Schwerpunkt Freiwilligkeit Und Generationenbeziehung / Konferenz Beitrag |
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eigentlich 2 Beiträge zur Konferenz "Grenzen-Los" (Die zweite Dreiländertagung Grenzen-Los! hat am 25./26. Oktober 2010 im Gottlieb Duttweiler Institut stattgefunden, im Zentrum stand das Thema 'Gemeinde'. 150 Teilnehmende aus drei Ländern haben sich zwei Tage intensiv über zivilgesellschaftliches Engagement ausgetauscht.) Zürich 2010 -> Website / Franz Nahrada
Autor: FranzNahrada
Im Rahmen des Workshops sahen wir folgende Aufgaben und sah ich folgende Dimensionen zu ihrer Lösung:
Ich bin froh heute hier zu sein, die Schweiz ist vielleicht ein guter Boden für die Entwicklung für die Entwicklung einer positiven Vision, die in der heutigen Zeit automatisch grenzen-los wirkt.... Seit zwei Jahrzehnten richte ich im Rahmen der GIVE Forschungsgesellschaft mit einigen Freunden das Augenmerk auf den möglichen positiven Effekt, den die neuen Medien auf die Herausbildung von lokaler Gemeinschaft und Kohäsion haben können. Ein positiver Zug der sich selber zunehmend ad absurdum führenden industriellen Gesellschaften mit ihrem kostspieligen und zerstörerischen weltweiten Marktschlachten ist nämlich der, dass sie uns neue Mittel in die Hand geben können, aus der längst zum Alptraum gewordenen grenzenlosen Globalisierung wieder in eine neuartige, weltoffene, reiche und dichte Lokalität "einzuwandern". Neue Mittel zur Konstruktion einer Lokalität die wir nicht mehr abschotten müssen, weil sie wiederum überall zugleich entstehen kann - auch dank der Techniken und Wirklungen der Globalisierung (siehe Beitrag zur Podiumsdiskussion) Diese Mittel lassen sich grob als das Zusammenspiel von global verfügbarer Information mit lokal wirksamer Automation beschreiben, wobei Automation in einem sehr allgemeinen Sinn verstanden wird, als gut geplanter lokaler Kreislauf von Prozessen und Ressourcen, als müheloses organisches Ineinandergreifen von Lebensprozessen statt chaotischem Kampf ums Dasein. In diesem Sinn ist "Automation" auch eine systemische Betrachtungsweise der Natur, wie sie etwa die Permakultur liefert. Wir erkennen dass das Überleben und die Qualität von mehr oder weniger Systemen ganz und gar vom richtigen Zusammenspiel der richtig gewählten, richtig arrangierten und richtig entworfenen Komponenten abhängt und zugleich, dass es eben gar kein abstraktes "richtig" gibt sondern nur das was man als "Qualität ohne Namen" (Christopher Alexander) bezeichnen könnte, als die Fähigkeit von Elementen eines Systems, einander wie selbstverständlich zu stärken und zu nähren. Diese Fähigkeit ist durch den globalen Pool an Wissen und unterstützenden Aktivitäten enorm gestiegen, wie ich auch im Plenum des zweiten Tages argumentiert habe. Dadurch vermag das Spektrum der "Leistungen", die in einem begrenzten Raum erbracht werden können (ohne dass wir diese Terminologie wirklich beibehalten sollten) sich enorm auszuweiten. Marshall McLuhan hat sehr früh eine bislang wenig beachtete und äußerst scharfe Distinktion aufgestellt und Automation in diesem Sinn von Industrie oder der "Maschine" in herkömmlichen Sinn geschieden: Many people would be disposed to say that it was not the machine, but what one did with the machine, that was its meaning or message. In terms of the ways in which the machine