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17.Mai 2005:

Die Zeitschrift Streifzüge ist ein in Wien erscheinendes Magazin, das den Ansatz der "Wertkritik" (systematischer Zusammenhang von Arbeit, Geld, Kapital als falsche Form der Vergesellschaftung) zum Inhalt hat. Andreas Exner von der Redaktion hat mir angeboten, einem wertkritischen Publikum den Ansatz der New Work zu erläutern, nachdem die Streifzüge unlängst eine Kritik an New Work gebracht haben.

  • Wir arbeiten mit Helmut Leitner an einem Hyperlink Konzept (Anmerkungen verschiedener Autoren in verschiedenen Farben). Derzeit findest Du die Anmerkungen noch händisch am Fuß der Seite.
New Work, Wertkritik und Ökonux: Ein Gespräch mit Franz Nahrada

„New Work“ heißt das Konzept, mit dem Frithjof Bergmann der Krise der Arbeitsgesellschaft beikommen will. Weltweit stoßen Bergmanns Ideen auf eine große Resonanz, die ihren Niederschlag auch in praktischen Projekten gefunden hat. Franz Nahrada hat in Wien dieser Tage eine Veranstaltung mit dem Philosophen der New Work organisiert. Das nahmen wir zum Anlass, um uns mit ihm über das Verhältnis von New Work zur Wert- und Arbeitskritik zu unterhalten, und über die Chancen, damit Wege aus dem Kapitalismus zu eröffnen.

"Wie würdest Du die Eckpfeiler der New Work-Idee beschreiben?"

Im Grunde führt Frithjof Bergmann Gedanken weiter, die in ähnlicher Form von Alvin Toffler und Marshall McLuhan geäußert wurden: daß nämlich die Epoche der industriellen Produktion durch die Ausbreitung der Mikroelektronik und der Informationstechnologie nicht nur von der Produktionsseite ihre Grundlagen untergräbt, sondern auch von der Produktseite. Die Produkte industrieller Produktion werden selbst durch die Implementation von Chips und Kybernetik zu Produktionsmitteln. Die Veränderung der Produktion und der Produkte geschieht simultan. Anm SMA1

Toffler nannte das die "Dritte Welle" oder das "Prosumentenzeitalter", McLuhan spricht vom radikalen Gegensatz zwischen dem zentralisierenden Industriekonzept und dem dezentralisierenden Automationskonzept. In zahllosen Beispielen beschreiben sie, wie Arbeit auch auf der Produktseite an den Konsumenten "ausgelagert" wird. Eigener Schwangerschaftstest, eigene Textmaschine, eigene Druckerei....unser Alltag ist eigentlich voller Dinge die uns in die Lage versetzen Dinge selber zu tun, für die früher eine spezialisierte Funktion notwendig war.

Was Frithjof Bergmanns originäre Leistung ist, ist die simultane Veränderung - Arbeitsplätze werden wegrationalisiert und die Produkte werden immer intelligenter - zusammengeschlossen zu haben. Die Lohnarbeit geht zurück und die Technologie der Eigenproduktion wird immer mächtiger: Man muß nur eins und eins zusammenzählen können, um zu sehen was das für Konsequenzen haben könnte: Produzenten, die zunehmend weniger "Arbeitgeber" brauchen, weil sie eben direkteren Zugriff auf produktive Potenzen haben, können ihren Eigenarbeitsraum schaffen. Anm SMA2 Anm CA1

Im Gegensatz zu Toffler, der sich eine nichtmarktförmige Lösung überhaupt nicht vorstellen konnte und kann, spricht Frithjof von der Notwendigkeit der zumindest partiellen Demonetarisierung - "gemeinschaftliche Eigenarbeit".

Aber das ist nur die Spitze eines Eisbergs: Mit dem massenhaften Zunehmen kopierender und realisierender Technologie wird die Qualifikationsstruktur der gesamten Arbeitswelt epochal umgewälzt. Anm SMA3

Auch innerhalb der Wirtschaft kommt es nicht mehr auf das Vollziehen von vorgegebenen Kommandos an, sondern auf die ständig steigende Eigentätigkeit. Diese steht natürlich unter dem Diktat von absurden betriebswirtschaftlichen Vorgaben.

