, wo du wohnst…“   
Methodische Überlegungen   
Vergleichende Analyse   
Die Wohnfrage als Ausgangspunkt zur Erforschung lokaler Partizipation   
Umsetzung: Datenmaterial und Erhebung vor Ort   
Zu den einzelnen Stadtvierteln   
Triesterviertel, Wien   
Zusammenfassende Bemerkungen: Neue Wege in der Stadt?   
Exkurs: Räumliche Praxis an unterschiedlichen Orten   
Multiplizität von Räumen oder: Welcher Raum für wen?   
Die Ebene des Ortes   
Von Ungleichheiten geprägte Wahrnehmungen   
“Slum“, „Ghetto“ oder „Benachteiligtes Stadtviertel“   
Nicht draußen aber trotzdem ausgegrenzt   
Benachteiligt oder benachteiligend: Grenzen Orte aus?   
I believe in what´s happening here"   
Zusammenfassende Bemerkungen: Integrationsfähigkeit der Stadtviertel   
Räume begrenzter Staatlichkeit   
Was bedeutet "Wohnungspolitik"?   
Regieren über soziale Nahräume   
Wohnungspolitik als Raumpolitik   
Eingreifen oder Raushalten? Erwartungen an den Staat   
Zusammenfassende Bemerkungen   
Geförderte und geforderte Partizipation   
Partizipation über Einbindung   
Ressource oder Voraussetzung   
Partizipation über Selbstinitiative   
„Nous sommes organises pour mieux vivre.“   
Zusammenfassende Bemerkungen   
Zusammenführungen: "Und dass sich jeder bewusst wird, hier wohne ich"   
Von der Einbettung in soziale Nahbeziehungen   
....Zur staatlichen Präsenz vor Ort   
Mikrokosmos Stadtviertel: Eine theoretische Einbettung   
Schlussbemerkungen: Repolitisierung der Stadt   
Danksagungen   
Interviews   
Diskussion   
25.9.2015 Plädoyer der Soziologin Saskia Sassen für eine Aufwertung der Stadtviertel: "Wem gehört die Stadt?"   

Einleitung: „Sag´ mir, wo du wohnst…“    
Seite 9

Diskussionen über leistbares Wohnen in Wien, Proteste gegen Delogierungen und Zwangsräumungen in Berlin oder New York, Räumungen von „Elendsvierteln“ in Rio de Janeiro – die Wohnfrage scheint (wieder) im Zentrum von gesellschaftspolitischen Debatten und staatlichen Handlungsstrategien angekommen zu sein und gleichzeitig zu einer Art „Repolitisierung“ der Stadt geführt zu haben. Hierbei tritt in den letzten Jahren, insbesondere jedoch seit der Finanzkrise 2008, auch verstärkt die Dimension von Wohnen als Finanzprodukt in den Vordergrund. Wohnraum wird zur Ware, oft mit dem Schlagwort "Gentrifizierung“ als Zuzug einkommensstarker Bevölkerungsschichten assoziiert wird, stellt nicht zuletzt eine Veränderung der Zusammensetzung der BewohnerInnen auf lokaler Ebene und somit eine Frage des gesellschaftlichen Zusammenlebens dar.

Die Tendenz geht in Richtung Homogenisierung, was auf eine Verräumlichung sozialer Ungleichheit verweist. Dies bedeutet, dass sich sozial ähnlich gestellte Bevölkerungsteile räumlich konzentrieren .... Augenscheinlich werden derartige Entwicklungen durch das Ansteigen von Armensiedlungen auf der einen, und den sogenannten „gated communities“ für reiche BewohnerInnen auf der anderen Seite. Oder durch steigende Mietspreise in ehemaligen ArbeiterInnenvierteln?. Es ist demnach nicht nur entscheidend, wie man wohnt, sondern auch, wo man es tut. Damit gehen bestimmte Zuschreibungen an einzelne Stadtviertel einher. Was fällt dem Leser bzw. der Leserin beispielsweise zu den Wiener Bezirken Josefstadt und Favoriten ein? Diese Bilder von einzelnen Orten und Vierteln fügen sich für Städte zu einem Gesamtbild zusammen. Auch historisch gesehen erfüllten die Josefstadt und Favoriten für Wien eine unterschiedliche Rolle. Auf der einen Seite ein bürgerliches Viertel innerhalb des Linienwall, auf der anderen Seite ein Industriegebiet mit einem hohen Anteil an ArbeiterInnen, das erst später Teil des Stadtgebietes wurde. Daraus geht hervor, dass sich die Bedeutung von bestimmten Orten und Vierteln durch deren Einbettung in weiterreichende Strukturen – sei es, ökonomisch, sozial, politisch oder kulturell – konstituiert.

So haben ökonomische Prozesse und Veränderungen auf globaler Ebene wie beispielsweise Privatisierungstendenzen, die sich durch einen Rückzug von staatlichen Einrichtungen aus einzelnen Stadtteilen ausdrücken, oder Deindustrialisierung, welche ehemalige „ArbeiterInnenviertel?“ zu einer Neuausrichtung zwingt, Auswirkungen auf die lokale Ebene. Gleichzeitig ist die Diskussion über Homogenisierung von Stadtviertel und deren Bedeutung für das Gesamtgefüge Stadt auch immer eine Diskussion über die Verteilung von Lebenschancen – und über die Frage nach der (möglichen) Notwendigkeit eines Ausgleiches von räumlichen und sozialen Unterschieden. An dieser Stelle kommen politische Strukturen in Form von staatlichen Strategien ins Spiel, welche zumeist auf Ebene der Nationalstaaten formuliert werden. Nehmen wir das Beispiel der Wohnpolitik als eine Möglichkeit von wohlfahrtsstaatlichem Eingreifen in marktwirtschaftliche Prozesse, so lassen sich deren Spuren unter anderem an den Gebäuden des öffentlichen Wohnbaus ablesen.

Allerdings bleiben die bereits angesprochenen Bilder von Orten und Stadtvierteln nicht an den dort vorgefundenen Gebäuden haften, sondern übertragen sich auch auf die BewohnerInnen. Nicht zuletzt bemerkt Wacquant (2004) ein auf den Ort bezogenes Stigma von BewohnerInnen der französischen „banlieues“ . All diese Entwicklungen und Zuschreibungen , gepaart mit damit verbundenen Machtverhältnissen und Interessensartikulationen, wirken im „Mikrokosmos Stadtviertel“ zusammen und schaffen bestimmte Bedingungen für dort lebende Menschen. Abhängig von ihren jeweiligen Positionen in der Gesellschaft, ihren alltäglichen Erfahrungen und damit verbundenen Vorstellungen nehmen BewohnerInnen ihr räumliches Umfeld unterschiedlich wahr, was Massey (1994) als „multiplicity of spaces“ bezeichnet. Dies bedeutet, dass an einem Ort bzw. in einem Stadtteil mehrere Vorstellungen von Raum existieren. Gleichzeitig gestalten dort lebende Menschen ihr Umfeld über ihre (täglichen) Handlungen mit, wodurch sie – mit Lefebvre (1974/2000) gesprochen – Raum produzieren.

Ganz allgemein geht es somit um die Frage das Zusammenlebens bzw. von sozialer Kohäsion unter Bedingungen des städtischen Umfeldes, das Simmel (1903/2006) bereits zu Beginn des 20.Jahrhunderts mit „Blasiertheit“ und Individualisierung assoziiert. Die Anonymität der Großstädte lässt demzufolge alte „dörfliche“ Formen der sozialen Kontrolle – aber auch der gegenseitigen Hilfeleistungen – sowie bestimmte Werte und Moralvorstellungen an Bedeutung verlieren. Gleichzeitig sind auch Menschen in den Städten eingebettet in soziale Beziehungen und bauen Netzwerke auf, wobei den einzelnen Stadtvierteln als direkten Wohnumfeldern eine besondere Bedeutung zukommt. Daraus entstehende Zusammenschlüsse und Initiativen können wiederum neue Formen von gegenseitigem Vertrauen und Hilfestellungen ermöglichen, welche als Ressourcen zu verstehen sind. Diese Ressource, das „Sozialkapital“, dient nach Putnam (2000) nicht nur einzelnen Individuen, sondern der gesamten (lokalen) Gemeinschaft. Es wertet demzufolge ganze Stadtviertel auf, womit die Frage der Organisierung eine räumliche Dimension erhält: Einzelne BewohnerInnen schließen sich in einzelnen Stadtvierteln zu Initiativen zusammen – doch wer partizipiert wo?

Diese Prozesse und Beobachtungen machen deutlich, dass die Kategorie „Raum“ eine Relevanz für die Sozialwissenschaften besitzt. Hierbei soll „Raum“ keineswegs als Container oder als eine Art Hintergrundbild für Handlungen von AkteurInnen betrachtet werden. Vielmehr geht es darum, den im Zuge des „spatial turn“ veränderten Raumbegriff auch in der Politikwissenschaft zu verankern: Weg von einem objektiven Verständnis von räumlichen Sachverhalten, hin zu gesellschaftlich produzierten Raumphänomenen. Raum muss in diesem Zusammenhang

„in einem Wechselverhältnis zwischen sozialer Praxis und dem dadurch in die Welt gebrachten „Konstrukt“ betrachtet werden.“ (Dörfler 2010: 37)

Das bedeutet auch, dass das „Wo“ in Verbindung zu Interaktionen, durch welche es konstituiert wird, gesetzt werden muss.

In der vorliegenden Arbeit geht es daher – ganz grob formuliert – um das Wechselverhältnis zwischen globalen und nationalen Entwicklungen auf der einen, sowie lokalen Initiativen von BewohnerInnen auf der anderen Seite, welche in bestimmten Stadtvierteln zusammenwirken und somit (Handlungs-)Räume schaffen. Dies hängt zusammen mit der Frage, warum sich bestimmte Personen an bestimmten Orten organisieren. Zu diesem Zweck wird untersucht, wie sich AkteurInnen innerhalb ihres Wohnumfeldes, den strukturellen Gegebenheiten, bewegen. Dem liegt die Annahme zugrunde, das die Form, in welcher sich „Raum“ in sozialen Prozessen widerspiegelt, das Resultat von konkreten Praktiken ist, innerhalb derer er relevant wird. Daraus ergibt sich folgende Fragestellung: Welche Rolle spielt die Wohnfrage in Bezug auf das Handeln von BewohnerInnen einzelner Stadtvierteln in unterschiedlichen (institutionellen) Kontexten? Um diese Fragestellung beantworten zu können, müssen unterschiedliche Themenfelder abgesteckt werden. Zum einen geht es um die Einbettung der Stadtviertel in weiterreichende Strukturen. Dies beinhaltet sowohl ihr Verhältnis zu zentralen politischen Steuerungsinstanzen auf Stadt- oder Nationalstaatsebene, als auch die sich daraus ergebenden Konstellationen, welche sich in den Vierteln in verschiedener Weise manifestieren. Um diese Entwicklung erfassen zu können, wurde als (theoretische) Analyseeinheit jene des Ortes gewählt. Auf der anderen Seite geht es um die ViertelbewohnerInnen selbst, und darum, wie sie ihr Umfeld und darin auftretenden Problemlagen wahrnehmen, sowie in weiterer Folge – um die Voraussetzungen für ihre eigene Organisierung. Dreh- und Angelpunkt der Untersuchung ist der Bereich des Wohnens, an dem exemplarisch Entwicklungen und Dynamiken an den einzelnen Orten dargestellt werden. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Tendenz zu Verräumlichung sozialer Ungleichheiten bildet die Rolle des Raumes die theoretische Klammer.

Die Breite der abzudeckenden Themenfelder spiegelt sich auch im Aufbau des Buches wider. Im nächsten Kapitel wird das methodische Vorgehen erklärt; die Wohnfrage konkretisiert sowie Hypothesen aufgestellt. Um spezifische (institutionelle) Konstellationen in einzelnen Stadtvierteln zeigen zu können, wird vergleichend gearbeitet. Exemplarisch ausgewählt wurden jeweils ein Viertel in einem Stadtteil in den Städten Dakar in Senegal, Philadelphia in Pennsylvania, USA, sowie Wien in Österreich. In jedem Stadtteil wurden qualitative Interviews geführt. Die Auswahl mag aufgrund der augenscheinlichen Verschiedenartigkeit der Städte ungewöhnlich erscheinen, die Gründe hierfür werden in jenem Kapitel näher erläutert. Nur so viel zu Beginn: Jede dieser Städte steht für ein Ausprägung im Wohlfahrtsdreieck Staat, Markt und Zivilgesellschaft. Ausgehend von den Unterschieden werden Gemeinsamkeiten in Hinblick auf Organisierung der Bevölkerung und Konstellationen im Wohnbereich im Laufe der Arbeit zu suchen sein. Das dritte Kapitel beschäftigt sich, basierend auf Datenmaterial und ExpertInneninterviews?, mit der Darstellung der historischen Entwicklung und den Charakteristika der einzelnen Stadtviertel.

In den Kapiteln vier bis sieben werden die theoretischen Stränge und Zugänge in Verbindung mit den empirischen Ergebnissen dargelegt. Kapitel vier spannt den theoretischen Bogen von Raumverständnissen in den Sozialwissenschaften zu jenem in der vorliegenden Arbeit. Dies erscheint als notwendige Voraussetzung, um Handlungen von BewohnerInnen als räumliche Praktiken begreifen zu können. Zudem wird der Begriff Nachbarschaft in Bezug zu der Untersuchungseinheit des Stadtviertels gesetzt. Da eine Definition von Nachbarschaft oft mit Grenzziehungen und Zuschreibungen von Identitäten an einzelne Viertel verbunden ist, die wiederum in Gefahr des Ausschlusses von anderen Gruppen oder Individuen in sich trägt, dreht sich das Kapitel fünf um die Debatte um soziale Exklusion. Es soll geklärt werden, ob das Wohnumfeld bzw. das Wohnquartier eine Ungleichheitskategorie an sich darstellt. Im empirischen Teil kommen ViertelbewohnerInnen in Bezug auf ihre Wahrnehmung ihres Viertels zu Wort. Auf das Staatsverständnis wird in Kapitel sechs eingegangen, indem abgeklärt wird, auf welchen Ebenen und in welcher Form in den betreffenden Nationalstaaten Wohnungspolitik betrieben wird. Anhand dieses Bereiches werden neuere Entwicklungen – beispielsweise Privatisierungstendenzen – skizziert. Ergänzt wird dies empirisch durch (ExpertInnen-)Interviews mit VertreterInnen von staatlichen (umfasst auch die städtischen bzw. kommunale Ebene) Einrichtungen. In Kapitel sieben wird – aufbauend auf den Erkenntnissen der vorigen Kapiteln – auf das wechselseitige Verhältnis zwischen Partizipation und Stadtviertel eingegangen. Die Herausarbeitung von Partizipationsmotiven von ViertelbewohnerInnen in Verbindung mit der Bedeutung der einzelnen Stadtviertel für diese steht im Mittelpunkt, wobei einzelne BewohnerInnen selbst über ihre Initiativen zu Wort kommen. Abschließend werden in Kapitel acht die Erkenntnisse zusammengeführt. In den Schlussbemerkungen rückt die mit einer Repolitisierung der Stadt in Verbindung stehende Frage nach dem gesellschaftlichen Zusammenleben in den Vordergrund.

Methodische Überlegungen    

Vergleichende Analyse    
S.15

......Die gewählte Forschungsfrage beinhaltet die Themenkomplexe des Verhältnisses von ViertelbewohnerInnen zu staatlichen Einrichtungen sowie den Umgang mit städtischen Problemlagen. Besonders im Hinblick darauf tritt eine Bandbreite zutage, die eine vergleichende Untersuchung möglichst unterschiedlicher Stadtviertel bzw. Städte fruchtbar macht. Während beispielsweise in Europa eine enge Verbindung zwischen Urbanisierung und dem Entstehen von Nationalstaaten besteht (vgl. Le Gales 2002: /), was diesen eine entscheidende Einflussnahme auf die lokale Ebene ermöglicht, wird die Stadtentwicklung in den USA weniger durch die Rolle des Staates als Regulator bestimmt. (S.16)

Es wurden drei Stadtviertel in drei Städten auf drei unterschiedlichen Kontinenten ausgewählt. Hierbei handel es sich um das Stadtviertel Arafat in Grand Yoff in Dakar, Senegal, um East Kensington in Kensington in Philadelphia, USA, sowie um das Triesterviertel in Favoriten in Wien. Die ausgewählten Stadtviertel weisen sehr unterschiedliche Ausprägungen der institutionellen Kontexte auf. Diesbezüglich wird in der vorliegenden Untersuchung ein besonderes Augenmerk auf folgende Aspekte gelegt: das Verhältnis der staatlichen Organe der unterschiedlichen Ebenen zur Bevölkerung, das Verhältnis von Zentrale bzw. zentraler Verwaltung (Nationalstaat) zur Dezentrale (Stadtviertel), sowie auf den, daraus resultierenden, unterschiedlichen Umgang mit der Wohnfrage als Teil der sozialen Frage und deren Bedeutung für stadtteilbezogenes Handeln der BewohnerInnen. Darüber hinaus wird auf die möglichen Einflüsse der, in den einzelnen Stadtvierteln vorgefundenen Bedingungen auf eben dieses Handeln eingegangen.(S.17)

Trotz der augenscheinlichen Unterschiede wurde darauf geachtet, Stadtteile mit einer Bevölkerungsanzahl zwischen 5.000 bis 15.000 EinwohnerInnen auszuwählen, die – historisch betrachtet – als „ArbeiterInnenviertel?“ und „Vorstadt“ zu klassifizieren sind. (Im Falle von Kensington und Favoriten handelt es sich um Gebiete mit einer – zumindest früheren Zeiten – hohen Dichte an Fabriken und Wohneinheiten für ArbeiterInnen...."Vorstadt“ in diesem Kontext bezieht sich auf Viertel, die historisch eigenständige Verwaltungseinheiten darstellten und später in die jeweiligen Städte eingemeindet wurden. Zumeist wurden in diese Gebiete Gewerbesparten ausgelagert, welche im Zentrum unerwünscht waren.).....All diese Punkte sind zentral für die abhängige Variable, nämlich das stadtteilbezogene Handeln von BewohnerInnen, da sie die Voraussetzungen und Bedingungen darstellen. Teil der Untersuchung ist somit auch, ob dieses Handeln trotz unterschiedlicher institutioneller Kontexte Ähnlichkeiten aufweist.''' (S.18/19)

Die Wohnfrage als Ausgangspunkt zur Erforschung lokaler Partizipation    
S.19

Um zu klären, welche Rolle die Wohnfrage für das Handeln von ViertelbewohnerInnen spielt, ist zunächst eine genauere Erläuterung darüber nötig, was überhaupt unter „Wohnfrage“ zu verstehen ist.....Zum einen ist Wohnen ein interaktiver Prozess, der soziale und kulturelle Kategorien sichtbar macht, und somit auch als Distinktionsmittel zur Abgrenzung einerseits, und dem Zeigen des eigenen Lebensstils andererseits, dient. Dies drückt sich nicht zuletzt in der Verräumlichung sozialer Ungleichheiten aus. Bezüglich der räumlichen Dimension beschränkt sich Wohnen nicht auf materielle, sondern umfasst ebenfalls soziale Aspekte, wie beispielsweise Interaktionen im Rahmen von sozialen Nahbeziehungen. Zudem ist Wohnen in die drei Pole Staat, Markt und (Zivil-)Gesellschaft eingebettet: Wer kümmert sich um diesen Bereich in den einzelnen Stadtvierteln? Besonders in der europäischen Diskussion gilt Wohnen – neben Gesundheit, sozialer Sicherung und Bildung – als eine der zentralen Säulen des Wohlfahrts- und Sozialstaates.

.....Seit einigen Jahren – und noch früher in den USA – ist auch in Europa eine Privatisierung und Umschichtung wohnungspolitischer Instrumente zu beobachten:...."Die Wohnungsfrage wird individualisiert, die Haushalte zu Anpassungsleistungen gezwungen." (Keim, 2011:248)

Demnach beeinflussen Diskurse über die soziale Frage, welche die Wohnfrage miteinschließt, staatliche Strategien in diesem Bereich, welche Auswirkungen auf die Lebenssituation der BewohnerInnen haben, die wiederum durch ihre Wohnsituation eine gewisse Verankerung in ihrem Viertel erfahren. Wohnen stellt eine zentrale Verbindung zu dem räumlichen Umfeld dar und erzeugt dadurch Betroffenheit und möglicherweise Identifikation vonseiten der BewohnerInnen.

