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Auszüge aus "Vom Nichtstun - Leben in einer Welt ohne Arbeit"

Der Autor Eberhard Straub, geboren 1940, studierte Geschichte, Kunstgeschichte und Archäologie und war bis 1986 Feuilletonredakteur bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Seit 2001 lebt er als freier Publizist in Berlin.

Die Wiedergewinnung der Muße in einer Welt ohne Arbeit (S.114 - 134)

...Erst als der Sozialstaat im besten Verständnis Wirklichkeit geworden war - nicht als Fürsorgeeinrichtung, sondern als Instrument, jedermann die gleiche Chance zu verschaffen, seines Glückes Schmied zu werden -, erkannten auch Unternehmer dessen Vorzüge. Zufriedene Arbeiter verfügen über mehr Arbeitskraft als lustlose.....(S.115)

...Erst unter dem Druck des Sozialismus kam es zu sozialstaatlichen Eingriffen, die die Voraussetzungen dafür schufen, dass der Mensch sich zum freien Menschen auszubilden vermochte und damit in den Vollbesitz seiner Würde gelangte....
....Der Wettbewerb ohne Regeln und Aufsicht - gänzlich irrational in seiner Dynamik - vernichtet, saugt auf, zerstört....Wettbewerb ohne Auflagen führt zurück in den Urzustand, in...den Krieg aller gegen alle.... (S.117)

...Es ist die Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen, dass jeder die praktische und nicht nur die ideelle Chance erhält, sich zu verwirklichen, indem er zu sich selber findet.....Die Befreiung von übermäßiger Arbeit sollte tatsächlich den Menschen befreien, ihm Gelegenheit verschaffen, in freier Zeit sein Inneres zu bilden und seine personale Würde zu entfalten.
Obschon stillschweigend anerkannt wurde, dass Arbeit nicht frei macht, dass nur der von der Arbeit befreite Mensch dahin zu gelangen vermag, sich zu humanisieren, sich also zum menschen auszubilden, blieb es doch dabei, den Menschen in seinen sozialen Zusammenhängen von der Arbeit her zu bestimmen. Freizeit galt nur als Belohnung für den, der arbeitete und sich als Arbeiter auszeichnete. Es gab Lob und Anerkennung für "Helden der Arbeit", auch im marktwirtschaftlichen Westen, aber Helden der Freiheit, der freien Selbstbestimmung jenseits der Zwänge der Notwendigkeit in den Stunden der Muße, wurde nie prämiert....(S.118/119)

....In einer Zeit, die nur von der Arbeit her die Würde des Menschen bestimmt, bedarf es korrigierend eines sittlich-humanen Begriffs der Muße. Zumal weil immer mehr Menschen keine Arbeit finden, immer weniger Menschen für anfallende gebraucht werden, "die Arbeit" immer besser ohne Menschen auskommt, aber die meisten Menschen gar nicht wissen, was sie ohne Arbeit "machen" sollen....(S.120)

....Der freie Mensch, der sich von allen werbenden Versprechen unabhängig hält, verwirrt mit seiner Unberechenbarkeit den Markt....Freizeit als Muße, als Zeit eigenwilliger Selbstbestimmung bekundet ein in hohem Maße verantwortungsloses, sozialschädliches Verhalten, das unter keinen Umständen zu empfehlen ist, vor dem vielmehr unbedingt gewarnt werden muss.
Insofern lässt sich Freizeit nicht mit Freiheit gleichsetzen. Abgesehen von den Erlebnissen und Erfahrungen, deren Suche viele in Zeit- und Atemnot bringt, warten nach der Arbeit im Garten, im Haushalt, in der Garage zeitverschlingende Aufgaben. Kultur ist eine Dienstbotenfrage. Dienstboten leisten sich höchstens noch die ganz Reichen. Das Leben ist für alle umständlicher und beschwerlicher geworden, trotz maschineller Hilfen. Wer keine Lust hat oder einfach dafür unbegabt ist, sich nebenher handwerkliche Fähigkeiten und vor allem Comuterkenntnisse anzueignen, den bestraft das Leben in Form erstaunlicher Rechnungen saumseliger Kundendienste oder kaum zu erreichender Handwerker. Kurz und gut, es ist gar nicht so leicht für den Menschen, in der Freizeit endlich zur Ruhe zu kommen. Hat er seine wohlverdiente Ruhe, dann schaut er am Fernseher Autorennen zu, Motorradrennen, Wettrennen aller Art in Eis und Schnee oder auf Sandbahnen, um das tempo, das ihm sonst zusetzt, nun, als Höchstleistung, als Sieg in der Zeit über die Zeit zu genießen....(S.124)

....Weil die Zeit nicht ihre ist, die arbeitenden Menschen sich Zeitordnungen einfügen müssen und nicht Herr über die Zeiteinteilung sind, wurde die leere Zeit, die Langeweile, zu einem Phänomen, das seit der Industrialisierung die Europäer beschäftigt. Um ihr zu entrinnen, bot sich kein anderer Ausweg, als sich von einer Abwechslung in die nächste zu stürzen. Wer die Ruhe vermied und sich die Zeit regelrecht vertrieb, indem er sie vergessen suchte, fiel wenigstens nicht auf sich selbst zurück, auf das beunruhigte Ich, das sich in Zeit und Raum nicht mehr zurechtfand...(S.125)