Spennend ist nun, daß diese beiden Spielarten der "Eigenmacht" - die im System und die außerhalb des Systems - beginnen, miteinander Kontakt aufzunehmen. Das ist erstmals in großem Stil in der Open- Source Bewegung geschehen. Für mich ist das New Work Konzept wenn Du so willst der "ideologische Ausdruck" dieses Prozesses, wobei richtiges und falsches Bewußtsein munter durcheinandergehen. Auf jeden Fall entsteht durch diese "Koalition" etwas völlig Neues, - Hardt/Negri beschreiben das phänomenologisch, ohne es auf den Begriff zu bringen.

Ich habe es die drei Eckpfeiler "Selbstversorgung", "Selbstentfaltung" und "Selbständigkeit" genannt. Die stecken das New Work Konzept relativ gut ab ohne daß wir die Resultate dieses Prozesses im Einzelnen schon kennen würden. Dennoch können wir diesen Prozeß so besser verstehen und vor allem: mitgestalten!

"Was brachte Dich dazu, Dich für dieses Konzept einzusetzen? Wo siehst Du seine Chancen, wo liegen Deiner Meinung nach die Defizite?"

Ich traf Frithjof Bergmann an der TU Wien und hörte mir an, was er über "Self Providing Villages" in Südafrika sprach. Er war in Begleitung eines ANC-Abgeordneten da, und ich sah staunend, daß da mein Konzept eines "Globalen Dorfes" besprochen wurde Anm FN1. Wir sind dann um Mitternacht im Café gesessen und haben beschlossen, uns zusammenzutun.

Also in Südafrika hat in der ANC-Regierung oder zumindest bei einigen Ministern der Zweifel an der Globalisierung zu historisch vielleicht bedeutsamen Ideen geführt. Der Nettoeffekt der Zurichtung von Land und Leuten als Produktionsstandort globaler Konzerne ist katastrophal. Die Idee, auf Eigenproduktion zu setzen, ist ähnlich revolutionär wie die Vertreibung der Bauern von der Scholle am Beginn der kapitalistischen Dynamik.

Gegenüber Frithjof hab ich nur eine Akzentsetzung vorgenommen, aber gemerkt daß ihm die ganz recht war. Mein Hinweis war darauf, daß sich die Eigenarbeit in unbeschränkt großen Netzwerken des Informationsaustausches zu vernetzen imstande ist. Keine New Work Bewegung ohne Open Source. Das heißt aber: je mehr eigenproduzierende Dörfer Anm FN2 es auf der Welt gibt, umso stärker ist ihre Produktivkraft, Bandbreite, Ingenuität und letztlich - politische Macht.

Das zweite ist, daß ich immer auch den ökologischen Gesichtspunkt betone. Das gesamte Techniksystem ist auf der Basis enormer Blindheit gegen die allgemeinen Produktionsvoraussetzungen aufgebaut. Ich meine daß ein selbstbestimmtes menschliches Produktionssystem zum Beispiel dem Automobil nicht denselben Stellenwert einräumen kann wie ein von Kapital- und Absatzschlachten dominiertes. Umgekehrt sind wir heute in der Lage, stoffliche Kreislaufsysteme zu komponieren, die wie natürliche Biotope sich quasi automatisch selbst regenerieren. Das sind Fragen, die weit über das New Work Konzept hinausreichen, die es aber nicht unberührt lassen können.

"Was ist das Neue an New Work? Bergmann plädiert zwar für eine radikale Selbstverwirklichung in Gemeinschaft, doch scheint es mir im Unklaren zu bleiben, inwieweit sein Konzept über eine bloße Utopie mit moralisierendem Unterton hinausgeht."

