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eigentlich 2 Beiträge zur Konferenz "Grenzen-Los" (Die zweite Dreiländertagung Grenzen-Los! hat am 25./26. Oktober 2010 im Gottlieb Duttweiler Institut stattgefunden, im Zentrum stand das Thema 'Gemeinde'. 150 Teilnehmende aus drei Ländern haben sich zwei Tage intensiv über zivilgesellschaftliches Engagement ausgetauscht.) Zürich 2010 -> Website / Franz Nahrada

Autor: FranzNahrada

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Workshop 4, Freiwilligkeit und Generationenbeziehung   
Beitrag: Der Wiederaufbau intergenerationeller Beziehungsräume als Wiederaufbau des Dörflichen   
Vorbemerkung   
Ein Zitat als Einleitung:   
Die Probleme der Generationenbeziehungen   
Auswege   
1. Klima und Räume der Kommunikation   
2. Gemeingüter bilden Gemeinschaft, Gemeinschaft bildet Gemeingüter   
3. Die neuen Medien können die offenen Fenster zur Welt sein   
4. Das Dörfliche kann begeistern und viele Facetten in uns gleichzeitig zum Schwingen bringen.   
Literaturverzeichnis   
Impuls - Beitrag zur Plenardebatte "Lokale vs. Globale Freiwilligkeit? im Plenum   
Notizen über das Selbstverständliche, hier nur zum besseren Verständnis meiner Position angehängt   

Workshop 4, Freiwilligkeit und Generationenbeziehung    
(2 Kurze Impulsstaments Montag und Dienstag)

Beitrag: Der Wiederaufbau intergenerationeller Beziehungsräume als Wiederaufbau des Dörflichen    

Vorbemerkung    

Im Rahmen des Workshops sahen wir folgende Aufgaben und sah ich folgende Dimensionen zu ihrer Lösung:

  • Die Motive und Interessen vor allem, aber nicht nur der älteren Generation, die Generationensolidarität motivieren und begründen können, herauszuarbeiten. (Dies ist für mich speziell verbunden mit der Frage warum Menschen möglicherweise integrierende gegenüber separierenden Lebensräumen bevorzugen und in welchem räumlichen Kontext erfolgreiche und nachhaltige Generattionenbeziehungen entstehen können)
  • Die Möglichkeiten und Formen zivilgesellschaftlicher Aktivierung älterer Menschen im Kontext von Aufgaben und Ressourcen der Gemeinde und des Umfeldes an Handlungsmöglichkeiten und Institutionen / Traditionen / Innovationen zu umreissen (Was für mich sehr viel mit einem sorgfältigen und respektvollen Umgang mit älteren Menschen zu tun hat, die sowohl Überforderung als auch Unterforderung vermeidet)
  • Möglichst bereits erfolgreiche Methoden und Prozesse analysieren durch die speziell ältere Menschen zur Lösung der immer schwieriger werdenden Aufgabe "soziale Kohäsion" erfolgreich beitragen können. (was eben auch den dringenden Austausch über gute Beispiele und damit eine neue Dimension der Kommunikation zwischen Gemeinden auch über größere räumliche Distanzen bedeutet).
Ein Zitat als Einleitung:    

»Die alten Leute erhalten Renten, wenn sie nicht mehr verdienen können. Aber es versteht sich, daß Renten allein nicht genügen. Sie brauchen eine nützliche und anregende Beschäftigung; sie brauchen Menschen, die sie umsorgen und von denen sie dann wiedergeliebt werden können. Die KAGs (Kinderpflegevereine auf Gegenseitigkeit), erfüllen diese Bedürfnisse.«
»Das alles klingt verdächtig wie die Propaganda für eine dieser neuen chinesischen Kommunen«, sagte Will. «
»Nichts könnte weniger einer Kommune gleichen als ein KAG«, versicherte sie ihm. »Ein KAG wird nicht von der Regierung verwaltet, sondern von seinen Mitgliedern. Und wir sind keine Militaristen. Wir sind nicht daran interessiert, gute Parteimitglieder heranzubilden; nur daran, gute Menschen hervorzubringen. Wir prägen niemand ein Dogma ein. Und schließlich nehmen wir die Kinder nicht ihren Eltern weg, sondern geben den Kindern zusätzliche Eltern und den Eltern zusätzliche Kinder. Das bedeutet, daß wir bereits im Kinderzimmer ein gewisses Maß an Freiheit genießen; und diese Freiheit steigert sich, je älter und erfahrener wir werden und je verschiedenartigere Verantwortungen wir übernehmen. Während es doch in China überhaupt keine Freiheit gibt. Die Kinder werden dort offiziellen Kinderbändigern ausgehändigt, die aus ihnen gehorsame Diener des Staats machen müssen.«
»Bei euch steht es in dieser Beziehung bedeutend besser – besser, aber immer noch verhältnismäßig schlimm genug. Ihr entkommt zwar den vom Staat berufenen Kinderbändigern; aber eure Gesellschaft verurteilt euch dazu, eure Kindheit in einer einzigen, hermetisch abgeschlossenen Familie zu verbringen, mit einer einzigen Einheit von Geschwistern und Eltern. Sie wird euch durch erbliche Vorbestimmung aufgezwungen. Ihr könnt sie nicht los werden, für euch gibt es nirgends die Möglichkeit zu einer sittlichen und psychologischen Luftveränderung. Es mag Freiheit sein, wenn Sie wollen – aber die Freiheit einer Telephonzelle.«
(Huxley, p.131)

Ein kleiner Auszug aus der leider viel zu wenig gelesenen positiven Utopie "Eiland" von Aldous Huxley, die auch ich erst wiederentdeckt habe nach einer Lektüre von Christopher Alexanders Mustersprache. In der Schule und in den Medien wurden wir gefüttert mit negativen Utopien, fast jeder kannte in den Siebzigern "Brave New World" von Huxley, doch nur eine verschwindende Minderheit beschäftigt sich mit der Frage, welchen positiven Visionen uns Auswege zeigen können aus dem zunehmend als krisenhaft erlebten Zustand unserer Normalität.