Somit dient die Frage, welche Rolle der Bereich des Wohnens für ein stadtviertelbezogenes Handeln von BewohnerInnen spielen kann, und inwiefern sich daraus Annahmen über das Verhältnis zu staatlichen Einrichtungen ableiten lassen, als Ausgangspunkt für die Formulierung der folgenden Hypothesen:

  • Eine bewusste Wohnentscheidung für ein bestimmtes Stadtviertel begünstigt ein Engagement für dieses, das darüber einerseits diesem Viertel eine Identität zugeschrieben werden kann, welche die eigene widerspiegelt, sowie andererseits über die tägliche Anwesenheit an einem Ort Betroffenheit erzeugt wird. Die durch Privatisierungstendenzen verstärkte Kommodifizierung des Wohnungswesens trägt allerdings zur Einschränkung dieser Entscheidungsmöglichkeit auf bestimmte (einkommensstarke) Bevölkerungsgruppen bei, wodurch sich Beteiligung in Form von Partizipation auf diese Gruppe konzentriert.
Zentral hierbei ist die Freiwilligkeit der Wohnentscheidung, die an bestimmte Voraussetzungen – wie die Verfügbarkeit von ökonomischem Kapital – gebunden ist. Es geht nicht nur um eine Untersuchung der sozialen Differenzierung innerhalb von Stadtviertell, sondern auch um die Rahmenbedingungen, die von staatlicher Seite auf dieser Ebene geschaffen werden. Die daraus entstehenden gesellschaftlichen Strukturen begünstigen, so die Annahme, eine Teilnahme an beispielsweise Nachbarschaftsinitiativen oder wirken dieser entgegen.

  • Je weniger ein Ort bzw. Stadtviertel im Fokus staatlicher, städtischer und kommunaler Strategien liegt und je peripherer er in Bezug auf politische Entscheidungsprozesse wahrgenommen wird, desto eher organisieren sich BewohnerInnen von Stadtviertel auf lokaler Ebene bzw. bleiben ihre Handlungen lokal beschränkt.
Die Auswirkungen von staatlichen Instrumenten auf lokaler Ebene sind auch hier von zentraler Bedeutung. Die zugrunde liegende Überlegung ist, dass Initiativen, welche in Stadtviertel ohne staatliche Fokussierung entstehen, sich eher autonom verhalten und auf das eigene Viertel konzentrieren werden. Demgegenüber werden Initiativen aus Vierteln, in denen staatliches Handeln als präsent wahrgenommen wird, versuchen, das staatliche Eingreifen auf Ebenen, die über der lokalen liegen, zu beeinflussen.

Die erste Hypothese setzt an der Verbindung Partizipation und Ort im Sinne des Wohnumfeldes, die zweite an jener von Partizipation und Ort im Hinblick auf staatliche Präsenz und Ebene an. Beide Hypothesen fokussieren darauf, unter welchen Rahmenbedingungen Partizipation von welchen Bevölkerungsgruppen und in welchem Handlungsradius – bzw. auf welcher Ebene – ausgeübt wird.

Umsetzung: Datenmaterial und Erhebung vor Ort    
S.22

.....Es geht um eine detaillierte Erfassung von gesellschaftlichen Vorgängen auf der Mikroebene.....Darüber hinaus stehen die Beweggründe für stadtteilbezogenes Handeln von BewohnerInnen und deren Wahrnehmung…im Mittelpunkt der Analyse....

Recherchen wurden zum Teil über die Auswertung von Sekundärliteratur, aber vor allem über Aufenthalte in den betreffenden Städten durchgeführt, um das Datenmaterial durch eigene Erhebungen zu ergänzen....(S.22)

Das Kernstück der vorliegenden Arbeit bilden die Interviews mit ViertelbewohnerInnen, welche allerdings keineswegs einen Anspruch auf ein geschlossenes Bild der jeweiligen Stadtviertel erheben. Vielmehr wird versucht, die "Vielstimmigkeit der Vorstadt herauszuarbeiten" – wie es Susan Baller (2010:44) im Rahmen ihrer Untersuchung über Fußball und Jugendpolitik in Senegal formuliert hat. Sie gelten als „ExpertInnen für die jeweiligen Stadtviertel, durch sie soll ein tieferer Einblick in die einzelnen Stadtviertel gegeben werden....

Neben persönlichen Angaben (wie Alter, Beruf, Wohn- und Eigentumsverhältnisse sowie Wohndauer und Gründe, dort zu wohnen) wurden die ausgewählten Personen zur Bedeutung ihres Viertels sowie dessen Vor- und Nachteile, zu den dortigen Wohnbedingungen, der eigenen Organisierung (Dauer, Gründe, Strategien), dem Verhältnis zu staatlichen bzw.kommunalen Einrichtungen sowie zu ihrem Verständnis von Raum und dessen Nutzung im Viertel befragt.

(....Im Triesterviertel wurden zwölf Personen im Mai und Juni 2011 interviewt....Es überwiegt der Anteil der MieterInnen, wobei die meisten in von Genossenschaften oder der Stadt Wien errichteten Wohnungen leben.)....

Wie bereits erwähnt, wurden nur Personen befragt, die sich entweder in der Vergangenheit oder aktuell für bzw. im Viertel organisieren oder organisiert haben. Die Auswahl der InterviewpartnerInnen erfolgte auf Basis zweier Gesichtspunkte:

Zum einen wohnen sie in Stadtvierteln, die einen erhöhten Bedarf an Interventionen im Wohnbereich – beispielsweise aufgrund einer zu geringen Anzahl an freistehenden Wohnraum, der hohen Bevölkerungsdichte oder der fehlenden finanziellen Ressourcen vieler BewohnerInnen – haben, zum zweiten sind oder waren sie bereits in ihrem Viertel aktiv in Initiativen oder Organisationen. Der erste Punkt bezieht sich auf die historische Bedeutung der ausgewählten Viertel als "ArbeiterInnenviertel?", in denen die Wohnfrage als Teil der sozialen Frage immer eine zentrale Position eingenommen hat und bis heute einnimmt.

Da es um die Beweggründe für das eigene Engagement und dessen Ausübung geht, wurden darüber hinaus jene Personen ausgewählt, für welche dieses bereits zur Realität ihres Alltags in ihrem Stadtviertel gehört bzw. gehört hat.

Dieser Auswahl ist eine eingehende Beschäftigung mit den Initiativen und Bewegungen in den einzelnen Vierteln – ergänzt durch die bereits erwähnten ExpertInneninterviews? – vorausgegangen. Auf diese Weise wird auch über die Auswahl der InterviewpartnerInnen deutlich, welche Personen und Gruppen vor Ort organisiert sind, obwohl natürlich kein Anspruch auf Repräsentativität im qualitativen Sinn erhoben wird. Die Interviews vermitteln vielmehr einen tieferen Einblick in die Strukturen der einzelnen Stadtviertel, wie sie von den InterviewpartnerInnen in ihrem Alltag erlebt und gelebt werden. (S.24)

Zusätzlich wurde die Methode der "mental maps" angewandt, um die Wahrnehmung ihres Viertels durch die Befragten auch graphisch darzustellen: Menschen skizzieren kurz "ihre" Städte oder Stadtviertel.....

Noch kurz einige Worte über das Zustandekommen der einzelnen Interviews sowie über persönliche Erfahrungen meinerseits vor Ort, da dies auf Interesse anderer Feldforscher stoßen könnte:

Wie bereits erwähnt, liegen dem vorliegenden Forschungsvorhaben Recherchen in den Stadtviertel Arafat, East Kensington und dem Triesterviertel zugrunde. Um Zugang zu Datenmaterial sowie zu möglichen InterviewpartnerInnen zu bekommen, war es zunächst nötig, sich in diesen unterschiedlichen Kontexten zurecht zu finden und erste Kontakte zu knüpfen. Whyte (1996:302), der mit seiner Feldstudie zur „Street Corner Society“ in den 1950er-Jahren ein Standardwerk für die sozialwissenschaftliche Stadtforschung verfasste, meinte diesbezüglich, dass der Grad seiner Akzeptanz in jenem Viertel, das er untersuchte, mehr von den persönlichen Beziehungen, die er entwickelte, abhing als von Erklärungen, die er in Bezug auf seine Forschungen abgab. Ähnliches berichtet Girtler (2004:33), was auch meinen Eindrücken entspricht. Wichtig erschien es mir, offen für andere Lebensrealitäten und damit verbundenen Strategien zu sein, ohne mich jedoch „anbiedern“ (vgl. Whyte 1996: 305)....

Im folgenden Kapitel werden nun die bereits angesprochenen Stadtviertel Arafat, East Kensington und das Triesterviertel näher vorgestellt – insbesondere im Hinblick auf allgemeine Daten, historische Entwicklung und mögliche Spezifika. Dies geschieht vor dem Hintergrund der Darlegung unterschiedlicher Stadtentwicklungsprozesse.

Zu den einzelnen Stadtvierteln    

Arafat, Dakar, Senegal, Seite 27
East Kensington, Philadelphia, USA, Seite 32

Triesterviertel, Wien    
S.40

Im Gegensatz zur Stadtentwicklung in Nordamerika zeigt sich in Europa eine Verbindung zwischen Urbanisierung und dem Entstehen von Nationalstaaten. Diese hatten einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung von hierarchischen und bürokratischen Formen der Regulation in den meisten europäischen Städten (vgl. Le Gales, 2002: /) – und somit auf die Struktur von lokalen Regierungsformen und Autoritäten. So auch in Wien, dessen Wurzeln bis in die Römerzeit zurückreichen. Die Stadt erlebte ihre Blütezeit mit über zwei Millionen EinwohnerInnen zu Beginn des 20.Jahrhunderts als kaiserliche Reichshaupt- und Residenzstadt der Habsburgermonarchie. Der historische Kern von Wien entstand südlich der Donau. Durch Stadterweiterungen Mitte und Ende des 19.Jahrhunderts wurden zuerst Vorstädte innerhalb des Linienwalls (=Befestigungsanlage zwischen den Vororten und den Vorstädten Wiens. Er verlief entlang der heutigen Verkehrsachse des Gürtels, der die Bezirke 2 bis 9 von jenen 15 bis 20 trennt), später auch Vororte – wie beispielsweise Favoriten im Süden- eingemeindet. Wien ist demnach konzentrisch aufgebaut. Dies bedeutet, dass sich die inneren und äußeren Vorstädte sozial abfallend um das Zentrum gruppieren. Maderthaner und Musner (1999: 10) beschreiben daher soziale Ungleichheit bzw. dren Sichtbarkeit folgendermaßen:

„Das soziale Elend war und ist in dieser Stadt hinter einer Fassade von beeindruckender Schönheit verborgen, die ganz offensichtlich einen an der klassischen Ringstraßenarchitektur orientieren, homogenen Stadtkörper suggerieren soll.“

Der Linienwall, der die Entwicklung des späteren Favoriten als Wiener Gemeindebezirk entscheidend prägte, verlief im Süden entlang des heutigen Margareten-, Wiedner- und Landstraßer Gürtels und bündelte die Hauptverkehrswege in die Stadt hinein und aus der Stadt hinaus (vgl. Sturm 2004: 8). Zudem diente es als Steuergrenze, was die Ansiedlung von Gewerbe begünstigte. Um der entstehenden ArbeiterInnenbewegung? den Wind aus den Segeln zu nehmen, erließ Kaiser Franz I 1802 ein Dekret, das die Errichtung von Industriebetrieben nur noch außerhalb des Linienwalls erlaubte, wodurch die ersten großen Anlagen im späteren Favoriten entstanden. Der Linienwall diente aber auch als räumlicher Ausdruck einer sozialen Diffenenzierung:

„Die althergebrachte ängstlich-verächtliche Distanz der Wiener Bürger zu denen da draußen fand ihre Fortsetzung in der späteren Position des „10.Hiebs“ als Arbeiterbezirk. Die frühen Ziegelerzeugungs-Betriebe im südlichen Weichbild Wiens waren Vorformen der Fabriken, der Arbeiterwohnungen in den Zinskasernen und deren Wirtshäusern „am Eck“ – sie waren Vorformen Favoritens.“ (Sturm 2004: 56)

Nach dem Zerfall der Habsburgerreiches im Zuge des ersten Weltkrieges nahm die Bevölkerungszahl kontinuierlich ab…Die heutige Stadtgrenzen bestehen seit 1954, nachdem Wien unter den NationalsozialistInnen ausgeweitet, danach allerdings wieder verkleinert wurde. Wien wurde mit dem Bundesverfassungsgesetz von 1920, welches eine Trennung von Niederösterreich vorsah, zu einem eigenen Bundesland und wird seit dieser Zeit von der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) dominiert. (In der Zwischenkriegszeit Alleinregierung, danach Unterbrechung während der Zeit des Austrofaschismus sowie des Nationalsozialismus, von 1945 bis 1973 „Rathauskoalition“ mit der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), danach größtenteils Alleinregierung, seit 2010 Koalition mit den Grünen) Diese zeigte sich verantwortlich für das sogenannte „Rote Wien“ – jene Periode in der Zwischenkriegszeit, die der Stadt internationale Bekanntheit aufgrund ihrer Wohnungspolitik einbrachte. Aus Mitteln der seit 1923 erhobenen Wohnbausteuer wurden, verteilt über das gesamte Stadtgebiet, sogenannte „Gemeindewohnungen“ für einkommensschwache Haushalte aus der ArbeiterInnenschicht? errichtet. Diese Bauten sollten nicht zuletzt die gesellschaftliche Macht der ArbeiterInnenbewegung? widerspiegeln, weshalb sie besonders in den ArbeiterInnenbezirken? wie Favoriten prominent waren. Bis heute zeigt sich ein gewisser Stolz auf die Leistungen des Roten Wien, insbesondere der älteren BewohnerInnen eben dieser Gebäude.

Heute gilt Wien – laut der Mercer Studie aus dem Jahr 2010 – als Stadt mit der höchsten Lebensqualität weltweit. Zurückgeführt wird dies insbesondere auf die infrastrukturelle Versorgung wie Gesundheit oder öffentlicher Verkehr sowie auf die Sicherheitslage. Der Fall des Eisernen Vorhanges 1989 beendete den leichten, aber stetigen Bevölkerungsrückgang…und rückte Wien von einer Randposition ins Zentrum Europas. Gleichzeitig ließ in den 1990er-Jahren die Bevölkerungsabwanderung ins städtische Umland, die ihren Höhepunkt in den 1970ern erreichte, nach. Seit einigen Jahren ziehen vermehrt Menschen zu, heute zählt Wien rund 1,73 Millionen EinwohnerInnen…..

(Tabelle aus dem Statistischen Jahrbuch der Stadt Wien 2010:53 Bevölkerungsentwicklung in Wien und Favoriten:
1869 (W:900.998 F:22.340) - 1910 (W:2,083.630 F:159.241)- 1971 (W:1,619.885 F:153.965) - 1991 (W:1,539.848 F: 147.636)- 2010 (W:1,698.822 F:175.209)

Mehr als 10 Prozent davon, nämlich 175.209 Menschen, leben in Favoriten – 40.893 oder 23,3 Prozent von ihnen mit einer anderen als der österreichischen Staatsangehörigkeit...Mit einem durchschnittlichen Jahresbezug von 25.767 EUR brutto (17.891 EUR netto) pro ArbeitnehmerIn liegt Favoriten unter dem Wiener Durchschnitt von 29.858 EUR brutto (20.206 EUR netto) – lediglich in den Bezirken Brigittenau und Rudolfsheim-Fünfhaus verdienen die EinwohnerInnen durchschnittlich weniger.

Der Stadtteil ist der 10. von insgesamt 23 Wiener Gemeindebezirken und wurde 1874 mit dem Namen Favoriten offiziell gegründet. (vgl. Klusacek/Stimmer 2004: 9) Bis 1834 war das Gebiet nahezu unbesiedelt, was sich mit der Eisenbahn änderte. Mit dem Industrialisierungsschub um 1880 setzte ein Bevölkerungs- und wirtschaftliches Wachstum der gesamten Stadt ein. Die Vorstädte wie Favoriten wurden mit einer schachbrettartigen Parzellierung konstruiert, um sie für eine industrielle Nutzung brauchbarer zu machen. Die in der Folge entstandenen Bauten – wie beispielsweise das Arsenal – erforderten Arbeitskräfte, welche wiederum Wohnungsplätze in der Nähe ihres Arbeitsplatzes benötigten. (Die meisten der Arbeiter kamen aus Böhmen und Mähren und wurden und sind daher bis heute als „Zieglböhm“ bekannt, da sie besonders in den Ziegeleien am Wienerberg eingesetzt wurden.)

Aufgrund dieser, für die ArbeiterInnen eingerichteten Wohneinheiten galt Favoriten lange Zeit als Bezirk mit den schlechtesten Wohnbedingungen..., der sich nicht zuletzt durch seinen Mangel an Wohnraum auszeichnete. So nahm die Bevölkerung Favoritens zwischen 1830 und 1850 um 40 Prozent zu, während sich der Wohnungsbestand um lediglich 10 Prozent erhöhte...Das Resultat war eine Wohnungsnot, die sich auch in überteuerten Mietpreisen niederschlug. Um 1910 waren in Favoriten keinerlei Wohnungsreserven mehr vorhanden. Aufgrund der Errichtung einer Anzahl von Fabriken und des damit verbundenen Zuzugs von ArbeiterInnen ist Favoriten seit 1934 der Bezirk mit den meisten EinwohnerInnen Wiens – und galt seit jeher als ArbeiterInnenbezirk?. So auch um 1900:

„Die Schmelz als Ausgangspunkt genommen, ist die Konzentration von Arbeiter- und Unterschichtbevölkerung auf der Ottakring und Hernals zugewandten am dichtesten und wird gegen Währing und Döbling hin zunehmend schwächer, auf der anderen Seite ist sie in Fünfhaus am relativ schwächsten, um über Rudolfsheim, Hietzing und Meidling kontinuierlich zu steigen und ihre höchsten Werte in Favoriten und Simmering zu erreichen“ (Maderthaner/Musner 1999: 55)

Die Bevölkerungsabwanderung in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts traf Favoriten nur marginal – wohl aber die Abwanderung von Betrieben im Zuge der Deindustrialisierung. Heute haben sich Teile von Favoriten, zu denen auch das Triesterviertel gehört, zu relativ monofunktional genutzten Wohngebieten entwickelt.

Die Triester Straße stellt eine zentrale Verkehrsachse zwischen Wien und den umliegenden Gebieten dar, wodurch das Stadtviertel eine verkehrstechnische Bedeutung bekommt. Entlang dieser Straße begann die Gebietsentwicklung des Viertels, dessen Zentrum sich später Richtung Osten zur Knöllgasse verlagerte. Die GBStern10 (Gebietsbetreuung Stadterneuerung des 10.Wiener Gemeindebezirks) geht von 10.808 EinwohnerInnen für das Jahr 2008 aus, wobei für die Jahre zwischen 2004 und 2008 ein Bevölkerungsanstieg von 21 Prozent berechnet wurde. Dies lässt auch die hohe Bevölkerungsdichte dieses Viertels erahnen. Laut Daten der Magistratsabteilung 5 der Stadt Wien (Für die Zuspielung dieser Daten bedanke ich mich bei dem engagierten Viertelbewohner FritzEndl) leben 10.775 Menschen im Triesterviertel. 7.013 Personen besitzen die österreichische StaatsbürgerInnenschaft?. Neben dem Ruf bzw. der Wahrnehmung als „MigrantInnenviertel?“ und als Viertel für Menschen mit geringem Einkommen kommt noch jenes eines „Transitviertels“ hinzu: Menschen, die nach Wien ziehen oder auf Grund ihrer Arbeitssituation pendeln, siedeln sich aufgrund des relativ billigen Wohnraumes an, verbringen aber einen Großteil der Zeit außerhalb des Viertels – sei es in der Innenstadt oder in Gartenhäusern im städtischen Umland. (Interview Irmgard Hubauer-GB10: 27.07.2010) Trotz dieser Entwicklung und trotz der Schließung aller größeren Fabriken gilt das Triesterviertel heute als eines der am schnellsten wachsenden Stadtgebiete Wiens, das sich – in seiner Tradition als ArbeiterInnenviertel? und Vorort Wiens selbst modernisiert:

„Nicht dieses Image der alten, zauberhaften Kaiserstadt Wien, sondern eigentlich eher die sehr lebendige, vitale, wachsende und sich entwickelnde Metropole“ (Interview Siegfried Schuller-GB10: 27.07.2010)

Zusammenfassende Bemerkungen: Neue Wege in der Stadt?    
S.45

Die historischen Entwicklungen der einzelnen Stadtviertel weisen einerseits Parallelen in der Notwendigkeit ihrer Gründung, auf der anderen Seite erhebliche Unterschiede in der Ausgestaltung eben dieser auf. Gegründet wurden sie für bzw. von ArbeiterInnen – oder auch für jene, die in den innerstädtischen Lagen nicht (mehr) erwünscht waren – teils aus Platzmangel (Arafat), teils aufgrund der räumlichen Nähe zu Fabriken (East Kensington, Favoriten). Während in beiden letztgenannten die Wohngebäude größtenteils von den BesitzerInnen eben dieser Fabriken (besonders in East Kensington, weniger im Triesterviertel) oder von der Stadtverwaltung (insbesondere im Triesterviertel) errichtet wurden, waren die BewohnerInnen von Arafat bei der Erbauung ihrer Wohneinheiten auf sich selbst gestellt. Es handelt sich demnach um Stadtviertel, deren Bevölkerung aufgrund ihrer ökonomischen Tätigkeit besonders von Prozessen der Deindustrialisierung oder Verarmung betroffen sind. Interessant ist, dass diese Prozesse aber unterschiedliche Auswirkungen gerade auf die Bevölkerungsentwicklung zeigen: Im Triesterviertel werden die letzten Freiflächen mit Wohngebäuden besetzt, obwohl die Fabriken vor langer Zeit geschlossen haben. Die meisten dieser Bauträger sind gemeinnützig, erhalten somit staatliche Förderungen...Bezugnehmend auf die Bevölkerungsentwicklung ist interessant, dass jedes der untersuchten Viertel für in die Stadt kommenden BewohnerInnen als eine erste Anlaufstelle für ihren Weg in die Stadt genutzt wird – sei es vom Land.....oder als PendlerInnen: Arafat, East Kensington und das Triesterviertel dienen als eine Art „Einfahrtsstraße“ in die Zentren der jeweiligen Städte, während sie auf der anderen Seite bereits den Weg in die suburbanen Gebiete ebnen.