altered our relations to one another and to ourselves, it mattered not in the least whether it turned out cornflakes or Cadillacs. The restructuring of human work and association was shaped by the technique of fragmentation that is the essence of machine technology. The essence of automation technology is the opposite. It is integral and decentralist in depth, just as the machine was fragmentary, centralist, and superficial in its patterning of human relationships. (McLuhan, 1964, p. 7-8) Es ist also ein Fehler, grundsätzlich zu scheiden zwischen der Entwicklung der modernen Technologien und der Frage nach der Lebensfähigkeit unserer Gemeinden und peripheren Räume. ich nehme mir die Freiheit das entgegengesetzte Extrem zu vertreten: dass das Wohl und Wehe der peripheren Räume von der Entwicklung der medialen Technologie und von der bewussten Freisetzung der in ihr schlummernden Potentiale abhängt. Diese Position will schon deswegen nicht als technologiefetischistisch verstanden werden, weil sie eben auch und insbesondere fordert, dass Technologie ihre selbstweckhafte und abstrakte Existenz als Mittel zur Steigerung von Wachstum und Kapitaleinkommen zugunsten ihrer sozial integrierenden Potentiale aufgeben muss. Dadurch gewinnt das, was uns bisher recht wenig interessierte, das Dorf, die Gemeinde, das unmittelbare Lebensumfeld, eine völlig neue Faszination. Wir sind tatsächlich in der Lage, den Kampf ums Dasein, die rastlose Peitsche die uns in die Fabriken, Bürosilos, Einkaufs- und Konsumtempel treibt, ein für allemal zu beenden, wir sind in der Lage ein wirklich umfassendes, leistungsfähiges und tragendes Zuhause aufzubauen - nicht trotz, sondern gerade wegen der globalen Repositorien, Netzwerke und Werkzeuge. Diese Vision einer postindustriellen Gemeinde, die sehr viel mehr ihr Leben wieder vor Ort produziert und fokussiert, ist einerseits eine unerhört anspruchsvolle und wissensintensive Angelegenheit. Wir müssen nicht nur sehr viel mehr von äußeren natürlichen und technischen Prozessen wissen, sondern auch von unseren eigenen Bedürfnissen, Möglichkeiten und Schranken. Es handelt sich auch um eine große Bildungsaufgabe und um eine ebenso große gemeinsame Forschungsaufgabe.. Zum anderen ist der Prozess der Re-Lokalisierung eine Angelegenheit die uns mit Emotionen, Sehnsüchten und Werthaltungen konfrontiert. Vieleicht trennt uns nichts so sehr und so nachhaltig voneinander und vom Neuentdecken unseres Lebensraumes wie die Gewohnheit, sich nur mehr mit dem jeweiligen eigenen Lebensalter zu identifizieren. Umgekehrt ist der Schlüssel zur Heilung der zerrissenen Generationenbeziehung in genau dem eben angedeuteten gemeinsam gestalteten und belebten, postindustriellen Lebensraum zu finden.
Wir kennen alle die Situation:
Und doch ist eine Einsicht klar vermittelbar: Was wir heute den älteren Menschen antun trifft uns morgen doppelt und dreifach. Nicht nur das. Eine ungeheure Fülle von Lebenserfahrung und Kultur wird ständig entsorgt, ohne die Chance zu bekommen fruchtbar zu werden. Manche Dinge lernt man nur in einem ganzen Leben, und sie müssen mühsam und schmerzhaft immer wieder erfahren werden - wenn es nicht die Möglichkeit gibt, sie in Kommunikationsprozessen vermittelt zu bekommen. Die Schule kann uns viele Dinge nicht lehren, vor allem nicht subtile Zusammenhänge und ein Gefühl für Zeit.