Ich bin froh heute hier zu sein, die Schweiz ist vielleicht ein guter Boden für die Entwicklung für die Entwicklung einer positiven Vision, die in der heutigen Zeit automatisch grenzen-los wirkt....

Seit zwei Jahrzehnten richte ich im Rahmen der GIVE Forschungsgesellschaft mit einigen Freunden das Augenmerk auf den möglichen positiven Effekt, den die neuen Medien auf die Herausbildung von lokaler Gemeinschaft und Kohäsion haben können.

Ein positiver Zug der sich selber zunehmend ad absurdum führenden industriellen Gesellschaften mit ihrem kostspieligen und zerstörerischen weltweiten Marktschlachten ist nämlich der, dass sie uns neue Mittel in die Hand geben können, aus der längst zum Alptraum gewordenen grenzenlosen Globalisierung wieder in eine neuartige, weltoffene, reiche und dichte Lokalität "einzuwandern". Neue Mittel zur Konstruktion einer Lokalität die wir nicht mehr abschotten müssen, weil sie wiederum überall zugleich entstehen kann - auch dank der Techniken und Wirklungen der Globalisierung (siehe Beitrag zur Podiumsdiskussion)

Diese Mittel lassen sich grob als das Zusammenspiel von global verfügbarer Information mit lokal wirksamer Automation beschreiben, wobei Automation in einem sehr allgemeinen Sinn verstanden wird, als gut geplanter lokaler Kreislauf von Prozessen und Ressourcen, als müheloses organisches Ineinandergreifen von Lebensprozessen statt chaotischem Kampf ums Dasein. In diesem Sinn ist "Automation" auch eine systemische Betrachtungsweise der Natur, wie sie etwa die Permakultur liefert. Wir erkennen dass das Überleben und die Qualität von mehr oder weniger Systemen ganz und gar vom richtigen Zusammenspiel der richtig gewählten, richtig arrangierten und richtig entworfenen Komponenten abhängt und zugleich, dass es eben gar kein abstraktes "richtig" gibt sondern nur das was man als "Qualität ohne Namen" (Christopher Alexander) bezeichnen könnte, als die Fähigkeit von Elementen eines Systems, einander wie selbstverständlich zu stärken und zu nähren. Diese Fähigkeit ist durch den globalen Pool an Wissen und unterstützenden Aktivitäten enorm gestiegen, wie ich auch im Plenum des zweiten Tages argumentiert habe. Dadurch vermag das Spektrum der "Leistungen", die in einem begrenzten Raum erbracht werden können (ohne dass wir diese Terminologie wirklich beibehalten sollten) sich enorm auszuweiten.

Marshall McLuhan hat sehr früh eine bislang wenig beachtete und äußerst scharfe Distinktion aufgestellt und Automation in diesem Sinn von Industrie oder der "Maschine" in herkömmlichen Sinn geschieden:

Many people would be disposed to say that it was not the machine, but what one did with the machine, that was its meaning or message. In terms of the ways in which the machine altered our relations to one another and to ourselves, it mattered not in the least whether it turned out cornflakes or Cadillacs. The restructuring of human work and association was shaped by the technique of fragmentation that is the essence of machine technology. The essence of automation technology is the opposite. It is integral and decentralist in depth, just as the machine was fragmentary, centralist, and superficial in its patterning of human relationships. (McLuhan, 1964, p. 7-8)

Es ist also ein Fehler, grundsätzlich zu scheiden zwischen der Entwicklung der modernen Technologien und der Frage nach der Lebensfähigkeit unserer Gemeinden und peripheren Räume. ich nehme mir die Freiheit das entgegengesetzte Extrem zu vertreten: dass das Wohl und Wehe der peripheren Räume von der Entwicklung der medialen Technologie und von der bewussten Freisetzung der in ihr schlummernden Potentiale abhängt. Diese Position will schon deswegen nicht als technologiefetischistisch verstanden werden, weil sie eben auch und insbesondere fordert, dass Technologie ihre selbstweckhafte und abstrakte Existenz als Mittel zur Steigerung von Wachstum und Kapitaleinkommen zugunsten ihrer sozial integrierenden Potentiale aufgeben muss.

Dadurch gewinnt das, was uns bisher recht wenig interessierte, das Dorf, die Gemeinde, das unmittelbare Lebensumfeld, eine völlig neue Faszination. Wir sind tatsächlich in der Lage, den Kampf ums Dasein, die rastlose Peitsche die uns in die Fabriken, Bürosilos, Einkaufs- und Konsumtempel treibt, ein für allemal zu beenden, wir sind in der Lage ein wirklich umfassendes, leistungsfähiges und tragendes Zuhause aufzubauen - nicht trotz, sondern gerade wegen der globalen Repositorien, Netzwerke und Werkzeuge.

Diese Vision einer postindustriellen Gemeinde, die sehr viel mehr ihr Leben wieder vor Ort produziert und fokussiert, ist einerseits eine unerhört anspruchsvolle und wissensintensive Angelegenheit. Wir müssen nicht nur sehr viel mehr von äußeren natürlichen und technischen Prozessen wissen, sondern auch von unseren eigenen Bedürfnissen, Möglichkeiten und Schranken. Es handelt sich auch um eine große Bildungsaufgabe und um eine ebenso große gemeinsame Forschungsaufgabe..

Zum anderen ist der Prozess der Re-Lokalisierung eine Angelegenheit die uns mit Emotionen, Sehnsüchten und Werthaltungen konfrontiert. Vieleicht trennt uns nichts so sehr und so nachhaltig voneinander und vom Neuentdecken unseres Lebensraumes wie die Gewohnheit, sich nur mehr mit dem jeweiligen eigenen Lebensalter zu identifizieren.