Wie die kurze Darstellung der einzelnen Stadtviertel gezeigt hat, bietet sich diese Ebene als ein Art „Mikrokosmos“ für gesellschaftliche Entwicklungen an. Es kann beobachtet werden, welche Faktoren an einen bestimmten Ort aufeinander treffen – und welche Konstellationen sich dadurch ergeben. Laut Vogelpohl (2008: 69) stellen sowohl das (Wohn-)Quartier als auch das Konzept des Ortes („place“) zwei zentrale Begriffe für die Sozialwissenschaften dar:

„Der eine als mögliche Betrachtungsebene urbaner Prozesse und der andere als Konzept für komplexe räumliche Beziehungen.“

Auf Ersteres wurde in diesem Kapitel eingegangen, dem Begriff des Ortes wird sich im nächsten Kapitel auf theoretische Weise angenähert. Dabei wird es auch darum gehen, eine Definition von „Nachbarschaft“ zu finden, die eine Analyse gesellschaftlicher Prozesse und sozialer Praxis erlaubt – ohne den Raum als Hintergrund oder Container für eben diese zu begreifen.

Exkurs: Räumliche Praxis an unterschiedlichen Orten    
S.49

Nicht die materielle Stadtgestalt allein lokalisiert die unterschiedlichen sozialen Gruppierungen und Klassen, sondern kulturelle Praxisformen, die unterschiedliche Wahrnehmungen und Nutzungen städtischen Terrains ebenso wie das Ausmaß an wechselseitiger Kommunikation bzw. Abschottung festlegen.“ (Maderthaner/Musner 1999: 11)

Im Jahr 1845 verfasste Friedrich Engels seine Studie „Zur Lage der der arbeitenden Klasse in England“, in der auch auf deren Wohnbedingungen....hinwies....Zum einen zeigt Engels, wie sich soziale Hierarchie in einer Stadt des Industriezeitalters in der räumlichen Trennung von Klassen ausdrückt und reproduziert, wie demnach die soziale Distanz in eine räumliche übergeführt wird. Zum anderen wird ein Bild der räumlichen Dimension von Armut und sozialer Ungleichheit eröffnet, in der diese nicht nur eine physische, sondern auch eine soziale Dimension über Nahbeziehungen sowie eine politische über verfügbare bzw. zugängliche Rechte aufweist. Diese beiden Überlegungen sind insofern relevant, als daraus hervorgeht, das „Raum“ an sich nichts Gegebenes, sondern etwas sozial Konstruiertes ist, in dem sich gesellschaftliche Zustände widerspiegeln und manifestieren. Gleichzeitig wird im Rahmen von gesellschaftlichen Herrschafts- und Machtverhältnissen Raum von Menschen produziert. Dies kann als Strategie genutzt werden, um bestimmte Zwecke….durchzusetzen…..(S.49/50)

Multiplizität von Räumen oder: Welcher Raum für wen?    
S.50

....Raum ist das, was Handeln möglich macht, und gleichzeitig das Feld der Handlung selbst. Somit ist er keine gegebene Voraussetzung, die unabhängig vom Lebensalltag oder den alltäglichen Aktivitäten der AkteurInnen existieren würde. Vielmehr bezieht sich Raum auf Modelle bzw. Konzepte, anhand derer die Welt kollektiv geordnet und kommuniziert wird. Durch die Verknüpfung von menschlichem Handeln und gesellschaftlich produziertem Raum ist räumliche Praxis als soziale und politische Praxis zu verstehen (vgl. Doderer 2003: 20). Den Verhaltensweisen und Interaktionen der ViertelbewohnerInnen liegt demnach zugrunde, wie Raum wahrgenommen wird und welchen Einfluss der gesellschaftliche Status darauf ausübt....(S.52)

An dieser Stelle sei noch auf einen Punkt hingewiesen, der sowohl von ExpertInnen, die in den einzelnen Stadtviertel aktiv sind, als auch von einigen ViertelbewohnerInnen hervorgehoben wurde: Jener des Zugangs zu und der Verfügbarkeit von öffentlich zugänglichen Treffpunkten und Raum im Sinne von infrastrukturellen Ressourcen, um sich auszutauschen. Der Mangel daran wird in allen drei untersuchten Vierteln problematisiert – in Arafat im Hinblick auf Freiflächen, die aufgrund der Bevölkerungsdichte nicht gegeben sind; im Triesterviertel als öffentliche Grünflächen, die außerhalb des Viertel liegen und insbesondere von Menschen mit Migrationshintergrund genutzt werden (Interview FritzEndl: 5.5.2011), weswegen sich andere ausgeschlossen fühlen....

Auch im Triesterviertel wünscht man sich öffentlich zugängliche Räume, um die Interaktion zwischen den BewohnerInnen zu fördern. Ein solcher „offener Raum“ wurde im Zuge eines arbeitsmarktpolitischen Projektes durch die Stadt Wien (Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds waff) im Triester Viertel unter dem Titel „SpaceLab?“ geschaffen. Die Notwendigkeit hierfür hätte bestanden. So die Leiterin dieses Bereiches (Interview Laura Einiö: 09.09.2011), da die Jugendlichen oft aus dem öffentlichen Raum verdrängt werden und als unerwünscht gelten. In diesem „offenen Raum“ soll ihnen die Möglichkeit zu Kommunikation und Geselligkeit ohne Konsumzwang oder Leistungsdruck gegeben werden. Jugendliche sollen diesen Raum im Sinne eines Zimmers selbstständig in Besitz für ihre Nutzungen nehmen. Gleichzeitig wird betont, dass zugängliche Plätze eine Nutzungskultur voraussetzen, die oft erst erlernt werden muss:

Das ist, glaub´ ich, eigentlich eine total wichtige, demokratische Funktion: Dass man gemeinsam Plätze nutzt und da irgendwie interaktiv die Spielregeln festlegt.“ (Interview Irmgard Hubauer: 27.07.2010) (S.53/54)

Aus diesen Beispielen wird deutlich, dass der Ausgangspunkt nicht Raum an sich ist, sondern soziale Praxen und Prozesse, die sich in ihm widerspiegeln und ausdrücken. Die Art und Weise. wie dies geschieht, ist das Resultat des Inhaltes eben dieser konkreten Praxen und Prozesse, innerhalb derer Raum praktiziert und somit relevant wird. Gleichzeitig strukturiert Raum aber auch das Handeln der AkteurInnen. Dieser Fokus auf Subjekte findet sich bei Löw et al. (2007: 52). Sie begreifen Raum als „eine Relation zwischen gleichzeitigen Plazierungen“, weswegen es zu einer Vielfalt von Räumen kommt. Sie sind das Ergebnis und die Voraussetzung von Handlungsverläufen, indem Elemente durch Menschen verknüpft („Syntheseleistung“) oder in Relation zu anderen platziert („Spacing“) werden..... (S.54)

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Die Vielfältigkeit der zentralen Objekte in den jeweiligen Stadtvierteln wurden auch durch die – von den InterviewpartnerInnen angefertigten - „mental maps“ deutlich. So zeichnete eine Raucherin aus dem Triesterviertel beispielsweise die Trafik ein, während eine ältere Bewohnerin ein Spital und Ärzte kennzeichnet oder eine Mutter den Wasserspielplatz. Der Wienerberg als angrenzendes Erholungsgebiet und Grünfläche werden des öfteren gezeichnet, ebenso wie Einrichtungen der Nahversorgung und die beiden Sehenswürdigkeiten „Spinnerin am Kreuz“ und „Wasserturm“ als Symbole des Stadtviertels….. (S.55)

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....All diese Beispiele illustrieren die unterschiedliche Bedeutung von Objekten und Räumen innerhalb der jeweiligen Stadtviertel, die abhängig ist von den eigenen Lebensrealitäten, welche wiederum geprägt werden durch das Alter, die berufliche Tätigkeit, die Möglichkeiten zur Mobilität oder das eigene Engagement....

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....Eine Einteilung in soziale Räume und materielle, physische oder gebaute Räume ignoriert die materielle Basis sozialer Räume sowie den Umstand, dass der Umgang mit materiellen Räumen immer auch durch soziale Erfahrungen und Wissen geprägt ist. Die materielle Umgebung bekommt damit Bedeutung für die individuellen Handlungsmöglichkeiten:

„Das bauliche Substrat ist dabei insofern bedeutsam, als dessen Anordnung selbst das Ergebnis von Handlungs- und Entscheidungsprozessen ist und dadurch wiederum Einfluss auf soziale Praxis ausübt.“ (Häußermann/Wurtzbacher 2005: 513) Dies beschränkt sich nicht nur auf die baulichen Eigenschaften, sondern manifestiert sich auch in den infrastrukturellen Möglichkeiten – die den Zugang zu staatlichen Einrichtungen oder öffentlich zugänglichen Plätzen miteinschließen – auf der Ebene eines Stadtviertels, welche wiederum Resultat von Raumregulierungspolitiken sind.

Die Ebene des Ortes    
S.58

....Die „lokale Ebene“ stellt keine fixe Einheit mit fixen Grenzen dar, sondern wird sozial konstruiert und ausverhandelt. (Aufgrund von methodischen Überlegungen zur empirischen Umsetzung der vorliegenden Arbeit wurden einzelne Stadtviertel trotzdem nach administrativ identifizierten Wohngebieten abgegrenzt, wobei einerseits auch Menschen befragt wurden, die in angrenzenden Gebieten wohnen, sich aber zu dem Untersuchungsgebiet zugehörig fühlten…..) Der Charakter eines Ortes im städtischen Gebiet – zum Beispiel die soziale und politische Struktur oder die lokale Kultur – ist nicht das Resultat einer abgeschotteten internen Entwicklung oder Geschichte, sondern das Ergebnis von Interaktionen, die an einer bestimmten Lokalität zusammentreffen. Die „Identitäten“ von Orten werden – bezugnehmend auf diese Überlegungen – als multiple und umkämpft begriffen. Ihre Bedeutungen werden ihnen von den BewohnerInnen zugeschrieben und unterliegen Veränderungen. Dies manifestiert sich in den Lebenssituationen und Handlungsmöglichkeiten ihrer BewohnerInnen.....

So wurde in den angeführten Interviews Raum eine soziale Dimension entsprechend den Beziehungen und Interaktionen zugewiesen – in Arafat beispielsweise in Bezug auf das Leben in der Gemeinschaft, in East Kensington in Form von sozialen Treffpunkten und im Triesterviertel bezugnehmend auf soziale Tätigkeiten für andere Menschen. Dass hierbei die eigenen Erfahrungen und die jeweilige Lebenssituation eine Rolle spielen, zeigt das Beispiel einer älteren Bewohnerin im Triesterviertel: Sie verbindet mit „sozialem Raum“ ein Spital, das sie auch als zentralen Punkt in ihrem Viertel markiert.

Zusammenfassend für das Konzept des Ortes kann somit festgestellt werden, dass Orte weder statisch sind, noch einheitliche, für sie konstituierende Grenzen haben. Sie sind geprägt von inneren Differenzen und Konflikten.....(S.58/59)

Sowohl durch Nachbarschaftsorganisationen als auch durch Initiativen lokaler Regierungsinstitutionen kann ein positives Image einer Nachbarschaft erzeugt werden, welches wiederum InvestorInnen anlockt (vgl. Galster 2001: 2122), die in weiterer Folge den Wert einer Nachbarschaft steigern können......

Nachbarschaften variieren demnach in ihrer Größe – je nachdem, nach welchen Kriterien und zu welchen Zwecken ausgewählt wird. Für die vorliegende Arbeit werden sie als deckungsgleich mit den untersuchten Stadtviertel Arafat, East Kensington unddem Triesterviertel begriffen. Zudem erhalten Nachbarschaften ihre Bedeutung über die Werte und Bindungen von Individuen oder Gruppen, welche diese über Alltagsroutinen und Interaktionen entwickeln (vgl. Martin 2003: 365) Diese Bindungen werden – so eine der beiden Thesen – durch eine bewusste Wohnentscheidung für ein Stadtviertel verstärkt bzw. schreiben diesem wiederum bestimmte Identitäten und Charakteristika zu.....(S.60)

Von Ungleichheiten geprägte Wahrnehmungen    
S.63

"Tatsächlich steht einem nichts ferner und ist weniger tolerierbar als Menschen, die sozial fernstehen, aber mit denen man in räumlichen Kontakt kommt." (Bourdieu 1991:31)

Gesellschaftliche Entwicklungen der letzten Jahre bzw. Jahrzehnte haben Ungleichheiten verschärft – und zwar nicht nur in sozialer, sondern auch in räumlicher Hinsicht (vgl. Andersen/Van Kempen 2001: 1) Dies drückt sich beispielsweise in einer Homogenisierung von Stadtvierteln aus: Ärmere Einkommensschichten konzentrieren sich auf bestimmte Nachbarschaften, während jene, welche die (finanziellen) Mittel aufbringen können, sich in andere zurückziehen. (Interessant hierbei ist, dass zumeist nur Ersteres problematisiert wird.) Es geht eben nicht nur darum, wie jemand wohnt, sondern auch darum, wo man wohnt....(S.63)

In diesem Kapitel soll – ausgehend von Beiträgen aus der Stadt- und Exklusionsforschung – der Frage nachgegangen werden, welche Auswirkungen das eigene Stadtviertel auf Handlungsmöglichkeiten der ViertelbewohnerInnen hat. (S.63/64)

“Slum“, „Ghetto“ oder „Benachteiligtes Stadtviertel“    
Zugänge zur räumlichen Dimension sozialer Ungleichheit - S.64

Wie bereits durch die Darstellung der untersuchten Stadtviertel als ArbeiterInnenviertel angedeutet wurde, ist deren historische Entwicklung in verschiedene Diskurse um die sogenannte „soziale Frage“ und die damit verbundenen Herangehensweisen an die Problematik der sozialen Ungleichheit eingebettet.

Generell gesehen fokussiert die Debatte aber auf Reduktion von Armut in einem entwicklungspolitischen Zusammenhang.....Demgegenüber steht die Konzentration von einkommensschwachen Haushalten auf bestimmte städtische Gebiete als räumlicher Ausdruck von sozialer Exklusion in den USA sowie in (West-)Europa zunehmend im Mittelpunkt....

....An dieser Stelle ist ein kurzer Blick auf zentrale Unterscheidungsmerkmale zwischen der US-amerikanischen und der westeuropäischen Debatte angebracht....(In den USA) wird die ethnische Konzentration auf bestimmt Stadtviertel nicht per se als negatives Phänomen angesehen, solange sie nur einen zeitlich beschränkten Charakter annimmt. Demgegenüber sollte in Europa die Integration in die städtische Gesellschaft dem Individuum überlassen werden. Dies war aber nur durch die Abfederung anderer Kollektive möglich,

"denn die Idee, dass Menschen, die als Bewohner einer Stadt gemeinsam eine soziale Einheit bilden, gegen die Risiken der modernen Lebensweise auch durch kollektive Organisationen abgesichert sein sollten, ist die Grundlage des ausgebauten Wohlfahrtsstaates, den es nur in Europa (Hervorhebung im Original) gab und gibt." (Häußermann 2001: 240)

Staatliche Einrichtungen sollen demnach soziale Ungleichheiten abfedern.

....In Bezug auf die französischen Vorstädte stellen weiters Dubet und Lapeyronnie (1994: 9) die These auf, dass ein Übergang von der sozialen Frage – die auch immer verbunden mit der ArbeiterInnenfrage? war – zu einem Diskurs über soziale Probleme stattgefunden hat, was vor allem auf das Verschwinden der ArbeiterInnenbewegung? (ArbeiterInnenklasse? wird in diesem Zusammenhang als kollektives Handlungssubjekt, das sich auf ein bestimmtes Klassenbewusstsein bezieht, verstanden) und, damit einhergehend, ihrer gesellschaftlichen Vision zurückzuführen ist. Vergleichbare Tendenzen konnten im Zuge der Erhebungen im Triesterviertel besonders für die Wiener Gemeindebauten beobachtet werden, die durch ihre großräumige geographische Verteilung auch ein Ideal in der europäischen Stadtplanung widerspiegeln: jenes der sozialen Durchmischung, demnach das Ziel heterogener Stadtviertel. Dieses stellt eine Art Gegenmodell zur residentiellen Segregation dar, die als

„Quartiersbildung von Menschen der gleichen sozialen Stellung, gleicher ethnischer Zugehörigkeit, gleicher Lebensform oder Altersbildung“ (Löw et al. 2007: 39)

definiert wird. Handelt es sich hierbei um eine räumliche Konzentration von Personen und Haushalten mit geringem Einkommen in Verbindung mit unzureichender Infrastrultur und zumeist veralteter Bauweise, wird häufig von „benachteiligten Stadtteilen“ gesprochen.

Nicht draußen aber trotzdem ausgegrenzt    
Zur Bedeutung des Begriffs der sozialen Exklusion - S.70

Soweit zu Diskussionssträngen über die räumliche Dimension sozialer Ungleichheit in unterschiedlichen Weltregionen. Diese verweisen auf den Begriff der sozialen Exklusion, der aus mehreren Gründen relevant erscheint: Zum einen wird er oft verknüpft mit Projekten des sozialen bzw. öffentlichen Wohnbaus. Darüber hinaus ist die Verbindung der räumlichen Dimensionen sozialer Exklusion über die Diskussion in Bezug auf benachteiligte Stadtviertel gegeben. Schließlich konzentriert sich die Fragestellung des Forschungsvorhabens auf eine bestimmte Dimension sozialer Ex- bzw. Inklusion: nämlich jener der Möglichkeit (politischer) Partizipation oder Teilhabe.

Während in Bezug auf den afrikanischen Kontinent noch der Begriff der Armut vorherrscht, ist die Diskussion in Europa mittlerweile von dem Begriff der sozialen Exklusion geprägt. Die Debatte um ersteren fokussiert hierbei eher auf Themen der Verteilung bzw. auf Ressourcen, die ein Haushalt oder ein Individuum zur Verfügung hat. Demgegenüber beziehen Konzepte von sozialer Exklusion auch weiterreichende Themen– wie inadäquate Partizipationoder Mangel an gesellschaftlicher Macht – mit ein. Fast scheint es so, als ob das Ziel nicht mehr die soziale Gleichheit ist, sondern die „Inklusion“ – in Bezug auf Stadtviertel über das Instrument der Aktivierung von Beteiligung der BewohnerInnen zu erreichen.

Damit einhergehend ist eine stärkere räumliche Konnotation des Begriffes der Exklusion im Vergleich zu jenem der Armut zu bemerken. So sieht Schroer (2007: 257) keine stratifikatorische Differenz mehr zwischen oben und unten – wie das beispielsweise in der Debatte um soziale Klassen vorherrschend war und ist -, sondern zwischen drinnen und draußen. Exklusion wird in diesem Zusammenhang als ein Prozess verstanden, indem ein Ausschluss dem anderen folgt. Das Ergebnis ist ein nahezu völliger Ausschluss aus der Gesellschaft (Schroer 2007: 259), der sich nicht nur an der Achse der Lohnarbeit festmachen lässt, sondern auch Partizipationsmöglichkeiten betrifft. Das bedeutet, dass nicht nur der Verlust des Arbeitsplatzes an sich, sondern allgemein das Nicht-Mehr-Halten-Können des Lebensstandards sowie der Verlust von Anerkennung und Respekt entscheidend sind, an dessen Ende kein Anschluss aus, sondern eine Marginalisierung und Ausgrenzung innerhalb der Gesellschaft steht.

....Den Kern stellt die Frage nach dem Zugang zu Partizipation – oder eben deren Verweigerung – dar. Inwiefern die einzelnen Stadtviertel im Prozess der Exklusion eine Rolle spielen oder spielen können, soll nun geklärt werden. Zentral ist hierbei die im vorigen Kapitel getroffene Definition eines Ortes, die nicht nur materielle Gegebenheiten, sondern auch soziale Netzwerke und das Verhältnis von einzelnen Stadtviertel zu anderen umfasst. Sinkt demnach beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person einer regelmäßigen Erwerbsarbeit nachgeht, wenn sie in einem Viertel wohnt, in welchem die Arbeitslosigkeit verhältnismäßig hoch ist? Gehen in wohlhabenden Vierteln mehr Leute zur Wahl? Obwohl wir geneigt sind, diese Frage relativ rasch bejahend zu beantworten, muss doch dem Grund für einen derartigen Einfluss des Stadtviertels oder Ortes nachgegangen werden – wenn er denn vorhanden ist.

Benachteiligt oder benachteiligend: Grenzen Orte aus?    
S.72

Friedrich (1999: 265) spricht von einer wachsenden Polarisierung zwischen Stadtgebieten, die wohlhabende Viertel noch wohlhabender und arme noch ärmer macht. Dies verändere die Möglichkeiten zur Raumaneignung zuungunsten von BewohnerInnen ärmerer Stadtviertel, da diese in ihren Ressourcen und in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Daher stellt sich die Frage, zu welcher räumlichen Verteilung die soziale Ungleichheit, durch welche die Gesellschaft gekennzeichnet ist, führt (vgl. Friedrich 1999: 271).