Wenn wir uns heute der Frage stellen wie Menschen überhaupt dazu motiviert werden können sich für dieses Miteinander zu begeistern und in welchen Formen und Rollen sich das ausdrückt und welche Ressourcen dadurch freigesetzt werden, dann möchte ich folgende Punkte in den Vordergrund stellen:
1. Es kann keinen Prozess der Generationenintegration geben ohne ein Klima der Kommunikation, der Begegnung, der Mitteilung. Dazu gehören auch Räume, Medien und spezielle Events. Essentiell sind Toleranz, Vorurteilsfreiheit, Kontaktbereitschaft und Neugierde. Essentiell sind Prozesse in denen sowohl Erkentnis und Wissen als auch ein darauf aufbauendes Gefühl entsteht: Wissen dass wir alle einmal jung waren und alle einmal alt sein werden - und damit ein fundamentales Gefühl von Gemeinsamkeit, das durch den anderen auch eine Wiederentdeckung von verdrängten Facetten der eigenen Person erlaubt. 1.1. Der Verein Wissensbörse Wien, gegründet 1990, war sicher keine Erfindung aus dem Nichts, hatte deutsche, schweizer und niederländische Vorbilder. Und doch bildete sich hier eine eigene Erfolgsgeschichte, die ihre Wurzeln in einem glücklichen Zufall hatte, nämlich der Möglichkeit der intensiven Zusammenarbeit dieser Freiwilligenorganisation mit einem ambitionierten städtischen Projekt, dem Wiener Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum. Der Raum der Kommunikation entscheidet natürlich auch durch seine symbolische Qualität. Eine Atmosphäre des gemeinsamen Lernens hebt uns heraus aus der Tendenz, uns wechselseitig unsere Unzulänglichkeiten vorzuwerfen. Sie gibt uns die Möglichkeit und den Hintergrund zu Begegnungen die sonst nicht oder nur sehr eingeschränkt zustande kommen würden, gibt es doch außerhalb der Familien kaum Berhürungspunkte zwischen den Generationen. Das Museum in diesem Fallbeispiel ist ein "dritter Ort", ein symbolischer Rahmen und zugleich auch Beispiel eine reale Hilfe beim Herbeiführen von Begegnungen zwischen den Generationen. Heute ist die Wissensbörse viel profaner in einem Nachbarschaftszentrum untergebracht. Vielleicht hat dadurch auch der Nimbus des Entdeckens einer anderen Welt ein wenig seiner Strahlkraft eingebüßt.
1.2. Als im Jahr 2003 in Salzburg die Projektidee "Generationendorf" geboren wurde und in 3 Gemeinden mit der Umsetzung begonnen wurde, war ebenfalls der Begegnungsort der Generationen von zentraler Bedeutung. Im Fall der Gemeinde Elixhausen war das die Bücherei, wo etwa ehrenamtlich arbeitende SeniorInnen den Kindern bis 10 Jahre immer wieder spannende Geschichten vorlasen. Fragen wurden geduldig beantwortet und Fäden weitergesponnen. Im steirischen Voitsberg veranstaltet die Bücherei Abende wo ganz alte und ganz junge miteinander singen und tanzen. Der Möglichkeiten gibt es viele: zum Beispiel gemeinsame Schreibwerkstätten, in denen sich die Fabulierfreude der Kinder synergetisch mit dem unendlich großen Erfahrungsschatz der älteren Generation verbindet und wo das, was in den Familien nicht mehr stattfinden kann - das Erzählen von Geschichten - durch den Kontakt mit fremden Kindern wieder geschehen kann. Wesentlich ist eine gute Moderation, ein spannendes Thema und ein gemütliches Ambiente. Im niederösterreichischen Trautmannsdorf wurde die Idee realisiert, Gespräche zwischen Jung und Alt auf eine DVD zu bannen und eine ganz lebendige Variante einer Ortschronik zu schaffen. Vielleicht auch ein Weg, die Verbindung zur dritten, mittleren Generation zu schaffen die bei diesen Begegnungen zumeist außen vor bleibt. Eine schöne Einführung in die bunte Welt dieser Begegnungen bildet das Projekt "Lebensspuren": http://www.lebensspuren.net/generationen/index.html