Umgekehrt ist der Schlüssel zur Heilung der zerrissenen Generationenbeziehung in genau dem eben angedeuteten gemeinsam gestalteten und belebten, postindustriellen Lebensraum zu finden.

Die Probleme der Generationenbeziehungen    

Wir kennen alle die Situation:

Das Erfahrungswissen der älteren Generation spielt im Alltag und Berufsleben von jungen Menschen kaum mehr eine Rolle. Der Computer hat die Arbeitswelt so grundlegend verändert, dass handwerkliche Fähigkeiten und Fertigkeiten heute größtenteils von Maschinen aller Art übernommen und präziser ausgeführt werden können, als dies vormals auch mit großem handwerklichen Geschick der Fall war. Für Kinder und Jugendliche haben somit diese Erwachsenen keine Vorbildfunktion mehr, ja, sie sind mit ihren technischen Kenntnissen und Fähigkeiten - vom Gebrauch des Mobiltelefons über das Versenden von SMS-Nachrichten bis hin zur Datenübernahme aus dem Internet - diesen weit voraus. (Blank-Mathieu)

Wenn dann noch die Gruppenegoismen dazu kommen, die in einer Zeit staatlicher Budgetkürzungen regelrechte Feindschaften zwischen den Generationen erzeugen - ein herkömmlicherweise tatsächlich nicht auflösbares Dilemma - sowie ein abstrakter Individualismus der Rücksichtslosigkeit gegen Schwächere zur Tugend erklärt schon früh zur dominanten Kulturbotschaft wird - Hauptsache cool, Geiz ist geil etc. - dann scheinen die Chancen der Relokalisierung zumindest in weite Ferne gerückt.

Und doch ist eine Einsicht klar vermittelbar: Was wir heute den älteren Menschen antun trifft uns morgen doppelt und dreifach. Nicht nur das. Eine ungeheure Fülle von Lebenserfahrung und Kultur wird ständig entsorgt, ohne die Chance zu bekommen fruchtbar zu werden. Manche Dinge lernt man nur in einem ganzen Leben, und sie müssen mühsam und schmerzhaft immer wieder erfahren werden - wenn es nicht die Möglichkeit gibt, sie in Kommunikationsprozessen vermittelt zu bekommen. Die Schule kann uns viele Dinge nicht lehren, vor allem nicht subtile Zusammenhänge und ein Gefühl für Zeit.

In Wald und Feld kannten sich die Großeltern noch besser aus als die Eltern. Pflanzen und Bäume wussten sie zu bestimmen, Pilze wurden gesammelt, aus Kräutern und Früchten entstand Tee für den Winter. Wie kocht man Marmelade? Welche Arbeitsgänge sind nötig, um selbst Wein herzustellen? Dieses Wissen wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Wo dies nicht der Fall ist, gehen solche Fähigkeiten verloren. (ebd.)

Lokale Systeme sind komplexer, und vieles von dem was die Älteren wissen kann sich mit den neuen Möglichkeiten amalgamieren. Und wo es verloren gegangen ist, da kann der Zeitaufwand, der zur Wiederentdeckung notwendig ist, miteinander geteilt werden. Zeit, die auch der nachwachsenden Generation und ihren beständigen Fragen gewidmet werden muss.

Auswege    

Wenn wir uns heute der Frage stellen wie Menschen überhaupt dazu motiviert werden können sich für dieses Miteinander zu begeistern und in welchen Formen und Rollen sich das ausdrückt und welche Ressourcen dadurch freigesetzt werden, dann möchte ich folgende Punkte in den Vordergrund stellen:

1. Klima und Räume der Kommunikation    

1. Es kann keinen Prozess der Generationenintegration geben ohne ein Klima der Kommunikation, der Begegnung, der Mitteilung. Dazu gehören auch Räume, Medien und spezielle Events. Essentiell sind Toleranz, Vorurteilsfreiheit, Kontaktbereitschaft und Neugierde. Essentiell sind Prozesse in denen sowohl Erkentnis und Wissen als auch ein darauf aufbauendes Gefühl entsteht: Wissen dass wir alle einmal jung waren und alle einmal alt sein werden - und damit ein fundamentales Gefühl von Gemeinsamkeit, das durch den anderen auch eine Wiederentdeckung von verdrängten Facetten der eigenen Person erlaubt.

1.1. Der Verein Wissensbörse Wien, gegründet 1990, war sicher keine Erfindung aus dem Nichts, hatte deutsche, schweizer und niederländische Vorbilder. Und doch bildete sich hier eine eigene Erfolgsgeschichte, die ihre Wurzeln in einem glücklichen Zufall hatte, nämlich der Möglichkeit der intensiven Zusammenarbeit dieser Freiwilligenorganisation mit einem ambitionierten städtischen Projekt, dem Wiener Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum.

Der Raum der Kommunikation entscheidet natürlich auch durch seine symbolische Qualität. Eine Atmosphäre des gemeinsamen Lernens hebt uns heraus aus der Tendenz, uns wechselseitig unsere Unzulänglichkeiten vorzuwerfen. Sie gibt uns die Möglichkeit und den Hintergrund zu Begegnungen die sonst nicht oder nur sehr eingeschränkt zustande kommen würden, gibt es doch außerhalb der Familien kaum Berhürungspunkte zwischen den Generationen.

Das Museum in diesem Fallbeispiel ist ein "dritter Ort", ein symbolischer Rahmen und zugleich auch Beispiel eine reale Hilfe beim Herbeiführen von Begegnungen zwischen den Generationen. Heute ist die Wissensbörse viel profaner in einem Nachbarschaftszentrum untergebracht. Vielleicht hat dadurch auch der Nimbus des Entdeckens einer anderen Welt ein wenig seiner Strahlkraft eingebüßt.

