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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2019-05-07


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Wittgenstein und die Sprache der KI

Termin: 7. Mai 2019 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-13

Yannik Ammereller: Wittgenstein und die Sprache der KI

Ankündigung

Wittgenstein und die Sprache der KI

Künstliche Intelligenz – wenige Begriffe sind so bedeutungsschwanger wie dieser. Die Medien polarisieren, die Meinungen gehen von Hoffnung zu Angst und Science-Fiction, Geschichten sind auf ihm aufgebaut. Wenn wir uns fragen, ob es künstliche Intelligenz überhaupt geben sollte, ist diese Frage oft an die Idee der Singularität gebunden – ein allwissender und allmächtiger Algorithmus, die moderne Version einer Gottesidee.

Dieser Angst stehen viele Kritiker gegenüber, die dieses Szenario als irrational bezeichnen und solch eine Entwicklung für unmöglich halten. Allerdings tun sie dies oft mit Argumenten ohne Hand und Fuß. Dieser Thematik möchte ich einen neuen Blickwinkel eröffnen, den Blickwinkel der Sprachphilosophie, indem ich das Sprachbild des späten Wittgenstein grob abbilde und zeige, inwiefern die Situation, die er in seinen "philosophischen Untersuchungen" dargestellt hat, auf die Frage nach einer singularen künstlichen Intelligenz übertragbar ist und welche Folgen sich daraus ergeben könnten.

Yannik Ammereller, 02.05.2019

Anmerkungen

Im Kontext unseres Seminars wurde schon viel zum Thema Künstliche Intelligenz gesagt, siehe neben den Seminarterminen am 03.05.2018, am 23.01.2018 und am 28.06.2014 auch

Ich spare mir deshalb inhaltliche Anmerkungen, da das Niveau jener Debatten auch nicht im Ansatz erreicht wurde, und konzentriere mich in diesen Anmerkungen auf die – für unser Kursvorhaben durchaus erhellende – Metaebene.

Der Vortrag demonstrierte alle wesentlichen Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, wenn wir sinnvoll über die Bewegungsformen einer hoch technisierten Welt (genauer: Wirklichkeit im Gebrauch des in der Vorlesung entwickelten Begriffs) zu sprechen, wenn dieses Sprechen selbst in eine Traditionslinie missglückter Sprechversuche eingebettet ist. Und mit einer solchen Einbettung steht der Vortragende nicht allein; sie betrifft uns alle, wie Herr Kleemann in seinen Bemerkungen zur historischen Genese entsprechender epistemischer Konzepte und Vorstellungen über das Funktionieren von Sprache genauer ausgeführt hat.

Mit dem Vortrag wurde mit hoher Selbstverständlichkeit etwas demonstriert, das in anderem Zusammenhang als Filterblase bezeichnet wird. Eine solche Filterblase zeichnet sich dadurch aus, dass ihre "Bewohner" Weltbeschreibungen mit hoher Selbstverständlichkeit als stringent ansehen, die aus einer äußeren Betrachtungsperspektive wirklichkeitsfremd erscheinen, da sie einfacher Empirie nicht standhalten. Die spezifischen selbstreferentiellen Kommunikationszusammenhänge in der Filterblase führen jedoch dazu, dass die inneren "Selbstverständlichkeiten" verstärkt und die externe Kritik marginalisiert werden.

Beide Momente wurden im Vortrag deutlich. Einem extrem holzschnittartigen KI-Bild stand ein ausgefeiltes sprachtheoretisches Konzept gegenüber, das für eine Beweisführung herhalten sollte, dass "überspitzte Ängste vor KI" unbegründet seien. Die Überzeugungskraft einer Argumentation, die bereits von falschen Prämissen ausgeht, ist allerdings gering.

So einfach ist es jedoch nicht, denn als falsche Prämissen erscheinen die Vorstellungen zur KI nur aus der Außenperspektive der Filterblase, nicht aber aus der Innenperspektive. Dummerweise war der Vortragende diesmal allein in seiner Filterblase, während er sonst in der Filterblase gelehrte Gespräche auf genau diesem Argumentationslevel mit anderen "Bewohnern" führen kann. Bilder zu Menschen in Filterblasen zu transportieren ist allerdings ein komplexes Unterfangen. So würden es die Eskimos schwer haben, uns in unserer "mitteleuropäischen Filterblase" ihre Erfahrungen und Bilder über Schnee zu vermitteln, weil uns schlicht die sprachlichen Mittel fehlen, dies in unserer eigenen Sprache auszudrücken. Ebenso schwer ist es für die Informatiker, den Philosophen in ihrer "Filterblase" etwas über die Tücken neuronaler Netze zu vermitteln und die Schwierigkeiten zu erläutern, die sich bei deren "Training" ergeben.

Das Wort "Filterblase" hat einen pejorativen Beigeschmack, mit dem ich in meinen Anmerkungen bisher natürlich gespielt habe. In der Vorlesung wird der deutlich neutralere Begriff "Handlungsraum" verwendet, meint aber letztlich nichts anderes.

Im Sinne unseres interdisziplinären Ansatzes hätte sich der Vortragende allerdings auch auf ein anderes Vortragskonzept einlassen, die eigene Filterblase verlassen und aktiv nach Anknüpfungspunkten zu anderen Konzepten suchen können, insbesondere denen, die in der Vorlesung entwickelt wurden und werden, da es auch dort um die Sprechbarmachung sozio-technischer Zusammenhänge geht. Diesen Schritt ist der Vortragende nicht gegangen. Er befindet sich damit allerdings in guter Gesellschaft deutlich gewichtigerer Vertreter seines Faches. Insofern war der vorgetragene Versuch, etwas zur Aufhellung der uns interessierenden Fragen zum digitalen Wandel beizutragen, durchaus akademisch redlich.

Hans-Gert Gräbe, 09.05.2019


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