2. Es kann keine wirkliche Kultur von Gemeinschaft geben ohne eine Kultur der Gemeingüter und der gemeinschaftlichen Ziele. Die Dinge und die Menschen sind auf tausende Arten miteinander verwoben. Soziale Interaktion jenseits von Räumen und materiellen Prozessen ist ein soziologisches Märchen, die Wahrheit jeder Gesellschaft liegt in den physischen Arrangements, die sie trifft, die Menschen zusammenbringen oder trennen. Wenn es nur Privateigentum gibt dann gibt es tatsächlich keine Gesellschaft, wie Maggie Thatcher zynisch zu behaupten pflegte. An den sich häufenden Ineffizienzen einer nur äußerlich regulierten Privateigentümergesellschaft erkennen wir aber, dass es im Endeffekt dann auch kein lebenswertes Leben mehr gäbe. Ich kann an dieser Stelle die Dinge eigentlich nicht besser beschreiben als Silke Helfrich: »Die Leiden der Gegenwart resultieren auch daraus, wie wir Beziehungen gestalten und Dinge herstellen und verbrauchen. Ernährung, Fernsehkonsum, durch Werbung befeuerte Konsumgewohnheiten – all das kommt den Einzelnen wie die Gemeinschaft im Wortsinn teuer zu stehen. In die ökonomischen Bilanzen geht all dies als „Wachstum“ ein. Auch das wenig Heilsame und der Aufwand für die Behandlungen der selbst erzeugten Schäden trägt paradoxerweise zum Bruttoinlandsprodukt bei. Gemeingüter beleben heißt, sich dieser unheilvollen Dynamik zu entziehen. Es geht um Strukturen und Settings, die Verbundenheit und Vielfalt, Freiheit und Kooperation ermöglichen. Das kann Einfaches sein, wie etwa das Vorhaben, mehr Bewegungsmöglichkeiten in unsere Alltagsroutinen einbauen – durch z.B. eine fußgänger- und radfahrerfreundliche Stadtgestaltung. Das belebt Beziehungsstrukturen und hält fit. Es weitet öffentliche Räume, in denen kommerzfreie Begegnung florieren kann. Es privilegiert Tätigkeitswelten, die uns gestatten zu tun, was wir gern tun. Es kann auch heißen, unsere Ernährung wieder systematisch zum sozialen Ereignis umzubauen. Weg von „un-convenient food“ aus der Dose, hin zum gemeinsamen Lernen darüber, was die Vielfalt des Saatguts mit der Vielfalt auf unseren Tellern und was beides mit unserer Lebensqualität zu tun hat. Die Perspektive der Gemeingüter privilegiert regional angepasste, kleinräumige biologisch-dynamische Landwirtschaft vor konventioneller, pestizidreicher, global strukturierter Produktion. Gelingende Gemeingüter bedürfen natürlicher Umgebungen, in denen wir (wie bislang) geldlos bekommen können, was uns am Markt kompensatorisch per Fitnesskurs, Laufband, Stretching-Lehrbuch, Wellness-Urlaub oder Schlankmacher verkauft wird. Vitale Gemeingüter sind beziehungsreiche Netze, die uns im Alltag tragen. Ob im Wohnen und Lernen, im kulturellen und tätigen Bereich – sie sind ideale Settings nachhaltiger Gesundheitsstrategien.« (Helfrich, p.72) Eigentlich ist schon der Begriff "Gemeingut" irreführend, denn so sehr es um Dinge und Ressourcen geht, so wichtig ist dass diese Dinge Beziehungen vermitteln. Nur ein verkürzter technizistischer Ansatz konnte übersehen, dass Gemeingüter immer durch Kommunikation und Gemeinschaft vermittelt werden, es daher nur dann eine "Tragedy of the Commons" gibt, wenn diese Dimension unterschlagen wird. Gemeingüter sind damit aber auch das, was von einer Generation zur nächsten tradiert wird, verändert wird, lebendig bleibt. Im schon erwähnten Projekte- Netz "Lebensspuren" kommt auch die Bibliothek von Schoppernau im Bregenzerwald vor, in der die MitarbeiterInnen einer Gemeindebibliothek bei ihren älteren Mitbürgern aktiv auf die Suche nach Erinnerungen gehen und sie in einem Buch für die Nachwelt festhalten. Erinnerungen sind eben ein immaterielles Gemeingut, das gemeinschaftlich gepflegt werden will, soll es nicht verkümmern. Und im Salzburger Stadtteil Taxham beschäftigt man sich mit einem sehr wichtigen und universellen Gemeingut, der Sprache: im Buchprojekt "Der Generationendolmetscher" wird gerade die Unterschiedlichkeit ihres Gebrauchs zum Thema. Ausgangspunkt war ein Wort, das in Österreich zeitweise an der Spitze der Modalpartikel jugendlicher Idiome stand: "Oida" (Alter). Ältere fühlten sich beleidigt, was einen wunderbaren Anlass dafür gab die Sprachwelten der Generationen aufeinander zu beziehen.