1.2. Als im Jahr 2003 in Salzburg die Projektidee "Generationendorf" geboren wurde und in 3 Gemeinden mit der Umsetzung begonnen wurde, war ebenfalls der Begegnungsort der Generationen von zentraler Bedeutung. Im Fall der Gemeinde Elixhausen war das die Bücherei, wo etwa ehrenamtlich arbeitende SeniorInnen den Kindern bis 10 Jahre immer wieder spannende Geschichten vorlasen. Fragen wurden geduldig beantwortet und Fäden weitergesponnen. Im steirischen Voitsberg veranstaltet die Bücherei Abende wo ganz alte und ganz junge miteinander singen und tanzen. Der Möglichkeiten gibt es viele: zum Beispiel gemeinsame Schreibwerkstätten, in denen sich die Fabulierfreude der Kinder synergetisch mit dem unendlich großen Erfahrungsschatz der älteren Generation verbindet und wo das, was in den Familien nicht mehr stattfinden kann - das Erzählen von Geschichten - durch den Kontakt mit fremden Kindern wieder geschehen kann. Wesentlich ist eine gute Moderation, ein spannendes Thema und ein gemütliches Ambiente. Im niederösterreichischen Trautmannsdorf wurde die Idee realisiert, Gespräche zwischen Jung und Alt auf eine DVD zu bannen und eine ganz lebendige Variante einer Ortschronik zu schaffen. Vielleicht auch ein Weg, die Verbindung zur dritten, mittleren Generation zu schaffen die bei diesen Begegnungen zumeist außen vor bleibt. Eine schöne Einführung in die bunte Welt dieser Begegnungen bildet das Projekt "Lebensspuren": http://www.lebensspuren.net/generationen/index.html

2. Gemeingüter bilden Gemeinschaft, Gemeinschaft bildet Gemeingüter    

2. Es kann keine wirkliche Kultur von Gemeinschaft geben ohne eine Kultur der Gemeingüter und der gemeinschaftlichen Ziele. Die Dinge und die Menschen sind auf tausende Arten miteinander verwoben. Soziale Interaktion jenseits von Räumen und materiellen Prozessen ist ein soziologisches Märchen, die Wahrheit jeder Gesellschaft liegt in den physischen Arrangements, die sie trifft, die Menschen zusammenbringen oder trennen. Wenn es nur Privateigentum gibt dann gibt es tatsächlich keine Gesellschaft, wie Maggie Thatcher zynisch zu behaupten pflegte. An den sich häufenden Ineffizienzen einer nur äußerlich regulierten Privateigentümergesellschaft erkennen wir aber, dass es im Endeffekt dann auch kein lebenswertes Leben mehr gäbe.

Ich kann an dieser Stelle die Dinge eigentlich nicht besser beschreiben als Silke Helfrich:

»Die Leiden der Gegenwart resultieren auch daraus, wie wir Beziehungen gestalten und Dinge herstellen und verbrauchen. Ernährung, Fernsehkonsum, durch Werbung befeuerte Konsumgewohnheiten – all das kommt den Einzelnen wie die Gemeinschaft im Wortsinn teuer zu stehen. In die ökonomischen Bilanzen geht all dies als „Wachstum“ ein. Auch das wenig Heilsame und der Aufwand für die Behandlungen der selbst erzeugten Schäden trägt paradoxerweise zum Bruttoinlandsprodukt bei. Gemeingüter beleben heißt, sich dieser unheilvollen Dynamik zu entziehen. Es geht um Strukturen und Settings, die Verbundenheit und Vielfalt, Freiheit und Kooperation ermöglichen. Das kann Einfaches sein, wie etwa das Vorhaben, mehr Bewegungsmöglichkeiten in unsere Alltagsroutinen einbauen – durch z.B. eine fußgänger- und radfahrerfreundliche Stadtgestaltung. Das belebt Beziehungsstrukturen und hält fit. Es weitet öffentliche Räume, in denen kommerzfreie Begegnung florieren kann. Es privilegiert Tätigkeitswelten, die uns gestatten zu tun, was wir gern tun. Es kann auch heißen, unsere Ernährung wieder systematisch zum sozialen Ereignis umzubauen. Weg von „un-convenient food“ aus der Dose, hin zum gemeinsamen Lernen darüber, was die Vielfalt des Saatguts mit der Vielfalt auf unseren Tellern und was beides mit unserer Lebensqualität zu tun hat. Die Perspektive der Gemeingüter privilegiert regional angepasste, kleinräumige biologisch-dynamische Landwirtschaft vor konventioneller, pestizidreicher, global strukturierter Produktion. Gelingende Gemeingüter bedürfen natürlicher Umgebungen, in denen wir (wie bislang) geldlos bekommen können, was uns am Markt kompensatorisch per Fitnesskurs, Laufband, Stretching-Lehrbuch, Wellness-Urlaub oder Schlankmacher verkauft wird. Vitale Gemeingüter sind beziehungsreiche Netze, die uns im Alltag tragen. Ob im Wohnen und Lernen, im kulturellen und tätigen Bereich – sie sind ideale Settings nachhaltiger Gesundheitsstrategien.« (Helfrich, p.72)