Mir scheint das Neue an NewWork gerade das Insistieren darauf zu sein, daß "Selbstverwirklichung in Gemeinschaft" nicht eine einsame Entscheidung einiger Individuen ist, die sich dann noch dazu mit dem Schicksal abfinden müssen, vom Mainstream der gesellschaftlichen Produktivkraft abgeschnitten zu sein. Robert Kurz hat in "Antiökonomie und Antipolitik" ganz ähnliche Gedanken wie Frithjof Bergmann anklingen lassen: daß die von dieser Gesellschaft nicht mehr gebrauchte und nicht mehr organisierte Kompetenz von Individuen eigenständig organisierbar ist. Wo aber bei Robert Kurz eine große Leerstelle hinsichtlich des Funktionierens einer derart abgekoppelten Reproduktion jenseits der Lohnarbeit gähnt, die durch beliebig radikales Vokabular aufzufüllen ist, sieht Frithjof einen konkreten historischen Prozeß, der inmitten der noch funktionierenden Segmente der Warenökonomie beginnt und mit ihr in einem Spannungs- und Ergänzungs- verhältnis zugleich steht. Hier hat er sich mit tausend verschiedenen Fragen der konkreten Ausgestaltung des Entstehens von auch stofflich überlebensfähigen Communities beschäftigt, wo bei Theoretikern wie Kurz immer nur die immergleiche Versicherung steht, daß selbstverständ- lich ein Kampf und eine Auseiandersetzung um Ressourcen mit der offiziellen kapitalistischen Welt angesagt sei. Wie bitte soll man sich das konkret vorstellen? Wie soll das prima facie feindliche Überleben in einer bis an die Zähne hochgerüsteten bürgerlichen Welt und zugleich eine überlegene Reproduktionsform gleichermaßen möglich sein? Kein Wunder daß Robert Kurz sich vom Konkretismus der krisis 19 wieder distanziert hat und sich auf das Level eines allgemeinen revolutionären Bewußtseinsakts zurückgezogen hat, mit dem sich so trefflich auf die "Handwerkelei" der praktischen Bewegung heruntersehen läßt.

Dabei wissen wir spätestens seit Eric Hobsbawn, daß die Epoche der bürgerlichen Revolution Ergebnis eines jahrhundertelangen Wachsens der Keimform innerhalb der alten feudalen Gesellschaft war, daß diese Keimform nicht zuletzt deswegen wachsen konnte, weil sie dem Interesse der alten Feudalherren an Reichtum für die Alimentation ihrer militärischen Gewalt entgegenkam. Die Wertkritik hat in dieser Hinsicht wertvolle Aufklärungsarbeit geleistet. Der logische Schluß, daß es auch hinsichtlich der Überwindung bürgerlicher Verhältnisse einer ähnlichen Keimform bedarf, die systemkonform und systemsprengend zugleich wirkt, wurde nur von einigen Leuten im Umfeld von Oekonux überhaupt durchdacht.

Frithjof ist meiner Ansicht nach ein Keimformtheoretiker, der der offiziellen Gesellschaft nicht nur ihre wachsenden Defizite in der Aufrechterhaltung ihrer eigenen zivilisatorischen Standards ent- gegenhält, sondern eben auch die Möglichkeit, durch die Transzendierung des engen Horizonts der Lohn- und Erwerbsarbeit eine Perspektive der Ausbalancierung ansonsten immer unhaltbarerer gesellschaftlicher Verhältnisse zu erreichen. Er macht ebensowenig wie Marx Voraussagen, wie sich eine solche gesellschaftliche Subjektivität weiter zu entwickeln vermag. Es geht um das hier und heute und um die Möglichkeit und Notwendigkeit der Etablierung von Segmenten selbstbestimmten Lebens.

Dabei ist Frithjof nicht moralisierend, er zeigt sogar wie die jahrhundertelange Gewöhnung an Lohnarbeit und Geld eine sekuläre "Armut der Begierde" erzeugt hat, also eine Unfähigkeit zur Selbstbestimmung, die sich nicht in vom Markt vorgekauten Alternativen bewegt. Aber diese "Armut der Begierde" ist kein Schicksal, und genauso wie die verschiedenen Phasen der Subsumtion unter die Sachzwänge des Geldes und der ihm dienlichen Gewaltverhältnisse ein schrittweiser Gewöhnungsprozeß waren, genauso geht es eben mit der Aufhebung. Nur der moralisiert nicht, der dem Willen einen gangbaren Weg zeigt, aus seiner Ohnmacht herauszufinden.

"Wie sehen die Erfahrungen in den New Work-Projekten aus? Hildebrandt meint in seinem Beitrag zu New Work für das Buch `Feierabend`, dass die meisten Projekte weit unter den Ansprüchen des Konzepts bleiben."