3. Neue Medien können nicht nur verschleiern, sie können auch sichtbar machen. Audiovisuelle Kommunikation lässt uns ein klareres Bild von anderen gewinnen. Lebendige Landkarten lassen uns auf unseren gemeinschaftlichen Lebensraum sehen und seine Entwicklung und seine Möglichkeiten besser verstehen lernen.
3.1. Bernd Eisinger ist 67 Jahre und arbeitet seit 46 Jahren in der Informationstechnik. Er hat noch Lochkarten gestanzt und ist von Anfang an dabei. Seit vielen Jahren lebt er im Waldviertel. Auch als Pensionist ist er rüstig geblieben und träumt davon, ein System für ältere Menschen zu schaffen, das ihnen nicht unwirkliche, sondern wirkliche Begegnungen ermöglicht - auch und gerade wenn sie wenig mobil geworden sind. Mit den modernen Medien und den Infrastrukturen wie Glasfasernetzen ist es möglich geworden, gerade für diese Zielgruppe ein Fenster in die Welt aufzustoßen. Daher hat er als Systemintegrator das Projekt "Windows Wide Open" konzipiert. Dieses Projekt gibt es zwar noch nicht, aber alle seine Komponenten sind in der Realität schon vorhanden und es bedarf nur kleiner Anpassungen und Kombinationen. Zentrum ist der große Fernseher, der durch eine interaktive SetTopBox internetfähig gemacht wird. Dieser flache Bildschirm mit hoher Auflösung soll dazu dienen, der Isolation älterer Menschen entgegenzuwirken. Der Fortschritt der Technik macht's möglich: mit einer Kamera kann Videokonferenz am Fernseher realisiert werden und mit allen lokalen Bezugspersonen beständiger Kontakt gepflegt werden. Durch die audiovisuelle Qualität entsteht ein niedrigschwelliger Zugang und zugleich eine Fülle von zusätzlichen Signalen der Kommunikation. Das System "lernt" die Präferenzen seines Benutzers und ermöglicht rasch und einfach, über eine Fernbedienung, Verbindungen aufzubauen. Einbezogen sind nicht nur Bezugspersonen und das Betreuungssystem, sondern auch Ärzte, Nahversorger und andere Gesprächspartner, alt oder jung. Der virtuelle Raum dient dazu, den realen Raum zu unterstützen und zu stärken. Die Entfernungen, die gerade im ländlichen Raum unüberbrückbar scheinen, schrumpfen zusammen. 3.2. Das hat man auch im steirischen Kirchbach gespürt, wo fünf junge Unternehmer aus ihren städtischen Wirkungsbereichen zurückkehrten in ihr Heimatdorf, als sich die Gelegenheit ergab das alte längst nur mehr marginal genutzte Gerichtsgebäude zu kaufen. Anstatt dieses nun mit Büros vollzustopfen, wurde eine Etage als öffentlicher Bildungsraum freigehalten, um in Kombination mit einem Mini - Hotel im Dachgeschoß und einem geräumigen, luftig - gemütlichen Keller für ein reges soziales Leben zu sorgen. Hier wurde erstmals der wirklich raumübergreifende Effekt der neuen Kommunikationstechnologien dauerhaft demonstriert. Video - Übertragungen von interessanten Vorträgen aus der Universität Graz oder von interessanten Kongressen wurden zeitgleich mit ihrem tatsächlichen Stattfinden angeboten, lokale Moderation sorgte nicht nur für die Beteiligung an der virtuellen Diskussion, sondern auch für die Stimulation des lokalen "Verdauens" und Weiterlernes vor Ort. An die 100 Veranstaltungen sind schon abgewickelt worden, das Interesse der Dorfbevölkerung ist immer noch wach, und sämtliche Generationen werden gerade durch die neuen Medien auch wieder an einem Ort versammelt und ins Gespräch gebracht. Es zeigte sich: so wie ein einzelner Mensch aus seiner Einamkeit geholt werden und durch die Verbindung mit anderen wieder lebensfähig und vitaler gemacht werden kann, so ist dies auch mit ganzen Dörfern.