Aus diesen Überlegungen wird deutlich, dass die Diskussion um benachteiligte Stadtviertel immer zwei Seiten hat: Gibt es ärmere Teile, muss es auch wohlhabendere geben. Selbst wenn zumeist die Konzentration von ärmeren Haushalten oder „AusländerInnen“ problematisiert wird, ist auch die räumliche Segregation von wohlhabenden Schichten oder „Einheimischen“ als Krisensymptom zu werten, da sie einem Machtgefälle innerhalb der Stadt räumlichen Ausdruck gibt – manche können es sich eben leisten, unter sich zu bleiben. Spiegelt die sozialräumliche Struktur einen Stadt ihre Sozial- und Machtstrukturen wider (vgl. Häußermann/Siebel 2004: 140), so geht es nicht nur um den Wohnstandort an sich, sondern um Verteilung von Lebenschancen. Laut der These der Konzentrationseffekte (vgl. Häußermann/Kronauer 2005: 602-604) wirken Wohngebiete umso stärker benachteiligend auf einkommensschwache BewohnerInnen, je höher deren Anteil an der Gesamtbevölkerung des Viertels ist. Dies wird besonders von Wilson (1987) hervorgehoben. Demgegenüber ist der Ausgangspunkt der These der Quartierstypeneffekte (vgl. Häußermann/Kronauer 2005: 605-607) weniger in den Unterschieden in der räumlichen Armutskonzentration, sondern vielmehr in den physisch-materiellen Merkmalen von Quartieren, also in ihrer funktionalen Ausrichtung, ihrer Geschichte und der sozialen Zusammensetzung ihrer Bevölkerung zu suchen. Innerstädtische, funktional gemischte Gebiete wirken sich demnach vorteilhafter auf ihre BewohnerInnen aus als funktional monotone Großsiedlungen am Rande der Stadt, da sie die Möglichkeit für (Gelegenheits-)Arbeiten im Nahbereich eröffnen, als „toleranter“ gelten sowie in der Außenwahrnehmung nicht nur als „Problemgebiete“ erscheinen. In den USA konnte ein Effekt von Stadtviertel auf die subjektive Lebensqualität, jedoch weniger auf soziale Mobilität festgestellt werden. Es wird angemerkt:

„Insgesamt scheinen die Ergebnisse weniger auf Quartierseffekte als auf negative Resultate des Rückzugs des Staates aus traditionellen Bereichen der Sozialpolitik hinzudeuten.“ (Nieszery 2008: 123) (S.73)

....Prinzipiell sind arme Menschen sowie jene, die seit längerem arbeitslos sind, besonders auf die Ressourcenlage vor Ort angewiesen, da sie aufgrund ihrer Lebenssituation weniger mobil sein können. Daher kommt dem Stadtviertel eine besondere Bedeutung zu, das – mit Bezug auf die zuvor erwähnten Modi gesellschaftlicher Zugehörigkeit zu Arbeits- und Wohnungsmarkt, soziale Rechte sowie soziale Einbettung – folgende Auswirkungen zeigen kann (vgl. Kronauer 2005: 190f):

  • Arbeitsmärkte wirken zwar viertelübergreifend, allerdings bilden sich in den einzelnen Stadtvierteln Teilarbeitsmärkte, die eventuell „Nischen“ für Verdienstmöglichkeiten darstellen können. Ähnliches gilt für den Wohnungsmarkt. Dessen Rahmenbedingungen werden auf höheren Ebenen vorgegeben, was laut Alisch und Dangschat (1998: 91) zu einer Zuweisung von bestimmten Wohn- und Lebensbedingungen an sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen durch Markt- und Planungsprozesse führt. Gleichzeitig ist das Preisniveau in den einzelnen Viertel sowie in einzelnen Wohnkategorien unterschiedlich, was Spielräume eröffnen kann.
  • Unterstützungsleistungen des Sozialstaates werden ebenfalls auf anderen Ebenen entschieden, aber von Institutionen vor Ort umgesetzt.
  • Stadtviertel haben – über ihre Bauart oder über ihre funktionale Ausrichtung – einen direkten Einfluss auf soziale Netzwerke und damit auf Nahbeziehungen.
....In diesem Zusammenhang übt das Stadtviertel den direktesten Einfluss auf die sozialen Nahbeziehungen aus. Wie dies von einigen BewohnerInnen von Arafat, East Kensington und dem Triesterviertel in Bezug auf Stärken und Problemlagen ihres Viertels wahrgenommen wird, wird später noch gezeigt.

Ergänzend können mit Häußermann und Kronauer (2005: 602) noch vier Faktoren identifiziert werden, die beeinflussen, ob ein Quartier eher ausgrenzend oder eher integrierend wirkt: der Grad der Freiwilligkeit des Zuzugs (und die Verfügbarkeit unterstützender sozialer Netze), die Wohn- und Lebensbedingungen (werden Mindeststandards eingehalten oder nicht), die Außenbeziehungen des Viertels und seiner BewohnerInnen (ist es stigmatisiert oder nicht), sowie die Durchlässigkeit der sozialräumlichen Grenzen (ist Aufstiegsmobilität gegeben oder nicht). Um den (möglichen) Einfluss staatlicher Einrichtungen im Zuge von Wohnpolitik, auf den bereits hingewiesen wurde, auf diese Faktoren zu eruieren, gilt es noch eine politische Dimension einzufügen, die sich auf die – fehlende oder vorhandene – Repräsentation in der Stadtpolitik (vgl. Gestring/Janßen/Polat 2006: 22) sowie auf die staatliche Präsenz vor Ort bezieht:

„Für eine Sozialraum-Politik sind zwei Ziele zentral: die Durchlässigkeit der Grenzen zu gewährleisten und dem Gemeinwesen eine aktive Rolle bei der Entwicklung des Quartiers einzuräumen.“ (Häußermann und Kronauer (2005: 608)

Zweiteres bezieht sich besonders auf die Möglichkeiten zur Partizipation von BewohnerInnen, auf die in einem späteren Kapitel noch eingegangen wird. Über die Gründe der befragten BewohnerInnen, in dieses Viertel zu ziehen, sowie über ihre eigenen Wohnbedingungen wird dieses Kapitel noch Auskunft geben.

Darüber hinaus beeinflusst die Wahrnehmung – sowohl von innen als auch von außen – das Wohnviertel als Statusmerkmal, was sich beispielsweise in der Diskussion über territoriales Stigma niederschlägt (vgl. Wacquant 2007: 68). In Bezug auf die Frage, ob ein Stadtviertel an sich benachteiligend wirken kann, ist es schwer, abzuschätzen, ob ein Viertel selbst oder aber dessen Zuschreibungen bzw. Stigmatisierung negative Auswirkungen haben:

„Der Stadtteil als solcher hat natürlich bestimmte benachteiligende Faktoren. Die Zugehörigkeit zu einem Stadtteil kann stigmatisieren, aber derartige Phänomene sollten wir als das beschreiben, was sie sind: „Symbolisierungen und Inszenierungen“, nicht die Konsequenzen eines bestimmten Territoriums, eines bestimmten Flecken Land.“ (Kessl et al. 2005: 11) (S.75)

.....So bestimmt für Bourdieu die Verfügbarkeit einer Person über ökonomisches, soziales sowie kulturelles Kapital deren Position in der Gesellschaft – und somit im sozialen Raum, der von eben diesen Personen und deren Positionen konstituiert wird. Dies bedeutet, dass die Verteilung von AkteurInnen oder Gruppen im sozialen Raum soziale Nähe oder Distanz widerspiegelt....

...Darüber hinaus hat die Position im sozialen Raum Einfluss auf die Wahrnehmungs- und Handlungsmuster der einzelnen AkteurInnen (vgl. Manderscheid 2008: 158), wovon in der vorliegenden Arbeit ebenfalls ausgegangen wird. Aus diesem Grund wurde der Einfluss des Stadtviertels als möglicher benachteiligender Faktor einer Diskussion unterzogen. Die Bedingungen in den einzelnen Stadtvierteln bestimmen die Lebensbedingungen der BewohnerInnen. Wohnen selbst wird in diesem Zusammenhang als eine Art „Verankerung“ im Viertel gesehen, die als Basis für Identifikation und Betroffenheit gilt. Der Umgang mit der Wohnfrage entspricht dem Umgang mit den eigenen Lebensrealitäten. Identifikation mit dem eigenen Stadtviertel wiederum übt, gemeinsam mit der Wahrnehmung von diesem, Einfluss auf die Organisierung der Bevölkerung aus – so die zugrundeliegende These.

I believe in what´s happening here"    
“Ich glaube daran, was hier passiert” - Bedeutung des Viertels für seine BewohnerInnen - S.77

.....Somit steht die Wohnfrage auch in Verbindung mit jener nach Stadtviertelsentwicklung. Die befragten BewohnerInnen des Triesterviertel sind generell zufrieden mit ihren Wohnbedingungen. Neben der Gemütlichkeit der eigenen Wohnung und der günstigen Verkehrsanbindung wird vor allem der günstige Mietpreis hervorgehoben. Dies ergibt sich zum Teil aus öffentlichen Finanzierungen, da die meisten der interviewten Personen entweder über eine gemeinnützige oder genossenschaftliche Einrichtung oder direkt über die Stadt Wien ihre Wohnung bezogen haben. Gemeindewohnungen der Stadt Wien orientieren sich in Bezug auf ihren Mietpreis vordergründig an den Instandhaltungs- und weniger an den Erbauungskosten (Obwohl diese seit den 1970er-Jahren auch in die Berechnung des Mietpreises miteinbezogen werden), was den Mietspreis relativ gering hält. Genossenschaften verlangen zu Beginn eine höhere Einzahlung, die aber die späteren monatlichen Beiträge senkt. Bei einigen Genossenschaften und Gesellschaften gibt es zudem die Möglichkeit, die gemietete Wohnung nach einigen Jahren käuflich zu erwerben. Gleichzeitig ist eine besonders lange Wohndauer im Triesterviertel auffällig, die zu einer Art Verbundenheit mit dem Viertel zu führen scheint:

„Weil ich hier schon über 60 Jahre wohne und an der positiven Entwicklung meines Wohnortes glaube etwas beitragen zu können.“ (S.78/79)

Die meisten sind allerdings wegen der eigenen Familie nach Arafat gekommen. Dies gilt auch für das Triesterviertel: Die Hälfte der befragten Personen ist hier – oder in einem anderen Viertel in Favoriten – geboren oder aufgewachsen, weswegen die Entscheidung für das Viertel von den Eltern getroffen wurde. Für eine weitere Gruppe war es keine bewusste Entscheidung für das Triesterviertel, sondern für eine bestimmte Wohnung darin. Diese hat sich angeboten, da man selbst keinen großen finanziellen Spielraum hatte oder man zwischen der Innenstadt und den Randbezirken wohnen wollte. Bezüglich der Gründe, in dem Viertel zu bleiben, und gefragt nach dessen positiven Eigenschaften sticht die – besonders von bereits länger im Viertel lebenden Menschen – erwähnte soziale Einbettung hervor, die auch eine Dimension von sozialer Inklusion bzw. Exklusion darstellt..... (S.80)

Im Triesterviertel wird der Gemeinschaftssinn eher in der Vergangenheit gesehen, heute herrsche Anonymität.ITV5 Trotzdem wird dem Viertel und dem Stadtteil Favoriten ein eigenes Flair als ArbeiterInnenbezirk zugeschrieben, das teilweise bis heute anhält:

„Favoriten, des is a eigene Oart – wann man mal doa lebt, dann bleibt man hoalt doa.“ (S.81)

Die Verbundenheit scheint sich aber weniger über die aktuelle soziale Einbettung als über die Dauer des Verbleibens im Viertel ergeben:

„Die Gewohnheit – ich liebe dieses Viertel.“

Demgegenüber werden eher die Grünflächen (Diese befinden sich allerdings größtenteils nicht direkt im Viertel, sondern grenzen an dieses an [Anm.MW]) sowie die gute Infrastruktur in Form von Einkaufsmöglichkeiten und Verkehrsanbindungen als Vorteile genannt. Letzteres bezieht sich aber auch auf die Möglichkeit, das Viertel –beispielsweise Richtung Innenstadt – rasch verlassen zu können, sollte dies gewünscht sein.
Da die wahrgenommenen Probleme als bedeutend für die Lebensbedingungen in den einzelnen Stadtvierteln begriffen werden, wurden die InterviewpartnerInnenauch danach gefragt. Diese sind vielfältig, konzentrieren sich…..im Triesterviertel auf die Debatte um „Ausländer“ und damit verbundene Auswirkungen auf das Zusammenleben:

„Wenn Kulturen aufeinanderprallen – es is´ schön, dass man a bisserl gemischt is´-, dann gibt´s natürlich die eine oder andere Reiberei.“

Als weiteres Problem werden fehlende Parkplätze genannt. Die Schulen werden teilweise als „überfüllt“ bezeichnet, Lärm – vor allem von jugendlichen BewohnerInnen, teilweise mit Migrationshintergrund – wird ebenfalls beklagt. Zudem wird das Geschäftesterben – besonders von jenen, die selbst ein solches geführt haben – bzw. das Fehlen von kleinen Geschäften angesprochen. (S.82)

....Der Ruf des Triesterviertel wird....als teils-teils beschrieben, wobei eine positive Entwicklung des Viertels konstatiert wird. Andererseits wird auf seine historische Bedeutung verwiesen, da man Teil des „Roten Wien“ ist. (Der Begriff „Rotes Wien“ bezieht sich auf die Dominanz der sozialdemokratischen Partei, die insbesondere in der Zwischenkriegszeit eine Art Gegenmodell zum bürgerlichen Lebensstil u.a. mit den Gemeindebauten, forcieren wollte.) Bezogen auf die Bedeutung der eigenen Viertel bzw. der Stadteile für den Großraum der jeweiligen Stadt spielt in allen drei untersuchten Stadtvierteln die geographische Lage eine Rolle – besonders in Hinblick auf den Zugang zur Innenstadt. Darüber hinaus wird in Arafat auf die Vorbildwirkung in Bezug auf das friedliche Zusammenleben unterschiedlichster Ethnien...verwiesen.... Diese wird auch im Triesterviertel erwähnt. '''Zusätzlich erlangt das Viertel über seine Geschichte – insbesondere über die Ziegeleien am angrenzenden Wienerberg – und seine Tradition als „Arbeiterviertel schlechthin“ Bedeutung.(S.84)

Für andere ist es ein familiäres Viertel, in dem sie wohnen, arbeiten oder aufgewachsen sind. Dies wurde auch im Triesterviertel erwähnt, wobei oft auf die lange Wohn- und Aufenthaltsdauer verwiesen wird:

„Weil es seit quasi 40 Jahren mein Lebensstandort, ….mein Lebensraum ist.“

Daraus entsteht eine vertraute Umgebung mit Menschen, die man kennt, ein Gefühl, „zu Hause“ zu sein, eine Art „Heimatgefühl“. Für einige befragte BewohnerInnen hat es hingegen aufgrund von Entwicklungen, die sie nicht gutheißen, an Bedeutung verloren oder hat generell keine gehabt. (S.85)

Zusammenfassende Bemerkungen: Integrationsfähigkeit der Stadtviertel    
S.86

Zum Teil spiegeln sich Charakteristika der Viertel, welche bereits angedeutet wurden – wie die historische Bedeutung, Eigentumsverhältnisse oder Aufbruchsstimmung – in den Antworten der befragten BewohnerInnen wider. Alle drei untersuchten Stadtviertel sind Zuzugsgebiete, deren geographische Position zwischen Innenstadt und Randbezirken von Bedeutung ist.....Zu den entscheidenden sozialen Merkmalen scheinen aber nicht nur das Einkommen oder „race“ beizutragen, sondern die Wohndauer in einem Viertel......

Gleichzeitig bezieht sich das an East Kensington, oder Kensington im Allgemeinen, anhaftende Stigma insbesondere auf jene, die dort aufgewachsen sind, und deren Verhaltensweisen und Werte mit der historischen Bedeutung des Viertels als ArbeiterInnenviertel - mit allen damit einhergehenden Problemen – verbunden werden. Dieses historische Erbe erscheint aber gerade den älteren BewohnerInnen als eine Stärke, die auch im Triesterviertel immer wieder betont wird. Der von Dubet und Lapeyronnie (1994) konstatierte Wandel der sozialen Frage hin zu sozialen Problemen wird besonders im Triesterviertel deutlich, wenn auf das „Rote Wien“ und den „Arbeiterbezirk“ mit seinem solidarischen Miteinander in der Vergangenheit verwiesen, allerdings neu hinzuziehende Haushalte (oft mit Migrationshintergrund) von dieser Tradition ausgeschlossen und vor allem als Problemfälle wahrgenommen werden. Diese Heterogenität wird wiederum in Arafat als positiv betont und ist gegeben, da viele MigrantInnen über ihre Großfamilien hier eine Anlaufstelle in Dakar finden. Da weder eine Einbindung in formelle Arbeitsverhältnisse noch staatliche Abfederungsmaßnahmen ausreichend existieren, kommt in Arafat der sozialen Einbettung in Nahbeziehungen – die von Kronauer (2005) als jene Dimension von sozialer Exklusion bzw. Inklusion mit dem direktesten Einfluss von Stadtvierteln bezeichnet wird – besondere Bedeutung in Form von gegenseitiger Hilfe zu. Auf der anderen Seite ist die Durchlässigkeit sozial-räumlicher Grenzen relativ gering: Weder besitzen die BewohnerInnen von Arafat die ökonomischen Mittel der „young professionels“ aus East Kensington, noch gibt es staatliche wohnungspolitische Maßnahmen, von denen die BewohnerInnen des Triesterviertel teilweise profitieren. (Zwar wird dadurch die Möglichkeit zur Mobilität erhöht, doch gilt dies verstärkt für gewisse Bevölkerungsgruppe und schließt beispielsweise jene, die sich noch nicht lange genug in Wien aufhalten, aus. Mehr dazu im nächsten Kapitel.)

Bezüglich der Annahme, dass Wohnen in einem bestimmten Stadtviertel als Basis für Identifikation mit demselben dient, sind die Freiwilligkeit des Zuzuges sowie des Verbleibens hervorzuheben, welche die Integrationsfähigkeit eines Viertels von entscheidender Bedeutung sind (vgl. Häußermann/Kronauer 2005: 602) Darüber hinausgehend sind unterschiedliche Tendenzen feststellbar: Während die Verbundenheit zum Viertel über einerseits die lange Wohndauer (Triesterviertel, teilweise East Kensington) und die soziale Einbettung darin (Arafat) hergestellt werden kann, ist dies andererseits auch über eine gewisse Entscheidung für ein Viertel, in dem eine Aufbruchsstimmung gesehen und in das investiert wird (East Kensington), möglich. Ersteres bezieht die historische Bedeutung als Identifikationsmöglichkeit mit ein, Letzteres die geteilten Visionen für die Zukunft. (S.86/87)

Räume begrenzter Staatlichkeit    
S.89

"Die Aufgabe der lokalen Politik ist nicht allein die Integration einer Stadtregion in die globale Ökonomie, sondern auch die Vermittlung und Beherrschung innerstädtischer Widersprüche. Letzteres ist geradezu die Voraussetzung einer tendenziell erfolgreichen, wenigstens zeitweise stabilen Integration von Orten in den globalisierten Raum." (Keil 1991: 191F)

...Bleibt man...bei der Ebene der Stadtviertel stehen, kann nicht erklärt werden, wie unterschiedliche staatliche Wohlfahrtsregime auf Ungleichheiten zwischen einzelnen Viertel reagieren bzw. welchen Einfluss sie darauf haben. (Vgl. Murie/Musterd 2004: 1443). Aus diesem Grund geht es nun darum, den institutionellen Aspekt in diesem Prozess genauer zu untersuchen und zu sehen, ob und in welcher Form staatliche Organe einwirken: Können beispielsweise über staatliche Politiken Exklusionstendenzen abgefedert und reglementiert werden? Inwiefern drückt sich dies im Bereich des Wohnens aus? Welche Rolle spielen lokale und kommunale Ebenen in diesem Zusammenhang, und wie ist ihr Verhältnis zur Ebene des Nationalstaates? Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Intensität der Rolle des Staates durch Wohnpolitik – welcher als Teil einer übergeordneten Raumregulierungspolitik verstanden wird – einen Unterschied in der Ausprägung räumlicher Differenzierungen macht. (S.89/90)

Was bedeutet "Wohnungspolitik"?    
S.90

....Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Wohnungspolitik sowohl soziale und stadtplanerische, als auch wirtschaftliche Aspekte beinhaltet. Ihr Instrumentarium ist – wie später anhand der Beispiele noch gezeigt wird – vielfältig. Wohnungspolitik ist eine Form wohlfahrtsstaatlichen Eingreifens in den Wohnungsmarkt, setzt aber nicht notwendigerweise eine Dekommodifizierung (Wikipedia: "die Abkopplung Sozialer Sicherheit vom Arbeitsmarkt") im Sinne einer Reduktion der Abhängigkeit der Bevölkerung von Marktlogiken voraus. Ihr Anspruch zur Verminderung von sozialer und räumlicher Exklusion hängt von den jeweiligen Kräfteverhältnissen und gesellschaftlichen Konstellationen ab, die staatliches Handeln beeinflussen.

