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GELD FÜR WIRKLICH GEWOLLTE ARBEIT

Das allerfatalste an der deutschen Situation der Arbeitslosigkeit ist die Monomanie, mit der man auf sie reagiert. Der Reflex dieser Reaktion hat sich so tief eingeprägt, daß man an Heines berühmten Satz vom Weinen über Deutschland erinnert wird. Denn wie anders als mit Heulen kann man auf diese sich selbst zerfleischende, mit jeder Wiederholung die Misere verschlimmernde Besessenheit reagieren? Man schluckt in Deutschland noch immer die von der Regierung schon zum 2008ten Mal verordnete Medizin, und das, trotzdem die Mehrheit jetzt klar und deutlich weiß, das diese Medizin nicht hilft.

Die Stichworte sind: Monotonie, die zur Monomanie geworden ist. Wirtschaftswachstum, noch dazu im Frühling, könnte, wie anderes Wachstum auch, etwas zum sich freuen, beinahe etwas für einen Osterspaziergang sein. Leider hat unsere Politik es zur Wachstums-Monomanie gebracht. Wieso und wodurch? Durch einen kolossalen Fehlschluß, nicht innerhalb irgendeiner hehren Theorie, sondern durch ein Entgleisen des natürlichen, alltäglichen Menschenverstandes.

Die Arbeitslosigkeit hat zum mindesten drei Gründe:

1. Die Automatisierung, die, wie wir jetzt gelernt haben, nicht nur im herstellenden, sondern auch im dienstleistenden Sektor Arbeitsplätze in bisher geflissentlich unterschätzter Höhe abschaffen kann.

2. Die Globalisierung, deren Wucht und Macht wir uns bisher auch nur höchst zaghaft eingestehen, über deren wirkliche Bedeutung uns aber möglicherweise China in den nächsten Jahren belehren wird. (Voraussichtlich schon im Jahr 2008, wenn die ersten, unvergleichlich billigeren aber qualitätsmäßig hervorragenden, in China produzierten Automobile – sehr wie BMWs, aber zum halben Preis - in Hamburg oder Kiel entladen werden.)

3. Die weltweite Völkerwanderung vom Land in die Städte. In einer schnell wachsenden Anzahl von Ländern sinkt der Teil der Bevölkerung, der zur Erzeugung der Nahrung nötig ist, von den 85% der Vergangenheit auf unfaßbare 3% (!), die noch übrig bleiben.

Die wirtschaftswissenschaftliche Borniertheit besteht in der Überzeugung, daß man auf diese grundsätzliche neue Situation einfach mit Wachstum, und nur immer mehr Wachstum antworten kann. Der Fehler dabei ist simpel, weil es ein lapidarer Fehler in der Größenordnung ist. Sich vorzustellen, daß man mit Wachstum allein die gebündelte und sich gegenseitig stärkende Gewalt der drei eben genannten Riesenfaktoren ausgleichen kann – das ist die Wachstums-Monomanie! Das zu glauben ist von der Größe her eben so unsinnig als trüge man eine Tasse Wasser zu einem Waldbrand, um ihn damit zu löschen.

Dieser Fehler allein macht dies aber noch nicht zu einer Manie. Was unseren Aberglauben an das Wachstum zu einer Art von Wahnsinn macht ist, daß es viel plausiblere und noch dazu unvergleichlich billigere andersgeartete Mittel zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit gibt. Es ist die Absicht dieser Seiten, folgenden Kontrast einmal grell zu beleuchten: Den Kontrast zwischen der Impotenz und Kostspieligkeit der in den letzten fünfzehn Jahren immer wieder verordneten Medizin und wenigstens einem von diesen gar nicht weit entfernten, effizienteren und bedeutend heilsameren Mitteln. Die Hoffnung ist, daß dieser Gegensatz uns wie ein einmaliges lautes Klatschen aus der Hypnose aufweckt, in der wir die letzten Jahre geschlafwandelt sind.