4. So wie es einstmals einen strukturellen Zwang gab, unseren Wohnort passiv zu betrachten, als einen Ort wo man einfach lebt und sich zurückzieht, so wird es nun, am Ende der Industriegesellschaft, bedeutsam, den Wohnort selbst als ein Unternehmen in Sachen Daseinssicherung zu betrachten. Aber in diesem Unternehmen gilt ein Grundgesetz, dass nichts von Bestand ist, was nicht durch ein inneres Bedürfnis zustande kommt - und was nicht gleichzeitig durch äußere Umstände dauerhaft ermöglicht wird. Ein wirklich inspirierendes Beispiel, das schon die Überlegungen in dutzenden wenn nicht hunderten Gemeinden Europas maßgeblich mitbeeinflusst ist der kleine Weiler Tiedoli in einer verlassenen Gegend Norditaliens auf halber Strecke zwischen Parma und La Spezia. Das Netz ist voll von Reiseberichten dorthin, und viele Gemeindepolitiker und Aktivisten für ein Altern in Würde haben sich dieses "Wunder" schon angesehen. Die simple Idee eines einzigen Lokalpolitikers, eine vernetzte Logik von ökonomischen Aktivitäten in Gang zu setzen, die von Mitteln der Altenpflege getragen eine lebenswerte Alternative zum Altersheim in Gang setzt, hat nicht nur ein Dorf vor dem sicheren Verfall gerettet. Sie hat auch eine kraftvolle Demonstration der ökonomischen Vorteile von Wirtschaften die auf Gemeingütern und Kreisläufen passieren erbracht. Und sie hat allem Augenschein nach vor allem eine Fülle von Lebens - Qualitäten geschaffen die uns in der industriellen Gesellschaft weitgehend verloren gegangen sind, ohne die aber langfristig jedes Leben seinen Sinn verliert. Deswgen kann Tiedolis Geschichte nicht oft genug erzählt werden: vom umtriebigen Sozialdezernenten Mario Tommasini in Parma, der von der offenen Psychiatrie Basaglias inspiriert wurde, ein "Dorf der Alten" zum Leben zu bringen. Von den alten halbverfallenen Häusern, die durch eine gemeinschaftliche Anstrengung und auch Beiträge von weit entfernten Angehörigen gekauft und renoviert werden konnten. Von der engagierten Kooperative von AltenpflegerInnen, die dieses Projekt von Anfang an mit unterstützen. Von der Rückkehr von Angehörigen, die entdeckten dass sich in dieser Umgebung auch gut aktiv arbeiten und leben lässt: nicht nur als Steinmetze und Biobauern, sondern eben auch "telearbeitend" in städtischen Berufen, als Freiberufler oder Angestellter einer Werbeagentur oder eines Kommunikationsunternehmens. Von der gelungenen Kooperation der wichtigsten Akteure und Vereinigungen. Von den älteren Menschen selbst, "die in ihren eigenen vier Wänden indes viel mehr Fähigkeiten entwickeln, als ihnen im Heim jemand zugetraut hätte. Unkraut zupfen im gemeinsamen Gemüsegarten, geduldig die Polenta im Kessel über dem Feuer rühren, die Katzen versorgen und vor allem – das Leben genießen". (Fokken) Nicht jeder Versuch gelingt freilich; das vielbeachtete libertäre Wohnprojekt Eilhardshof in Neustadt an der Weinstrasse (Rheinland-Pfalz) ist erst unlängst endgültig gescheitert, weil die