Regieren über soziale Nahräume    
Räumliche Betrachtungen von "Staat" – S.92

Diese Vorstellung von Staat basiert auf Poulantzas, der diesen nicht als handelndes Subjekt per se, sondern als gesellschaftliches Verhältnis, in dem sich unterschiedliche Interessen verdichten, begreift. In diesem Sinne müssen auch andere AkteurInnen – wie der Markt oder zivilgesellschaftliche Initiativen – näher beleuchtet werden. (S.92)

...Das bedeutet, dass nicht der Staat selbst Macht besitzt, sondern über ihn bzw. über seine unterschiedlichen Institutionen politische Strategien vermittelt werden. Diese Vermittlung erfolgt aber selektiv, indem bestimmte Kräfte bevorzugt, andere jedoch benachteiligt werden. Staatlicher Raum wird demnach von verschiedenen Interessenslagen und politischen Strategien geprägt, die sich auf unterschiedlichen (institutionellen) Ebenen ausdrücken……(S.93)

....Es geht demnach um das Verhältnis zwischen einer zentralen Regierungsinstanz und einer dezentralen Implementierungsinstanz. Über die kleinräumigere Gestaltung staatlicher Aktivitäten, die Kessl und Otto (2007: 10) als „Regierung über soziale Nahräume“ bezeichnet, verlagert sich ihre Implementierung direkt in die einzelnen Städte oder auch Stadtteile. Diese Entwicklung betrifft vor allem Instrumentarien zur Bekämpfung von Armut oder sozialer Exklusion. Lokale Regierungsinstitutionen auf städtischer oder auf Ebene der Stadtteile oder Bezirke bedienen sch hierbei Strategien wie der Selbsthilfe, die vormals von sozialen Bewegungen reklamiert wurden. Damit soll eine neue Art des sozialen Zusammenhaltes begünstigt werden. (Vgl. Heeg/Rosol 2007: 496).....

In der Wohnungspolitik zeigt sich die verstärkte Einbindung des Marktes insbesondere in dem zunehmenden Einsatz von sogenannten „public-private-partnerships“ bei der Errichtung sowie der Vergabe von Wohneinheiten. Gleichzeitig werden immer mehr, vormals staatliche, Aufgabenbereiche von Stadtteilbewegungen oder anderen Teilen der Zivilgesellschaft übernommen....(S.97) (Wird fortgesetzt)

Wohnungspolitik als Raumpolitik    
Ein Vergleich zwischen Österreich, Senegal und den USA – S. 97

Die Wohnfrage in städtischen Gebieten wurde in den drei Untersuchungsländern Senegal, Pennsylvania bzw. USA und Österreich mit dem Aufkommen einer verstärkten Urbanisierung gestellt und war verknüpft mit städtischer Armut sowie der Diskussion über Wohnmöglichkeiten für die ArbeiterInnenklassen. So uch in Wien, wo sie mit der Industrialisierung Mitte des 19.Jahrhunderts in den Vordergrund rückte. (vgl. Reinprecht 2010: 101) Die ersten Antworten und Reaktionen auf die hygienischen Zustände sowie die ArbeiterInnenaufstände in einzelnen Teilen der Stadt kamen aber nicht von staatlicher Seite, sondern von privaten „GönnerInnen“ – etwa BesitzerInnen von Fabriken oder anderen Angehörigen der städtischen Oberschicht – und konzentrierten sich auf einzelne Projekte. Flächendeckende Wohnbauten oder ein allgemeines MieterInnenschutzgesetz existierten nicht. So waren die meisten Mietverträge für ArbeiterInnen und deren Familien Einmonatsverträge. Die Folgen waren eine hohe Fluktuation sowie eine gravierende Überfüllung der qualitativ schlecht ausgestatteten Wohneinheiten – verbunden mit nicht autorisierten Siedlungen insbesondere am Rande der Stadt. Verglichen mit anderen westeuropäischen Städten zu dieser Zeit waren die Wohnverhältnisse in Wien extrem schlecht (vgl. Förster 2002: 9).

Staatliche Initiativen – insbesondere ausgehend von der Ebene der Stadt Wien – setzten verstärkt nach der Ausrufung der Republik Österreich nach dem ersten Weltkrieg ein. Aufgrund der vorherrschenden Wohnungskrise erklärt die sozialdemokratische Partei (SPÖ) (Damals trug die Partei noch den Namen „Sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreichs“-SDAP), welche die Regierung in Wien übernahm, bereits 1918 die Wohnproblematik zur Priorität (vgl. Blau 1999: 90). 1922 wurde Wien aufgrund einer gesetzlichen Änderung ein eigenes Bundesland mit eigener Steuerhoheit, was mit der Einführung der Wohnbausteuer den Beginn extensiver Wohnbauprogramme einläutete. Das sogenannte „Rote Wien“ erlangte über den Bau von Wohneinheiten für die ArbeiterInnenklasse internationale Bekanntheit. Einerseits sollte die dramatische Wohnungssituation der arbeitenden Bevölkerung verbessert, andererseits aber auch ein Monument für die Macht der ArbeiterInnenklasse errichtet werden. Laut Donner (1990: 146) wurden in Wien bis 1934 (1933 gilt als der Beginn des Austrofaschismus in Österreich, 1934 wurde die SDAP nacheinem mehrtägigen Bürgerkrieg verboten.) rund 65.000 kommunale Wohnungen (und Geschäftslokale) erbaut, was 70 Prozent der gesamten Wohnbauleistung Österreichs jener Jahre entspricht. Verteilt wurden die Wohnbauten über die ganze Stadt, was auch mit der Wählerpräferenz der ArbeiterInnen für die Sozialdemokratische zusammenhing:

„Die Platzierung von öffentlichen Wohnbauprojekte in traditionell bürgerlichen Stadtteilen sollte nicht einfach als ein Aspekt eines weitreichenden Antisegregationspolitik gesehen werden. Es steht auch mit einer gewünschten Stimmverteilung bei Wahlen in den verschiedenen Bezirken der Stadt in Verbindung.“ (Vorauer-Mischer 2006: 185)

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte eine erneute Phase des Wohnbaus ein, die auf Quantität und die Ränder der Stadt fokussierte. Großwohnanlagen – wie beispielsweise die Per-Albin-Hansson-Siedlung in Favoriten - wurden am nördlichen und südlichen Stadtrand errichtet. Aus diesem Grund gewannen die Außenbezirke wie Favoriten an EinwohnerInnen, während innerstädtische Bezirke einen Bevölkerungsverlust zu verzeichnen hatten. Ähnliches galt für Betriebsansiedlungen (vgl. Cattecin 1994: 65).
Mit den 1970er-Jahren wurden innerstädtische Gebiete wiederentdeckt, und gleichzeitig mit dem sozialen Wohnungsbau für die Mittelschicht ein neues Leitbild ausgegeben (vgl. Matznetter/Vorauer-Mischer 2009: 253), welches das ursprüngliche Klientel der arbeitenden Schichten erweitern sollte. Eingeleitet wurde diese Entwicklung von einem nationalstaatlichen Gesetz zur Schaffung eines Wohnbaufonds aus dem Jahr 1968. …Dies führte einerseits zu einer Erhöhung der Mietpreise, auf der anderen Seite aber auch zu einem Ansteigen der Qualitätsansprüche. Das Ziel war eine zunehmende soziale Durchmischung im öffentlichen und geförderten Wohnbau – ein Ziel, das bis heute anhält.....

Österreichweit ist ein Gefälle zwischen Wien und den anderen Bundesländern zu erkennen: Während 21 Prozent des Immobilienbestandes in Österreich dem sozialen Wohnbau zuzurechnen sind (10 Prozent hiervon dem öffentlichen Wohnbau), sind es in Wien 48 Prozent, davon 27 Prozent öffentlicher Wohnbau (vgl. Reinprecht 2010: 99f). 60 Prozent der Wiener Bevölkerung leben in geförderten Wohneinheiten, davon 220.000 im öffentlichen Wohnbau, den sogenannten „Gemeindebauten“ (vgl.Förster 2002: 5). In Favoriten selbst gibt es über 350 Gemeindebauten mit rund 30.000 EinwohnerInnen (Interview Peter Florianschütz: 23.05.2011). (S.99)

....Demgegenüber erfolgt zwar im österreichischen Kontext die Gesetzgebung auch auf nationaler Ebene, die Ausgestaltung der Wohnungspolitik findet aber auf Länderebene statt. (S.105)

....Demnach wird durch die Objektförderung aktiv in den Wohnungsmarkt eingegriffen, was Auswirkungen auf die Preisentwicklung hat. Würde lediglich auf Subjektförderungen gesetzt, müsste Wien die gestiegenen Immobilienpreise mit sozialen Transferleistungen ausgleichen (Derzeit liegt der Quadratmeterpreis im geförderten Wohnbau bei EURO 4,50 kalt, im privaten Bereich hingegen bei über EURO 9,00 kalt.- Interview mit Christian Kubesch-MA50 vom 11.07.2011) Gleichzeitig wurde der Gemeindebau – das bedeutet, öffentlicher Wohnbau, der durch die Stadt bzw. Gemeinde Wien direkt errichtet wird – 2004 eingestellt.....

Die finanziellen Mittel fließen nun in den geförderten Wohnbau.... Eine weitere Veränderung erfolgte 2006 auf Anweisung der Europäischen Union: Gemeindebauten in Wien wurden für Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft geöffnet, eine Mindestaufenthaltsdauer in Österreich blieb aber bestehen. MigrantInnen, die zuvor auf den privaten Wohnungsmarkt angewiesen waren, erhielten nun die Möglichkeit , billigeren Wohnraum zu nutzen. (Dies entfachte zahlreiche Debatten um das zwischenmenschliche und interkulturelle Zusammenleben im Gemeindebau.) Somit kam es im öffentlichen Wohnbau in den letzten Jahrzehnten zu Verschiebungen bezüglich der Bevölkerungszusammensetzung: Einerseits zumeist einkommensschwächere MigrantInnenhaushalte, auf der anderen Seite eine Erhöhung der Einkommensgrenzen und Qualitätskriterien, die auch die Mittelschichten einbeziehen sollten – und vom traditionellen Klientel der ArbeiterInnenschicht wegführten....(S.106/107)

Wohnungspolitik ist – wie bereits angedeutet – nicht nur in Bezug auf den Bereich Wohnen direkt relevant, sondern hat auch Auswirkungen auf andere Bereiche, wie beispielsweise die wirtschaftliche Entwicklung.... (S.108)

Im österreichischen Kontext wurde eine Dezentralisierung mit dem Wohnbauförderungsgesetz von 1988 vorangetrieben, doch bereits davor hatte die Stadt Wien als Bundesland und Gemeinde weitreichende Befugnisse in Bezug auf Wohnen und Planung. So konstatiert ein Mitarbeiter:

„Also, von einer Wohnungskrise kann man im Fall von Wien mit Sicherheit nicht sprechen. Die Stadt hat ja nach wie vor einen großen Einfluss auf den Wohnungs- und Immobilienmarkt.“ (Interview mit Christian Kubesch-MA50 vom 11.07.2011)

Dieser Einfluss soll über den Fokus auf die Objektförderung, der in anderen Ländern bereits in den Hintergrund getreten ist, aufrechterhalten werden. Anstelle der Gemeindewohnungen, die direkt von Wien errichtet wurden, sind nun geförderte Wohnungen ins Blickfeld gerückt. Gestärkt wurden gemeinnützige Bauträger – auch aufgrund der österreichweit geringen Anzahl an selbsterrichteten Eigenheimen – ihre marginale Position kaum erweitern konnten. Die Gemeinde Wien als Bauträger ist somit in den letzten Jahren auf dem österreichischen Wohnungsmarkt in den Hintergrund getreten, gleichwohl sie noch einen hohen Anteil an bereits existierenden Wohneinheiten hält. Kritisch angemerkt an Tendenzen zur Dezentralisierung wird im Wiener Kontext das fehlende Budget der Bezirke (Interview Siegfried Schuller: 27.07.2010) Gelder der „public-private partnerships“ würden sich vor allem auf Großprojekte (Aktuell können etwa die Seestadt Aspern oder der neue Hauptbahnhof genannt werden) konzentrieren, während Stadtviertel wie das Triesterviertel ins Hintertreffen geraten.

In Bezug auf Instrumentarien der Stadtentwicklung sind nicht nur die gesamtstädtischen Steuerungsmechanismen, zu denen auch der Wohnbau zählt, zu erwähnen, sondern auch die gebietsbezogene oder „sanfte“ Stadterneuerung seit den 1970er-Jahren. Dieser werden beispielsweise die lokalen Gebietsbetreuungen zugeordnet, die 1974 in Verbindung mit dem Stadterneuerungsgesetz im 16.Wiener Gemeindebezirk Ottakring versuchsweise initiiert wurden. Ausgeschrieben werden die Aufträge heutzutage von der Stadt Wien, geleitet werden die einzelnen Teams der Gebietsbetreuungen allerdings von privaten Agenturen. Sie sollen sich um Revitalisierungsprogramme in den einzelnen Stadtvierteln unter Einbeziehung der BewohnerInnen kümmern. Interessant ist, dass mit Anfang 2010 ein Teil des Aufgabenbereiches wieder aus den Gebietsbetreuungen herausgelöst und direkt der Stadt Wien unterstellt wurde: Es handelt sich um die „Wohnpartner“, deren Aufgabenbereich sich nun auf das Zusammenleben in den Bauten des öffentlichen Wohnbaus konzentriert. Konflikte, die sich verstärkt aus der neuen Bevölkerungszusammensetzung ergeben könnten, sollen vermieden bzw. gelöst werden. Darüber hinaus wird versucht, die BewohnerInnen

„zu befähigen, sie zu stärken, ihnen nicht wichtige Dinge abzunehmen, sondern sie zu begleiten, dass sie selbstverantwortlich die Belange, die sie betreffen, in ihrem Gemeinwesen auch gut regeln können.“ (Interview Claudia Huemer: 10.08.2011)

In Wien wird demnach versucht, über staatlich finanzierte Einrichtungen Partizipation der BewohnerInnen zu fördern, während in den USA bereits bestehende Initiativen um staatliche Subventionen ansuchen können, und in Senegal dies von internationalen Fördergebern unterstützt wird. Was sich in diesem Zusammenhang die interviewten ViertelbewohnerInnen überhaupt von staatlichen Einrichtungen erwarten und worin sie diesbezüglich ihre eigene Gestaltungsmöglichkeiten sehen, soll nun kurz anhand der Interviews vorgestellt werden.(S.113)

Eingreifen oder Raushalten? Erwartungen an den Staat    
S.114
Zusammenfassende Bemerkungen    
Die Ebene der Stadtviertel im Kontext übergeordneter Strategien – S. 117

Trotz der vorhandenen Unterschiede in den Instrumenten und Zielsetzungen der staatlichen Wohnungspolitiken der untersuchten Staaten, lässt sich doch eine gemeinsame Klammer finden: Der Staat auf nationaler Ebene legt die Intensität der eigenen Rolle und somit die Rahmenbedingungen fest. Während in Senegal kaum eine tatsächliche Delegierung von Kompetenzen, verbunden mit den nötigen finanziellen Mitteln, stattfindet, sind in Österreich weitreichende Befugnisse für die einzelnen Länder – und somit für das Bundesland bzw. die Gemeinde Wien – in der Verfassung verankert.....

.....eine Tendenz in Richtung Konzentration von Förderungen auf bestimmte Gebiete und Stadtteile ist aber sowohl in Philadelphia als auch in Wien und Dakar auf städtischer Ebene zu verzeichnen....

.....Wien hat sich entschieden, das Instrument der Objektförderung stärker zu forcieren, während in Philadelphia individuelle Subjektförderungen dominieren. Den geringsten Spielraum besitzt in diesem Zusammenhang Dakar, da finanzielle Mittel fehlen....(S.117)

....In den USA wird dem privaten Wohnungsmarkt ein hoher Stellenwert beigemessen…..während in Österreich – insbesondere in Wien – gemeinnützige Bauträger eine große Rolle spielen....

....In Wien bleiben Gemeindebauten für MigrantInnen, welche kürzer als fünf Jahre in Österreich sind, auch weiterhin verschlossen. Diese Zugangsbeschränkungen können Segregations- und Exklusionstendenzen weiter verschärfen. Darüber hinaus sind in allen drei Untersuchungsfällen Privatisierungs- und Kommodifizierungstendenzen feststellbar, die sich auf die individuellen Wohnbedingungen auswirken:

In Arafat ist jene Generation, die nicht mehr die Möglichkeit hatte, sich in ihrem Stadtviertel ein Haus selber zu errichten, gezwungen, über Wohnungskooperativen auf die...am Rande der Stadt auszuweichen – und somit das Viertel eventuell verlassen zu müssen. In East Kensington ziehen, insbesondere im Süden des Viertels, einkommensstärkere junge Haushalte zu, und die Preise für Häuser sind in den letzten Jahren gestiegen. Soziale Abfederungsmaßnahmen von staatlicher Seite sind kaum gegeben – über...werden Häuser zwar renoviert, diese jedoch auch an neu Zuziehende vergeben. Höhere Mieten verzeichnet auch das Triesterviertel. Zwar werden über gemeinnützige Bauträger Wohneinheiten errichtet, für diese ist jedoch – im Gegensatz zu jenen des öffentlichen Wohnbaus – ein Startkapital nötig. Ob diese Entwicklungen einen realen Einfluss auch auf die Freiwilligkeit der Wohnentscheidung für ein bestimmtes Viertel hat – und somit, wie in einer Ausgangsthese behauptet, Entscheidungsmöglichkeiten der BewohnerInnen einschränkt – ist nicht eindeutig zu beantworten, hierfür wären weitere Forschungen nötig. Eine Tendenz in diese Richtung kann jedenfalls konstatiert werden. (S.118)

....In jenen Vierteln, welche sich in Staaten mit einer relativ geringen Präsenz des öffentlichen Sektors und einer Vielzahl an privaten AkteurInnen befinden, erwarten sich die InterviewpartnerInnen vorwiegend finanzielle Unterstützung für bereits bestehende Initiativen aus der Bevölkerung. Dies dominiert insbesondere in East Kensington, aber auch in Arafat wo sich zusätzlich noch ein verstärktes staatliches Engagement in Bezug auf Infrastruktur erhofft wird. Demgegenüber sind die befragten BewohnerInnen des Triesterviertel prinzipiell mit der staatlichen Präsenz vor Ort zufrieden, erwarten sich zusätzlich höchstens noch punktuelle Eingriffe mit dem Ziel einer „Belebung“ von Vierteln (beispielsweise Nachbarschaftsfeste oder Initiativen in Bezug auf Einkaufsstraßen).

Was bedeutet dies nun in Bezug auf Handlungsspielräume der InterviewpartnerInnen vor dem Hintergrund der „spaces of engagement“ nach Cox (2008)? Gefragt nach der Möglichkeit zur Veränderung durch das eigene Engagement, betonen alle befragten Personen die Bedeutung der lokalen Ebene als Ausgangspunkt. Vor Ort sollen Initiativen mit anderen interessierten BewohnerInnen gegründet werden, welche auch von Organisationen auf dieser Ebene unterstützt werden. Dies verweist auf den Aspekt des Aufbaus von Netzwerken zur Sicherung ortsspezifischer Bedingungen und lokaler Interessen nach Cox (2008). In Bezug auf die mögliche Verlagerung auf andere (höhere) Maßstabsebenen, zeigen sich Unterschiede zwischen den Antworten in den einzelnen Vierteln: Im Triesterviertel sollen – laut den befragten BewohnerInnen – die Anliegen in die Bezirksvertretung weitergeleitet und danach von diesen Organen an höhere Ebenen weitergetragen werden....

....Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass wohnungspolitische Strategien einem ständigen Wandel unterliegen, der sich zwischen den Polen Staat, Markt und Zivilgesellschaft manifestiert und Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse ist. Die städtische Ebene...hat eine Art Vermittlungsfunktion zwischen globaler Tendenzen auf der einen und lokalen Handlungsspielräume und Alltagspraktiken von BewohnerInnen auf der anderen Seite inne. (S.119/120)

Geförderte und geforderte Partizipation    
S.121

.....Verlagert sich...der Schwerpunkt von Initiativen aus der Bevölkerung weg von der Artikulation von Protest, hin zur Bereitstellung von materiellen Grundbedürfnissen anstelle des Staates? Was bedeutet dies für einzelne Stadtviertel und deren BewohnerInnen?

Partizipation über Einbindung    
Beteiligungsmöglichkeiten auf lokaler Ebene – S.122

Die Erweiterung der AkteurInnen im Wohnungswesen zeigt sich in Hinblick auf zivilgesellschaftliche Beteiligung insbesondere auf der lokalen Ebene. Elwood (2002: 123) nennt diesbezüglich anhand der Einbindung von Nachbarschaftsorganisationen in den Prozess der Revitalisierung und Planung sowohl negative als auch positive Aspekte:

Auf der einen Seite werden Verantwortlichkeiten und Aufgabenbereiche ohne die gleichzeitige Ausstattung mit ausreichend Ressourcen verschoben und keine Befugnisse erweitert. Die Mobilisierung der Initiativen erfolgt somit zugunsten staatlicher Zielsetzungen, was zu einer Depolitisierung von städtischen Konfliktfeldern führt.