Eigentlich ist schon der Begriff "Gemeingut" irreführend, denn so sehr es um Dinge und Ressourcen geht, so wichtig ist dass diese Dinge Beziehungen vermitteln. Nur ein verkürzter technizistischer Ansatz konnte übersehen, dass Gemeingüter immer durch Kommunikation und Gemeinschaft vermittelt werden, es daher nur dann eine "Tragedy of the Commons" gibt, wenn diese Dimension unterschlagen wird. Gemeingüter sind damit aber auch das, was von einer Generation zur nächsten tradiert wird, verändert wird, lebendig bleibt. Im schon erwähnten Projekte- Netz "Lebensspuren" kommt auch die Bibliothek von Schoppernau im Bregenzerwald vor, in der die MitarbeiterInnen einer Gemeindebibliothek bei ihren älteren Mitbürgern aktiv auf die Suche nach Erinnerungen gehen und sie in einem Buch für die Nachwelt festhalten. Erinnerungen sind eben ein immaterielles Gemeingut, das gemeinschaftlich gepflegt werden will, soll es nicht verkümmern. Und im Salzburger Stadtteil Taxham beschäftigt man sich mit einem sehr wichtigen und universellen Gemeingut, der Sprache: im Buchprojekt "Der Generationendolmetscher" wird gerade die Unterschiedlichkeit ihres Gebrauchs zum Thema. Ausgangspunkt war ein Wort, das in Österreich zeitweise an der Spitze der Modalpartikel jugendlicher Idiome stand: "Oida" (Alter). Ältere fühlten sich beleidigt, was einen wunderbaren Anlass dafür gab die Sprachwelten der Generationen aufeinander zu beziehen.

3. Die neuen Medien können die offenen Fenster zur Welt sein    

3. Neue Medien können nicht nur verschleiern, sie können auch sichtbar machen. Audiovisuelle Kommunikation lässt uns ein klareres Bild von anderen gewinnen. Lebendige Landkarten lassen uns auf unseren gemeinschaftlichen Lebensraum sehen und seine Entwicklung und seine Möglichkeiten besser verstehen lernen.

3.1. Bernd Eisinger ist 67 Jahre und arbeitet seit 46 Jahren in der Informationstechnik. Er hat noch Lochkarten gestanzt und ist von Anfang an dabei. Seit vielen Jahren lebt er im Waldviertel. Auch als Pensionist ist er rüstig geblieben und träumt davon, ein System für ältere Menschen zu schaffen, das ihnen nicht unwirkliche, sondern wirkliche Begegnungen ermöglicht - auch und gerade wenn sie wenig mobil geworden sind. Mit den modernen Medien und den Infrastrukturen wie Glasfasernetzen ist es möglich geworden, gerade für diese Zielgruppe ein Fenster in die Welt aufzustoßen. Daher hat er als Systemintegrator das Projekt "Windows Wide Open" konzipiert. Dieses Projekt gibt es zwar noch nicht, aber alle seine Komponenten sind in der Realität schon vorhanden und es bedarf nur kleiner Anpassungen und Kombinationen.

Zentrum ist der große Fernseher, der durch eine interaktive SetTopBox internetfähig gemacht wird. Dieser flache Bildschirm mit hoher Auflösung soll dazu dienen, der Isolation älterer Menschen entgegenzuwirken. Der Fortschritt der Technik macht's möglich: mit einer Kamera kann Videokonferenz am Fernseher realisiert werden und mit allen lokalen Bezugspersonen beständiger Kontakt gepflegt werden. Durch die audiovisuelle Qualität entsteht ein niedrigschwelliger Zugang und zugleich eine Fülle von zusätzlichen Signalen der Kommunikation.

Das System "lernt" die Präferenzen seines Benutzers und ermöglicht rasch und einfach, über eine Fernbedienung, Verbindungen aufzubauen. Einbezogen sind nicht nur Bezugspersonen und das Betreuungssystem, sondern auch Ärzte, Nahversorger und andere Gesprächspartner, alt oder jung. Der virtuelle Raum dient dazu, den realen Raum zu unterstützen und zu stärken. Die Entfernungen, die gerade im ländlichen Raum unüberbrückbar scheinen, schrumpfen zusammen.

3.2. Das hat man auch im steirischen Kirchbach gespürt, wo fünf junge Unternehmer aus ihren städtischen Wirkungsbereichen zurückkehrten in ihr Heimatdorf, als sich die Gelegenheit ergab das alte längst nur mehr marginal genutzte Gerichtsgebäude zu kaufen. Anstatt dieses nun mit Büros vollzustopfen, wurde eine Etage als öffentlicher Bildungsraum freigehalten, um in Kombination mit einem Mini - Hotel im Dachgeschoß und einem geräumigen, luftig - gemütlichen Keller für ein reges soziales Leben zu sorgen. Hier wurde erstmals der wirklich raumübergreifende Effekt der neuen Kommunikationstechnologien dauerhaft demonstriert. Video - Übertragungen von interessanten Vorträgen aus der Universität Graz oder von interessanten Kongressen wurden zeitgleich mit ihrem tatsächlichen Stattfinden angeboten, lokale Moderation sorgte nicht nur für die Beteiligung an der virtuellen Diskussion, sondern auch für die Stimulation des lokalen "Verdauens" und Weiterlernes vor Ort. An die 100 Veranstaltungen sind schon abgewickelt worden, das Interesse der Dorfbevölkerung ist immer noch wach, und sämtliche Generationen werden gerade durch die neuen Medien auch wieder an einem Ort versammelt und ins Gespräch gebracht.

Es zeigte sich: so wie ein einzelner Mensch aus seiner Einamkeit geholt werden und durch die Verbindung mit anderen wieder lebensfähig und vitaler gemacht werden kann, so ist dies auch mit ganzen Dörfern.


4. Das Dörfliche kann begeistern und viele Facetten in uns gleichzeitig zum Schwingen bringen.    

4. So wie es einstmals einen strukturellen Zwang gab, unseren Wohnort passiv zu betrachten, als einen Ort wo man einfach lebt und sich zurückzieht, so wird es nun, am Ende der Industriegesellschaft, bedeutsam, den Wohnort selbst als ein Unternehmen in Sachen Daseinssicherung zu betrachten. Aber in diesem Unternehmen gilt ein Grundgesetz, dass nichts von Bestand ist, was nicht durch ein inneres Bedürfnis zustande kommt - und was nicht gleichzeitig durch äußere Umstände dauerhaft ermöglicht wird.

