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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2019-04-30


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Neue Formen kooperativen Handelns

Termin: 30. April 2019 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-13

Elizaveta Surzhikova, Samuel Silo: #VonHier und neue Formen kooperativen Handelns

Ankündigung

Ursprünglich wurden Hashtags verwendet, um unter einem bestimmten Schlagwort Themen zu bündeln und die Suche auf Twitter zu erleichtern. Heutzutage sind sie Bestandteil gesellschaftspolitischer Debatten, aber auch eine neue Form des Protests.

Als Phänomen – wie der in diesem Vortrag beispielsweise behandelte Hashtag “#vonhier” – geben sie nicht ausreichend repräsentierten Personengruppen eine Stimme, und das Internet bietet den der Gruppe angehörigen Personen die Möglichkeit, sich anonym über bestimmte Themen zu äußern.

In diesem Vortrag soll behandelt werden, wie unterschiedliche sozialen Medien eine große Plattform des Austauschs bieten, wie Menschen feststellen, dass sie nicht alleine mit ihren Problemen sind und das Gefühl bekommen, gesehen zu werden. Andererseits lässt sich auch streiten, dass diese Hashtag-Trends oft ins Leere schießen und schlussendlich nur noch wenig dem ursprünglichen Problem dienen.

Wir wollen diskutieren, warum Hashtag-Aktivismus oft so erfolgreich ist und wie die gegenseitige Kommunikation online im Vergleich zu offline funktioniert.

Elizaveta Surzhikova, Samuel Silo, 23.04.2019

Anmerkungen

Vielleicht hat Reckwitz ja doch recht, dass die "Gesellschaft der Singularitäten" primär von Zeichen aus zu beschreiben ist. Der Vortrag legte jedenfalls nahe, dass ein Zeichen – der Hashtag #vonhier – Quelle und Kondensationskeim einer ganzen, für die Vortragenden sehr relevanten Protest- und Betroffenheitskultur ist. Jedenfalls war der stark durch eine phänomenologische Perspektive geprägte Vortrag von genau einem solchen Ansatz aus aufgebaut. In der Vorlesung wurden für derartige Reflexionsstrukturen drei andere Begriffe in Stellung gebracht – Welt (im Plural), Wirklichkeit (im Singular) und zuletzt Handlungsraum. Die drei Momente Betroffenheitsdimension, Bindungswirkung und Kontextualisierung, die sich in der Diskussion als strukturelle Momente für die Viralität des Hashtags #vonhier abzeichneten, führen aber bereits von Reckwitz und der "Valorisierungsgesellschaft der Singularitäten" weg und relativieren die Bedeutung des Hashtags als Zeichen mit konstitutiver (valorisierender?) Wirkung. Insbesondere wurde deutlich, dass in der Selbstwahrnahme im konkreten Fall eine wenig kommunizierbare Betroffenheit vorgängig war, die durch den Hashtag auf einmal "öffentlich" und damit sprechbar wurde, auch wenn sich die Bindungswirkung eines solchen öffentlichen Sprechens auf die Betroffenen beschränkt, die Öffentlichkeit also keinesfalls so öffentlich ist wie in der Welt der Betroffenen wahr- oder angenommen. Kommen wir damit unvermittelt wieder in Reckwitz' Fahrwasser?

Das in der Vorlesung vorgestellte Konzept des Handlungsraums bietet einen anderen Ansatz, die dynamischen Bündelungsprozesse privater Weltbilder in Richtung höherer Kohärenz und damit auch die Herausbildung eines gemeinschaftlichen Verständnisses zu beschreiben, das sich in der Verwendung des Hashtags manifestiert. Die Parallelen zum Konzertbeispiel der Vorlesung sind mit Händen zu greifen, auch wenn der Dirigent als koordinierende Einheit und damit als "Kopf" fehlt, eine Analogie zum Free Jazz also angemessener wäre.

Viel Holz für ein angemessenes analytisches Verständnis von Prozessen und Zusammenhängen, die man sich heute bereits bemüht, in der Werbung und in der Wahlbeeinflussung produktiv zu nutzen. In diesem Zusammenhang steht auch die Frage, ob diese Seite des digitalen Wandels strukturell Neues liefert. Die Nutzung von Zeichen zur Selbstmarkierung von Subkulturen ist definitiv nicht neu. Die technische Leistung einer Plattform wie Twitter zur schlichten Clusterung von Posts nach Hashtags ist ebenfalls wenig spektakulär und auf ein einfaches Indexing reduzierbar. Unklar blieb in der Diskussion die Wirkung von Sortierverfahren nach Relevanz in einer solchen Plattform, welche über die Wertigkeit von Posts und damit über deren Sichtbarkeit für einzelne Nutzer entscheiden. Bereits einfache, zustandslose lineare Modelle zeigen den hohen Einfluss der Plattformbetreiber auf derartige Sichtbarkeitsbedingungen, der sich noch erheblich steigert, wenn Verfahren "mit Gedächtnis" wie PageRank zum Einsatz kommen. Das hohe manipulative Potenzial, das sich hinter diesen technischen Bedingtheiten digital gestützter wirklicher oder auch nur vermeintlicher Selbstermächtigungsprozesse verbirgt, wurde nicht weiter aufgegriffen. Unklar blieb auch, in welcher Beziehung diese Manipulationspotenziale zur beobachteten Kurzlebigkeit selbst von erfolgreichen Hashtag-Kampagnen stehen, was unter der Bezeichnung "Hashtag-Aktivismus" bereits Gegenstand soziologischer Untersuchungen sind.

Hans-Gert Gräbe, 05.05.2019


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