Das allermildeste, am wenigsten aufsehenerregende dieser anderen Mittel wäre wohl die Erweiterung unseres Stipendien-Begriffs. Das Vergeben von Stipendien hat schon eine seit langem geachtete und eingebürgerte Tradition. Bisher aber werden sie in den typischsten Fällen an Studierende oder Künstler vergeben. Im betonten Unterschied dazu könnte ein Programm entwickelt werden, durch das Stiftungen, aber gleichzeitig auch unterschiedliche städtische, Landes-, oder auch Bundesämter eine zu Anfang selbstverständlich recht begrenzte Anzahl von Stipendien für Arbeitslose – aber nicht nur für Arbeitslose – sondern im Prinzip an einen mit Absicht offenen Kreis von Menschen vergeben würden. Eben so offen sollte der Umfang der Ziele, der Aufgaben und Ansinnen sein, mit welchen man sich um ein solches Stipendium bewerben kann.

Die selbstverständliche Bedingung wäre lediglich, daß diese nützlich und von den Kandidatinnen und Kandidaten ausführbar sind. Abgesehen davon sollte gerade das nicht Beschränkte im Vordergrund stehen: die belohnten Vorschläge sollten neu, innovativ, nicht vorhersagbar, ja zum Augenblinzeln überraschend sein; also nicht Dinge, die jeder mit etwas Phantasie leicht aus dem Ärmel schütteln kann, sondern Ideen, die nach ihrer Überprüfung veröffentlicht würden, zum Teil auch, um dem verluderten Begriff von Innovation wieder Substanz einzuträufeln.

Eine zweite Bedingung aber wäre die weitaus wichtigere: Sie würde darauf bestehen, daß der Beantragende an der vorgeschlagenen Aufgabe aus einer tief verwurzelten Überzeugung, mit einem Wünschen und Wollen, das sein ganzes Wesen erregt und fasziniert, im Ernst arbeiten will. Diese zweite Bedingung verknüpft die Stipendien offensichtlich mit der schon seit fünfundzwanzig Jahren bestehenden Praxis und Gedankenwelt der Neuen Arbeit. Ein Kernpunkt der Ideen, aus dem sich sehr viel anderes entwickelt hat, war der Vorschlag, die Geographie der Arbeit nicht als ein Plateau, sondern als zwei Gebirge mit einem breiten Tal oder als zwei Polaritäten zu verstehen. Das eine Extrem des Feldes der Arbeit ist nämlich, daß sehr viele Formen der Arbeit Menschen verkrüppeln – so wie nasse Binden die Füße von chinesischen Frauen verstümmelt haben –, daß aber im polaren Kontrast dazu Arbeit, die man im Ernst tun will, Menschen nicht erschöpft, sondern sie stärkt.

Arbeit, die in diesem Sinne selbst-bestimmt ist, ermüdet Menschen nicht, sondern gibt ihnen Energie; sie zieht die Menschen in das Leben hinein und hilft ihnen, das Leben wirklich zu leben, und diese Art der Arbeit tut das mit mehr Kraft und mehr Erfolg als das Besuchen von unzähligen Seminaren oder das Ausprobieren von zahllosen Diäten, und sogar mehr als vieles, was als Therapie oder auch im Namen der Religion oder der Moral marktschreierisch angeboten wird.

Im Umkreis der Neuen Arbeit hat diese kraftgebende Qualität der wirklich gewollten Arbeit eine so große Bedeutung, daß wir uns einen eigenen Namen für diese Eigenschaft ausgedacht haben: unsre Bezeichnung dafür ist “Münchhausen-Kraft”. Damit unterstreichen wir, daß wir es in der Tat mit einer fantastischen Energie zu tun haben. Es hat Sinn, sie “Münchhausen-Kraft” zu nennen, zum einen wegen der Geschichte, in der der Herr Baron sich und sein Pferd am eigenen Zopf aus dem Sumpf zieht, aber noch mehr wegen der Geschichte, in der er mit zwei Magneten hinauf zum Mond klettert dadurch, daß er immer einen Magneten höher hinauf wirft, sodaß dieser ihn und den anderen Magneten mit sich zieht. Das sich auf diese Weise mit zwei Magneten Hochschaukeln ist der passendere von diesen Vergleichen, denn die gewünschte Arbeit ist auch etwas, das man über den eigenen Kopf hinaus hochwirft und das einen dann nach und nach, in vielen kleinen Stücken, wie auf Stufen, nach oben hebt.