Ein wirklich inspirierendes Beispiel, das schon die Überlegungen in dutzenden wenn nicht hunderten Gemeinden Europas maßgeblich mitbeeinflusst ist der kleine Weiler Tiedoli in einer verlassenen Gegend Norditaliens auf halber Strecke zwischen Parma und La Spezia. Das Netz ist voll von Reiseberichten dorthin, und viele Gemeindepolitiker und Aktivisten für ein Altern in Würde haben sich dieses "Wunder" schon angesehen.

Die simple Idee eines einzigen Lokalpolitikers, eine vernetzte Logik von ökonomischen Aktivitäten in Gang zu setzen, die von Mitteln der Altenpflege getragen eine lebenswerte Alternative zum Altersheim in Gang setzt, hat nicht nur ein Dorf vor dem sicheren Verfall gerettet. Sie hat auch eine kraftvolle Demonstration der ökonomischen Vorteile von Wirtschaften die auf Gemeingütern und Kreisläufen passieren erbracht. Und sie hat allem Augenschein nach vor allem eine Fülle von Lebens - Qualitäten geschaffen die uns in der industriellen Gesellschaft weitgehend verloren gegangen sind, ohne die aber langfristig jedes Leben seinen Sinn verliert.

Deswgen kann Tiedolis Geschichte nicht oft genug erzählt werden: vom umtriebigen Sozialdezernenten Mario Tommasini in Parma, der von der offenen Psychiatrie Basaglias inspiriert wurde, ein "Dorf der Alten" zum Leben zu bringen. Von den alten halbverfallenen Häusern, die durch eine gemeinschaftliche Anstrengung und auch Beiträge von weit entfernten Angehörigen gekauft und renoviert werden konnten. Von der engagierten Kooperative von AltenpflegerInnen, die dieses Projekt von Anfang an mit unterstützen. Von der Rückkehr von Angehörigen, die entdeckten dass sich in dieser Umgebung auch gut aktiv arbeiten und leben lässt: nicht nur als Steinmetze und Biobauern, sondern eben auch "telearbeitend" in städtischen Berufen, als Freiberufler oder Angestellter einer Werbeagentur oder eines Kommunikationsunternehmens. Von der gelungenen Kooperation der wichtigsten Akteure und Vereinigungen. Von den älteren Menschen selbst, "die in ihren eigenen vier Wänden indes viel mehr Fähigkeiten entwickeln, als ihnen im Heim jemand zugetraut hätte. Unkraut zupfen im gemeinsamen Gemüsegarten, geduldig die Polenta im Kessel über dem Feuer rühren, die Katzen versorgen und vor allem – das Leben genießen". (Fokken)

Nicht jeder Versuch gelingt freilich; das vielbeachtete libertäre Wohnprojekt Eilhardshof in Neustadt an der Weinstrasse (Rheinland-Pfalz) ist erst unlängst endgültig gescheitert, weil die Beteiligten die Kosten der architektonischen Renovierung grob unterschätzt hatten und in einen schmerzhaften Verarmungs- und Auflösungsprozess gerieten. Für die erfolgreiche Realisierung ist indes nicht nur eine gründliche ökonomische Kalkulation erforderlich; auch die sozialen Netzwerke, die den kooperativen Bestand solcher Initiativen sichern, müssen sehr belastbar und vielfältig zusammengesetzt sein.

Umsicht ist also gefragt, ökonomisches und soziales Kapital müssen gleichermaßen vorhanden sein. Ein bemerkenswertes Beispiel für ein mit Umsicht und evolutionärer Perspektive gebautes Projekt ist etwa der Garten der Generationen im niederösterreichischen Herzogenburg. "Die konkrete Umsetzung, das heißt der Bau und Ausbau aller Bereiche, hängt immer von den jeweils vorhandenen Ressourcen ab. Das heißt, dass immer dann ein neuer Teil realisiert werden kann, wenn dafür genügend Geld und Arbeitskraft vorhanden sind, wenn eine Gruppe die Hauptverantwortung für den Bereich übernimmt und das Vorhaben den Bedürfnissen und Prioritäten der Gemeinschaft entspricht. Die Gemeinschaft wie auch ihre Einrichtungen wachsen nach dem organischen Prinzip." ( http://www.gartendergenerationen.net). Von Anfang an. Über viele Jahre bildet und verdichtet sich durch regelmäßige Veranstaltungen ein viel größeres Netzwerk und damit auch ein soziales Feld, das im Laufe der Jahre belastbarer und leistungsfähiger wird.

Und auch die Idee der "Transition Towns", also des "Mitnehmens" ganzer Gemeinden und Dörfer im Sinn eines Erkennens eines absehbaren Endes jener fossilen Leichtigkeit, die uns den Ort unseres Lebens vergessen ließ, kann einen Beitrag darstellen zu einer wirklich nachhaltigen Schaffung eines intergenerationellen Lebensraumes. Hier geht es darum, das gewünschte Lebensmodell anzuknüpfen an die tatsächlich drohenden und spürbaren Auswirkungen der ökonomischen, politischen und Ressourcenkrise und den Focus Gemeinde ernst zu nehmen. Der Erfolg den diese Bewegung nicht nur in England hat, zeigt: Der visionären Möglichkeiten sind viele gesammelt, die Herausforderung heißt sie jetzt wirklich nachhaltig auf die Erde zu bringen.

