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In der 20. Ausgabe von Oya sprach Farah Lenser mit Franz Nahrada, Commons-Netzwerker und damaligem Hotelier des Karolinenhofs in Wien, über seine Idee der »globalen Dörfer«.
Der Titel des Beitrags von 2013 lautete »Niemand baut für sich allein«. Wir haben Franz Nahrada nach sechs Jahren wieder besucht und waren neugierig, wo der Soziologe und Netzwerker jetzt steht. von Elisa Hanusch
Bad Radkersburg, ein kleines Städtchen in der südöstlichen Steiermark, direkt an der slowenischen Grenze, am ehemaligen Eisernen Vorhang, ist ein altes Handelszentrum im Abseits. Aber es wirkt dennoch freundlich, als wäre hier die Welt noch in Ordnung. Gepflegte Häuserfassaden strahlen dem Gast entgegen, verwunschene Gässchen laden zum Erkunden ein, schnell ergibt sich der erste, nette Kontakt mit einem Einwohner, der gemächlich am Hauptplatz entlangradelt. Eine Therme gibt es hier ebenso wie ein historisches Zentrum und eine vollständig intakte Stadtmauer. An diesen Ort hat es Franz Nahrada also verschlagen, um seine neuen, kleinen Utopien weiterzubauen.
Seit 2013 sein Porträt in Oya erschien, hat sich viel verändert. Damals stand noch das Hotel Karolinenhof in Wien – es gehörte seit vier Generationen seiner Familie – und die Überlegungen, »wie sich das Ding noch retten ließe«, im Zentrum seiner Gedanken. Heute sitzt er wieder in einem (winzigen) Hotel, das er gekauft und entwirtschaftet hat, beherbergt mich und erzählt beim Frühstück im ruhigen sonnigen Hinterhof, wie es dazu kam.Immer wieder schließt er die Augen, denkt einige Sekunden nach, als würde er das, was damals passiert ist, noch einmal an sich vorüberziehen lassen. Es scheint, dass er mit dem Neubeginn in Bad Radkersburg eine schwere Zeit hinter sich lassen und noch einmal von vorne anfangen konnte. Die starke Reglementierung durch die Behörden und der bauliche Zustand des »Flickwerks« Karolinenhof führten ihn in ständige Sorgen. Ein Rohrbruch da, eine defekte Stromleitung dort – »immer Unzulänglichkeiten, über die ein Teppich gelegt wird, immer wieder negative Überraschungen – es war eine riesige Last für mich«, erzählt Franz. In zahlreichen Versuchen kämpfte er um den Erhalt des Hotels: Kulturkreatives Wohngemeinschafts-Hotel, intelligentes Portal zum »Mosaik der Wiener Originale«, ein Genossenschaftsprojekt - es hat alles nicht sein sollen. Die Interessen in der Familie waren zu divers. Dazu kam ein Beinbruch mit Langzeitfolgen, immer wieder Burnout, Depression, Krankheiten. »Und das schlimmste: es fand sich niemand als Partner für eine gemeinschaftliche Langzeitperspektive «. Das Betriebsergebnis war negativ. Steuerberater und Mitbesitzer konfrontierten ihn mit der absurden Tatsache, dass es finanziell viel günstiger wäre, den Karolinenhof abzureißen und das Baugrundstück anstelle des gesamten historischen Gebäudes nebst Grundstück zu verkaufen. »Es war eine schreckliche Entscheidung, wie Verrat an der langen Familientradition. Ich fühlte mich schuldig. « 2013 inzenierte er noch das hundertjährige Jubiläum, dann starb die Mutter, deretwegen die Entscheidung immer wieder aufgeschoben worden war und in Wien starben reihenweise die Familienhotels. Die Idee eines in ein urbanes Dorf eingebetteten Hotels war für Franz tot. »Die Vorortidylle meiner Jugend war nicht zu retten. Der Bauboom in Wien wälzt alle gewachsenen Strukturen nieder, mit Ausnahme einiger glücklicher Viertel. Das 'Hauptquartier der Globalen Dörfer' wie es ein Freund halb ironisch bezeichnet hatte, würde einen neuen Platz im ländlichen Raum finden müssen.