Eine oft gestellte Frage will wissen, ob man mit Sicherheit erkennen kann, ob jemand Arbeit wirklich und im Ernst will oder nicht. Eine Antwort darauf ist, daß man das in sehr vielen Fällen schon kann. Nicht, natürlich, auf den ersten Blick, aber nach einigen längeren Gesprächen häufig genug, und ganz besonders, wenn man die Gelegenheit hat, jemandem beim Tun der wirklich gewollten Arbeit zuzusehen. Da kann man wahrhaftig sagen: “Das sieht man.” Wie ein Mechaniker mit einem Schraubenzieher umgeht, oder wie ein Lehrer in eine Klasse hineingeht, oder wie ein Gärtner eine Blume anfaßt, oder wie ein Bäcker eine Pizza in die Luft wirft kann da sehr viel in ganz wenigen Sekunden mitteilen. Es ist aber auch umgekehrt nicht eine Angelegenheit von Sekunden, sondern eine von fünfundzwanzig Jahren. Wenn man diese Frage durch eine Reihe von Jahren hindurch immer wieder mit Menschen bespricht, lernt man zu erkennen, ob jemand im Ernst etwas tun und erreichen will oder ob sich hinter einer Fassade hauptsächlich Angst und Opportunismus verbergen.

Daß es rein wirtschaftlich ein großer Vorteil ist, wenn mehr Menschen ihre Arbeit als faszinierend und aufregend erleben anstatt sie passiv wie eine milde Krankheit über sich ergehen zu lassen, versteht sich von selbst. Das ist ein Hauptgrund für die vielfältigen Unterstützungen, die die Neue Arbeit in der langen Geschichte ihrer Entwicklung von den unterschiedlichsten Managern und Beratern erhalten hat. Oft ist das geschehen, weil ein Manager den Wunschtraum hatte, daß seine Mitarbeiter die Arbeit, die sie innerhalb seines Betriebes verrichteten, als sinnvoll und aufregend erleben würden. Häufig war das nicht der Fall. Die Arbeit, die die Mitarbeiter als kreativer, innovativer und sie lebendiger machend erlebten, lag viele Kilometer weit weg von den Arbeiten, die der Betrieb zu dieser Zeit brauchte. Und das ist ein zentraler Punkt: Wenn man es diesen Menschen trotz dieser Tatsache möglich gemacht hätte, die von ihnen jetzt entdeckte Arbeit zu tun, dann hätte dies vielleicht überraschende Schübe von Innovationen erzeugen können – und hätte möglicherweise sogar den schon in so vielen Stoßgebeten beschworenen “Ruck” oder “Aufschwung” gebracht.

Daß die im Ernst gewollte Arbeit für die Menschen, die diese Arbeit tun, ganz unvergleichlich besser ist als die Arbeit, die sie gezwungen tun müssen, und daß diese Arbeit außerdem wirtschaftlich enorm überlegen ist, ist eigentlich schon ein eklatanter Kontrast. Man könnte meinen, daß diese Gegensätze schon einige Zweifel an dem Rezept, das alles auf das Wachstum der Lohnarbeit setzt, verursachen würden. Aber dem ist nicht so. Die Mantras des Schlachthaus-Wirtschaftssystems, in dem wir leben, sind so oft im einschläfernden Rhythmus wiederholt worden, daß solche Vergleiche zwar ein Wimpernzucken, aber kein Aufwachen aus dem hypnotischen Schlaf bewirken. Zum Aufwecken muß man wohl die Allerweltsfrage, die Frage “Wie wird denn das finanziert?” stellen. Und genau diese Frage stellen wir jetzt, und ganz in der Hoffnung, sie bewirke ein tatsächliches Wachrütteln. Wir werden dieses Ross aber nicht von hinten, sondern von vorn aufzäumen. Wir werden also diese Frage erst einmal im Hinblick auf die Beschaffung von Lohnarbeitsplätzen richten.

Wie sehen denn die Ausgaben auf dieser Seite des Kontrastes aus? Wie wird denn unter den jetzt herrschenden Umständen die Schaffung von Lohnarbeitsplätzen finanziert? Wie groß sind denn die hierfür benutzen Beträge, und wo kommen denn die Gelder für die Schaffung von Lohnarbeitsplätzen her?

Die Antwort auf diese Frage ist auf jeden Fall eine gestaffelte Addition: es dreht sich um eine Summe, die sich aus einer erstaunlichen Vielfalt von Teilen ergibt. Da ist zum ersten die nötige Investition. Es ist bemerkenswert, daß mit zunehmender Technisierung die Investitionskosten pro Arbeitsplatz, besonders im Herstellungssektor, rapide ansteigen. Sehr oft gilt das Verhältnis sogar in der entgegengesetzten Richtung: Kapital wird investiert – man kauft neue Maschinen –, um Arbeitsplätze zu reduzieren.