Beteiligten die Kosten der architektonischen Renovierung grob unterschätzt hatten und in einen schmerzhaften Verarmungs- und Auflösungsprozess gerieten. Für die erfolgreiche Realisierung ist indes nicht nur eine gründliche ökonomische Kalkulation erforderlich; auch die sozialen Netzwerke, die den kooperativen Bestand solcher Initiativen sichern, müssen sehr belastbar und vielfältig zusammengesetzt sein. Umsicht ist also gefragt, ökonomisches und soziales Kapital müssen gleichermaßen vorhanden sein. Ein bemerkenswertes Beispiel für ein mit Umsicht und evolutionärer Perspektive gebautes Projekt ist etwa der Garten der Generationen im niederösterreichischen Herzogenburg. "Die konkrete Umsetzung, das heißt der Bau und Ausbau aller Bereiche, hängt immer von den jeweils vorhandenen Ressourcen ab. Das heißt, dass immer dann ein neuer Teil realisiert werden kann, wenn dafür genügend Geld und Arbeitskraft vorhanden sind, wenn eine Gruppe die Hauptverantwortung für den Bereich übernimmt und das Vorhaben den Bedürfnissen und Prioritäten der Gemeinschaft entspricht. Die Gemeinschaft wie auch ihre Einrichtungen wachsen nach dem organischen Prinzip." ( http://www.gartendergenerationen.net). Von Anfang an. Über viele Jahre bildet und verdichtet sich durch regelmäßige Veranstaltungen ein viel größeres Netzwerk und damit auch ein soziales Feld, das im Laufe der Jahre belastbarer und leistungsfähiger wird. Und auch die Idee der "Transition Towns", also des "Mitnehmens" ganzer Gemeinden und Dörfer im Sinn eines Erkennens eines absehbaren Endes jener fossilen Leichtigkeit, die uns den Ort unseres Lebens vergessen ließ, kann einen Beitrag darstellen zu einer wirklich nachhaltigen Schaffung eines intergenerationellen Lebensraumes. Hier geht es darum, das gewünschte Lebensmodell anzuknüpfen an die tatsächlich drohenden und spürbaren Auswirkungen der ökonomischen, politischen und Ressourcenkrise und den Focus Gemeinde ernst zu nehmen. Der Erfolg den diese Bewegung nicht nur in England hat, zeigt: Der visionären Möglichkeiten sind viele gesammelt, die Herausforderung heißt sie jetzt wirklich nachhaltig auf die Erde zu bringen.
Alexander, Christopher: Eine Muster-Sprache: Städte, Gebäude, Konstruktion. Wien: Löcker Verlag Blank-Mathieu, Margarete: Begegnung zwischen den Generationen. Intergenerative Pädagogik mit Kindern, Jugendlichen und Senioren http://www.kindergartenpaedagogik.de/1265.html), in: Kindergartenpädagogik - Online-Handbuch - Herausgeber: Martin R. Textor http://www.kindergartenpaedagogik.de Helfrich, Silke: Das Konzept der „Gemeingüter“ im Kontext nachhaltiger Gesundheitsförderung, in, Hrsg.: Eberhard Göpel/GesundheitsAkademie e. V: Nachhaltige Gesundheitsförderung / Gesundheit gemeinsam gestalten Bd. 4, FfM 2010 (Mabuse) Fokken, Ulrike: das Wunder von Tiedoli, in: Kurskontakte 153 (Oktober 2007), p.37 Huxley,Aldous: Eiland, deutsche Ausgabe, München 1973 (Piper),
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