Ja. Das ist wohl auch Frithjof bekannt. Und dennoch: wofür soll das ein Argument sein? Doch nur dafür, es besser zu machen. Jeder der sich mit New Work einläßt tut gut daran sich selbst ein Bild vom Stand der Projekte zu machen, die es rund um die Welt gibt. Insgesamt handelt es sich um tastende Versuche, um Aufbrüche ins Neue, Unbekannte, die auch immer wieder eingeholt werden von ihren eigenen Unzulänglichkeiten. Ein Projekt wie die Sozialistische Selbsthilfe Mülheim zum Beispiel wirkt für viele abschreckend, weil da auf relativ niedrigem Level der Produktivkraft gearbeitet wird und sehr viel nur dadurch gelingt, daß bewußt Abstriche im Lebensstandard gemacht werden, sehr viel manuelle und mühsame Tätigkeit in Kauf genommen wird etc. Und dennoch sind genau diese Projekte, die ihre eigenen Möglichkeiten nicht überschätzt haben, die zähesten und lebensfähigsten.

Die Entwicklung zu überlegenen Formen der Produktivkraft dezentral vernetzter Produktionseinheiten ist einerseits mühsam, auf der anderen Seite läßt gelegentlicher Blick in die Technologiespalten der Zeitungen erahnen, wie rasch deren Bedingungen heranreifen. Was bleibt uns anderes über, als diese Entwicklung nach Kräften zu befördern und eine Allianz all jener herbeizuführen, die an der Verfügbarmachung solcher Fortschritte für die verschiedensten Ansätze der "Selbstverwirklichung in Gemeinschaft" interessiert sind? Das Potential für eine solche Allianz ist ungeheuer groß, und das Selbstbewußtsein der "Globalen Dörfer" wächst in dem Maß in dem sie nicht nur ihre produktiven Fähigkeiten, sondern vor allem die Fähigkeit sie an andere zu kommunizieren vergrößern.

"Liest man Bergmann, so findet man wenig Gesellschaftskritik oder Theorie, dagegen viele Appelle. Es gleicht in diesem Sinne eher einer Spielart ´Positiven Denkens´ denn emanzipativer Theorie oder Praxis-Reflexion.." Anm SMA4

Lassen wir mal die Frage beiseite, ob diese Feststellung wirklich stimmt, so scheint mir doch die Verbindung zwischen Theorie und Praxis keineswegs so einfach zu sein wie sie hier unterstellt ist. Obwohl das weit über die Bergmann-Thematik hinausgeht, kann ich mir doch den Hinweis nicht ersparen, daß gerade in Theoretiker- zirkeln nicht automatisch "emanzipative Praxis" zu Hause ist. Die Krisis-Exit Kontroverse könnte, richtig betrachtet, ein wenig Aufklärung darüber stiften, wie schwer der Weg von einer Kritik bürgerlicher Verkehrsformen zu emanzipativer Praxis ist. Ich bin selbst lange der Vorstellung vom Automatismus nachgehangen, derzufolge die Erkenntnis dessen was ist auch den Weg der Aufhebung miteinschließt. Aber in Wirklichkeit ist Denken nicht nur Werkzeug der Erkenntnis, sondern auch ein Weg, unsere Energien und unsere Aufmerksamkeit zu lenken. Denken kann ein höchst schöpferischer Vorgang sein, in dessen Vollzug sich neue Möglichkeiten abzeichnen, ein gestaltendes Bewußtsein von der Welt.

Frithjof Bergmann beabsichtigt gar nicht, eine Theorie des zeit- genössischen Kapitalismus zu liefern, doch sind seine Befunde so eindeutig und auch mit der Wertkritik kompatibel, daß ich mich schon wundern muß, daß ihm "positives Denken" vorgeworfen wird. Nein, er sagt zum Beispiel ganz klipp und klar daß es aus ist mit der Vollbeschäftigung, auch aus ist mit der Zweidrittelgesellschaft, daß wir längst in eine sekuläre Krise der (Lohn-)Arbeit geraten sind. Nur ist das nicht Anlaß, über die Krise zu kontemplieren. Krise heißt auch immer Möglichkeit des Neuen, und warum sollte denn das nicht interessieren? Gerade jemand der an vorderster politischer Front steht sollte es verstehen auch dieses Neue so zu erfassen und zu vermitteln, daß es massenhaft verständlich und handhabbar wird. Dieses Neue ist keine neue Gesellschaftsformation, es ist zunächst noch neue Praxis im alten Rahmen. Das Buch "Neue Arbeit, neue Kultur" ist eine Spurensuche, wie sich dieses Neue zu organisieren vermag - wie es das massenhafte negierende Urteil daß durch die Entlassung, die sozialstaatliche Entmündigung und Passivierung, das Nicht-In-Dienst-Nehmen oder die Prekarisierung über die Menschen gesprochen wird Lügen straft. Wie es sich dabei allerdings auch mit einer Gesellschaft zu arrangieren vermag, deren Tage wohl gezählt sind, deren Jenseits aber noch nicht wirklich greifbar ist.