Als nächster Hauptkostenpunkt kommen dazu die Subventionen. Daß in Deutschland die Landwirtschaft und verschiedene Arten von Kohlebergbau Subventionen erhalten, ist allgemein bekannt. Davon, daß die Unterstützungen, die kleine, von Arbeitslosen aufgebaute Betriebe erhalten, “den Markt verzerren”, davon haben die meisten auch schon gehört. Was für das Gesamtbild von der spannendsten Wichtigkeit ist, sind die unwahrscheinlich gewaltigen Summen, die anscheinend in Deutschland viel weniger publiziert werden. In den USA erscheinen regelmäßig Artikel über die Millionen, die z.B. Chrysler vor dem Bankrott bewahrt haben, und die noch größeren Beträge, die seit dem 11. September den Luftfahrtgesellschaften überwiesen wurden. Eine einigermaßen vollständige Aufzählung würde ein dickes Buch ergeben, aber ein oder zwei Beispiele werden genügen, um eine erste Ahnung von den Unsummen, um die es hier geht, zu vermitteln. Im Wettstreit zwischen Boeing und Airbus wurde bekannt, daß Airbus schon vor dem Start des A350-Programms einen Antrag über 1,2 Milliarden Euro zu stellen beabsichtigte. Eine europäische Kommission verlautbarte vor kurzem aus Brüssel, daß im Jahre 2003 in Deutschland allein etwa 16 Milliarden an Subventionen an die Wirtschaft gezahlt worden sind. In wenigen Minuten könnte man die Zahl der skandalösen Subventionen, die an die erfolgreichsten deutschen Unternehmen – z.B. BMW, Porsche oder Siemens - gezahlt worden sind, aus ein paar Websites zusammenstellen. Aber weil die letzten fünfzig Jahre viele von uns gegen unerhörte Statistiken abgehärtet haben, wird so eine Lawine von Zahlen den Hypnosenschlaf kaum stören. Eine kleine, persönliche Anekdote hilft da vielleicht mehr.

Ein südafrikanischer Staatsminister erzählte mir bei einem Essen, daß er die Festansprache zur Wiedereröffnung eines Bergwerks halten mußte. Im allerletzten Augenblick, das Mikrophon schon in der Hand, wendete er sich zu seinem Nachbarn und fragte, wieviel Arbeitsplätze durch das Ausgeben der 380 Millionen Dollar, die zur Sanierung des Bergwerks verbraucht wurden, eigentlich entstanden waren? Die Antwort, die er bekam war: genau dreizehn.

Es fehlt noch eine dritte Kategorie. Zu den Investitionen, den Wirtschaftsförderungen und Subventionen kommen noch die Erpressungs- oder Bestechungsgelder hinzu. Die drei am Anfang genannten Riesenfaktoren (die Automatisierung, Globalisierung und Abschaffung der Landwirtschaft) üben einen permanent ansteigenden Druck auf die Anzahl der vorhandenen Arbeitsplätze aus, und dieser Druck führt einerseits zu der in allen Tonarten wiederholten Drohung, dieser oder jener Betrieb werde in ein benachbartes Billiglohnland auswandern. Auf diese Drohung folgt dann die Erpressung: wir bleiben hier, aber nur, wenn wir diese oder jene Geldsumme erhalten. Oder das Land oder die Stadt kommen der Erpressung zuvor und bieten Geldsummen an, um den Betrieb zu sich hin zu ziehen. In Ann Arbor im Staate Michigan, der Stadt, in der ich lebe, besitzt der Drogerie-Konzern Pfizer ein großes Labor, und die lokale Zeitung publiziert alle paar Monate den neuesten Bericht darüber, was genau Pfizer wieder von der Stadtverwaltung erhalten hat.

