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"Der zehnte Wiener Gemeindebezirk gilt gemeinhin als Prototyp eines Arbeiter- und Industriebezirks. Den enormen Wachstumsschub Favoritens in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts verdankt der im Süden der Stadt gelegene Bezirk der Ansiedelung zahlreicher Industriebetriebe und damit verbunden der vermehrten Bautätigkeit im Bereich von Wohnhäusern für die in den neuen Betrieben tätigen Arbeiter samt ihren Familien. Zwischen 1890 und 1900 nahm die Bevölkerung Favoritens von 84.813 auf 127.626 zu. Dieses rasche Wachstum zeigt sich noch heute in einer relativ geschlossenen Siedlungsform entlang der wichtigsten Durchzugsstraßen im Bereich von Inner-Favoriten. Rasterförmig angelegte Häuserzeilen zeugen von der rasanten, planmäßig durchgeführten gründerzeitlichen Bautätigkeit.

Den entscheidenden Impuls erfuhr Favoriten in den siebziger Jahren des 19.Jahrhunderts, als im Zuge der allgemeinen Mietzinssteigerungen im Zusammenhang mit der Wiener Weltausstellung im Jahr 1873 großräumige Verdrängungsmechanismen zu beobachten waren. Davon betroffen waren vor allem Angehörige der Unterschichtsbevölkerung jener Bezirke, die innerhalb des Gürtels lagen. Der deutliche Anstieg der Bodenpreise und damit verbunden die erheblich teureren Mieten in den zentrumsnahen Bezirken machte es für zahlreiche Familien unumgänglich, in die weit billigeren Bezirke außerhalb der „Linie“ auszuweichen.

Favoriten war ein solcher "billiger“ Bezirk. Hier waren die Mietpreise deutlich unter denen etwa des angrenzenden 4.Bezirks gelegen. Die Tatsache, dass der Bezirk als einziger Wiens außerhalb der Verzehrungssteuerlinie belassen wurde, bedeutete auch, dass die Lebenshaltungskosten unter denen anderer Bezirke lagen. Die hohe Nachfrage nach rasch erbauten, kleinen und billigen Wohnungen ließ Favoriten innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem dicht besiedelten Bezirk werden, fast ausschließlich von Kleinwohnungshäusern vom Typ „Gangküchenhaus“ dominiert. Diese waren auf eine „bestimmte Nachfragerschicht angelegt: auf die Unterschichtbevölkerung, in der die Arbeiter überwogen.“

Gegen Ende des 19.Jahrhunderts lag Favoriten „hinsichtlich der Lebensverhältnisse der Bevölkerung an letzter Stelle.“ In der „Denkschrift der Vororte“ aus dem Jahr 1884 wurde Favoriten als „Zufluchtsort zahlreicher Familien“ (bezeichnet), „welche mit keinem anderen Reichthum als dem an Kindern versehen, in anderen Stadttheilen bei deren erheblich höheren Wohnungs- und Lebensmittelpreisen nicht zu existiren vermögen und im wohlfeileren X. Bezirke dicht gedrängt sich aufhalten.“ Über die soziale Lage der Mehrheit der in Favoriten lebenden Familien lassen sich durch nüchterne statistische Daten einige Rahmenbedingungen rekonstruieren, die einen einigermaßen deutlichen Einblick in die Wohn- und Lebenssituation der Zeit um die Jahrhundertwende gewähren. Die Wohnbelagsdichte lag weit über dem Durchschnitt der Außenbezirke, ebenso der Bettgeheranteil mit 10,1 %".

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Aus: Wolfgang Slapansky "LEBEN UND ARBEITEN IM TRIESTERVIERTEL - Zur Geschichte eines Bezirksteiles". Favoritner Museumsblätter Nr.18, Wien 1993