« Franz hatte auf der Suche nach einem zweiten Standbein bereits einige Expeditionen für sein »Landlabor« unternommen. So hatte er sich geistig im Kloster Mljet, in Wildalpen, dem Kloster Neuberg an der Mürz, in St. Georgen am Längssee und Kirchbach in der Steiermark bereits zeitweise beheimatet. »Seit meiner Jugend konnte ich die Stadt nur ertragen, weil ich in Dubrovnik, Saalbach oder viele Jahre in Samos eine zweite ländliche Urlaubsheimat hatte. Dort entstand auch die Idee, mein Leben der Forschung zu widmen, wie mit Hilfe neuer Kommunikationsmedien jeder Ort Zugang zum kulturellen und informationellen Reichtum der Welt erhalten könnte und urbanes Leben kein Privileg der Städte bleiben müsste.«
Der Verkauf des Karolinenhofs ermöglichte den Kauf eines in Konkurs gegangenen aber voll restaurierten Kleinsthotels im Herzen von Bad Radkersburg. »Der Zugang zu dieser Stadt ergab sich noch aus Überlegungen, im Wiener Hotel eine Alten-WG für meine Mutter einzurichten. Über gemeinschaftliches Wohnen im Alter kam ich mit einem Radkersburger Immobilienentwickler ins Gespräch.« Dieser Karl Maitz baut in Radkersburg einen Wohnpark auch für ältere Menschen und zeigte Franz den verborgenen Reichtum dieses ländlichen Kleinstädtchens -. auch an intellektuellen und menschlichen Qualitäten. »Also war das die logische Entscheidung, noch dazu weil es eine Umgebung ist, in der das Thema Gesundheit an oberster Stelle steht«. Franz bringt mit seinem »Studienhaus«, wie er es selbst nennt, Menschen zusammen, die Gedanken zu einer enkeltauglichen Welt zusammentragen wollen. Er hat ein Talent dafür, Kontakte zu knüpfen und betont immer wieder die Wichtigkeit des Internets hierfür. »Leitprojekt für mich ist ein 'Wohnen ohne Alterslimit' - denn Krankheit und Tod sind immer noch die blinden Flecken in der Gemeinschaftsszene.« In Wien ist schon so ein Verein entstanden. Bisher sind Gemeinschaften auf Demenz und Krankheiten älterer Bewohnerinnen und Bewohner wenig vorbereitet. Viele alleinstehende Menschen wollen sich andererseits nicht mit einem Ende im Pflegeheim abfinden und die Alternative wäre, sich schon früh zusammenzufinden und eine spezifische Form von Wohn- und Lebensgemeinschaft zu gründen, die sich ganz diesen Problemen stellt. Was nicht heißt, dass »die Alten unter sich bleiben sollen«, sondern ein Teil ihres Jungerhaltungsprogramms ist auch das kollektive Arbeiten, zum Beispiel an Mentoren- und Bildungsprojekten für Kinder und Jugendliche. »Wir leben in einer spannenden Zeit, überall blühen Oasen des Wandels auf, die zeigen, wie ein besseres Leben für alle möglich ist«, sagt Franz und nimmt uns mit an einen solchen Ort im nahen Fehring, wo 50 Erwachsene und 25 Kinder in einer Kaserne ein großes Gemeinschaftsprojekt begonnen haben. Die riesigen Räumlichkeiten der Kaserne nutzen sie als Arbeitswerkstätten, in der großen Gemeinschaftsküche wird abwechselnd gekocht, die ehemaligen Unterkunftszimmer bieten private Rückzugsorte, das liebevoll eingerichtete Ladencafé Platz für Interessierte. Außerdem schwärmt Franz vom »weltlichen Kloster« Natursinne in der Buckligen Welt, vom Handwerksdorf Gutenstein, von »Gärten der Genesung« und Paradiesgestaltung, allesamt belebt durch städtische Auswanderer. »Bei vielen dieser Projekte bin ich als teilnehmender Beobachter dabei und sorge dafür, dass sie voneinander wissen und verbinde die Menschen.« Bei der langen Heimfahrt von diesem Erlebnis bleibt uns nur zu wünschen, dass Franz in Zukunft viele Gäste in seinem Radkersburger Studienhaus begrüßen darf, dessen liebevolles Ambiente zum Verweilen und zum Träumen einlädt – der perfekte Rahmen, um kleine Utopien wachsen zu lassen und sie hinaus in die Welt zu tragen. f.nahrada@reflex.at
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