Auf der anderen Seite kann es zu einer Schaffung von neuen Beteiligungsmöglichkeiten innerhalb der Stadtpolitik für diese Nachbarschaftsorganisationen kommen, die wiederum die Fähigkeiten und ihr Wissen stärken. Der Diskurs um Zusammenarbeit legitimiert die betreffenden Organisationen in ihrer Forderung um Einbeziehung. Dies kann zu einer Stärkung der Kooperation zwischen dem lokalen Staat, den Nachbarschaftsorganisationen sowie den BewohnerInnen führen, die es ihnen ermöglicht, ihre Ansichten und Forderungen einzubringen.

In allen drei Untersuchungsfällen kann in Bezug auf das Wohnungswesen eine Tendenz in Richtung Einbeziehung zivilgesellschaftlicher AkteurInnen vor allem seit den 1970er-Jahren auf lokaler und städtischer Ebene festgestellt werden. Besonders deutlich ist dies in den USA an der Entwicklung der „Community Developement Corporations“ (CDCs) als gemeinnützige Trägerorganisationen nachbarschaftlicher Erneuerung abzulesen…..(S.122)

...Laut einer Mitarbeiterin einer NGO repräsentieren die CDCs zu stark wirtschaftliche Interessen und müssten eigentlich für andere Verteilungsmechanismen und –politiken kämpfen, um auch die Interessen einkommensschwächerer Haushalte zu vertreten: „Aber wenn sie kämpfen, kämpfen sie gegen dieselben Leute, die ihnen das Geld zum Hausbau geben, die ihnen die Grundstücke für den Hausbau geben.“ (Interview Nora Lichtash: (Interview Nora Lichtash:1.07.2009)(S.123)

In einem ähnlichen Dilemma müssen sich die Gebietsbetreuungen in Wien, deren Hauptaufgabe die Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität der lokalen Bevölkerung ist, befinden. Ihr direkter Auftraggeber – und Geldgeber – ist die Gemeinde Wien über die Magistratsabteilung 25. Beauftragte sind Wohnbaugesellschaften, ArchitektInnen oder RaumplanerInnen, die jeweils Verträge für einige Jahre bekommen. In Favoriten ist die GBstern (Gebietsbetreuung für den 10. Wiener Gemeindebezirk) aktiv, insbesondere für die Gründerzeitviertel von Favoriten, zu denen auch das Triesterviertel gehört. Die GBstern fungiert als eine Art Drehscheibe und als Beratungszentrum, vor allem in Hinblick auf den Bereich Wohnen sowie auf Meditation bei alltäglichen Konflikten (Interview Irmgard Hubauer: 27.07.2011).

Offiziell sind die MitarbeiterInnen bei einem privaten Architekturbüro für jeweils drei Jahre angestellt, danach erfolgt eine erneute Ausschreibung durch die Gemeinde Wien. Allerdings - so ein Mitarbeiter (Interview Siegfried Schuller: 27.07.2011) – wurden die Gebietsbetreuungen nicht von der Gemeinde Wien gegründet, sondern mussten erkämpft werden und sind zu Beginn gegen die Stadtverwaltung aufgetreten. Sie sollten dezentral in einem doppelten Sinne sein: Zum einen nicht direkt der Stadt unterstellt, zum anderen dezentral betreffend des Ortes bzw. direkt bei der lokalen Bevölkerung. Die Position zwischen den BewohnerInnen, dem Bezirk und der Stadt Wien ist nicht immer einfach, da sich die Interessen widersprechen können. In letzter Zeit konstatiert der Mitarbeiter aber eine Tendenz in Richtung Zentralisierung der einzelnen Gebietsbetreuungen sowie ein verstärktes Hinrücken zu den Institutionen.

Gebietsbetreuung an sich hat die Aufgabe, Stadtentwicklungsprozesse zu begleiten, damit die Interessen der BewohnerInnen berücksichtigt werden – und stellt somit ein Partizipationsinstrument dar, das Partizipation weitreichend fasst:

„...die Bevölkerung zu informieren, zu interessieren für ihre Wohnumgebung.“ (Interview Irmgard Hubauer: 27.07.2011).

Darüber hinaus soll die lokale Bevölkerung zur Teilnahme animiert werden, was aber nicht immer einfach sei (Interview Siegfried Schuller: 27.07.2011). Es gehe darum, Interessierte und Qualifizierte zu gewinnen – sich aber gleichzeitig der Verantwortung bei partizipativen Prozessen sowie deren finanziellen Bürden bewusst zu sein...(S.124)

Nicht-staatliche AkteurInnen auf lokaler Ebene zeichnen sich....durch ihre lokale Kompetenz und Erfahrung sowie durch ihre Nähe zu den Betroffenen aus, weswegen sie auch von staatlicher Seite gefördert werden:

Nicht nur weil lokale Initiativen den besonderen lokalen Bedürfniskonstellationen und Entwicklungspotentialen besser Rechnung tragen können, sondern auch weil sie nicht (Hervorhebung im Original) nach Marktgesetzen funktionieren und stattdessen auf Solidarität und Empowerment (Hervorhebung im Original) basieren wird ihnen hier [bei lokalen, staatlich geförderten Inklusionsprogrammen, Anm.MW] Vorrang eingeräumt“ (Mayer 2003:287) (S.126)

Ressource oder Voraussetzung    
Wechselwirkungen zwischen Partizipation und Stadtviertel – S.127

In allen drei Untersuchungsfällen fällt die Argumentation auf, dass über die Initiativen der BewohnerInnen auch die jeweilige räumliche Umgebung aufgewertet werden soll. Dabei geht es nicht nur um eine Verbesserung der individuellen materiellen Situation wie beispielsweise der Wohnbedingungen, sondern um den Aufbau von Netzwerken und Beziehungen zwischen den BewohnerInnen – und somit die Stärkung dessen, was unter anderem von Puntnam (2000) als „soziales Kapital“ bezeichnet wird....

....Demnach ist soziales Kapital als Ressource zu verstehen, die durch soziale Netzwerke sowie Beziehungen über Vertrauen, geteilte Wertvorstellungen und gegenseitige Hilfestellungen entsteht. Gibt es in einem Stadtviertel eine Anzahl von Initiativen und Zusammenschlüssen der BewohnerInnen, so profitiert die gesamte Gemeinschaft davon – sowohl in demokratischer, wie auch in ökonomischer Hinsicht. Besonders zentral ist aber dabei nicht die formelle Mitgliedschaft in lokalen Organisationen, sondern die aktive Beteiligung (Diese sieht Putnam [2000: 58] allerdings als rückläufig an, was negative Auswirkungen auf das Zusammenleben hätte) möglichst vieler AkteurInnen. Die Wohndauer in einem bestimmten Viertel kann insofern eine Rolle spielen, als sie ein Eingebundensein in die Nachbarschaft sowie Kontakte zu den NachbarInnen erleichtert. (vgl. Curley 2010: 82) Gleichzeitig kann soziales Kapital auch negative, ausschließende Effekte mit sich bringen....(S.127)

....Demzufolge wäre soziales Kapital nicht das Ergebnis, sondern eine Voraussetzung für eine aktive Beteiligung von BewohnerInnen – und zwar von jenen, die bereits in soziale Netzwerke eingebunden sind. Das bedeutet, dass vermehrte lokale Mitspracherechte nicht zu einer Erweiterung der beteiligten Bevölkerungsgruppen führen würden. Vielmehr würden jene BewohnerInnen und jene Stadtviertel davon profitieren, die bereits über ein hohes Maß an sozialem Kapital und somit über gewisse Ressourcen verfügen, was wiederum zu einer zunehmenden Polarisierung zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen und Stadtteilen führe....(S.128)

....Doch nicht nur staatliche Strategien bestimmen die Rahmenbedingungen, sondern auch nicht-staatliche AkteurInnen sowie deren jeweilige Konstellationen. Tilly und Tarrow (2007: 57) identifizieren folgende Aspekte: die Vielfältigkeit von unabhängigen Machtzentren, die Offenheit gegenüber neuen AkteurInnen, in Instabilität von aktuellen politischen Ausrichtungen..., die Verfügbarkeit von einflussreichen UnterstützerInnen für die HerausforderInnen, das Ausmaß, in dem das jeweilige Regime gestellte kollektive Forderungen unterdrückt oder erleichtert….(S.129/130)

Bei diesem Ansatz geht es darum, mögliche Rahmenbedingungen bzw. Gelegenheitsstrukturen für das Entstehen von sozialen Bewegungen herauszufiltern. So wurde bereits…gezeigt, dass die befragten BewohnerInnen des Triesterviertel den Eindruck haben, dass auf ihre Interessen und Bedürfnisse (größtenteils) vonseiten staatlicher Organe eingegangen wird…..(S.130)

...Partizipation im Rahmen des Prozesses der Stadtentwicklung kann – wie an den Beispielen der CDCs oder der Gebietsbetreuungen gezeigt wurde – initiiert werden oder sich in Form von Protesten und BürgerInneninitiativen? ausdrücken. Die lokale Ebene eignet sich hierbei besonders gut für eine nähere Untersuchung, da Menschen sich einerseits in vertrauter Umgebung oft besser artikulieren und sich um die eigenen Bedürfnisse kümmern und andererseits sich der Probleme und ungenutzten Ressourcen bewusster sind. (vgl. Kaufmann 1997: 10f)

Partizipation über Selbstinitiative    
Lokalität als Ausgangspunkt – S.132

Partizipation im Sinne von politischer Beteiligung umfasst laut Kaase (1997: 160) diejenigen Handlungen, welche „Bürger freiwillig und mit dem Ziel vornehmen, Entscheidungen auf den verschiedenen Ebenen des politischen Systems zu beeinflussen.“ (S.132)

....Darüber hinausgehend muss politische Partizipation Teil der Debatte um Inklusion und Exklusion sein, da diese nicht nur eine ökonomische und soziale, sondern auch eine politische Dimension – beispielsweise in Bezug auf Möglichkeiten zur Teilhabe bzw. Repräsentation - aufweist....

In diesem Sinne hat politische Partizipation eine räumliche Dimension und bezieht sich einerseits auf das Verhältnis zu staatlichen Organen, andererseits auf die Verbesserung der eigenen Lebenssituation. Die beiden letzten Aspekte betonen Hovorka und Redl (1987: 227) im Zuge ihrer Untersuchung von BürgerInneninitiativen? in Gumpendorf, einem Stadtteil von Wien: Die eigene Betroffenheit stelle den Ausgangspunkt für Partizipation der der Bevölkerung dar, welche meist reaktiv – das heißt als Reaktion auf eine Ankündigung der Stadtverwaltung – handle. Auch der Gründer verschiedener Initiativen im Triesterviertel hebt die Betroffenheit für das Engagement von BewohnerInnen hervor:

„...habe ich die Erfahrung gemacht, dass ,wenn sich wer findet, der sich wo engagiert, dann muss eine persönliche Betroffenheit Voraussetzung sein. Dass sie von irgendwas selbst betroffen sind, von einer Verkehrssituation meistens.“ (Interview FritzEndl: 05.05.2011)

Die Folge sind punktuelle und kurzfristige Initiativen, wie sich auch bei den befragten BewohnerInnen zeigt: Jene, die sich in Bezug auf aktuelle Problemlagen und Bedürfnisse – wie die Leitung einer Bücherei, den Aufbau einer Grätzlzeitung, Nachhilfe oder die Rettung der lokalen Einkaufsstraße – engagierten, sind nun nicht mehr aktiv. Demgegenüber ist das Engagement jener, die sich innerhalb formeller Strukturen – vor allem innerhalb von Parteien – bewegen langfristig angelegt. Darüber hinaus wird von einem Mitarbeiter der lokalen Gebietsbetreuung auf den notwendigen „Anreiz von außen“, zumeist von schon existierenden Institutionen und Einrichtungen in dem Stadtviertel, hingewiesen:

„Das is eigentlich sehr typisch: Also, einerseits schon der Wunsch, dass es das alles gibt, aber das muss irgend jemand machen. Und wer ist das? Also, diese Selbstinitiative, die fehlt irgendwie in diesen Dingen. Das ist das Problem.“ (Interview Siegfried Schuller: 27.07.2010)

Gleichzeitig scheint aber das Bedürfnis, über kollektive Aktivitäten in der eigenen Nachbarschaft bzw. im eigenen Stadtviertel in eine lokale Gemeinschaft eingebettet zu sein, vorhanden zu sein. (Interview Irmgard Hubauer: 27.07.2010)

Historisch gesehen hätten diese Rolle in Wien die einzelnen Sektionen der Sozialdemokratischen Partei (SPÖ) insbesondere in den Gemeindebauten übernommen. Diese scheinen es aber nicht geschafft zu haben, Bevölkerungsgruppen wie Jugendliche oder Personen mit Migrationshintergrund miteinzubeziehen, weshalb nur noch jene Sektionen, die sich schon lange kennen, existieren. Demnach ist – wie auch Putnam (2000) in „Bowling Alone“ für die USA feststellt – vor allem die ältere Generation im Viertel organisiert.

Selbstinitative wird in Arafat nicht als Problem gesehen. Alle befragten BewohnerInnen sind gleichzeitig in mehreren nachbarschaftlichen Organisationen und Gruppen aktiv...Das Engagement ist langfristig angelegt....quer durch alle Altersgruppen...

Demgegenüber sind in East Kensington...vor allem jene BewohnerInnen bei den Treffen vertreten, welche erst zwischen zwei und sieben Jahren im Viertel wohnen....Ähnlich wie in Arafat geht es um die Verbesserung der Versorgung im Viertel oder auch um dessen Verschönerung und Entwicklung.... (S.135)

„Nous sommes organises pour mieux vivre.“    
„Wir sind organisiert, um besser zu leben“ - Gründe für Partizipation– S.136

Doch welche Gründe sehen die befragten BewohnerInnen für ihr Engagement? Persönliche Betroffenheit als Auslöser für BewohnerInnen, aktiv zu werden, wurde bereits angesprochen und wird auch von einigen InterviewpartnerInnen aufgegriffen. Die Bandbreite reicht hierbei von Erfahrungen aus dem eigenen Leben bis hin zu Zukunftsplänen....

Als weiterer Grund werden persönliche Verbindungen und Kontakte im Viertel genannt. Besonders unter den Befragten im Triesterviertel scheint dies eine Rolle zu spielen. Bereits der Großvater eines befragten Bewohners war politisch aktiv, wodurch sein eigenes Engagement beeinflusst wurde. Ein Mitglied im MieterInnenbeirat? hat diese Funktion von ihrem Mann übernommen, war aber auch zuvor – wie andere Mitglieder ihrer Familie – in einer politischen Partei aktiv. Weitere InterviewpartnerInnen wurden von einem Bekannten aus dem Viertel angesprochen, worauf sie sich einer Grätzlinitiative anschlossen

„Ich wollt halt irgendwas machen.“

Darüber hinaus waren Kontakte zu kirchlichen Vereinen bei einigen befragten Personen im Triesterviertel und in East Kensington ausschlaggebend. Sie betonen die dort vorgefundene „nette Gemeinschaft“ als Anreiz für andere Aktivitäten. (S.136) Ebenfalls von einem Bekannten angesprochen wurde ein anderer Interviewpartner im Triesterviertel, der allerdings den Aufbau einer lokalen Gemeinschaft in städtischer Umgebung kritisch betrachtet:

„Ich glaub nicht daran. Deswegen, weil es eben ein bisschen ein unerreichbarer Idealzustand ist, eine Dorfgemeinschaft in einer Stadt zu errichten.“

Der Bezug zum eigenen Viertel bzw. der Wunsch, das eigene Wohn- und Lebensumfeld zu verbessern, stellt einen weiteren Grund für die Gründung von Initiativen dar. Im Triesterviertel nennt eine Bewohnerin die Neuverbauung des Eisring Süd als Auslöser für ihr Engagement. Sie wollte verhindern, dass Grünflächen verschwinden und die Nutzung nur gegen eine Gebühr möglich ist.

In Arafat wird das Wohl der Kinder als Zukunft des Viertels angesprochen. Ein Interviewpartner hat mit Bekannten eine Schule gegründet, um sich der Probleme anzunehmen und somit zur Entwicklung auf lokaler Ebene beizutragen.

Die Teilhabe an einer positiven Entwicklung des Viertels wird aber nicht nur in Arafat, sondern auch im Triesterviertel und in East Kensington erwähnt:

„Weil ich etwas tun wollte, dass das nicht alles absiedelt, nicht alles vor die Hunde geht.“

Die eigene Umgebung sollte verschönert werden:

„Ich wollte mich nur einbinden, weil mir die Zukunft des Triesterviertels am Herzen liegt.“ (S.137)

....Bezogen auf die Aktivitäten geht es den InterviewpartnerInnen um Bewusstseinsarbeit sowie das Informieren von und Diskutieren mit anderen BewohnerInnen des Viertels:

„Durch´s Reden kommen die Leut´ z´samm.“

Dies geschieht zum einen über das Aufklären über Krankheiten, das Aufsuchen von Müttern, um sie zu beraten, rechtliche Beratungen oder das Organisieren von Festen, zum anderen über lokale Zeitungen, das Internet, ein „Grätzltelefon“, (Ein „Grätzl“ bezeichnet im Wiener Kontext eine Nachbarschaft. Die Idee hinter dem „Grätzltelefon“ war, dass BewohnerInnen Mitteilungen an die Grätzlinitiative abgeben konnte.) Broschüren oder Werbeaktionen wie „Kauf um´s Eck“. Darüber hinaus wurden beispielsweise im Triesterviertel Gedenktafeln angebracht, um das Interesse der BewohnerInnen am eigenen Wohnort zu wecken....

In Bezug auf andere Maßstabsebenen verstehen sich gerade im Triesterviertel jene InterviewpartnerInnen, die in offizielle Positionen gewählt wurden, als AnsprechpartnerInnen für die lokale Bevölkerung. Anliegen werden dementsprechend an höhere Ebenen – wie die Bezirksvertretung oder, im Falle des Gemeindebaus, an Wiener Wohnen – weitergeleitet oder Unterschriftenlisten organisiert.....(S.138/139)

....Den BewohnerInnen soll über eine funktionierende Nahversorgung die Möglichkeit gegeben werden, einen eigenen Supermarkt zu besitzen, sich Bücher vor Ort auszuleihen sowie die noch zur Verfügung stehenden Freiflächen für sich einzurichten. Die dominierende Zielsetzung – insbesondere im Triesterviertel, aber auch in East Kensington – ist aber ein verbessertes Zusammenleben:

„a peaceful presence in the neighborhood“ („Ein friedliches Miteinander in der Nachbarschaft“)

Dieses soll über die Schaffung von Gemeinsamkeiten bzw. eines „Gemeinsinnes“ geschehen, damit

„der Lebensraum kontrollierbar wird, im Sinne einer Verschönerung. Und dass sich jeder bewusst wird, hier wohne ich.“ (S.140)

Zusammenfassende Bemerkungen    

Stadtviertel als Orte einer lokalen Gemeinschaft – S.140

Partizipation wird durch die jeweiligen Rahmenbedingungen beeinflusst....

....So spielen im Triesterviertel die finanziellen Förderungen der Stadt Wien auch für die Initiativen der ViertelbewohnerInnen eine Rolle, können aber zu Passivität führen:

„Das ist schon ein Problem unserer Zeit, einfach, dass also die Übervorsorge von der Administration her , sich da irgendwie fast verselbständigt hat und einfach nicht mehr leistbar wird…Und die Leut´ sich alle verlassen drauf, dass eh von oben Sozialdienst kommen.“ (Interview FritzEndl: 05.05.2011)

Dies trifft vor allem den Aspekt der Befriedigung lokaler Grundbedürfnisse, der in den anderen beiden Vierteln bei den Gründen von Engagement einen weitaus bedeutenderen Stellenwert einnimmt als dies im Triesterviertel der Fall ist. Insbesondere in Arafat fokussieren die Initiativen auf die Bereitstellung eben dieser Strukturen der Nahversorgung und Infrastruktur, die im Triesterviertel als gegeben angesehen werden. Der Aspekt der Finanzierung ist aber in East Kensington am spürbarsten. Für fast alle befragten BewohnerInnen stellt die Lukrierung von Subventionen und Förderungen einen großen Teil ihrer Aktivitäten innerhalb der Initiativen dar. Gleichzeitig ist dies auch eine Triebfeder für weitere Aktivitäten. Demgegenüber scheinen staatliche Strukturen im Triesterviertel, insbesondere in Form von Parteien, ein längerfristiges Engagement der Beteiligten zu begünstigen.

Die materielle Verbesserung des eigenen Lebensumfeldes ist aber nur ein Aspekt von Partizipation der ViertelbewohnerInnen. Ein weiterer betrifft den Aufbau einer lokalen Gemeinschaft, der insbesondere im Triesterviertel und in East Kensington ein zentrales Thema ist. Nicht nur die eigene Betroffenheit – in Form von Erfahrungen oder Plänen für die Zukunft – stellt hierbei in allen drei untersuchten Vierteln die Ausgangsbasis dar, sondern auch persönliche Verbindungen und Kontakte im Viertel. Bereits im Kapitel über soziale Exklusion wurde die Einbettung in soziale Nahbeziehungen, die sich darin widerspiegelt, als Dimension von Inklusion bezeichnet. Über das eigene Engagement sollen andere BewohnerInnen der jeweiligen Viertel animiert werden, sich ebenfalls für ihr Wohnumfeld zu interessieren und sich mit diesem zu identifizieren.