Frithjof weist nach, wie massiv die Kompetenz und Professionalität, das ungeheure Potential der nicht mehr kapitalistisch organisierbaren Kreativität und Produktivität angewachsen ist. Ein Potential das alles andere will als ein weiteres Wachstum des Schrottplatzes, der ungeheuren Warensammlung die sinn- und ziellos unser Leben überflutet. Eine Bewegung der es um intelligente Produktion, um Wiedergewinnung von Kontrolle über das eigene Leben, um Gestaltung von Qualitäten und Beziehungen geht, wächst aus der vernachlässigten Menge von Wissen und Können. Ja, an dieses Potential richtet sich Frithjofs Appell, sich zusammenzutun und sich nicht mehr den Imperativen des Lohns und der Fremdbestimmung zu unterwerfen. Die technologische Kraft der assoziierten Arbeit ist so stark geworden, daß sie das Kapital über weite Strecken nicht mehr braucht. Das klingt unglaublich, weil uns ständig das Gegenteil eingetrichtert wird: daß das Kapital die Arbeit nicht mehr braucht.. New Work ist nichts anderes als der ofizielle und einvernehmliche Vollzug der Ehescheidung mit einem akzeptablen Scheidungspreis!

Natürlich muß man dafür sorgen daß der geschiedene Ehe- partner nicht rabiat wird. New Work ist auch der Versuch der Wirtschaft die Vorteile eines Arrangements mit der assoziierten Arbeit bewußt zu machen. Und zwar so nachhaltig daß ein positives Interesse an diesem neuen Arrangement ein Wieder- aufflammen des alten Beziehungskrieges verhindert. Deswegen geht es auch um Produkte und neue Märkte. Auf absehbare Zeit entstehen eben keine "Fabricators" in Eigenproduktion!

"Die Betonung `unternehmerischen Geistes` im Verein mit einer grundsätzlichen Marktgläubigkeit weckt bei mir die Befürchtung, dass Bergmanns New Work letztlich bloß der Ausweitung der Ich-AGs Vorschub leistet. Wie siehst Du die Abgrenzung zwischen New Work und neoliberalem Selbstunternehmertum? Kommt es hier nicht zu problematischen Überschneidungen?" Anm. SMA5

Frithjof pflegt an dieser Stelle zu sagen, daß es keine größere Sklaverei gibt als die der sogenannten Selbständigen, die zu Sklaven des Markts geworden sind. Er setzt eine sehr deutliche Abgrenzung zur rein formellen Freiheit der Selbstausbeutung. Diese Abgrenzung kann mehrfach praktisch werden:

1. Durch den Primat des "Calling". Es geht primär darum, die eigenen Bedürfnisse zu spüren und die Art, wie jeder sein Leben in Gesellschaft vollzieht, was es ihn zu geben drängt. Leben ist ein Prozeß von Geben und Nehmen, und Selbstentfaltung ein Prozeß in dem wir unsere tätige Seite leiderschaftlich entfalten. Ob sich der Austausch marktförmig vollzieht oder in einer anderen Vermittlungsform das ist keineswegs unwichtig - aber die Definition dessen, durch das wir mit anderen Menschen das sind was wir sind nimmt uns kein höheres Wesen ab.

2. Durch die Assoziation. Keiner kann seine Arbeit alleine und gegen die anderen tun, dies ist eine Illusion die uns eingetrichtert wird. New Work besteht auch darin, die richtigen Gemeinschaften und Soziotope auszuwählen und zu finden, in denen lohnende und befriedigende Formen der Selbst- organisation von Arbeit möglich sind.

3. Durch die radikale Senkung der Lebenshaltungskosten bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung von Lebensqualität. Möglich wird dies durch Kreislaufschlüsse assoziierter Arbeit, Gemeinschaftsbildung, Ressourcenpooling etc.