Literaturverzeichnis    

Alexander, Christopher: Eine Muster-Sprache: Städte, Gebäude, Konstruktion. Wien: Löcker Verlag

Blank-Mathieu, Margarete: Begegnung zwischen den Generationen. Intergenerative Pädagogik mit Kindern, Jugendlichen und Senioren http://www.kindergartenpaedagogik.de/1265.html), in: Kindergartenpädagogik - Online-Handbuch - Herausgeber: Martin R. Textor http://www.kindergartenpaedagogik.de

Helfrich, Silke: Das Konzept der „Gemeingüter“ im Kontext nachhaltiger Gesundheitsförderung, in, Hrsg.: Eberhard Göpel/GesundheitsAkademie e. V: Nachhaltige Gesundheitsförderung / Gesundheit gemeinsam gestalten Bd. 4, FfM 2010 (Mabuse)

Fokken, Ulrike: das Wunder von Tiedoli, in: Kurskontakte 153 (Oktober 2007), p.37

Huxley,Aldous: Eiland, deutsche Ausgabe, München 1973 (Piper),



Impuls - Beitrag zur Plenardebatte "Lokale vs. Globale Freiwilligkeit?'' im Plenum    

  • Der Megatrend der Globalisierung hat eine unsichtbare Schattenseite: die zunehmende Last der Globalisierung, spürbar durch die enorme Konkurrenz auf den Märkten. Ein halbwegs profitabler Arbeitsplatz auf Weltniveau erfordert enorme Investitionen und extreme Anstrengungen, Standorte werden reihenweise ausgesiebt - auch wenn und vielleicht sogar weil sich alle bemühen (müssen) in die Oberliga aufzusteigen. Und selbst dort wo scheinbar die Teilnahme am Weltmarkt funktioniert, breiten sich die Schatten in den menschlichen Lebensräumen aus: Neben glänzenden Hochhäusern und glitzernden Shopping Malls finden wir entwurzelte Menschen, Slums, prekäre Wanderarbeiter und arbeitslose Menschenmassen voller Hoffnung - doch ohne Verwendung, weil unproduktiver Kostenfaktor. Verkehrsinfarkte, zusammenbrechende Infrastrukturen. Städte wie Ameisenhaufen, in denen sich menschliche Ansprüche wechselseitig die Luft zum Atmen nehmen. Astronomische Immobilienpreise, Spekulation, Verschuldung, unsichtbare Schicksale. Die Autobahnen des Globalen sind verstopft, die Konkurrenz ist hart und gnadenlos.
  • Und wie immer wenn eine Entwicklung die scheinbar unaufhaltsam ist durch ihren eigenen Erfolg an Grenzen stößt, deutet sich der Kern einer neuen Entwicklung an, in dem Altes in neuer Form aufersteht. Marshall McLuhan - von vielen als der Prophet der Globalisierung schlechthin gefeiert - sagt in einem wenig bekannten Zitat sinngemäß etwa folgendes: 'Die Globalisierung, zu ihrem Extrem getrieben, wird unweigerlich zu einer noch nie dagewesenen Renaissance des Lokalen führen'. Vielleicht sollte man die Entgegenstellung, die über dem Podium schwebt, in diesem Sinne beantworten. All das was Menschen in den "globalen" Zusammenhängen miteinander tun, kann - und wird - unausweichlich Auswirkungen auf ihre lokalen Lebenswelten haben. Im digitalen Zeitalter, in dem Symbole Maschinen steuern, gilt das mehr als je zuvor.. Sie könnten auf die Idee kommen und den Spieß umdrehen: die Energien der Globalisierung in eine bewusste Fokussierung auf lokale Agenden umleiten. Sich elegant der Konkurrenz zu entziehen statt unter ihrer Last zusammenzubrechen.
  • Ein Beispiel: Viele sprechen heute von einer Aushöhlung des ländlichen Raumes. Die Schweiz ist da nur die Ausnahme die die Regel bestätigt. Weltweit flüchten die Menschen in immer größerem Tempo in jene Städte, die noch mithalten können mit dem Tempo der globalen Ökonomie. Für diese Städte ist das mehr Last als Bereicherung, für den ländlichen Raum eine Katastrophe. Aber aus dieser Urbaniiserung könnte eine Rückwanderungsbewegung resultieren. Wer durch die freie Stadtluft gegangen ist könnte gerade heute mit seinem Geist leichter denn je nach Hause zurückkehren. Wenn dieses Zuhause sich überhaupt noch retten lässt vor dem globalen "Land - Grapschen" der Agrarkonzerne. Eine Win- Win Situation wäre es allemal: Egal ob Arbeit, Bildung, Gesundheitswesen: Wenn sich Städte als "Hubs" positionieren, die hochqualifizierte Dinge für ihre Kunden und Front-Ends im ländlichen Raum erledigen, zum Beispiel Hilfestellung für niedergelassene Ärzte bei der Auswertung von Diagnosedaten oder eine Betreuung von Schülern im sekundären oder tertiären Bildungsbereich oder virtuelle Arbeitsplätze in einer wissensintensiven Ökonomie etc., dann (und nur dann) wäre das Dorf, die Gemeinde, realistischerweise in der Lage eine gleichwertige Daseinsvorsorge für seine Bewohner zu bieten. Und die Stadt hätte eine dauerhaftere Basis. Gesünder und besser wäre das Leben dann allemal.
  • Vor diesem - durchaus noch sehr hypothetischen - Hintergrund schlage ich auch vor, die weltweite Tendenz zur "globalen Freiwilligkeit" zu sehen. Alle Ressourcen und Wissensgüter die Freiwillige produzieren stehen in der Regel kostenlos zur Verfügung. Wikipedia ist ein wunderbares Beispiel. All diese Ressourcen sind möglicherweise von hohem Wert, wenn es darum geht, Zugriff auf Informationen zur Dasiensbewältigung im sozialen und geographischen Nahbereich zu bekommen. In der Podiumsdebatte erwähnte ich ein Projekt, in dem es gelang einem thailändischen Dorf das Wissen zu verschaffen, mithilfe einer solargetriebenen Pumpe Wasser von einem See in die höhergelegenen Reisfelder zu pumpen. Ein Projekt, in dem sich Dörfer aus drei Kontinenten verbündeten, miteinander entwarfen, experimentierten und wetteiferten. Also: auch globale Arbeit kann und wird sich in der Regel lokal manifestieren und lokal arbeitende Menschen unterstützen. Und auch deren Arbeit aufwerten und beflügeln.
  • Wir bräuchten einen neuen Deal, um diese zarten Anfänge zu einer robusten Grundlage zu machen. Wenn ärmliche ostasiatische Dörfer ganze Populationen von buddhistischen Mönchen ernähren können, dann müssten wir es uns eben auch leisten, globale Kultur- und Wissensarbeiter in lokalen Gemeinden zu beherbergen, im Vertrauen darauf, dass ihr kooperatives Arbeiten an Integrationswissen für hochleistungsfähiges lokale Kreislaufwirtschaften überall auf der Welt diese "Investition" unbeschränkt lohnend macht. Wenn das afrikanische Sprichwort stimmt, dass es ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind zu erziehen, so gilt noch viel mehr: es braucht die ganze Welt, um in der heutigen Zeit das Wissen zu schaffen, aus denen sich ein lebenswertes und lebendiges Dorf des 21. Jahrhunderts gestalten lässt. Wer, wenn nicht die Dörfer und Gemeinden selbst, soll diesen Prozess in Gang bringen und am Leben halten? Und wo, wenn nicht hier in der Stille jenseits des lauten Betriebs, lässt sich besser denken und lassen sich Gedanken mithilfe der globalen Netze bedächtiger und solider zusammenbauen?
Notizen über das Selbstverständliche, hier nur zum besseren Verständnis meiner Position angehängt    