Trotzdem man ähnliche Geschichten zuhauf erzählen könnte, bleibt man mit ihnen doch nur an der höflich plänkelnden Oberfläche. Die tiefer ins Fleisch schneidenden Opfer, die wir für die Schaffung von Lohnarbeitsplätzen allmonatlich bringen, liegen nicht ganz so zu Tage. In dem Buch “Neue Arbeit – Neue Kultur“ habe ich den Ausdruck “das Verbrennen der Geigen” gebraucht, um diesen schmerzhaftesten Teil der Kosten sichtbar zu machen. Die Absicht dieses Bildes ist einfach: Die Maschine, die Arbeitsplätze schafft, muß unter Hochdruck gehalten werden, also werfen wir alles und jedes in das Feuer, das den Kessel erhitzt. Und eben nicht nur Kohle und Holz – das würde den Geldbeträgen entsprechen –, sondern in unserer Panik jetzt auch schon die ererbten Möbel, die sowieso nicht viel Hitze erzeugenden Bilder und Briefe, bis hin – in heller Verzweiflung – zu unseren Geigen. Gemeint ist, daß wir vor nichts Halt gemacht haben! Daß wir von allem weggekürzt haben: von den Renten bis zu den Kindergärten, von den Theatern bis zu den Schwimmbädern und den Museen; daß wir den Schutz der Natur bis zu der Luft, die wir atmen, aber auch die Bildung in unseren Universitäten, bis natürlich zur Pflege in unseren Krankenhäusern alles und jedes wahllos geopfert haben, wenn der Aufruf zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen kam.

Das gibt uns eine erste Ahnung von den Kosten auf der einen der zwei Seiten. Und wie sieht die andere Seite aus? Das Stipendium für jemanden, der etwas tun will, an dem seine Seele hängt, müßte nicht opulent sein. Frugal wäre gut. Also etwa tausend Euro im Monat.

Diesen Kontrast in einer Gleichung zu formulieren, ist natürlich etwas willkürlich, aber es hilft, wie eine Hilfslinie in der Geometrie. In diesem Sinne könnte man sagen: Vorstellbar wäre, daß das Verhältnis eins zu tausend wäre, daß die Kosten für einen einzigen Arbeitsplatz, zählte man alles von der Investition bis zum Verbrennen der Geigen zusammen, auf jeden Fall in die Millionen gehen, und daß man von dieser Summe ohne weiteres tausend Belohnungsbeträge finanzieren könnte. Noch knapper ausgedrückt: Einer Millionen Euro entsprechen eintausend Monatsstipendien über tausend Euro.

Noch einmal: Die Absicht ist ja nur, den Monomanie-Schlaf zu stören. Also ein ganz kleiner Schritt. Bescheiden. Wenn es dazu käme, daß nach so langer Zeit wenigstens eine Frage gestellt würde, dann wäre das Entscheidende schon erreicht. Denn genau das hat uns ja seit ‘89, also in den letzten fünfzehn Jahren, völlig gefehlt: Die Frage, ob eine Alternative zum Wirtschaftswachstum auch nur vorstellbar wäre. Und es könnte doch sein, daß diese Frage sich jetzt in einigen Köpfen zu formen beginnt. Wenn ja, dann zum Großteil deshalb, weil das Entweder/Oder nackt auf dem Tisch liegt: Wir können weiter tausend Mal so viel ausgeben, um noch einen einzigen Galeerenbankplatz zu schaffen, oder wir können diesen Betrag benutzen, um es eintausend Menschen zu ermöglichen, eine Arbeit zu tun, die der Gesellschaft nützt und die sie als Menschen weiterentwickelt. Entweder/Oder? Was werden wir in der Zukunft tun? Daß die Frage weiterentwickelt, verfeinert werden muß, besonders, was das zahlenmäßige Verhältnis betrifft, ist selbstverständlich. Aber das ist ja ein Teil der Hauptabsicht: Das unterbrochene Denken, das seit fünfzehn Jahren den Schlaf der Monomanie schläft, könnte genau damit wieder beginnen.

Wenn die Frage sich anfängt zu stellen, wenn das Denken sich den Sand aus den Augen reibt, dann würde man sehr bald erkennen, daß dieser erste kleine Schritt – eintausend Stipendien in Sachsen oder in Thüringen oder in Brandenburg – eben doch ein bedeutender Schritt, ein erster Schritt in einer anderen, in einer neuen Richtung ist. In welcher? Hin zu einem grundanderen Begriff des Wachstums. Nicht nur primitiv größer und schneller. Nicht ein Wachstum, das aus Blähung besteht. Sondern ein Wachstum hin zu der schon in Knospen vorhandenen nächsten Kultur, einer Kultur, die humaner sein wird, intelligenter und fröhlicher als die Kultur, die sich jetzt zerstört.

Frithjof Bergmann am 18. Mai 2005

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