Freilich: die Netzwerkbildung ist auch für diejenigen interessant, die innerhalb des alten Systems keine Chancen mehr gegen Monopole und geballte Kapitalmacht haben. Das ist eine unvermeidliche Überschneidung. Durch die flexible Automation und Offene Wissensquellen kommt es auch zu einer Renaiscance des Handwerks und kleiner Betriebe. Doch es sind nicht mehr dieselben "Kleinbürger" die wir aus der Vergangenheit kennen: unter der Hand haben sie sich ebenfalls in kooperative Produzenten verwandelt, die von partizipativen Ressourcen gestärkt werden und sie selbstbewußt ausbauen. Eine nicht uninteressante Perspektive!!

"Bergmann scheint mir einen recht fragwürdigen, wenn nicht gar gänzlich unreflektierten und unpräzisen Arbeitsbegriff zu vertreten. In einem Interview betont er, dass `New Work` dazu führen würde, selbst intime Beziehungen zu vernachlässigen, weil `sinnvolle Arbeit` das Interesse eines Menschen so sehr fesseln könne. Ist das nicht ausgesprochen problematisch?" Anm. SMA6

Auch bei Marx gibt es die emphathische Formulierung, die Arbeit werde zum "ersten Lebensbedürfnis", wenn sie nicht unter entfremdeten Bedingungen stattfinde. Die Frage ist freilich, was sinnvolle und nicht entfremdete Arbeit ist. Wir kennen das Phänomen vom männlichen "Hobby", das als Kanalisation für den Ausdruck von Individualität und Emotion dient. Dass das wohl auch mit der traurigen Rolle der Intimität und Sinnlichkeit zu tun hat, die in der bürgerlichen Gesellschaft hinter all dem promiskuitiven Spektakel übriggeblieben ist, dass eine durch Kalkulation und Besitzdenken zerstörte Liebe das logische Resultat der Einrichtung der Familie als Reproduktionsgemeinschaft ist - das sind alles Faktoren, die hier mitspielen. Es kann schon sein, daß die Flucht in die Arbeit die Flucht in eine scheinbare Kontrolle der Welt ist, die sich der bewußten Gestaltung durch das Kollektiv entzieht. Genauso ist es aber die Werkstatt, in der der Mensch sich als Gestalter und Veränderer von Dingen erfährt. Ich habe selbst in meinem Leben ganz unterschiedliche Schwerpunktsetzungen an mir selbst erfahren und finde es am besten, wenn man sich von einem süßen Wahn in den anderen begeben kann. So wird man im Leben am wenigsten irre und hat den meisten Genuß daran....

Im übrigen halte ich es, streng wissenschaftlich gesehen, mit dem Arbeitsbegriff von Ulrich Sigor, der einen sehr nüchternen und befreienden Blick ermöglicht. Arbeit, so sagt er, ist jene menschliche Tätigkeit, die ihre eigene Verringerung zum Ziel hat. Ohne jetzt ein weiteres Faß aufmachen zu wollen: hier liegt vielleicht ein ganz hübsches Fluchttürchen aus dem Gefängnis einer "Arbeitsontologie" und ein Weg zu einem historischen Arbeitsbegriff, der die Rolle der kapitalistischen Akkumulation und der Arbeit als "Substanz des Kapitals" angemessen begreifen kann, ohne die immanente Rationalität des Arbeitsbegriffs komplett verabschieden zu müssen. Das werden wir wohl zu einem späteren Zeitpunkt klären müssen....

Fußnoten und Diskussionsbeiträge:


ChristineAx (CA)

(1) Einerseits ist es so, dass wir gelernt haben, dass der Einsatz von Computern für die Herstellung sehr viel Kompetenz voraussetzt und zwar

a) PCseitig

b) Über das Produkt und die Werkstoffe und die Maschinen, die es umsetzen sollen

c) Softwarehandling

Mich beschäftigt auch immer wieder der Aspekt, dass die Gefahr besteht, dass das Wissen um die Dinge (Verfahren, Werkstoffe, Maschinen) verloren gehen könnte, wenn es nicht mehr ausgeübt wird...Wir brauchen also Werkzeuge, die nicht zur Entqualifizierung führen... spätestens in der zweiten Generation weiß keiner mehr, warum diese oder jene!