Das Ziel ist ein verbessertes Zusammenleben auf lokaler Ebene. Dies knüpft an die Debatte um Sozialkapital nach Putnam (2000) an, der diesem eine entscheidende Ressourcenfunktion für die Entwicklung eines Stadtviertels zuspricht. Auf der anderen Seite wird dabei implizit davon ausgegangen, dass alle BewohnerInnen eines bestimmten Viertels ähnliche Interessen in Bezug auf dessen weitere Entwicklung haben. Diesem – imaginierten - kollektiven Interesse wollen die Initiativen bis zu einem gewissen Grad Ausdruck verleihen. Schwierigkeiten bei der Animation bestimmter Bevölkerungsgruppen – wie beispielsweise alteingesessenen BewohnerInnen in East Kensington oder Jugendlichen und Menschen mit Migrationshintergrund im Triesterviertel – zeigen aber gewisse Grenzen dieses Eigenverständnisses auf.

Partizipation auf lokaler Ebene und in einer weit gefassten Definition kann somit einerseits als Wunsch einer Schaffung einer lokalen Gemeinschaft oder eines Ortes für Identifikation gesehen werden, andererseits als Instrument für die Befriedigung lokaler Grundbedürfnisse. Der erste Teil verweist auf die Einbettung in soziale Nahbeziehungen, der zweite auf materielle Aspekte der Verbesserung der eigenen Lebenssituation. Beide stellen sowohl individuelle als auch kollektive Dimensionen dar.

Die Wohnfrage reflektiert in diesem Zusammenhang die unterschiedlichen institutionellen Kontexte, welche ihren Ausdruck durch die Kooperativen, die „Community Development Corporations“ und die Gebietsbetreuungen finden: In Arafat geht es um die Schaffung von Wohnraum vor dem Hintergrund eines Grundstücksmangels durch einen Zusammenschluss einzelner BewohnerInnen. Dies ist aber verbunden mit einem (wahrscheinlichen) Ausweichen auf andere Gebiete in der Peripherie Dakars. Demgegenüber stellt sich die Frage nach günstigem Wohnraum in East Kensington im Rahmen von Revitalisierungsbemühungen, welche einen Teil von „community development“ darstellen. Auch hier schwingt die Debatte von Verdrängungs- und Exklusionsprozesse im städtischen Raum mit: Wer darf bleiben, wer muss gehen?

Im Triesterviertel soll die Verbesserung der Wohn- und Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung über eine Einbindung von deren Interessen in den Stadtentwicklungsprozess geschehen. Wer sich davon angesprochen fühlt und einen Beitrag leisten will oder kann, ist wiederum einer Frage von eigenen Ressourcen – oder, wie Bourdieu (1982) es bezeichnet, des zur Verfügung stehenden „Kapitalvolumens“ – und dem Eingebundensein in das Wohnumfeld.

Diese Entwicklungen zeigen, dass sich Stadtviertel als Ort für eine lokale Gemeinschaft, die oft als Ziel von Bevölkerungsinitiativen propagiert wird, in einem ständigen Wandel befinden.

Zusammenführungen: "Und dass sich jeder bewusst wird, hier wohne ich"    
S.143

Die oben angeführte Aussage eines Interviewpartners aus dem Triesterviertel spiegelt zentrale Themen der vorliegenden Arbeit wider: Zum einen verweist es auf die Bedeutung der Wohnfrage, auf der anderen Seite auf die damit verbundene Identifikation mit dem eigenen Stadtviertel. Dies spannt den Bogen zur Fragestellung nach der Rolle von Wohnen in Bezug auf das Handeln von BewohnerInnen einzelner Stadtviertel in unterschiedlichen (institutionellen) Kontexten, welche das gesamte Forschungsvorhaben begleitet hat.

Zunächst wurde eine Definition von „Ort“ angestrebt, welche es ermöglicht, die Bedeutung von diesem in Relation zu den jeweiligen Lebensrealitäten zu setzen und in den Kontext der einzelnen Stadtviertel einzuordnen. Daran anschließend wurde auf die räumliche Dimension sozialer Ungleichheit eingegangen, die sich auf Ebene dieser Stadtviertel manifestiert. Die Dimensionen von Inklusion umschlossen hierbei nicht nur einen dem Wohlstandsniveau angemessenen Lebensstandard in Form von Wohnbedingungen, sondern auch die sozialen Nahbeziehungen.

Neben der Verräumlichung von sozialen Ungleichheiten wurden die durch staatliche Hierarchien geschaffenen Strukturen als Rahmenbedingungen für das Handeln von ViertelbewohnerInnen identifiziert. Wohnungspolitik als Raumregulierungspolitik stellt demnach eine Form des wohlfahrtsstaatlichen Eingreifens in den Wohnungsmarkt dar und zeigt Tendenzen in Richtung Verlagerung auf lokale Ebenen sowie in Richtung einer Diversifizierung der beteiligten AkteurInnen. Vor diesem Hintergrund wurde das Handeln von ViertelbewohnerInnen als Partizipation vor Ort untersucht.

Was sind nun die zentralen Erkenntnisse? (S.143)

Von der Einbettung in soziale Nahbeziehungen    
S.144

Rufen wir uns zu diesem Zweck nochmals die Hypothesen in Erinnerung. Die erste lautete wir folgt:

  • Eine bewusste Wohnentscheidung für ein bestimmtes Stadtviertel begünstigt ein Engagement für dieses, da darüber einerseits diesem Viertel eine Identität zugeschrieben werden kann, welches die eigene widerspiegelt, sowie andererseits über die tägliche Anwesenheit an einem Ort Betroffenheit erzeugt wird. Die durch Privatisierungstendenzen verstärkte Kommodifizierung (Kommerzialisierung, FE) des Wohnungswesens trägt allerdings zur Einschränkung dieser Entscheidungsmöglichkeiten auf bestimmte (einkommensstarke) Bevölkerungsgruppen bei, wodurch sich Beteiligung in Form von Partizipation auf diese Gruppen konzentriert.
Bei allen drei untersuchten Stadtvierteln handelt es sich – historisch gesehen – um „Vororte“ und „ArbeiterInnenviertel“, die sich im Laufe der Zeit gewandelt haben. Für viele BewohnerInnen bedeutet dies eine Möglichkeit, über die jeweiligen Viertel Fuß in der Stadt zu fassen – sei es, bei Verwandten eine erste Unterbringung zu finden, wenn sie vom Land kommen, oder auf Grund der relativ niedrigen Grundstückspreise eine erste eigene Wohnung zu beziehen. Mit diesen historischen Funktionen einhergehen erfolgten und erfolgen auch bestimmte Zuschreibungen, welche jene Viertel als „gefährlich“, „überfüllt“ oder mit sozialen Problemen behaftet identifizieren. Dies trifft insbesondere auf die historische Entwicklung von East Kensington zu. Gleichzeitig zeigt das Beispiel von East Kensington, dass sich diese Zuschreibungen im Laufe der Zeit verändern und ins Positive – im Sinne eines Zentrums für Innovationen – kehren kann. Insofern hat der Wandel des Images des Stadtviertels dazu beigetragen, neue Schichten von BewohnerInnen anzuziehen, die sich mit diesen Innovationen identifizieren, und East Kensington quasi ein neues Gesicht geben möchten. Sie bestimmen nun die Partizipation vor Ort. Die befragten älteren BewohnerInnen halten demgegenüber – ebenso wie jene im Triesterviertel – an historischen Zuschreibungen fest. Aus den Interviews geht hervor, dass sie sich von neueren Entwicklungen – wie beispielsweise dem Zuzug von Menschen mit Migrationshintergrund im Triesterviertel – insofern bedroht fühlen, als sie eine sich veränderte Identität des Viertels wahrnehmen. Daran anknüpfend versuchen einige über ihre Initiativen – wie jene zur Stärkung der lokalen Geschäftsstruktur oder über die Herausgabe einer Zeitung im Triestervierteleine lokale Gemeinschaft zu schaffen, die diesem Viertel wieder eine Identität geben könnte, in der man sich selbst wiederfindet. Dies erzeugt Betroffenheit und geht einher mit dem Versuch einer materiellen Verbesserung des eigenen Stadtviertels (beispielsweise über die Einrichtung von Schulen, Einkaufsmöglichkeiten oder Bibliotheken) bzw. einer Verschönerung desselben (zum Beispiel Reinigen oder das Pflanzen von Bäumen) Dementsprechend begünstigt eine Identifizierung mit dem eigenen Stadtviertel – oder der Wunsch nach dieser – ein Engagement von ViertelbewohnerInnen im Sinne von lokaler Partizipation. Die Zukunft des Stadtviertels wird mit der eigenen verbunden.

Doch inwiefern hängt dies mit der eigenen Wohnentscheidung zusammen? Ein Faktor in der Debatte, ob Stadtviertel ausgrenzend oder integrierend wirken ist....die Freiwilligkeit des Zuzuges. Diesbezüglich stechen wieder die neuen, gut ausgebildeten BewohnerInnen von East Kensington hervor. Sie haben sich bewusst für das Viertel entschieden und wollen es nun mitgestalten. Auch im Triesterviertel haben sich die meisten befragten BewohnerInnen bewusst dazu entschlossen, in das Viertel zu ziehen oder dort zu bleiben – allerdings hing diese Entscheidung zumeist mit den vorgefundenen Wohnbedingungen zusammen, die den Aufbau eines Eigenheims begünstigten.

Anders verhält sich die Situation in Arafat. Hier ließen einige InterviewpartnerInnen durchblicken, dass sie sich zwar – zumeist für familiäre Beziehungen – mit dem Viertel verbunden sehen, aber aufgrund ihrer ökonomischen Situation ihre Wahlmöglichkeit betreffend des Wohnortes eingeschränkt ist. Gleichzeitig sind aber die BewohnerInnen von Arafat besonders aktiv in diversen lokalen Initiativen engagiert.

Insofern kann eine bewusste Wohnentscheidung nur bedingt zur Erklärung zur Erklärung ihres Engagements herangezogen werden – ebensowenig wie im Falle der meisten befragten BewohnerInnen des Triesterviertels sowie von einigen Befragten im East Kensington. Hier scheint ein weiterer Aspekt eine entscheidende Rolle zu spielen: jener der Einbettung in soziale Nahbeziehungen. Besonders im Triesterviertel werden persönliche Kontakte und Interaktionen als Beweggrund für das eigene Engagement genannt – und in gewisser Weise auch über die Schaffung einer lokalen Gemeinschaft auch als dessen Zielsetzung.

In Arafat scheint ihr Engagement für viele InterviewpartnerInnen neue Möglichkeiten zur Interaktion jenseits der familiären Verbindungen zu schaffen, in dem Interessensgruppen für beispielsweise den Erwerb eines Territoriums oder lokale Gemeinschaftszentren gegründet werden. Über diese Initiativen können Kontakte zu anderen BewohnerInnen mit ähnlichen Interessen und Bedürfnissen geknüpft werden. Diese Form der Interaktion wird auch in den beiden anderen Vierteln gesucht.

Darüber hinaus geht aus diesen Interviews hervor, dass sich in den einzelnen Stadtvierteln die wahrgenommene Bevölkerungszusammensetzung verändert: Besonders augenscheinlich ist dies in East Kensington, wo der Zuzug von jungen, einkommensstarken Haushalten die Häuserpreise steigen lässt. Dass vor allem diese neuen BewohnerInnen nun im Viertel aktiv sind….. während sich andere - auch aufgrund der persönlichen Lebenssituation – zurückgezogen haben, kann auch als Indiz dafür gedeutet werden, dass selbst Partizipation vor Ort und das Engagement für das eigene Viertel von gewissen Ressourcen, sei es zeitlich oder finanziell, abhängig ist. Im Triesterviertel wird durch die zunehmende Bedeutung des gemeinnützigen Wohnbaus mit gleichzeitiger Einstellung des Neubaus von „Gemeindebauten“ der selbst zu leistende finanzielle Eigenanteil für die Wohneinheit erhöht. Ältere BewohnerInnen bleiben zwar in ihren Gemeindewohnungen, im geförderten Wohnbau siedeln sich aber zunehmend junge Familien an – oft mit Migrationshintergrund (Interview Irmgard Hubauer: 27.07.2010), die sich diesen leisten können. In Bezug auf Partizipation von Schaffung einer lokalen Gemeinschaft kann dies laut einem engagierten Viertelbewohner Auswirkungen haben, da:

„Nachbarschaftsbemühungen brauchen die Alt-Wiener.“ (Interview FritzEndl: 05.05.2011)

Gleichzeitig zeigt diese Differenzierung innerhalb der einzelnen Stadtviertel die Schwierigkeit der lokalen Initiativen auf, als „Sprachrohr“ für die gesamte Bevölkerung zu fungieren. Zwar werden konkrete Problemlagen angesprochen, diese werden aber aus individuellen Wahrnehmungen und Handlungsmotivationen abgeleitet.

Die Frage, wer nun überhaupt die Möglichkeit hat, zu partizipieren, nimmt Bezug auf den zweiten Teil der Hypothese, der auf die zunehmende Beschränkung der Möglichkeiten zu einer bewussten Wohnentscheidung verweist. Hierbei ist anzumerken, dass dies nicht eindeutig bestätigt werden kann. Zum einen wurde die Relevanz der bewussten Wohnentscheidung betreffend des Engagements der ViertelbewohnerInnen bereits relativiert und um den Aspekt der Einbettung in soziale Nahbeziehungen erweitert.

Auf der anderen Seite wäre weitere Forschung in Richtung sich verändernden Partizipationsformen im Laufe der Zeit im Vergleich mit den Veränderungen im Wohnungswesen nötig. Die vorliegende Arbeit hat sich zwar mit zweiterem beschäftigt, jedoch stellen die durchgeführten Interviews in Bezug auf Partizipation und Engagement der ViertelbewohnerInnen lediglich eine nicht repräsentative Momentaufnahme dar. Nichtsdestotrotz sind in den drei untersuchten Ländern Senegal, USA und Österreich Tendenzen zu einem Rückzug von staatlicher Seite aus dem Wohnbau zu bemerken. Gleichzeitig gibt es im Triesterviertel Abfederungsmaßnahmen von öffentlicher Seite betreffend der zur Verfügung gestellten Wohneinheiten, die eine derart rasanten und augenscheinlichen Veränderungsprozess, wie er in East Kensington bemerkbar ist, verhindert. Diese sind in Arafat kaum vorhanden. Es entsteht eher der Eindruck, dass das Engagement einzelner ViertelbewohnerInnen in Form von Wohnkooperativen bereits den Grundstein dafür legt, das Viertel verlassen zu müssen, da in Arafat selbst keine Territorien mehr für den Wohnbau zur Verfügung stehen.

Die Wohnfrage ist in diesem Zusammenhang auf unterschiedliche Weise für die interviewten Personen relevant. Sie stellt sich in allen untersuchten Vierteln als Frage der Einbettung in soziale Nahbeziehungen und weist Verbindungen zu ihrem eigenen Engagement vor Ort auf – allerdings mit unterschiedlichen Ausprägungen:

Selbsterrichtete Wohnbauten sind für die InterviewpartnerInnen der jüngeren Generation keine Alternative mehr, da hierfür sowohl die finanziellen Eigenmittel als auch die bebaubaren Flächen fehlen. Insofern wird der Ausweg über Kooperationen gesucht, die Wohnraum schaffen sollen. In East Kensington ist die Wohnfrage verbunden mit der Revitalisierung des Stadtviertels - einerseits als kollektive Aufwertung, andererseits als individuelle Investition in dieses.

In beiden Fällen nimmt Eigentum eine zentrale Bedeutung ein, das sowohl mit Unabhängigkeit, als auch mit mehr Engagement für das eigene Viertel in Zusammenhang gebracht wird und eine längere Wohndauer suggerieren soll. Diese ist im Triesterviertel unter den InterviewpartnerInnen gegeben. Die Wohnfrage stellt sich auch in Bezug zur Stadtentwicklung, allerdings mit einem Fokus auf die Frage der Ausstattung staatlicher Steuerungsinstrumente. Die befragten BewohnerInnen haben diesbezüglich hohe Erwartungen, ihre Interessen sollen in den Stadtentwicklungsprozess eingebunden werden.

....Zur staatlichen Präsenz vor Ort    
S.147

Die Rolle staatlicher Steuerungsinstrumente sowie deren Ausgestaltung in den einzelnen Stadtvierteln steht demnach im Zentrum der zweiten Hypothese, in der Wohnungspolitik als politische Strategie begriffen wird:

  • Je weniger ein Ort bzw. ein Stadtviertel im Fokus staatlicher Strategien liegt und je peripherer in Bezug auf politische Entscheidungsprozesse wahrgenommen wird, desto eher organisieren sich BewohnerInnen von Stadtvierteln auf lokaler Ebene bzw. bleiben ihre Handlungen lokal beschränkt. (S.147)
Laut Brenner (2004) werden politische Strategien über staatliche Institutionen vermittelt. Diese gehen aber insofern selektiv vor, als sie auf bestimmte Orte und Ebenen fokussieren. Demnach bildet das Verhältnis zwischen Zentrale, dem Nationalstaat und Dezentrale, den einzelnen Stadtvierteln, den Hintergrund für diese These. Wie beispielshaft an der Wohnungspolitik als einer Säule wohlfahrtsstaatlichen Eingreifens gezeigt wurde, hat sich die Aufgabenverteilung zwischen diesen unterschiedlichen Ebenen in den letzten Jahren verschoben. Während auf nationalstaatlicher Ebene zwar die Rahmenbedingungen und Spielräume festgelegt werden, ist die Bedeutung von staatlichen Institutionen auf lokaler Ebene gestiegen. Gleichzeitig sind auf dieser Ebene auch verstärkt nichtstaatliche AkteurInnen und Organisationen aktiv, die teilweise aus Initiativen der Bevölkerung entstanden, teilweise von staatlicher Seite implementiert worden sind.... (S.148)

....Die stärkste Präsenz von staatlicher Seite ist im Triesterviertel festzustellen. Gemeindebauten aus allen Epochen des öffentlichen Wohnbaus sind vorhanden, heute dominiert der genossenschaftliche Wohnbau, der durch die Stadt Wien gefördert wird. Darüber hinaus werden über Einrichtungen wie „Wiener Wohnen“ für die Gemeindebauten oder die Gebietsbetreuung für den gesamten Bezirk auch Aktionen in Bezug auf das Zusammenleben im Viertel oder Stadterneuerungsprozesse gesetzt.

Laut der Bezirksvorsteherin in Favoriten (Interview Hermine Mospointner: 06.06.2011) steht die Bezirksvertretung in ständigem Kontakt mit höheren staatlichen Ebenen und dient, andererseits, als Anlaufstelle für die lokale Bevölkerung. Aus den Antworten der interviewten BewohnerInnen geht hervor, dass sie prinzipiell mit dem Grad der staatlichen Präsenz vor Ort zufrieden sind. Einige heben allerdings hervor, dass andere Gebiete – wie jenes um die FußgängerInnenzone? in Innerfavoriten – größere Beachtung von staatlicher Seite finden. Demnach ist mit der Wohnfrage die Verbesserung der Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung über den Versuch von deren Einbindung in den Stadtentwicklungsprozess verbunden.

Interessant ist nun, dass sich in den beiden Vierteln Arafat und East Kensington, in denen weniger staatliche Präsenz vernommen wird, die BewohnerInnen stärker in Bezug auf infrastrukturelle Maßnahmen engagieren. So werden Viertelreinigungen durchgeführt, brachliegende Flächen begrünt oder lokale Gemeinschafts- und Schulzentren gegründet. Dies wird im Triesterviertel Einrichtungen der Gemeinde Wien überlassen. Gleichzeitig ist eine Folge davon, dass es im Triesterviertel wesentlich weniger Initiativen der Bevölkerung als in den beiden anderen Viertel gibt. Dieser Umstand scheint auch dazu zu führen, dass die interviewten BewohnerInnen im Triesterviertel pessimistischer in Bezug auf ihre Möglichkeiten zu Veränderung sind. Oft entsteht der Eindruck, sie könnten kaum Einfluss auf die Entwicklung ihres Viertels nehmen.

Kann nun demzufolge davon ausgegangen werden, dass die BewohnerInnen von Arafat und East Kensington eher auf lokaler Ebene handeln als jene im Triesterviertel? An dieser Stelle muss zuerst angemerkt werden, dass sich die vorliegende Arbeit auf die Partizipation in den einzelnen Stadtvierteln bezieht und somit einen klaren lokalen Fokus aufweist. Dennoch wurden die interviewten Personen auch danach gefragt, auf welche Ebenen sie sich konzentrieren und an wen sie ihre Forderungen adressieren. Auffällig ist, dass nur im Triesterviertel mehrere Befragte in einer Partei aktiv sind und auch Vertretungsfunktionen auf einer höheren Ebene – der Bezirksvertretung – ausüben. Zwar wurde in allen untersuchten Viertel die lokale Bevölkerung als Adressatin genannt, im Triesterviertel wenden sich die interviewten Personen mit ihren Forderungen auch an die Gemeinde Wien. Demgegenüber orientieren sich die Befragten in East Kensington zwecks Unterstützung einerseits an die CDC als lokale staatliche Vertreterin, andererseits an private InvestorInnen. In Arafat arbeiten die interviewten BewohnerInnen stark mit der NGO Enda, aber auch mit internationalen NGOs zusammen.....