  • Es kann keine Renaissance des Dörflichen geben ohne eine Verstärkung der Brücke zwischen Stadt und Land. Für Städter darf der Schritt ins Dorf kein Schritt ins Unbekannte oder ein Schritt zurück sein, sondern es muss ihnen (nicht nur) so vorkommen, dass sie sämtliche Vorteile der Stadt mitnehmen können und noch eine Menge neue Vorteile dazukriegen.
  • Eine der Brücken ist die (tele)kommunikative Verbindung mit städtischen Hubs. Egal ob Arbeit, Bildung, Gesundheitswesen: Wenn sich Städte als Dienstleistungszentren positionieren, die hochqualifizierte Dinge für ihre Kunden und Front-Ends im ländlichen Raum erledigen, zum Beispiel Hilfestellung für niedergelassene Ärzte bei der Diagnose von Sonogrammen oder eine Betreuung von Schülern im sekundären oder tertiären Bildungsbereich etc., dann (und nur dann) ist das Dorf realistischerweise in der Lage eine Gesamtversorgung für seine Bewohner zu bieten. Audiovisuelle breitbandige Technologien schaffen hier neue Qualitäten der "virtuellen Nähe".
  • Eine zweite Brücke ist die Aktivierung lokaler Kooperation. Wenn auch im städtischen Bereich die "dörfliche" Seite des Lebens wieder forciert wird - und die Anzeichen häufen sich dass ohne die Aktivierung von Engagement und Partizipation auch urbane Räume in immer größere Schwierigkeiten kommen, die Wiener Einkaufsstrassen sind ein gutes Beispiel dafür wie dem schon heute gegengesteuert wird - dann ist auch der mentalitätsmäßige Schritt ins Dorf leichter, wo natürlich ohne Kooperation fast gar nichts geht.
  • Ein Dorf "baut" man daher nicht wie eine städtische Siedlung für einen anonymen Markt, sondern nur gemeinsam mit einem partizipativen Prozess, in dem die Aktivierung lokaler Kooperation nicht dem Zufall überlassen wird. Dies erschien bis jetzt als eine unüberwindliche Schranke für die Industrie, kann aber auch als eine intelligent wahrzunehmende Chance gesehen werden.
  • Dieser Prozess betrifft nicht nur zu bauende Dörfer, sondern auch solche, die nicht nur physisch durch einen Erneuerungs- und Sanierungsprozess gehen. Der dramatische Bevölkerungsverlust in vielen peripheren Regionen kann nur durch eine geistige Dorferneuerung ausgeglichen werden, und durch eine Aktivierung von regionalen Potentialen wechselseitiger Ergänzung. Ein Dorf für sich genommen wird immer eine relativ schwache Lebensumgebung bleiben, erst wenn sich Dörfer in einer Region füreinander interessieren, sich spezialisieren und öffnen, kann ein der Stadt gleichwertiges Lebensniveau entstehen - wobei aber gleichwertig nicht gleichartig bedeutet.
  • Fragen der folgenden Art wie wir sie intern diskutieren sind also voll berechtigt: Welche Größe darf solch ein Dorf noch haben, damit es Dorf bleibt, welche Größe muss aber die Bezugsregion haben, damit dort die Qualität spezifischer Angebote vorhanden sein kann, vom Uhrmacher oder Schuster bis zum Aquarienshop, Einkaufszentrum, Ärtzezentrum? Ist das Modell "zentraler Ort" noch zeitgemäß oder ist es durch ein kleinregionales Modell "komplementärer Themendörfer" zumindest zu ergänzen? All diese Fragen sind noch nirgends voll erforscht oder zufriedenstellend beantwortet worden - und doch ist ihre Beantwortung unabdingbare Voraussetzung für eine Stabilisierung und integrierte Entwicklung des ländlichen Raumes. Diese Fragen lassen sich nicht am Schreibtisch oder aus dem Studium noch so großer Samples beantworten: sie müssen einhergehen mit dem gezielten Experimentieren und dem Begleiten praktischer Entwicklungen, wobei alle bisherigen Antworten durch den Stand der Technik zumindest teilweise überholt zu sein scheinen und neue und unkonventionelle Antworten sich abzeichnen.