Das bedeutet, dass wir in der Eigenproduktion entweder immer auf einem bescheidenen Ergebnisniveau bleiben: keine Kunst, keine Schönheit, keine Raffinesse... oder aber

Dass wir die große Maschine dazu bringen, die ganze Fertigung vom Endkunden hergedacht so einfach handhabbar zu machen, dass es jeder kann...

Mir wäre eine Welt von Menschen lieber, die ihre Sehnsucht in Sinn und Meisterschaft umsetzen...


Stefan Matteikat (SMA)

(1) Mir fallen da immer vor allem zwei Beispiele ein: IKEA, eine der höchstbewerteten Firmen zur Zeit, mit de facto durchautomatisierter Produktion (von den Einzelheiten abstrahiere ich allerdings mal), bei der die Endmontage vollends dem Kunden obliegt, und die Übernahme von Sachbearbeiter|Innen-Tätigkeiten der Banken und Sparkassen durch die Kunden selbst beim Online-Banking. Beide Beispiele zusammen vermitteln ein Bild, wie weit dieser Prozeß in sehr unterschiedlichen Bereichen schon fortgeschritten ist.

Der Witz der Sache ist: diese Verlagerung von Dienstleistungen zum Endkunden setzt ja eigentlich voraus, daß dieser auch die nötige Zeit hat, das alles selbst zu machen..

(2) Es ist interessant, dem nachzuspüren, wie anscheinend eine Art "Neues Handwerk" am Entstehen ist: an Stelle des klassischen Uhrmachers der kleine Laden, in welchem Druckerpatronen nachgefüllt werden.

(3) Das ist mir allerdings zu einseitig. Gleichzeitig entsteht nämlich ein zunehmender Sektor wahrhaft prekärer Tätigkeiten, die sich nicht ohne weiteres automatisieren lassen - Paket-Zustelldienste zum Beispiel. Aber generell hast Du recht: auch das sind vielfach "Minijobs für Akademiker".

(4) Heißt "emanzipative Praxis" bei den Streifzügen, alles zu negieren, was existiert oder was vorher war? Wohin das führt, habe ich nun schon ein paarmal erlebt.

Für mich war die Bekanntschaft mit _diesen_ "Spielarten positiven Denkens" von ausgesprochen befreiender Wirkung: Voraussetzung für die Selbstentfaltung.

(5) Ich versuche als "neoliberaler Selbstunternehmer" mit diesen Konzepten zu arbeiten und halte hier eher eine "Abgrenzung" für problematisch. Die Realität ist die, daß die Förderkonzepte zur Ausweitung der Ich-AGs eben auch die Möglichkeit kreativen Umgangs damit beinhalten (auch wenn das bei mir im Moment wieder einmal ziemlich wacklig aussieht:-).

(6) Hier sehe ich genau einen gegenteiligen Effekt: die konkrete Umsetzung von "New Work" kann für mich nur regional erfolgen - und zwar in erster Linie deshalb, weil Ware-Geld-Beziehungen nach und nach durch "social capital" ersetzt oder ergänzt werden, wie in einem Dorf eben, was wiederum heißt, daß ich auch viel mehr Zeit für die Familie habe, als früher.

Ein Unternehmer, der bis 22 Uhr in seinem Büro im Gewerbegebiet sitzt und dann in die Vorstadt nach Hause fährt, hat wahrscheinlich auch nicht mehr Gelegenheit für intime Beziehungen. Das ist nicht weniger problematisch.

(7) Wenn Bergmanns Konzept besagt - was ich nicht beurteilen kann, dazu habe ich zu wenig von ihm gelesen -, daß "Lohnarbeit auf Zeit" mehr und mehr hinfällig wird, weil heutige Tätigkeiten gar nicht mehr quantitativ erfaßt werden können (und in diesem Zusammenhang sehe ich auch die Bemerkung, daß eine sinnvolle Betätigung einen ja auch fesseln soll), läuft das so oder so auf einen "neuen" Arbeitsbegriff hinaus. Mein Problem mit der Wertkritik ist unter anderem, daß ihr Arbeitsbegriff ähnlich beschränkt ist, wie der des von ihr so genannten "Traditionsmarxismus". Statt Schluß mit der Arbeit machen zu wollen, steht doch wohl eher die Aufhebung der Lohnarbeit an.


Franz Nahrada (SMA)

(1) siehe GlobaleDörfer

(2) oder Lokale Lebenszusammenhänge, lokale Ökonomien

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