Demzufolge muss die Hypothese etwas modifiziert werden: Nicht die wahrgenommene staatliche Präsenz vor Ort per se, sondern vielmehr die zu erwartende (finanzielle) Unterstützung steht im Vordergrund. Die befragten BewohnerInnen orientieren sich mit ihren Initiativen dorthin, wo sie sich diese erwarten:

Im Triesterviertel ist dies vorwiegend die Ebene der Gemeinde Wien, in East Kensington Einrichtungen der lokalen Ebene sowie private InvestorInnen und in Arafat andere zivilgesellschaftliche Organisationen. Die Pole Staat, Markt und Zivilgesellschaft finden demnach auch hier ihren Ausdruck.

Dies schließt an das methodische Vorgehen des Forschungsvorhabens an. Die einzelnen Stadtviertel wurden anhand dieser Pole ausgewählt, haben also unterschiedliche Hintergründe. Gibt es nun Ähnlichkeiten betreffend des Engagements und des Handelns der ViertelbewohnerInnen trotz der unterschiedlichen (institutionellen) Kontexte?
Das gemeinsame Interesse, etwas im eigenen Viertel zum Positiven zu verändern, steht in allen untersuchten Stadtvierteln im Vordergrund – auch wenn sich die Wege dorthin unterscheiden, sowohl innerhalb der einzelnen Viertel als auch zwischen ihnen. Zwar könnten in den einzelnen Vierteln Tendenzen herausgelesen werden, die Vielfältigkeit der Initiativen und BewohnerInnen zeigt aber auch den Einfluss der eigenen Lebenssituation auf das Engagement vor Ort. Gleichzeitig eint der Wunsch, diese zu verbessern und als eine Art „Sprachrohr“ für die einzelnen Viertel zu fungieren, derartige Initiativen in allen untersuchten Vierteln. In diesem Zusammenhang spielt Wohnen in Bezug auf das Engagement der BewohnerInnen eine vielseitige Rolle, die sich in den bereits genannten Aspekten widerspiegelt und sich keineswegs auf die Dauer in einem bestimmten Viertel reduzieren lässt.

Wohnen erzeugt persönliche Betroffenheit. Die Wohnbedingungen spiegeln die infrastrukturelle Ausstattung eines Viertels wider. Darüber hinaus bietet die Langfristigkeit der Wohnentscheidung eine Möglichkeit zur Identifikation mit der eigenen Umgebung sowie zur Einbettung in Netzwerke sozialer Nahbeziehungen. Wohnen als Verankerung im eigenen Stadtviertel stellt somit eine Art Ausgangsbasis für das eigene Handeln dar. (S.149/150)

Mikrokosmos Stadtviertel: Eine theoretische Einbettung    
S.151

Das Stadtviertel erscheint....als eine Art Mikrokosmos, in dem die interviewten BewohnerInnen über ihre Handlungen Bedeutung verleihen. Zum einen schließen sie sich zu bestimmten Initiativen zusammen und treten somit in Interaktion zueinander und zu anderen BewohnerInnen, anderseits verändern ihre gesetzten Aktionen die Beschaffenheit der einzelnen Vierteln in einer materiellen Weise.

So finden in Arafat und ich East Kensington Viertelreinigungen statt, Bäume werden in East Kensington gepflanzt. Darüber hinaus werden in Arafat Schulen Gemeindezentren gegründet, im Triesterviertel Gedenktafeln in Erinnerung an die historische Entwicklung des Viertels aufgestellt, und in East Kensington soll ein Supermarkt eröffnet werden. Die gesetzten Handlungen schaffen nicht nur materielle Symbole (wie einzelne Gebäude), sondern greifen auch in das Zusammenleben in dem jeweiligen Stadtviertel ein, indem neue Räume für Interaktionen für die BewohnerInnen geschaffen werden.

Diese Beobachtungen erinnern an die dreifache Beziehung des Räumlichen nach Levebvre (1974/2000): Eine Dimension, der wahrgenommene Raum, bezieht sich auf die Verhaltensweisen und Interaktionen der (interviewten) ViertelbewohnerInnen, welche sich im Rahmen ihrer räumlichen Praxis materiellen Elementen bedienen. Diese Elemente entfalten aber erst ihre Bedeutung durch die gesetzten Handlungen, welche dadurch raumwirksam werden. So wird ein Gebäude in Arafat erst dann als Schule wahrgenommen, wenn es von einigen BewohnerInnen als solche geführt wird. Oder, um ein anschaulicheres Beispiel zu nennen, die aufgestellten Gedenktafeln ergeben erst dann einen Sinn, wenn sie von den BewohnerInnen mit historischen Ereignissen und Orten im Triesterviertel verbunden werden. Die Bedeutung eines Stadtviertels – oder die Wahrnehmung dessen – verändert sich demnach durch die Handlungen einzelner BewohnerInnen bzw. durch deren Partizipation vor Ort.

Besonders deutlich zeigt sich dies am Beispiel East Kensington: Durch den Zuzug von jungen, gut ausgebildeten Menschen, die sich an Projekten zu Wohnen, nachhaltiger Entwicklung oder gesundem Essen beteiligen, hat sich das wahrgenommene Bild des Stadtviertels verändert. Zwar haftet ihm noch immer ein gewisser Ruf in Bezug auf Drogenkonsum und Kriminalität an, doch mittlerweile wird East Kensington auch mit Innovation und einer Aufbruchsstimmung in Verbindung gebracht...welche als Vorbild für andere Viertel dienen soll.

Gleichzeitig weist dieses Beispiel auf einen weiteren Aspekt hin – nämlich darauf, dass Wahrnehmungen von Räumen von dem jeweiligen gesellschaftlichen Status und der eigenen Ressourcenlage abhängig sind. Während die jungen ZuzüglerInnen diese Entwicklung ausgelöst haben bzw. von ihr profitieren und sich nun mit diesem Viertel identifizieren können, sind ältere BewohnerInnen und jene mit weniger finanziellen Ressourcen vor allem mit den - damit einhergehenden – steigenden Grundstückpreisen konfrontiert und sehen sich eher mit der Vergangenheit des Viertels verbunden.

Dies zeigt deutlich, was Massey (1994) als „multiplicity of spaces“ bezeichnet hat und verweist auf die Debatte bezüglich sozialer Exklusion in städtischen Gebieten. Darüber hinaus wurde in den durchgeführten Interviews deutlich, dass dies auch Auswirkungen auf die Partizipation vor Ort hat: Zwar engagieren sich neu Zugezogene mehr, andere haben sich allerdings zurückgezogen.

Wie Räume von Menschen in ihrer Alltagspraxis erlebt werden, stellt eine weitere Dimension des Räumlichen nach Lefebvre (1974/2000) dar, die sogenannten „Räume der Repräsentation“. Sie drücken sich durch Symbole, wie beispielsweise Bauwerke, aus. Nehmen wir als Beispiel die Gemeindebauten im Triesterviertel, die als Symbol für die Stärke der ArbeiterInnenklasse? gelten, so macht dies deutlich, dass sich der „Mikrokosmos Stadtviertel“ keineswegs nur durch die Handlungen und Interaktionen der BewohnerInnen konstituiert, sondern auch durch andere AkteurInnen, in diesem Fall von staatlicher Seite. Um die Verdichtung von Interaktionen und Interessensartikulationen in den einzelnen Stadtvierteln zu verdeutlichen, wurde daher im Laufe des Forschungsvorhabens ebenfalls auf staatliche Raumregulierungspolitiken in Form von Wohnungspolitiken eingegangen. Dies macht insofern Sinn, als sich diese in der dritten Dimension von Lefebvre (1974/2000), den „Repräsentationen von Raum“, ausdrücken. Es handelt sich hierbei um die gedanklichen Vorstellungen, wie ein bestimmtes Stadtviertel auszusehen hat, finden sich hier wieder. Somit können die unterschiedlichen institutionellen Kontexte, in denen die einzelnen Stadtviertel verortet sind, ebenso wie die unterschiedlichen Herangehensweisen an die Wohnfrage anhand dieser Dimension besonders gut nachgezeichnet werden. Wie bereits erwähnt, geht es in Bezug auf Wohnen in Arafat um die Schaffung von Wohnraum durch den Zusammenschluss von Kooperativen, im Fall von East Kensington um die Verbindung zu Revitalisierungsbestrebungen und im Triesterviertel um den Versuch der Einbindung von BewohnerInnen in den Stadtentwicklungsprozess.

Zum einen zeigt dies die Vernetzung der lokalen Ebene der Stadtviertel mit weiterreichenden staatlichen Strukturen, welche den Rahmen für die Implementierung auf dieser Ebene bestimmen. So werden die „Community Development Corporations“ (CDC) und die Gebietsbetreuungen, welche den Kontakt zu den BewohnerInnen halten sollen, direkt von höheren staatlichen Ebenen finanziert, die Kooperativen erhalten indirekt Unterstützung über die Bereitstellung von Territorien. Auf der anderen Seite zeigt sich eine Erweiterung der AkteurInnen, die insbesondere auf lokaler Ebene Partizipationsthemen bestimmen.

Daran wird deutlich, dass – vor dem Hintergrund der Debatte um soziale Exklusion – Inklusion über die Beteiligung bzw. die Aktivierung der Bevölkerung in den einzelnen Stadtvierteln erzielt werden soll. Gleichzeitig geht aus den durchgeführten Interviews mit einzelnen ViertelbewohnerInnen hervor, dass einerseits konkrete Problemlagen vor Ort, andererseits die eigene Einbettung in lokal basierte soziale Beziehungen ausschlaggebend für ihr Engagement waren.

Ähnlich wie Mayer (1989) bereits für städtische Bewegungen in den 1980er-Jahren vor dem Hintergrund von Umstrukturierungsprozessen konstatierte, wird in allen Untersuchungsfällen auf das Ziel der Verbesserung der eigenen Lebenssituation fokussiert. Dies wird allerdings in Verbindung gesetzt zu einer positiven Entwicklung des eigenen Stadtviertels. Besonders deutlich wird dies sowohl bei den zugezogenen interviewten BewohnerInnen in East Kensington, die ihren Hauskauf als Investition in das Viertel betrachten, als auch bei den BewohnerInnen in Arafat, die als Ziel ihrer Handlungen die lokale und nationale Entwicklung vor Augen haben. Dementsprechend dürften vor allem die engagierten Personen in Arafat am besten in die theoretischen Überlegungen von Putnam (2000) über das Sozialkapital passen. Die Einbettung in soziale Nahbeziehungen über gegenseitige Hilfestellungen und Interaktionen hat in Arafat Netzwerke entstehen lassen, welche BewohnerInnen als Ressource nutzen können. Auf der anderen Seite ist ein daraus entstehender ökonomischer Profit für das gesamte Stadtviertel – oder auch nur für einzelne BewohnerInnen – kaum zu konstatieren.

Vielmehr müssen Initiativen über die Grenzen des eigenen Viertels hinausgehen, um – wie im Fall von Initiativen in Arafat in Bezug auf (internationale) Nichtregierungsorganisationen oder im Triesterviertel in Richtung der Ebene der Stadt Wien – das eigene Überleben auch finanziell langfristig sichern oder um eigene Anliegen - wie das Thema gesundes Essen in East Kensington - weitertragen zu können....

Insofern kann die räumliche Dimension in der Forschung um (politische) Partizipation eine Ergänzung darstellen, die in der vorliegenden Arbeit anhand der Ebene des Ortes näher vorgestellt wurde. Zum einen nimmt dies Bezug auf die Bedeutung der einzelnen Stadtviertel für seine BewohnerInnen. Die Interviews mit einzelnen BewohnerInnen aus Arafat, East Kensington und dem Triesterviertel haben gezeigt, dass der Ort insofern relevant ist, als auf dieser Ebene konkrete Problemlagen identifiziert werden und die Einbettung in soziale Nahbeziehungen ein Ausgangspunkt für Partizipation darstellt. Gleichzeitig verändert die Interaktion der BewohnerInnen sowie deren Handlungen die Bedeutung eines Ortes, indem neue Möglichkeiten des gegenseitigen Austausches geschaffen werden. Dies ist besonders vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung der untersuchten Viertel als ArbeiterInnenviertel? in einer Zeit von steigenden sozialen Ungleichheiten und ökonomischer Veränderung (wie beispielsweise Deindustrialisierung) interessant, darüber hinaus konstatiert sich die Besonderheit eines Ortes nicht nur durch lokale Interaktionen, sondern auch durch seine Einbettung in weiterreichende Strukturen.

Dieses Verhältnis von Dezentrale zu Zentrale – und die damit einhergehende Veränderung von räumlichen Maßstabsebenen – wurde anhand von staatlichen Wohnungspolitiken näher beleuchtet. Die damit verbundene Verschiebung in Richtung lokale Ebene sowie die Vervielfachung der AkteurInnen auf dieser, schaffen Rahmenbedingungen für eine Partizipation vor Ort, die in einem Spannungsverhältnis zwischen Regulierung und Legitimierung steht. Somit verdichten sich unterschiedliche Interessen und Machtverhältnisse im „Mikrokosmos Stadtviertel“, welche diesen ständig verändern.

Schlussbemerkungen: Repolitisierung der Stadt    
Seite 155

....Die Stadt als Kristallisationspunkt sozialer, politischer und ökonomischer Entwicklungen hat…traditionelle Formen des Zusammenlebens zur Disposition gestellt....(S.155)

Für Park (1925/1967) ist das Zusammenleben räumlich konnotiert. Unterschiedliche Bevölkerungsgruppen konzentrieren sich auf bestimmte Stadtviertel, unter anderem abhängig von ihrer Wohndauer in der Stadt. Neuankömmlinge siedeln sich in der Nähe von Industriezonen, die sich rund um die Innenstadt befinden, an, bevor sie sich - im Zuge ihres sozialen Aufstiegs – immer weiter in Richtung „sub-urbs“ bewegen. Auch wenn sich diese Beschreibung auf US-amerikanische Städte in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts bezieht, ist interessant, dass sich die drei untersuchten Stadtviertel Arafat, East Kensington und das Triesterviertel aufgrund ihrer geographischen Lage zwischen Innenstadt und umliegenden Gebieten als eine Art erste Anlaufstelle dargestellt haben.

Wie bereits Lefebvre im Rahmen seiner dreifachen Beziehung des Räumlichen dargelegt hat, finden gesellschaftliche Phänomene ihren Ausdruck im Räumlichen, beeinflussen diesen und werden von ihm beeinflusst. Dies gilt insbesondere für das handeln von AkteurInnen. Zur Veranschaulichung der dadurch entstehenden Prozesse wurde in der vorliegenden Arbeit auf die lokale Ebene, jener der Stadtviertel, fokussiert. Dies ermöglicht eine Untersuchung der Entwicklungen und Faktoren, welche an bestimmten Orten aufeinander treffen bzw. dort zusammenspielen. Orte sind nach Healey (2000) und Massey (1994) eingebunden in ein weitreichenderes Netz von ökonomischen, sozialen und politischen Prozessen. Ebenfalls verwiesen wurde auf die sich veränderte Bedeutung der Maßstabsebenen, auf denen staatliches und zivilgesellschaftliches Handeln stattfindet. Darin liegt eine wesentliche räumliche Relevanz für die Untersuchung von Partizipationsformen. Orte erhalten ihren „Charakter“ durch Interaktionen, die sich in ihnen manifestieren. Dies lenkt den Fokus der Untersuchung auf die AkteurInnen. Durch ihre Handlungen verknüpfen sie Objekte und Orte zu einer räumlichen Ordnung und geben ihnen erst dadurch eine Bedeutung.

Dieser Prozess ist jedoch nicht losgelöst von gesellschaftlichen Machtverhältnissen zu verstehen. Was für wen relevant wird, hängt von der jeweiligen Lebenssituation - verbunden mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen – ab. Dies bedeutet auch, dass Problemlagen an bestimmten Orten unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert werden. Der Bezug zur direkten Wohnumgebung ist hierbei ausschlaggebend, ebenso wie für die Frage nach der Einbettung in soziale Nahbeziehungen. Daraus ergeben sich Anknüpfungspunkte für eine Erforschung von Gründen für Partizipation. Handlungen von ViertelbewohnerInnen sind nicht nur sozial, sondern auch materiell verankert. Infrastrukturelle und bauliche Gegebenheiten in den einzelnen Stadtvierteln schaffen Voraussetzungen für Partizipation. Ihre Verbesserung ist oft Gegenstand von Initiativen. Gleichzeitig können diese über den Aufbau von Netzwerken die Bedeutung und das Image eines Stadtviertels sowie das Zusammenleben in diesen verändern.

In diesem „Mikrokosmos Stadtviertel“ spiegeln sich gesellschaftliche Tendenzen wider. Initiativen auf lokaler Ebene wollen ihre direkte räumliche Umgebung über Partizipation aktiv mitgestalten und werfen auf diese Weise die bereits seit längerem diskutierte Frage „Wem gehört die Stadt?“ erneut auf.

Gleichzeitig reichen ihre Forderungen über die lokale Ebene hinaus, wodurch der Stellenwert und die Handlungsmöglichkeiten für einzelne Stadtviertel im Gesamtgefüge der einzelnen Städte zur Disposition gestellt wird. Dies gilt insbesondere für Viertel, welche als (ehemalige) ArbeiterInnenviertel? und Vororte von Prozessen wie Deindustrialisierung oder Gentrifizierung besonders betroffen sind – und damit einen erhöhten Bedarf an einer aktiven Raumpolitik, welche Wohnpolitik miteinschließt, von staatlicher Seite aufweisen. Welche Wohneinheiten dann in welcher Form errichtet werden, beeinflusst die Zusammensetzung der Bevölkerung in den einzelnen Stadtvierteln und deren Zusammenleben. Nicht zuletzt deshalb ist die Wohnfrage einerseits als Teil der sozialen Frage, auf der anderen Seite aber auch als Frage nach der räumlichen Ausgestaltung der eigenen Lebensentwürfe wieder ins Zentrum von politischen Debatten gerückt. Sag´ mir, wo du wohnst….Doch wer entscheidet, wer bleiben darf, wem wie viel Platz zusteht, wer welchen Ort gestalten darf? Die Wohnfrage hat die Stadt repolitisiert.

Danksagungen    
S.158

Das Fertigstellen eines Buches ist ein langwieriger Prozess, der ohne die Hilfe von anderen Menschen nicht zu bewältigen wäre. Auch mir wurde Unterstützung von verschiedenen Seiten zuteil, für die ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken möchte. Zunächst bei meinem zahlreichen InterviewpartnerInnen, die mir Einblick in ihr Wissen, ihre Gedanken und Erfahrungen gewährt haben....VertreterInnen der Gebietsbetreuung Favoriten für interessante Diskussionen und die Eingrenzung des Untersuchungsgebietes, sowie FritzEndl, ohne den viele Interviews in Wien nicht möglich gewesen wären....

Literatur - S.159 Anhang – S.179

Interviews    
S.179

ExpertInnen und staatliche VertreterInnen:

Einiö, Laura, Leiterin „Offener Raum“ („SpaceLab?“) Interview geführt am 09.09.2011 in Wien
FritzEndl, Gründer diverser Nachbarschaftsinitiativen im Triesterviertel, Interview geführt am 05.05.2011 in Wien
Florianschütz, Peter, Mediator der Stadt Wien in u.a. Wohnungsfragen, Interview geführt am23.05.2011 in Wien
Hubauer, Irmgard und Schuller, Siegfried, MitarbeiterInnen der Gebietsbetreung für den 10.Bezirk, Interview geführt am 15.07. 2010 in Wien
Huemer, Claudia und Kuzmanovic, Lidija, Mitarbeiterinnen von „wiener wohnen“, Interview geführt am 10.08.2011 in Wien
Hursky, Christian, SPÖ Gemeinderat, Interview geführt am 09.06.2011 in Wien
Kubesch, Christian, Mitarbeiter der Magistratsabteilung 50 der Stadt Wien, Interview geführt am 11.07. 2011 in Wien
Mospointner, Hermine, Bezirksvorsteherin Favoriten (SPÖ), Interview geführt am 06.06.2011 in Wien
Mrkvicka, Michael, stv. Bezirksvorsteher Favoriten (FPÖ), Interview geführt am 07.07.2011 in Wien

ViertelbewohnerInnen -Triesterviertel-Wien::

Alexandra
Candido, Ilse
Helga
Hursky, Lisbeth
Iris
Janitsch, Peter
Johanna
Greiner, Jürgen
Mikulik, Brigitte
Rothleitner-Reinisch, Anne
Seiferd, Bernhard
Sylvia

Diskussion    

25.9.2015 Plädoyer der Soziologin Saskia Sassen für eine Aufwertung der Stadtviertel: "Wem gehört die Stadt?"    

FritzEndl: Zu sehen im Video anschließend an den "ZEIT ONLINE"-Bericht "Im Dickicht der Städte" von Tobias Timm.